Israel
Zitat: Allerdings habe ich etwas Schwierigkeiten damit, wenn man die Protestierenden etwas generalisierend unter Verdacht stellt, sie seien nur ein rasender Mob. Den gibt es auch, zweifelsfrei, aber wenn man sich Videos zu den Protesten anschaut, so sehe ich meistens hier keinen tobenden Mob, sondern Menschen aus allen Schichten, von alten Menschen bis zu jungen Familien, die ihre Besorgnis zum Ausdruck bringen, dass das Land in eine Art intolerante Halbtheokratie abkippen könnte.
Ich schrieb auch nichts von ‚rasend‘ oder ‚tobend‘. Wink Aber die Vokabel war schon bewusst gewählt. Es geht nicht darum, den Protestierenden anzudichten das die da irgendwie größer gewalttätig unterwegs wären, vielmehr werfe ich ihnen vor, die Spielregeln der Demokratie zu brechen, wenn sich die Straße über die Volksvertretung erhebt.

Alle Macht geht vom Volke aus – ja. Aber wie schon in unserem Grundgesetz festgehalten ist und für alle republikanisch verfassten Demokratien gilt – ausgeübt wird sie unmittelbar in Wahlen und Abstimmungen und mittelbar durch die dazu repräsentativ ermächtigten Verfassungsorgane. Es ist mit der mittelbaren Demokratie nicht vereinbar, dass das Volk die Staatsgewalt an sich reißt und direkt ausüben will. Das ist keine Demokratie, das ist dann Anarchie und Revolution.

Sprich, Protestierende, die versuchen den Regierenden ihren Willen durch ausufernde Protestaktionen mit möglichst maximalem Schaden aufzuzwingen verlassen den Boden der Demokratie. In meinen Augen waren daher etwa die Aufrufe zum Politischen Generalstreik wie es sie Sonntag Nacht gegeben ein klarer Bruch mit den demokratischen Spielregeln und zumindest nach deutschem Verständnis auch klar rechtswidrig. Protestierende dürfen ihren Unmut kundtun, auch lautstark und mit Vehemenz. Dagegen ist nichts zu sagen. Aber wenn der Protest die Funktionsfähigkeit des Staates als solches oder seiner legitimen Repräsentanten angreift, verliert er seine Demokratische Legitimation und wird zum Mob.

In Israel hat die Straße die Legislative gezwungen eine Gesetzesreform abzubrechen – nicht, weil die fraglichen Politiker mit politischem Argument oder sei es auch nur aus Angst vor dem Verlust des eigenen Mandats überzeugt wurden, sondern weil der Mob sich anschickte die Wirtschaft lahmzulegen und den Sicherheitsinstitutionen durch kollektive Befehlsverweigerung schweren Schaden zuzufügen. Das geht nicht.

Oder wie es Macron die Tage im Bezug auf die Proteste in Frankreich völlig korrekt formuliert hat:
„La foule n'a pas de légitimité face au peuple qui s'exprime à travers ses élus.”
„Die Masse hat keine Legitimität gegenüber dem Volk, das sich durch seine gewählten Vertreter ausdrückt.“


Zitat: Und wenn die aktuellen Meldungen stimmen, so könnte es sein, dass - wenn jetzt Wahlen wären - die aktuelle Regierung keine Mehrheit mehr hätte.
Ein im politischen Diskurs mäßig interessantes Factoid aber ohne Relevanz. Es gehört zum Wesen einer repräsentativen Demokratie, dass Wahlen Macht auf Zeit verleihen und sich die Regierenden nicht mit jeder Maßnahme der Rückendeckung des Wahlvolkes versichern müssen.
Genausowenig ändert der Verdacht, dass es die andere Seite des politischen Spektrums nicht besser machen würde, wenn die Rollen vertauscht wären nichts an der nötigen Kritik an den jetzt stattfindenden Protesten.
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(28.03.2023, 16:45)Nightwatch schrieb: In Israel hat die Straße die Legislative gezwungen eine Gesetzesreform abzubrechen – nicht, weil die fraglichen Politiker mit politischem Argument oder sei es auch nur aus Angst vor dem Verlust des eigenen Mandats überzeugt wurden, sondern weil der Mob sich anschickte die Wirtschaft lahmzulegen und den Sicherheitsinstitutionen durch kollektive Befehlsverweigerung schweren Schaden zuzufügen. Das geht nicht.

