06.07.2022, 22:27
Russland vs. Ukraine
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06.07.2022, 23:17
(06.07.2022, 22:27)lime schrieb: Failed States gibt es viele auf der Welt. Nur welchen Nutzen soll es haben wenn diese sich in Zukunft lieber Richtung Rußland und/oder China orientieren? Mir ist nicht so klar ob du mit Sri Lanka ein negativ Beispiel für ein Ausverkauf an China und Russland aufzeigen wolltest oder nicht.
07.07.2022, 12:07
Sri Lanka ist eigentlich nur die Spitze des Eisberges, es wird noch mehr Länder betreffen. In Bezug auf Sri Lanka ist es zumal eher so, dass das Land schon vor dem Krieg politisch arg labil und überschuldet war. Quasi war das Land schon durch die Corona-Pandemie (Wegfall von Einnahmen aus dem Tourismus) in Schräglage geraten, dazu kam noch eine verkorkste Steuerpolitik - der Krieg hat hier also nur den Tropfen dargestellt, der die Sache zum Überlaufen brachte.
Zur Seekriegslage im Schwarzen Meer: Zitat:Ukraine Is Turning The Tide Against Russian Navy In Black Seahttps://www.navalnews.com/naval-news/202...black-sea/ Schneemann
08.07.2022, 10:29
Lagebericht über die Operationen in der Ukraine vom 6. Juli 2022 - Die Sommerkampagne
La voie de l'épée (französisch) Die russische Kampagne zur Eroberung des Donbass hat mit der Einnahme von Severodonezk und Lysychansk, zwei der vier Zielstädte, und dem Rückzug der ukrainischen Streitkräfte, die sie verteidigt hatten, eine neue Etappe erreicht. Nach einer kurzen operativen Pause werden sich nun alle russischen Bemühungen darauf konzentrieren, bis zum Ende des Sommers Sloviansk und Kramatorsk einzunehmen. Dies wird sicherlich schwieriger werden, und wir treten nun in eine große Phase der Ungewissheit ein. Endspiel in Severodonetsk-Lysychansk Nach Sewerodonezk am 25. Juni fiel am 3. Juli auch die Stadt Lysychansk, nachdem sich die ukrainischen Streitkräfte unter der Bedrohung einer Einkesselung zurückgezogen hatten. Die Provinz Luhansk ist nun vollständig unter russischer Kontrolle, ein Ergebnis, das seit dem russischen Durchbruch Mitte Mai bei Popasna so gut wie unausweichlich war. Die ukrainischen Streitkräfte ziehen sich auf eine Linie Siversk-Soledar-Bakhmut (SSB) entlang des Flusses Bakhmutovka und der Ringstraße T0513 zurück. Es handelt sich um eine ziemlich flache, dünn bewaldete und urbanisierte Region mit weiten Ausblicken, aber mit vielen kleinen Flüssen und weichem Gelände, das alle Fahrzeuge zwingt, die Straßen zu benutzen. Die Linie kann eine starke Barriere darstellen, wenn das Gelände defensiv organisiert werden konnte, konkret, wenn starke und tiefe Feldbefestigungen gegraben wurden. Wenn dies nicht der Fall ist, was wahrscheinlich ist, werden die beiden Stützpunkte Siwersk (12.000 Vorkriegsbewohner) und vor allem Bakhmut (77.000) solide sein, während der Rest für russisches Fernfeuer anfällig sein wird. Im Moment ist die SSB-Linie von fünf Manöverbrigaden, darunter die 4. mobile Brigade der Nationalgarde, und zwei Territorialbrigaden besetzt, während mehrere Milizregimenter, eine Manöverbrigade und zwei Territorialbrigaden noch östlich der SSB-Linie stehen und einen Bremskampf führen, bevor sie ihrerseits die Linie überschreiten. Ein Rückzugsmanöver mit so vielen Einheiten auf einem so kleinen, sichtbaren und abgeschotteten Raum ist unter Druck immer komplex zu organisieren. Eine wichtige Frage ist, was die Ukrainer an Kräften bei der Verteidigung der Severodonezk-Lysychansk-Tasche verloren haben, sobald sich abzeichnete, dass diese dem Untergang geweiht war. Wenn man sich mit einem ungünstigen Kräfteverhältnis in einer defensiven Position befindet, ist es praktisch unmöglich, alles gleichzeitig zu halten, sei es Gelände, Zeit oder Kräfte. Man muss Opfer bringen. Die Ukrainer beschlossen, in der Tasche so lange wie möglich Widerstand zu leisten, um Zeit zu gewinnen, aber auf die Gefahr hin, dass viele Brigaden eingekesselt wurden. Sie konnten das Terrain nicht halten, verzögerten den russischen Vormarsch um etwas mehr als einen Monat, aber zweifellos auf Kosten erheblicher Verluste. Die OSINT-Website Oryx berichtet, dass die Verluste der Ukrainer unter den dokumentierten Verlusten deutlich zugenommen haben, z. B. die Hälfte der Kampffahrzeuge, aber auch diese Verluste waren nicht sehr hoch. Das Ausmaß der russischen materiellen Verluste, die wahrscheinlich etwas höher sind als die der Ukrainer, ist nicht bekannt, aber wenn man das Feld besetzt, ist es leichter, seine beschädigten Fahrzeuge zu bergen und zu reparieren, auch wenn dies keineswegs eine russische Stärke ist. Die Verluste an Menschenleben in der Schlacht um die Sewerodonezk-Lysychansk-Tasche sind noch schwieriger zu bestimmen. Sie waren zweifellos auf beiden Seiten hoch, und es handelte sich vielleicht sogar um die verlustreichste Schlacht des Krieges. Die rund 20 ukrainischen Brigaden und verschiedenen Korps, die von der 30. mechanisierten Brigade südöstlich von Bakhmut bis zur 79. Luftangriffsbrigade westlich von Siwersk an dieser Schlacht teilnahmen, mussten zwangsläufig in unterschiedlichem Maße unter den wochenlangen Kämpfen sehr leiden. Am meisten litten zweifellos vor allem die wenigen territorialen Brigaden, die trotz ihrer Unerfahrenheit und materiellen Leichtigkeit an vorderster Front eingesetzt wurden. Die Niederlage und der Rückzug sind seither oft von einem Gefühl der Ohnmacht begleitet, was ebenfalls nie gut für die Moral ist. Die sich zurückziehenden Kräfte haben zwangsläufig einen großen Teil ihrer operativen Wirksamkeit verloren und würden eine Ruhe- und Wiederaufbauphase hinter dem Kampfgebiet benötigen, zumindest in der Gegend von Kramatosk und noch besser hinter dem Kampfgebiet, aber es ist nicht klar, ob die Ukrainer diesen Luxus haben. Was die