Oder wie es Macron die Tage im Bezug auf die Proteste in Frankreich völlig korrekt formuliert hat:
„La foule n'a pas de légitimité face au peuple qui s'exprime à travers ses élus.”
„Die Masse hat keine Legitimität gegenüber dem Volk, das sich durch seine gewählten Vertreter ausdrückt.“


Ein im politischen Diskurs mäßig interessantes Factoid aber ohne Relevanz. Es gehört zum Wesen einer repräsentativen Demokratie, dass Wahlen Macht auf Zeit verleihen und sich die Regierenden nicht mit jeder Maßnahme der Rückendeckung des Wahlvolkes versichern müssen.
Genausowenig ändert der Verdacht, dass es die andere Seite des politischen Spektrums nicht besser machen würde, wenn die Rollen vertauscht wären nichts an der nötigen Kritik an den jetzt stattfindenden Protesten.

Die Frage ist aber ob Parteien ihre Wähler vielleicht über ihre Absichten getäuscht haben. Nicht umsonst ist das Demonstrationsrecht ein verbrieftes Recht in jeder ernstzunehmenden Demokratie. Auf die isr. Regierungsparteien bezogen kann ich mir da kein Urteil erlauben, aber in Frankreich ist es schon mehrfach zur Wählertäuschung durch Macron bzw. seine Partei gekommen und mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ist er von seinen Wählern nicht wissentlich zu dieser aktuellen Rentenreform ermächtigt worden. Meines Erachtens gehört er inzwischen auch zu den Politikern die die Bodenhaftung völlig verloren haben.
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(28.03.2023, 19:25)lime schrieb: Die Frage ist aber ob Parteien ihre Wähler vielleicht über ihre Absichten getäuscht haben.
Die Notwendigkeit einer Justizreform wurde in Israel seit vielen Jahren diskutiert und vor diesem Versuch jetzt gab es einen breiten Konsenz bis in die Mitte hinein, dass etwas gemacht werden muss und auch wird.
Überraschend ist insofern nicht der Reformversuch der Rechtsgerichten Parteien jetzt sondern der maximale Wiederstand der Opposition. Eigentlich wäre zu erwarten gewesen, dass wenigstens Yesh Atid und National Unity auf die Regierungsvorschläge eingehen und auf Änderungen drängen. Gideon Sa'ar, der zweite Mann bei National Unity ist eigentlich ein Likudnik, galt mal als designierter Nachfolger Netanyahus und war lange Zeit eigentlich die treibende Kraft hinter den Plänen für eine Justizreform schlechthin.
Offen gestanden erschließt sich mir nicht vollständig, wie der legislative Prozess derart eskalieren konnte, selbst wenn man animmt, dass man hier vor ganz weit Rechts Maximalpositionen durchdrücken wollte, koste es was es wolle. Man sollte eigentlich meinen, das man da wenigstens informell aufeinander zugeht bevor alles maximal hochkocht. Womöglich ist mit den fünf Wahlen seit 2019 zuviel zu Bruch gegangen, womöglich spielte das Verbot das Netanyahu sich am Prozess beteiligt eine größere Rolle, womöglich haben die legislativ unerfahrenen Partei von ganz Rechts gemeint es ginge mit der Brechstange, womöglich wurde aus dem politischen Ausland massiv auf die Opposition eingewirkt, womöglich eine Kombination aus allem... mir fehlt der Blick hinter die Kulissen für ein entgültiges Urteil.
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@Nightwatch
Zitat:Ich schrieb auch nichts von ‚rasend‘ oder ‚tobend‘.
Stimmt, habe eben nochmals nachgeschaut. Das muss mir im Flow reingerutscht sein.

Abgesehen davon:

Netanjahu hat das ganze Vorhaben erst einmal auf Eis gelegt bzw. pausiert. Sicherlich mag er dies auch gemacht haben, da der Gegenwind erheblich war, aber - und das rechne ich ihm durchaus an - vermutlich hat er diesen Schritt auch unternommen, um es zu vermeiden, dass das Land noch weiter auseinanderfasert und um gesellschaftliche Flurschäden einzugrenzen. Und er hat es auch unter eigenem Risiko gemacht, da ihm seine Koalition um die Ohren fliegen könnte. Ich muss dazu sagen, dass ich wieder einmal von ihm positiv überrascht wurde...
Zitat:Verfassungskrise, verschoben

Dass Benjamin Netanjahu die Justizreform stoppt, ist ein historischer Erfolg für die Demonstranten. Die tiefe Krise der israelischen Gesellschaft bleibt aber ungelöst. [...]