ukrainischen Streitkräfte wahrscheinlich gerettet hat, ist, dass die russischen Streitkräfte in Wirklichkeit nicht wirklich versucht haben, sie zu zerstören. Das ist vielleicht zu ehrgeizig für Kräfte, die selbst verschleißen und denen es schwerfällt, über einen einzigen großen Schwerpunkt hinauszugehen - in diesem Fall den Süden von Lyssyschansk, auf den sich die Sturmtruppen und die Masse der Artillerie mit ihrer schweren Logistik konzentrieren. Diese Anstrengung besteht im Übrigen aus einer Reihe von Vorstößen im Rahmen von "Angriffsboxen" von höchstens 10 mal 10 km Größe, auf Brigade-/Regimentsebene und für einige Tage, immer mit Unterstützung der Artillerie. Diese Vorstöße, wie in Syrien, sind in erster Linie als Suche nach der Verdrängung des Gegners aus einem Gebiet zu verstehen, durch den Angriff selbst oder die drohende Umfassung nach mehreren russischen Vorstößen an seinen Flanken. Die Methode sucht nicht vorrangig nach der Vernichtung des Gegners, sondern nach seinem Abzug, da die primären Ziele das Gelände sind, das möglichst zu den geringsten Kosten erlangt werden soll. Ein Vorstoß mit einer durchschnittlichen Geschwindigkeit von 2 km/Tag lässt dem Gegner, wenn die Dinge gut laufen, immer Zeit, sich zurückzuziehen, wobei es der Artillerie und der Luftwaffe obliegt, ihn während dieser Bewegung zu belästigen. Im Moment scheinen die russischen Streitkräfte in einem Halbkreis von 5 bis 15 km vor der Stadt weiter auf Siwersk zuzustoßen und möglicherweise zu versuchen, die Stadt in diesem Zuge einzunehmen. Sie greifen auch südöstlich von Bakhmut im Bereich des Vuhlehirske-Reservoirs und von Kodema an, in der Hoffnung, im besten Fall die ukrainische 30. mechanisierte Brigade, die das Gebiet hält, einzukreisen und im schlimmsten und wahrscheinlichsten Fall die Brigade nach Bakhmut zurückzudrängen. Ansonsten besetzten sie und stießen ohne größere Kämpfe vor. Die Fortschritte sind recht langsam, da die russischen Einheiten, insbesondere der Pool der Sturmtruppen, auf den die große Mehrheit der Angriffe entfällt, ebenfalls gelitten und an Kapazität verloren haben. Es ist schwer vorstellbar, dass sie nicht auch hier eine Phase des Wiederaufbaus und der Umverteilung der Kräfte durchlaufen. Die bevorstehende Schlacht Da der Donbass-Feldzug nun auf die Schlacht von Sloviansk-Kramatorsk reduziert wird, sollten die Russen logischerweise überall sonst weiterhin in Verteidigungshaltung bleiben und versuchen, Widerstand zu leisten und gleichzeitig so viele ukrainische Kräfte wie möglich zu fixieren (Artillerieschläge auf die Stadt Sumy, weißrussische Gestik, Aufrechterhaltung der Artillerielinie - 20 km - nördlich von Charkiw und Schläge usw.). Ihre Bemühungen sollten sich gleichzeitig auf die Investition durch "Angriffsboxen" des SK-Paares richten. Die Einnahme von Slowjansk-Kramatorsk wird jedoch kein leichtes Unterfangen sein. Die beiden Städte sind fast aneinandergeklebt und bilden eine Einheit mit 250.000 Einwohnern in Friedenszeiten (eine wahrscheinlich auf 20 % reduzierte Bevölkerung), was der Größe von Tschernihiw entspricht, das mit geringeren Mitteln und viel weniger Vorbereitungszeit von Ende Februar bis Ende März einer ganzen russischen Armee standhielt. Tatsächlich sind Slowjansk und Kramatorsk auch mit Druschkiwka (60.000 Einwohner) und Kostiantyniwka (77.000) zu einem 60 km langen Ballungsraum an der H20 verbunden. Das Ganze ist, vor allem in Kramatorsk, viel besser mit dem Rest der Ukraine verbunden als es die Tasche Sewerodonezk-Lysychansk war. Es ist also mit einer langen Investition Stück für Stück zu rechnen, beginnend mit Sloviansk, das aus mehreren Richtungen angegriffen würde: vom Stützpunktgebiet Izium nordwestlich der Stadt und rund um die Autobahn M03, nordwestlich von Lyman und dem Waldgebiet entlang des Flusses Donezk und südöstlich von Bakhmut, ebenfalls an der Autobahn. Schon allein wegen des Verkehrsknotenpunkts scheint die Einnahme von Bakhmut für die Fortsetzung der russischen Operationen im Westen unerlässlich zu sein. Seine Einnahme hätte auch den Vorteil, dass die ukrainischen Streitkräfte auf der SSB-Linie von einer Umarmung bedroht wären. Die ukrainische Strategie besteht weiterhin in der Hoffnung, lange genug durchzuhalten, um die Russen von ihrem Ziel, den Donbass vollständig zu erobern, abzuhalten, bis sich das Kräfteverhältnis durch russische Schwächung und ukrainische Stärkung ändert. Dies geschieht über mehrere Achsen. Die erste ist natürlich die Verteidigung der Ziele selbst, durch Fernverteidigung mit Feldbefestigungen und Widerstand innerhalb der Bastionen. Für die Ukrainer ist zu hoffen, dass sie die vier Monate genutzt haben, um unterirdische Gänge zu graben, zu befestigen, Vorräte an Lebensmitteln und Munition anzulegen etc. Um zumindest zu hoffen, dass sie so lange durchhalten können. Die zweite Möglichkeit besteht in Gegenangriffen an der Peripherie, die den Gegner zwingen sollen, die Hauptfront zu entlasten. Derzeit, nachdem sie nördlich von Charkiw angegriffen und zurückgeschlagen wurden, liegen die ukrainischen Bemühungen eindeutig auf der Seite der Cherson-Front, zwischen Mykolajew und Cherson einerseits und weiter nördlich in der Gegend von Lozove und Davydiv Brid, wo die Ukrainer einen kleinen Brückenkopf jenseits des Flusses Inhulets errichtet haben. Sie versuchen, die Kontrolle über die Straße nach Nova Kakhovka jenseits des Dnepr zu erlangen, deren Eroberung zweifellos den Rückzug der russischen Streitkräfte über den Dnepr bedeuten würde. Die Kräfte sind ausgeglichen und den Ukrainern fehlt es an Artillerie für ihre eigenen Vorstöße, zumal sie diese nicht so überwältigend und gleichgültig gegenüber der Bevölkerung einsetzen können wie die Russen. Bisher sind die ukrainischen Vorstöße minimal und werden manchmal durch russische Gegenangriffe zunichte gemacht. Der Feldzug in die Tiefe Der Krieg in der Ukraine ist in vielerlei Hinsicht der Krieg, der in der Deutschen Bundesrepublik (BRD) während des Kalten Krieges nicht stattgefunden hat, mit im Wesentlichen denselben Methoden und zu 80% mit demselben, kaum modernisierten Material. In den 1970er Jahren wurde auf sowjetischer Seite viel darüber nachgedacht, wie man die Bundesrepublik innerhalb weniger Tage erobern könnte, ohne dass auf beiden Seiten Atomwaffen zum Einsatz kommen würden. Dies führte zu Marschall Ogarkows Doktrin der "Hochgeschwindigkeitsoffensiven", die direkt von Methoden aus dem Ende des Zweiten Weltkriegs inspiriert war, wie der Operation Auguststurm in der Mandschurei 1945, einem absoluten Vorbild der russischen Operationskunst. Auf westlicher Seite war man zunächst an einem Brems- und Abnutzungskampf interessiert, doch mit den Doktrinen AirLand Battle und FOFA (Follow-on-Forces Attack) kam die Idee hinzu, den Feind so tief wie möglich an einer Reihe von entscheidenden Punkten zu treffen, deren Zerstörung die sowjetische Maschine zum Stillstand bringen würde. Es wurden spezielle Ausrüstungen entwickelt, wie z. B. hochpräzise Mehrfachraketenwerfer, die nun in der Ukraine zum Einsatz kommen. Neben der direkten Verteidigung des primären Ziels der Russen und den Angriffen an der Peripherie besteht der dritte Schwerpunkt der ukrainischen Bemühungen in einer Kampagne von Präzisionsschlägen in die Tiefe. Sie sind natürlich nicht die einzigen, die diese Kampagne praktizieren, die Russen tun dies ebenfalls und hauptsächlich mit ballistischen Raketen oder Marschflugkörpern. Auch den Ukrainern ist dies nicht neu, denn sie haben in der Vergangenheit bereits erfolgreich logistische Ziele, Kommandozentralen, Stützpunkte oder besetzte Gebiete und sogar Russland angegriffen. Am 1. April zerstörte ein Angriff von zwei ukrainischen Kampfhubschraubern ein Treibstofflager in Belgorod, dem großen russischen Stützpunkt etwa 40 km hinter der Grenze, und am 3. Juli schlugen mehrere ukrainische Totschka-U-Raketen in der Stadt ein. Die ukrainischen Spezialeinheiten waren auch bei einigen Sabotageangriffen erfolgreich. Das war natürlich nützlich, mit der großen Einschränkung für beide Seiten, dass tiefe Schläge die Bevölkerung treffen können, was zwangsläufig Empörung hervorruft, und für die Ukraine, dass jeder Angriff auf russischem Boden (zu dem sie sich nie bekennen) zu einer Eskalation in Richtung einer offiziellen Kriegserklärung beitragen kann. Dies ist jedoch nicht entscheidend. Neu ist, dass mit dem Aufkommen präziser Langstreckenartillerie wie der deutschen PzH 2000 oder der französischen Caesar, vor allem aber der amerikanischen M142 HIMARS-Raketenwerfer, die über 80 km mit einer wahrscheinlichen Kreisabweichung von 5 Metern (jeder zweite Treffer in einem Kreis mit 5 m Radius) treffen können, eine Schwelle überschritten werden kann. Die Langstreckenartillerie hat bereits erheblich dazu beigetragen, dass die Russen die Schlangeninsel 40 km vor der Küste nicht mehr halten können, aber seit über einer Woche werden vor allem zahlreiche russische Munitionslager zerstört, 11 in genau 9 Tagen, die Hälfte davon in der Region Donezk hinter der Hauptfront und zwei in der Nähe von Melitopol, wobei offenbar enorme Schäden angerichtet wurden. Die Artillerie ist die Hauptstärke der Russen, aber diese Artillerie ist auf einen schweren und komplexen Nachschub an Granaten angewiesen. Wie bei allen Massengütern erfolgt der Transport zunächst per Schiff oder in diesem Fall per Eisenbahn von Russland aus zu Depots, die systematisch in der Nähe von Bahnhöfen angelegt werden. Die Lastwagen der Nachschubbrigaden der Armeen fahren dann im Pendelverkehr zu den vorgeschobenen Depots der Divisionen, die etwa 40 km von der Frontlinie entfernt sind, von wo aus die Depots der Brigaden/Regimenter (10-15 km) und der Kampfgruppen (4-5 km) versorgt werden. Im Umland von Kiew waren es diese langen Lkw-Kolonnen, die vorrangig von Drohnen oder ukrainischen Nahkampftruppen angegriffen worden waren, was ein entscheidender Faktor für den Sieg gewesen war. Diesmal sind die Konvois, die sich hinter der Front bewegen und besser geschützt sind als im Februar/März, weniger verwundbar. Man muss also die neue ukrainische Allonge, die präzise, aber nicht massiv ist, und die gute Aufklärungsfähigkeit durch die amerikanischen Mittel und die lokalen Partisanen nutzen, um im Vorfeld zuzuschlagen, insbesondere die Eisenbahnstrecken (aber es gibt Reparaturbrigaden, die sich ihrer schnellen Instandsetzung widmen) und vor allem die Depots der Bahnhöfe. Je mehr Depots zerstört werden, desto mehr wird die russische Artillerie an der Arbeit gehindert, viel mehr als wenn man versucht, die Geschütze zu zerstören. Genau das beginnt nun zu geschehen. Das kann bedeuten, dass benutzte Bahnhöfe und Depots weiter entfernt von der Reichweite der HIMARS liegen müssen, aber das geht auf Kosten längerer LKW-Pendelfahrten und damit letztlich auch auf Kosten einer geringeren Anzahl von Granaten, die täglich zu den Batterien gebracht werden. Ohne Granaten kein Angriff und ohne Angriff kein Sieg. Man kann sich nun vorstellen, was passiert wäre, wenn wir (die USA) die Verlegung der Ausrüstung und der NASAMS-Flugabwehrbatterien bereits Ende März durchgeführt hätten, als sich die neue russische Vorgehensweise abzeichnete. Die Präzisionsschläge in die Tiefe würden seit einem Monat andauern, und die Dinge sähen ganz anders aus, was die Russen zweifellos dazu zwingen würde, ihre Praxis erneut zu ändern. Solange man sich ändern kann, kann man weiterkämpfen, wenn man nicht mehr kann, wird man vom Stärkeren besiegt.