Am Montagabend um 20 Uhr Ortszeit meldete sich Benjamin Netanjahu endlich selbst zu Wort. "Ich habe entschieden, die zweite und dritte Lesung in dieser Sitzungsperiode auszusetzen", sagte Netanjahu in seiner Fernsehansprache und erklärte, die umstrittene Justizreform zu "pausieren". Er sei weiter zu der von Beobachtern als Umwälzung der Justiz kritisierten Reform entschlossen, wolle aber einen breiten Konsens suchen. "Wenn es eine Chance gibt, einen Bürgerkrieg durch Dialog zu vermeiden, nehme ich als Ministerpräsident eine Auszeit zugunsten des Dialogs." [...]

Die entscheidenden Gesetzesänderungen zur Entmachtung des Obersten Gerichts wurden vorerst gestoppt – und das nur Stunden und Tage, ehe die Koalition aus rechten, rechtsreligiösen und ultraorthodoxen Parteien die Reform durch die Knesset, Israels Parlament, bringen wollte.

Schon in der Nacht zum Montag sind im ganzen Land Tausende spontan auf die Straßen gegangenen, nachdem Netanjahu am Sonntagabend erklärt hatte, mit Verteidigungsminister und Parteikollegen Yoav Galant den schärften Kritiker an der Reform aus den eigenen Reihen zu feuern. Der Rauswurf von Galant legte einen Schalter um. Setzte eine Energie frei, die selbst Netanjahu überwältigt haben muss. Nun war er wirklich zu weit gegangen. In Tel Aviv brannten Barrikaden. In Jerusalem durchbrachen Protestierende die Absperrungen vor Netanjahus Regierungsresidenz. Am Morgen erklärte die größte Gewerkschaft Israels den Generalstreik. Erstmals seit der britischen Mandatszeit stellte Israels internationaler Flughafen Ben Gurion den Betrieb aus Protest komplett ein. Parallel dazu kündigte Netanjahu eine Stellungnahme an. Erst sickerte aus internen Quellen Netanjahus Likud-Partei durch, man habe sich auf eine Pause geeinigt. [...]

Zeitgleich warnte Israels Inlandsgeheimdienst vor Gewalt gegen die Gegner der Reform: Rechte Hooligans und gewaltbereite Anhänger Netanjahus planten sich zu bewaffnen, hieß es. Die nationale Zuggesellschaft veröffentlichte eine Meldung und empfahl den Demonstrierenden, besser nicht an jener Bahnstation in Tel Aviv auszusteigen, in deren Nähe die rechten Unterstützer der Reform eine Kundgebung für den Abend angemeldet hatten.
https://www.zeit.de/politik/ausland/2023...gle.com%2F

Schneemann
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Es war zumindest nicht sein dümmster Schachzug in der ganzen Affäre. Aber gecancelt ist erst mal nichts, wenn aus den Verhandlungen nichts wird geht es in ab dem 30. April da weiter wo man zuletzt aufgehört hat.
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(29.03.2023, 13:12)Nightwatch schrieb: Es war zumindest nicht sein dümmster Schachzug in der ganzen Affäre. Aber gecancelt ist erst mal nichts, wenn aus den Verhandlungen nichts wird geht es in ab dem 30. April da weiter wo man zuletzt aufgehört hat.

Aus Sicht der Befürworter des Gesetzespakets ein klarer Fehler, denn es dürfte klar sein dass die Gegner nun zusätzlich angespornt sind, da sie ja schon einen Etappensieg vermelden konnten.
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"mir fehlt der Blick hinter die Kulissen für ein endgültiges Urteil"

Dazu:

Zitat: Histadrut coordinated nationwide strike with PM's office - coalition member

Netanyahu's spokesperson Yonatan Urich reportedly urged the Histadrut to launch the strike to give Netanyahu a reason to stop the legislation.

https://www.jpost.com/israel-news/article-735974
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Da könnte der nächste Streit ins Haus stehen...
Zitat:Umstrittenes Projekt

Israels Kabinett ebnet Weg für Nationalgarde

Um die Justizreform verschieben zu können, musste Israels Premier Netanyahu seinem rechtsextremen Koalitionspartner die Bildung einer Nationalgarde zusagen. Jetzt werden die Pläne für das umstrittene Projekt konkreter. [...]

"Keine bewaffnete Miliz für Ben-Gvir", skandierte am vergangenen Samstag eine Gruppe von Frauen während der Massenproteste. Denn: Es war eine der großen Befürchtungen der Protestbewegung, dass Itamar Ben-Gvir, rechtsextremer Minister für Nationale Sicherheit im Kabinett von Ministerpräsident Benjamin Netanyahu, grünes Licht für die Bildung einer neu aufzustellenden Nationalgarde bekommen würde. Seit einer Woche, seit dem vorübergehenden Aussetzen der umstrittenen Justizreform durch Netanyahu, wusste die Öffentlichkeit, welchen politischen Preis sein Koalitionspartner Ben-Gvir für den Verbleib in der Regierung verlangt hatte: Das Umsetzen der von ihm geforderten Nationalgarde, wie dies bereits im Koalitionsvertrag, allerdings eher vage, fixiert worden war. [...]

Innerhalb der nächsten drei Monaten solle eine Kommission, in der alle relevanten Sicherheitsdienste sowie die Armee vertreten sind, Vorschläge unterbreiten, welche Befugnisse diese Nationalgarde haben soll - und vor allem, wem sie unterstellt wird: dem Minister für Nationale Sicherheit, Ben-Gvir, oder dem Chef der israelischen Polizei. [...] Ben-Gvir hat bereits mehrfach deutlich gemacht, dass diese Einheit ihm unterstellt werden müsse und dass diese Kräfte gegen potentielle Unruhen sowie zur Verbrechensbekämpfung in den arabischen Gemeinden in Israel eingesetzt werden solle. [...]

Widerstand gegen die bislang noch unkonkreten Pläne kommt nicht allein von den Oppositionsparteien, sondern vor allem aus den Reihen der Polizeiführung Israels sowie des Inlandsgeheimdienstes Shin Bet. Die Bildung einer Nationalgarde sei "unnötig und mit enorm hohen Kosten verbunden, die die persönliche Sicherheit der Bürger beeinträchtigen könnte", schrieb Polizeichef Kobi Shabtai in einem Brief an Ben-Gvir.
https://www.tagesschau.de/ausland/asien/...e-101.html

Aber ich frage mich schon, wieso man eine Nationalgarde benötigen sollte? Man besitzt eine der besten Armee der Welt, es gibt eine ausgedehnte Wehrpflicht, die Gesellschaft ist militärisch stark durchdrungen (gezwungenermaßen, wenn einem ständig irgendwer an die Gurgel will), man hat eine flinke, sehr aufmerksame Polizei und vermutlich mit die besten Geheimdienste der Welt. Und nun zusätzlich eine Nationalgarde?

Im schlimmsten Falle, da der Wunsch von den Rechtsauslegern kommt, könnte es sein, dass man eine Nationalgarde gerne haben würde, um eine Art von "innenpolitischem Degen" zu haben, wenn die Streitkräfte oder ein erheblicher Teil von deren Führung sich gegen einen Umbau des Staates in Richtung zu einem theokratischen System stellen würden, quasi eine Privatarmee der Ultrareligiösen...

Schneemann
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Zitat: Aber ich frage mich schon, wieso man eine Nationalgarde benötigen sollte?

Amid deadly terror wave, Bennett calls for creation of civil national guard (2022)
https://www.timesofisrael.com/amid-deadl...nal-guard/

Dieses Projekt wurde bereits von der Vorgängerregierung angestoßen. Es ging da nicht darum, eine Nationalgarde etwa nach US-Amerikanischen Vorbild zu schaffen, das Reservewesen neu zu ordnen oder eine wie auch immer geartete Bürger-Miliz auf die Beine zu stellen. Vielmehr war beabsichtigt, eine Auxiliary Police aufzustellen. Hintergrund waren die gewaltsamen Ausschreitungen in Arabischen Städten und Dörfern im Israelischen Kernland die letzten Jahre. Man will dort wohl aus naheliegenden Gründen keine regulären Armeeeinheiten einsetzen und reguläre Polizeit sowie Grenzschutz haben wohl auch so genug zu tun, als das sie nicht zusätzliche Unterstützung gebrauchen könnten.
Ich vermute (!), dass es im Kern darum ging das im Mashaz (das ist die freiwillige israelische Bürgerwehr) gebundene Potential abzuschöpfen.
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(03.04.2023, 12:35)Nightwatch schrieb: Amid deadly terror wave, Bennett calls for creation of civil national guard (2022)
https://www.timesofisrael.com/amid-deadl...nal-guard/

Dieses Projekt wurde bereits von der Vorgängerregierung angestoßen. Es ging da nicht darum, eine Nationalgarde etwa nach US-Amerikanischen Vorbild zu schaffen, das Reservewesen neu zu ordnen oder eine wie auch immer geartete Bürger-Miliz auf die Beine zu stellen. Vielmehr war beabsichtigt, eine Auxiliary Police aufzustellen. Hintergrund waren die gewaltsamen Ausschreitungen in Arabischen Städten und Dörfern im Israelischen Kernland die letzten Jahre. Man will dort wohl aus naheliegenden Gründen keine regulären Armeeeinheiten einsetzen und reguläre Polizeit sowie Grenzschutz haben wohl auch so genug zu tun, als das sie nicht zusätzliche Unterstützung gebrauchen könnten.
Ich vermute (!), dass es im Kern darum ging das im Mashaz (das ist die freiwillige israelische Bürgerwehr) gebundene Potential abzuschöpfen.