10.07.2022, 09:36
Ach, hatten wir ja auch schon angesprochen: Herr Melnyk wird uns verlassen. Offiziell ist es wohl eine Art von (durchaus üblicher) Rotation im diplomatischen Korps, inoffiziell dürfte sicherlich auch manches zerschlagene Porzellan eine Rolle gespielt haben...
Zitat:Ukrainehttps://www.spiegel.de/ausland/ukraine-a...714431ec11 Weiterhin: Wegen dem Streit um reduzierte russische Gaslieferungen - laut russischer Seite ein technisches Problem (auch weil eine wegen der Sanktionen zurückgehaltene Turbine fehlt) -, könnte es nun so sein, dass Kanada dieses Bauteil doch freigibt, aber erst an Deutschland, was natürlich dann die Frage aufwirft, ob wir unsere eigenen Sanktionen aushebeln, wenn wir es den Russen übergeben. Möglicherweise war dies aber auch Absicht und Taktik seitens Moskau... Zitat:Livetickethttps://www.n-tv.de/politik/09-09-Russis...43824.html Ferner - die USA bereiten eine weitere Unterstützung für die Ukraine vor, könnte also bald mehr von den HIMARS geben. Russische Darlegungen, man habe bereits mehrere dieser Systeme zerstört, wies das Pentagon zurück. Zitat:KRIEG IN DER UKRAINEhttps://www.faz.net/aktuell/politik/ausl...61191.html Schneemann
11.07.2022, 09:16
So umfangreich dürfte das Aufklärungsbild der Nato über die Ostukraine garnicht sein. Wurde so auch mal vor Wochen kommuniziert. Die eingesetzten Aufklärungssysteme operieren schließlich nur im Nato-Luftraum, spricht deutlich außerhalb der Sensorenreichweite. Das über der Ukraine andere Systeme eingesetzt werden halte ich für unwahrscheinlich. Bleiben entsprechend Satellitendaten und damit dürfte die HIMARS Party schnell vorbei sein, wenn die offensichtlichen Ziele abgearbeitet wurden und die Russen sich wieder mit Dislozierung und Tarnung vertraut machen werden.
Die '600 tanks' sind bei Lichte betrachtet fast auschließlich leicht bewaffnete APCs. Leider hat sich im Westen die wahnwitzige Idee durchgesetzt, MBTs and IFVs zu liefern sei irgendwie mehr eskalierend als Artillerie. Höchst frustrierend, hätte man im Westen im Früjahr entschlossener gehandelt hätte dieser Krieg vor Einbruch des Winters vorbei sein können. So halt nicht.
11.07.2022, 10:05
Er soll ja gerade eben nicht vorbei sein. Das ist ja der Sinn der ganzen Sache.
Allgemein: Die Ukraine baut derweilen ihre strategischen Reserven immer weiter auf, primär mit Waffenlieferungen aus dem Westen. Zielsetzung ist bereits seit Mai (Anfang Mai offiziell verkündet) die Aufstellung eines Heeres von 1 Millionen Soldaten, mit welchem dann eine Großoffensive vor allem in Richtung der Südostukraine und der Krim geführt werden soll, und dem folgend dann gegen den Donbass. Ukrainische Nationalisten fordern zudem den "Anschluss" von Rostow und einigen anderen Gebieten als Ausgleich für erlittene Schäden etc. https://twitter.com/thetimes/status/1546...-in-die-kr https://www.thetimes.co.uk/article/ukrai...-3rhkrhstf Ob die strategische Reserve jetzt schon tatsächlich 1 Millionen erreicht hat ist sehr zweifelhaft. Zudem ist der militärische Wert des Gros dieser Soldaten ziemlich gering, aber die Masse macht schon einiges aus, und real einsetzbar dürften inzwischen mehrere hunderttausend sein. https://de.euronews.com/2022/07/11/ukrai...-in-die-kr Wenn mit dieser strategischen Reserve jetzt eine frontale Offensive in Richtung Kherson und Krim gestartet wird, dann ist dies meiner Meinung nach immer noch verfrüht. Man sollte diese Kräfte stattdessen weiter aufbauen und zurück halten, und weiter hochrüsten. Zudem vertut man damit Möglichkeiten russische Truppen welche im Bereich Donezk vorrücken werden aus der Nachhand zu schlagen und dort weiter systematisch abzunutzen und man erhöht zu früh die eigenen Verluste (aufgrund des offensiven Vorgehens) - eventuell sogar zu stark, noch darüber hinaus wird dies den Krieg keineswegs beendenn, sondern nur eskalieren, und entsprechend noch ausweiten.
11.07.2022, 10:39
(11.07.2022, 09:16)Nightwatch schrieb: So umfangreich dürfte das Aufklärungsbild der Nato über die Ostukraine garnicht sein. Wurde so auch mal vor Wochen kommuniziert. Die eingesetzten Aufklärungssysteme operieren schließlich nur im Nato-Luftraum, spricht deutlich außerhalb der Sensorenreichweite. Das über der Ukraine andere Systeme eingesetzt werden halte ich für unwahrscheinlich. Bleiben entsprechend Satellitendaten und damit dürfte die HIMARS Party schnell vorbei sein, wenn die offensichtlichen Ziele abgearbeitet wurden und die Russen sich wieder mit Dislozierung und Tarnung vertraut machen werden. Für die russische Logistik dürfte es nahezu unmöglich sein, auf große Munitionsdepot im näheren Bereich der Front zu verzichten. Zu groß ist der Munitionsbedarf speziell für die Raketenartillerie. Man kann solche Depots nicht 300km hinter der Front anlegen und dann direkt bis zu den Einheiten karren. Dafür dürfte der verfügbare Transportraum schlichtweg nicht ausreichen. Das gleiche gilt für Gefechtsstände. Gerade dadurch das die Russen ihre Truppen auf niedriger Ebene in Kampfgruppen gliedern, ist eine Frontnahe Kommandostelle wichtig. Dieser Umstand ist wiederum den offensichtlich unzulänglichen Führungsmitteln der Russen geschuldet. Ich sehe die Russen in einem Dilemma: entweder die Depots nach hinten verlegen und damit die Nachschublinien überdehnen oder nah der Front anlegen und dann immerzu in Reichweite hochpräziser Artillerieschläge der Ukrainer zu sein. Und dass diese Depots getarnt / der Aufklärung entzogen werden können, halte ich auch für schwierig. Wir reden hier über jeweilse Tausende Tonnen Munition, die kann man nicht mal eben unter einem Baum parken und verstecken.
11.07.2022, 10:59
@Quintus Fabius : Ich teile Deine Skepsis bezüglich der Ukrainischen Offensive.
Warum trotzdem jetzt? Vielleicht sind die Russen stark abgenutzt, erschöpft und haben wenig Reserve, Logistik? Ist Cherson schon sturmreif? Tatsache ist, dass Putin und Co immer schrille drohen. Stehen wohl mit dem Rücken am Abgrund. Putin konnte Waffenlieferungen nicht durch militärische Drohungen verhindern. Auch die Getreide-Erpressung half nicht. Die Sanktionen wirken und wurden verstärkt. Wenn jetzt der Gas Hebel nicht wirkt, und der Gepard etc trotzdem kommt... Übrigens hat man in Norwegen einen Munitionslieferanten für den Gepard gefunden. https://www.spiegel.de/politik/deutschla...a9bc50bf01 Ich sage: nochmal 200 Mrd, davon 100 Mrd Gaspreisbremse. Sch***ss auf Schuldenbremse, Putin must fail.
11.07.2022, 11:14
@speciman
Zitat:Ich sehe die Russen in einem Dilemma: entweder die Depots nach hinten verlegen und damit die Nachschublinien überdehnen oder nah der Front anlegen und dann immerzu in Reichweite hochpräziser Artillerieschläge der Ukrainer zu sein. Und dass diese Depots getarnt / der Aufklärung entzogen werden können, halte ich auch für schwierig. Wir reden hier über jeweilse Tausende Tonnen Munition, die kann man nicht mal eben unter einem Baum parken und verstecken.Fluch und Segen der Offensive quasi. Segen ist hier nun etwas relativ, aber die Russen machen eben auch die Erfahrung, dass sie zwar vorrücken, wenn auch langsam, aber eben vorrücken durch ein von Kämpfen und Artillerie stark zerstörtes Gebiet, hinzu kommt auch, dass die Verkehrswege oftmals gezielt sabotiert wurden vom weichenden Gegner. D. h.: Obwohl man vorrückt, ist die Logistik erschwert, während der Gegner auf der anderen Seite quasi ein weitgehend intaktes Hinterland hat, wo er Material - relativ - ungestört verschieben kann. Das wird den Russen zum Nachteil gereichen (zu den anderen Faktoren, die hinzukommen, wie bspw. Materialabnutzung, Verwendung von "dummer" Munition und einer sich nach und nach verbessernden Artillerieschlagkraft der Ukrainer). Gut möglich, dass wir die letzten Züge der russischen Feuerwalze sehen und sie sich alsbald festfrisst. Wobei wir dann beim nächsten Punkt sind... @Quintus Zitat:Zielsetzung ist bereits seit Mai (Anfang Mai offiziell verkündet) die Aufstellung eines Heeres von 1 Millionen Soldaten, mit welchem dann eine Großoffensive vor allem in Richtung der Südostukraine und der Krim geführt werden soll,Ich kann mich entsinnen, dieses Thema schon mal mit Nightwatch gehabt zu haben. Und hier sehe ich nachwievor dieses "Millionenheer" etwas skeptisch. Es wird sicherlich so sein, dass die Ukrainer Zulauf haben werden, vermutlich einige hunderttausend Mann, aber diese werden nicht über Nacht bereit stehen und auch nicht alle auf einmal. Ich schätze mal, dass - wie interessanterweise derzeit Ukrainer und auch einige russischen Quellen mutmaßen - der Krieg mit dem Herbstregen einschläft. Es gibt ab September irgendeinen halbgaren Waffenstillstand und beide Seiten graben sich erst einmal ein. Sporadische Artillerie- und Raketenschläge über die HKL werden vielleicht folgen, mehr aber auch nicht. Dann kommen Regen, Schlamm und Schnee - und alles erstarrt. Gut möglich, dass wir im Winter dort 20 Grad unter Null haben werden. Und die Ukrainer bilden aus und rüsten mit tatkräftiger Unterstützung der Westmächte auch fleißig auf, und im Frühjahr, ggf. Mai 2023, wenn sie dann vielleicht an die 500.000 Mann bereit haben, mit HIMARS, Panzerhaubitzen, Excalibur und Co. - dann werden sie zur Gegenoffensive antreten. Wie diese aussehen wird, wie weit sie kommt, ist aber m. M. n. bislang schwer abzuschätzen. Motiviert werden sie sicherlich sein, aber es ist eben auch die Frage, wie viel Material die Russen bis dahin auf der anderen Seite zusammenziehen, denn sie werden damit rechnen, dass dieser Angriff kommt. Zudem müssen die Ukrainer eben dann selbst durch das verwüstete und entsprechend wohl auch verminte Terrain vorstoßen, dürften also ähnlichen Ärger haben wie die Russen derzeit. Es ist aber dennoch im Bereich der Möglichkeit, dass wir im Frühjahr 2023 im Donbass wirklich eine Materialschlacht sehen werden, die das bisher stattgefundene in den Schatten stellt. Meiner Meinung nach sollten wir die Ukrainer weiterhin unterstützen, aber eben so stark, dass sie vielleicht den Donbass wieder zurückerobern können, aber eben nicht weiter vorzurücken imstande wären. Denn das wäre dann eine ebenso unnötige wie schwer abschätzbare Eskalationsgrundlage, die uns allerdings nicht nützen würde. Und mancher ukrainische Nationalist würde vermutlich gerne bis Woronesch vorstoßen... Schneemann
11.07.2022, 11:33
Man könnte das rein theoretisch schon dislozieren, und den Zufluss anders gestalten, wenn man es könnte. Es hat schon seinen Grund warum die Russen aktuell ein sehr starres Push-System verfolgen, und das liegt nicht primär am Mangel an Lkw usw. usw. sondern vor allem an der Steifheit und mangelnden Anpassungsfähigkeit ihrer militärischen Organisation. Die Russen könnten mit dem was die real haben gegen die Ukraine wesentlich mehr erreichen, aber sie sind in allem was sie tun zu steif, zu langsam, zu wenig anpassungsfähig. Natürlich passen sie sich (quälend) langsam dann mit der Zeit schon an, aber das ist für die moderne Kriegsführung zu langsam. In Teilen benutzt ihr Militär de facto auch nicht das moderne militärische System (dessen vorderstes Kennzeichen überhaupt Dislozierung und Tarnung sind), was viel - viel ausschlaggebender ist als die Frage auf welchem technischen Stand ihre Panzer sind.