Israel hat scheinbar keine klassische Bereitschaftspolizei um Demonstrationen ähnlich zu flankieren wie dies zum Beispiel in Deutschland üblich ist. Wenn ich mich richtig in die Materie eingelesen habe, dann soll die geplante Nationalgarde genau in diese Lücke wirken.
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Hinsichtlich der ganzen Spannungen derzeit habe ich aktuell ein altes Buch bei mir wieder ausgegraben und lese es nochmals - Scholl-Latours Lügen im heiligen Land von 1997. Ich hatte dieses Buch um die Jahrtausendwende mal angeschafft und gelesen gehabt, aber inhaltlich auch manches wieder vergessen.

Es geht um Irak (damals noch unter Saddam) und eben auch um Israel. Damals bemerkte Scholl-Latour, als er, wie er es gerne tat, quer vom Golan und Herzliya bis nach Jerusalem durch das Land tourte, dass ein wachsender Einfluss der Haredim sich abzeichnen würde und dass dies ein Zerreißprobe für das Land werden könnte. Und er beschreibt auch, vor mehr als einem Vierteljahrhundert, wie seinerzeit schon Ultraorthodoxe und Säkulare in Jerusalem sich angifteten auf den Straßen. Er warnte davor, dass irgendwann der Zeitpunkt kommen könnte, wo die ultrareligiös-nationalistischen Kreise das (zumeist sozialistisch-genossenschaftlich bzw. säkular geprägte) Erbe der frühen zionistischen Pioniere, die das Land urbar machten und aufgebaut hatten, in Gefahr bringen könnten. Und er berichtete auch davon, dass laut einer Umfrage von Jediot Acharonot (also im Jahr 1997) 47 Prozent der Israelis eine bürgerkriegsähnliche Auseinandersetzung zwischen den ultrareligiösen und den säkularen Kreisen für möglich hielten. Er bemerkte seinerzeit, dass dies wohl übertrieben sei (bzw. so sagten es seine israelischen Gesprächspartner)...

Ich bin mir nicht ganz sicher, ob es ein Vierteiljahrhundert später nicht doch soweit sein könnte. Interessant, dass der alte Fuchs aber mal wieder richtig lag - aber ich bin noch nicht wieder ganz durch das Buch durchgekommen.

Schneemann
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(14.04.2023, 09:36)Schneemann schrieb: Ich bin mir nicht ganz sicher, ob es ein Vierteiljahrhundert später nicht doch soweit sein könnte. Interessant, dass der alte Fuchs aber mal wieder richtig lag - aber ich bin noch nicht wieder ganz durch das Buch durchgekommen.

Schneemann

Das war wenn man die unterschiedlichen Geburtenraten der beiden Gruppen betrachtet doch nicht schwer zu erraten. Ist auch meines Erachtens nichts israelspezifisches. Diese Problematiken gibt es doch in immer mehr Staaten in denen sich Säkuläre und Fundamentale gegenüber stehen.
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Begleitet vom dem üblichen Getöße und Demonstrationen bei denen sich Befürworter und Gegner zuletzt in Wage hielten:

Zitat: Reasonableness bill passes 64-0 after compromise falls at last minute

The reasonableness standard bill has officially passed into law, marking the first bill in the government's contentious judicial reform to pass into law after six months of fierce public debate and negotiations on a possible compromise that lasted until the last minute.
https://www.jpost.com/breaking-news/article-752225

Stabile Mehrheit in der Koalition, die Opposition konnte sich bis zuletzt nicht dazu durchringen jenseits von Verzögerungstaktiken einen Kompromissvorschlag zu bringen. Nächster/letzter Halt dann vor dem Obersten Gericht selbst.
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(24.07.2023, 16:23)Nightwatch schrieb: Begleitet vom dem üblichen Getöße und Demonstrationen bei denen sich Befürworter und Gegner zuletzt in Wage hielten:

https://www.jpost.com/breaking-news/article-752225

Stabile Mehrheit in der Koalition, die Opposition konnte sich bis zuletzt nicht dazu durchringen jenseits von Verzögerungstaktiken einen Kompromissvorschlag zu bringen. Nächster/letzter Halt dann vor dem Obersten Gericht selbst.

Das Gericht wird das Gesetz ja mit ziemlicher Sicherheit verwerfen, nur was passiert dann?
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Ich glaube nicht, dass das Gericht diesen Teil der Reform kippen wird.
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