Im übrigen ist auch das ukrainische "Hinterland" keineswegs so unversehrt wie Schneemann es hier geschrieben hat. Da schlägt es auch fortwährend allenorten ein, zwar mit zunehmend abnehmender Präzision, aber immerhin. Man unterschätzt hier wie sich die vielen kleineren strategischen Angriffe der Russen dann doch mit der Zeit erheblich summieren (Ikea Prinzip). Jeweils für sich allein betrachtet wirken diese Angriffe wie nichts im Vergleich zu den Möglichkeiten welche hier beispielsweise die NATO aus der Luft heraus zaubern könnte, aber für die Ukraine reicht das trotzdem - es addiert sich einfach zu sehr mit der Zeit. Umgekehrt ist es durchaus richtig, dass die Russen mit dem weiteren Vordringen in ukrainisches Gebiet immer größere Probleme erzeugen, und zwar nicht so sehr durch Partisanen, ukrainische Angriffe auf ihre rückwärtigen Dienste etc. sondern vor allem in Bezug auf die feindliche Aufklärung. Die ukrainische Armee hat mehrere verdeckt operierende Einheiten welche ausdrücklich in Zivil sich überrollen lassen und dann aufklären und entsprechende Kenntnisse erzielen. Beispielsweise hat das Azow Regiment eine explizit dafür aufgestellte Einheit welche parallel noch Sabotage und Sprengstoffanschläge als Auftrag hat. Sinnvollererweise verzichtet man auf die beiden letztgenannten und setzt diese Soldaten primär als Fernspäher ein. Dazu kommt noch die Aufkärung durch die ukrainische Bevölkerung selbst. Je weiter die Russen vordringen, desto mehr Informationen kommen von der Zivilbevölkerung aus den besetzten Gebieten, während umgekehrt die Russen kaum Informationen aus dem ukrainischen Hinterland erhalten, bzw. diese Informationsquelle abnimmt, je weiter sie vorrücken. Diese Auswirkungen auf die Informationslage sind wesentlicher als ein paar Partisanengruppen die irgendwo mal eine Bombe vergraben.
11.07.2022, 11:45
@Quintus Fabius
Ich denke nicht dass das Sinn der Sache ist, soviel strategisches Denken exisitert auf beiden Seiten des Atlantiks nicht. Ich glaube vielmehr das es da schlicht um die Gasversorgung geht. Man hat sich wohl eingeredet, dass man Moskau durch den Verzicht auf gewisse eingebildete Eskalationsstufen davon abhalten kann, uns das Gas abzudrehen. Wäre ich Putin würde ich das natürlich trotzdem machen. Pünktlich zum Beginn der Heizperiode, abwarten und dann Gaslieferungen gegen ein Ende der Waffenlieferungen an die Ukraine tauschen. Wir haben uns so mit unserer vorgeschobenen Besonnenheit und Zurückhaltung zur Kaschierung der eigenen Angst, Feigheit und Unentschlossenheit in eine noch viel schwierigere Lage manövriert. Viel besser wäre es gewesen, den Krieg in der Ukraine von Anfang an ab März oder April maximal zu eskalieren. HIMARS&Co hätten seit dem Frühsommer im Einsatz sein können. Spätestens! Die Ukrainische Armee könnte mittlerweile mit vielen hundert Abrams aus US Lagerbeständen operieren. Die ersten Ukrainischen Piloten könnten mit der Umschulung auf die F-16 fertig sein und die bereits im Einsatz befindlichen westlichen Piloten der Fremdenlegion der Ukraine verstärken. Es wäre so viel möglich wenn man nur wollen würde. Lieber eine klare und eindeutige Niederlage der russischen Armee im Laufe dieses Jahres anstatt ein jahreslanges Siechtum das Leid und Tod auf beiden Seiten in die Höhe treibt und sich wie ein Krebsgeschwür im europäischen Hinterhof ausbreitet. Dazu wäre aber halt klares und entschiedenes Handeln, Führungsstärke ! von Nöten gewesen anstatt des bemühten Abmoderierens einer eigentlich unpassenden Affäre, wie es seit Monaten so ziemlich alle Beteiligten auf westlicher Seite an den Tag legen. Stattdessen werden jetzt halt die Rufe nach Verhandlungen lauter und lauter werden wenn der Sommer erst mal vorbei ist und die Temperaturen fallen. Die Offensive auf Kherson findet auch genau deswegen jetzt statt. Die Ukraine weiß sehr genau, dass sie wahrscheinlich nur ein endliches Zeitfenster haben bevor der Druck aus dem Westen größer wird doch irgendeinen Verhandlungsfrieden anszustreben. Die 1 Million Mann dürfte sich maximal auf die Gesamtstärke der Ukrainischen Armee beziehen. Diese Zahl gab es für den Sommer schon vor Monaten, insofern ist das schon realistisch. Hilft halt nur mäßig solange nicht genügend Ausrüstung aus dem Westen kommt. @specimen Es geht nicht darum die Depots nach hinten zu verlegen sondern schlicht besser in der Fläche zu verteilen. Es ist doch offensichtlich was hier passiert ist. Angesichts der vor HIMARS&Co nicht vorhandenen Bedrohung hat man den bequemen Weg gewählt und lustig Munition möglichst zentralisiert in irgendwelchen Lagerhäusern angehäuft. Das geht auch anders, wenn man will oder muss. Genauso Kommandostellen in Frontnähe. Sicher mag es bequem sein irgendwelche Gebäude auf irgendwelchen schon mehrmals beschossenen Flugplätzen zu beziehen und dort zu bleiben bis einem buchstäblich die Decke auf dem Kopf fehlt. Wenn man will oder muss geht das aber auch sehr viel mobiler.
11.07.2022, 12:26
@Nightwatch
Naja, im Nachhinein ist man immer klüger. Machen wir uns nichts vor: Im Februar dachte mindestens die Hälfte aller Politiker (und auch Geheimdienstler) im Westen, es gibt keinen Angriff. Man hoffte es wohl auch, ja man dachte an eine Show of Force und Drohungen und das es dabei irgendwie bliebe. Dann kam der Angriff doch, und alle waren zunächst in einer Art Schockstarre. Hektik setzte ein, man lieferte, was gerade ging, suchte die Lager durch, meistens leichtes, tragbares Gerät. Die "Zeitenwende" in Deutschland kam etc.; es war etwas, womit niemand Wochen zuvor auch nur im Ansatz gerechnet hatte. Dann jedoch das überraschende Debakel der Russen vor Kiew, die beinahe schon irritierende Zurückhaltung der russischen Luftwaffe, es gab eine gewisse Erleichterung, v. a. in Europa und auch in Deutschland. Tenor: So stark sind die Russen doch nicht, die Ukrainer halten die Russen doch auf (genau genommen tun sie dies ja immer noch) etc. pp. Eine "maximale Eskalation" hätte also aus europäischer (und auch amerikanischer) Sicht militärisch zu diesem Zeitpunkt überhaupt keinen Sinn ergeben. Und wäre auch innenpolitisch nicht zu verkaufen gewesen. Dann das Umswitchen auf den Donbass mit anderer Taktik - und hier könnte man durchaus eine gewisse Unterschätzung der immer noch vorhandenen russischen Feuerkraft unterstellen, was aber angesichts des russischen Versagens davor auch irgendwie nachvollziehbar war -, dann kam die Materialschlacht. Es wurde dann nach zwei, drei Wochen ersichtlich: Mist, das gelieferte Zeugs reicht doch nicht. Herumsuchen in den Lagern, was kann schnell geliefert werden? Da hatten wir aber dann schon Ende April/Anfang Mai. Und jetzt, zwei Monate später, ist das schwere Gerät zunehmend im Einsatz - und wirkt sich meiner M. n. auch immer stärker aus. D. h.: Ja, man könnte unterstellen, man habe nicht sofort die Tragweite richtig erkannt oder jede Entwicklung richtig gedeutet, aber genau genommen hat dieser Krieg manche Haken geschlagen, die niemand für möglich erachtet hatte und die dazu beitrugen, dass sich auch manche Militärs in die Nesseln setzten mit Prognosen. Letztlich haben die Politiker im Westen also bei aller Überraschung relativ korrekt reagiert (man könnte dies wiederum als Problem ansehen, wenn man sagt, sie würden "nur reagieren als zu agieren", aber genau ist man in Demokratien immer an Entscheidungsfindungen und Abwägungen gebunden - insofern sehe ich diesen [deinerseits nun von mir unterstellten] Vorwurf als nicht ganz fair an). Schneemann
11.07.2022, 12:28
Werter Nightwatch,
der geneigte Leser mag sich vielleicht noch daran erinnern, aber noch vor Kriegsbeginn hatte ich massive Waffenlieferungen des Westens als klares Signal gefordert, und mit einem solchen eindeutigen Signal hätte sogar der Krieg eventuell noch vermieden werden können, da es seit jeher mein Eindruck war, dass Russland fest davon ausging, dass der Westen absolut gar nichts tun wird. Die sind vor allem auch deshalb einmarschiert, weil sie angenommen haben, dass der Westen über ein paar Pseudosanktionen hinaus nicht handeln wird. Hat er aber, was in Russland regelrechte Verblüffung hervor gerufen hat. Natürlich war und ist alles Handeln des Westens für die von dir genannte Zielsetzung eines schnellen Sieges unzureichend, aber wie es ebenfalls gegebenenfalls noch bekannt ist, halte ich einen schnellen Sieg der Ukraine mit Rückeroberung der zerstören Gebiete für extrem nachteilig für uns, und wir sind das einzige was hier zählt. Und als der Krieg dann losging habe ich sogar die These aufgestellt, dass wir selbst einseitig die Gaslieferungen kappen sollten, und auch dies wäre ein radikales und entschiedendes Signal gewesen und hätte strategische Auswirkungen haben können. Zudem hätte es uns dann im Laufe der Zeit bis jetzt bereits komplett frei gemacht von jedwedem Erpressungspotential welches sich daraus ergibt. Nun kann man auch hier wieder von Schaden etc lamentieren, aber das wäre schon praktisch machbar gewesen. Nachdem nun einige Zeit ins Land gegangen ist, halte ich das Niveau der Waffenlieferungen nun für genau richtig, im Sinne unserer Zielsetzung bzw. um den Nutzen für uns zu maximieren. Das dies für die Ukraine höchst nachteilig ist, kann nicht geändert werden. Denn ich bleibe weiterhin bei meiner These, dass ein zu weitgehendes aufdrehen "der Temperatur" die Sache dort außer Kontrolle geraten lassen wird. Dieser Krieg ist höchstgradig diffizil zu führen und wir haben (intentional oder nicht) es anscheinend tatsächlich geschafft ihn genau dem exakt richtigen Niveau vor sich hin laufen zu lassen, welches ja primär wir durch unsere Waffenlieferungen feinsteuern. Dies muss daher unbedingt so beibehalten werden, und auf keinen Fall ist es in unserem Sinne, dass die Ukraine die zerstörten Gebiete zurückerobert und wieder besetzt. Das würde nur immense Folgekosten für uns nach sich ziehen und überhaupt nichts bringen. Es brächte nicht einmal Frieden, den eine Fortsetzung des Krieges oder ein Folgekrieg wären unvermeidlich, davon bin ich fest überzeugt. Russland darf daher weder gewinnen noch verlieren. Damit löst sich diese Problemstellung für uns am elegantesten. Bei einer Niederlage Russlands wird eben kein nachhaltiger Frieden entstehen, sondern ganz im Gegenteil, und dies selbst dann, wenn das "Hochkochen" der Kämpfe die Sache nicht ohnehin schon eskalieren sollte. Entsprechend muss dieses "Überkochen" verhindert werden und schlußendlich sitzen wird dazu genau an der richtigen Stelle. Man muss den Russen glattwegs noch etwas Hoffnung lassen, umso tiefer und nachhaltiger werden sie sich selbst ruinieren. Der Zug für eine wie auch immer geartete friedliche Koexistenz ist längst abgefahren. Jetzt stehen wir vor nur noch zwei einfachen Möglichkeiten: 1. Wir haben einen Feind der militärisch geschwächt wurde. 2. Wir haben einen Feind der militärisch extrem geschwächt wurde. Und ein schneller Sieg der Ukraine hätte Variante 1. zur Folge, und ist daher keine sinnvolle Strategie (für uns).
11.07.2022, 15:42
@Schneemann
Was heißt hier im Nachhinein. Zwei, drei Wochen nach Kriegsbeginn – geschenkt. Spätestens ab Mitte März war für den informierten Beobachter erkennbar, dass der Vormarsch auf Kiev nicht mit ausreichenden Kräften unterfüttert ist, Kharkiv und die Front im Donbass hält, sich der Vormarsch im Süden deutlichem Widerstand gegenübersieht und ein Angriff weiter westlich aus Weißrussland nicht mehr zu erwarten ist. Sprich, es sollte deutlich gewesen sein, dass ein schnelles Zusammenbrechen des ukrainischen Widerstandes mit jedem Tag unwahrscheinlicher wird. Allerspätestens Anfang April hätte es mit dem Zusammenbruch der Offensive auf Kiev auch den uninteressierten Laien und der allerletzten Koryphäe in Berlin klar sein müssen, wie sich dieser Krieg auf absehbare Zeit hin entwickeln wird. Ab diesem Zeitpunkt ‚zweit Märzhälfte‘ dann wäre politische Führungsstärke nach innen und außen nötig gewesen. Du bemerkst zurecht, dass eine raschere Eskalation innenpolitisch schwer zu verkaufen gewesen ist. Das hätte man angehe müssen, ja muss man noch immer! Bis zum heutigen Tag fehlt jede einleuchtende Erklärung, besser Erzählung für die Bevölkerung warum wir für die Verteidigung der Ukraine einstehen sollen. Dabei geht es weniger um Europa – die Osteuropäer verstehen es sowieso, wir sind zu verquastet und verkalkt und der Rest zu irrelevant, sondern va um die Vereinigten Staaten. Die US-Regierung hat vollkommen versagt, genauer gesagt nicht einmal den Versuch unternommen dem Volk zu erklären warum die Konfrontation mit Russland jetzt gesucht werden muss. Entsprechend dünn und uninspiriert ist die Unterstützung der Ukraine jenseits der höchsten politischen Kreise dort. Aber das ist nicht einmal entscheidend. Staatenlenker bewähren sich in Krisenzeiten nicht indem sie vermeidlich populären Entscheidungen hinterlaufen, sondern entschlossenes und entschiedenes Handeln an den Tag legen. Und die Großen sind am Ende die, die den Geschichtlichen Moment nicht nur erkennen, sondern mit beiden Händen zupacken um ich in ihrem Sinne zu formen. Leider fehlen uns diese Staatsmänner. Und zwar von Washington bis Berlin und darüber hinaus. Es hilft nicht wie Scholz geschichtsträchtig irgendwelche Zeitwenden ausrufen zu wollen und dann zu meinen den Krieg mit maximalem außenpolitischem Schaden, einem Artilleriebataillon und ein paar Flugabwehrkanonennichtpanzern abmoderieren zu wollen. Es reicht nicht wie Biden (der den Krieg mit einer bedingungslosen Beistandserklärung sehr wahrscheinlich hätte verhindern können btw) ein paar dutzend Milliarden mehr zu drucken und dann immer nur gerade so viel zu liefern, dass die Front gehalten werden kann. Es gibt da zwischen Washington und Berlin nicht einen der den Mantel der Geschichte ergreift und die Schleusentore bedingungslose und ohne Einschränkungen öffnet. Wie schon mal geschrieben, ginge es nach mir stünde die Ausrüstung der halben Deutsche Panzerwaffe in der Ukraine und aus den Staaten würde auch noch der letzte verstaubte Abrams nach Europa geschippert werden. Das Zeug wurde gebaut und vorgehalten um die roten Horden aufzuhalten und der Zeitpunkt dafür ist genau jetzt. Man könnte so viel machen, wenn man nur wollte. Statt das aber verzettelt man sich im Klein-klein, ‚sucht in Lagern‘, stellt überrascht fest ‚das gelieferte Zeug reicht nicht‘ und stolpert zögernd in die strategische Handlungsunfähigkeit. Die Gelegenheit am Schopf ergreifen und handeln – gestalten zu verwalten, führen statt zu moderieren oder meinetwegen agieren statt zu reagieren – Fehlanzeige. @Quintus Fabius Man hätte zweifellos seit 2014 viel tun können was diesen Krieg verhindert hätte. Die deutsche Regierung trägt westlicherseits die Hauptschuld das die Entwicklung so gekommen ist wie geschehen. Auch unmittelbar noch Ende 2021 oder Anfang 2022 wäre es durch ein entschlosseneres Auftreten der USA meiner Auffassung nach sehr wahrscheinlich möglich gewesen, Putin von einem Großangriff auf die Ukraine abzuhalten oder diesen zumindest zu verzögern. Leider hatte sich Biden mit seinem unsäglichen Referat über ‚minor incursions‘ selbst dieser Handlungsspielräume beraubt. Aber gut, das mag die Geschichte einmal beurteilen. Zu den Sanktionen. Ich bin absolut kein Freund davon Sie haben auf den unmittelbaren Kriegsverlauf nullkommanull Auswirkung und sind viel zu oft ein gern bemühter politischer Talking Point um der geneigten Bevölkerung Aktivität vorzugaukeln. Schlimmer hier noch, was mal mit wenig mehr als politische Virtue Signaling angefangen hat ist uns mittlerweile gewaltig über den Kopf gewachsen und zum astreinen geostrategischen Bumerang geworden. Es ist absoluter Wahnsinn in der aktuellen Lage auch nur einen Kubikmeter Gas, den uns Russland verkaufen möchte nicht abzunehmen. Mit unseren dämlichen Sanktionsbestrebungen haben wir nur für gigantische Preisanstiege auf den internationalen Energiemärkten gesorgt und Russland damit zu erheblichen Mehreinnahmen verholfen, während unsere Speicher mit dem fortschreitenden Jahr zunehmend zu leer sind. Wohin soll das führen? Wir manövrieren uns in eine einzigartige Notlage und Berauben uns im Winter absehbar jedweder Handlungsoption. Zu früheren Zeiten sind anlässlich solcher Aussichten schon Kriege ausgebrochen. Anstatt sich in dem Sanktionsgetöse zu ergehen wäre einmal mehr kaltes geopolitisches Handeln von Nöten gewesen. Wir – Europa insgesamt – hätte eine zweigleisige Linie fahren müssen. Solange soviel Erdgas und Erdöl aus Russland zu so geringen Preisen wir irgendmöglich. Inklusive Öffnung von NordStream2. Ziel hätte es sein müssen die strategischen Energiereserven Europas ans absolute Maximum zu bringen. Gleichzeitig massive Waffenlieferungen an die Ukraine mit dem klar kommunizierten Ziel, den Krieg vor Wintereinbruch zu beenden. Alles andere fliegt uns doch mit maximalem Schaden um die Ohren. Ich halte deine Idee diesen Krieg am besten über Jahre laufen und Russland ordentlich bluten zu lassen für absolut nicht durchstehbar. Wenn Putin noch zwei Gehirnzellen beieinander hat stellt er uns pünktlich zum Beginn der Heizperiode das Gas ab. Und dank unserer großartigsten aller Regierungen war das dann. Meinst du denn Bilder wir die aus unlängst Sri Lanka sind bei uns nicht möglich wenn die Speicher im Worst Case im Februar schlicht leer sind? Und selbst wenn wir mit Hängen und Würgen über den Winter kommen – es wird sich keine Regierung und auch kein Volk finden, dass diese Spielerei dann nochmal einen Winter mitmacht. Man wird dann auf irgendeine Verhandlungslösen drängen um haben dann ein Korea oder Nahost auf dem europäischen Hinterhof. Ein absoluter Albtraum und langfristig wesentlich schädlicher als eine klare militärische Niederlage der Russen in 2022. |