Russland vs. Ukraine
Die Verluste in anhaltendem Bewegungskrieg werden deutlich höher sein als in der Verteidigung. Ausserdem hat der Gegner auch eine Stimme, denn dieser befestigt ebenfalls und gräbt sich ein.
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(15.08.2024, 20:19)Quintus Fabius schrieb: Stürmisch ist was anderes, ...
ich hab das ja auch ausdrücklich für die Region von Sudscha/ Kursk
https://www.google.com/maps/d/u/0/viewer...2&entry=yt
im Vergleich zu den Geländegewinnen Russlands in Richtung Pokrowsk und bei Niu-York geschrieben; aber auch da gehen die russischen Truppen zäh und Meter für Meter weiter vor
https://www.google.com/maps/d/u/0/viewer...2&entry=yt

Im Weiteren sind geolokalisierte Aufnahmen ukrainischer Truppen auch aus Vyazovoye in der Region Belgorod - etwas südlicher als die große Einbruchstelle - aufgetaucht
https://x.com/GirkinGirkin/status/1824103221062668434
https://x.com/GirkinGirkin/status/182410...34/photo/1
hier auf der Karte https://liveuamap.com/en/2024/15-august-...-vyazovoye

Wenn jetzt Stellungen ausgehoben (oder russische Stellungen weiter befestigt) werden, dann zeigt das zumindest, dass da ein längeres "bleiben" und kein Bewegungskrieg angedacht ist.
Und rückwärtige "Auffangstellungen" würde ich auch anlegen lassen, wenn ich mit meinen Truppen weiter in die riskante Offensive gehen möchte. Dann tut es gut, solche eigenen Sicherungslinien noch auf feindlichem Gebiet im Rücken zu haben, noch bevor mein eigenes Land wieder zum Kriegsschauplatz wird.
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Zum ukrainischen Vorstoß auf Kursk:

Die Ukrainer sind gestern weiter vorgerückt, der Raum zwischen der FLOT und der ukrainischen Grenze bemisst sich nun auf knapp 1.150 km². Das besetzte Gebiet wird unter Militärverwaltung gestellt, internationale Beobachter erhalten Zugang. Nach Angaben der ukrainischen Regierung steht es Zivilisten frei, das besetzte Gebiet in beide Richtungen zu verlassen. Wer bleibt, soll Zugang zu Lebensmitteln bekommen. (Quelle)

Der Leiter des Lagezentrums Ukraine im Bundesministerium der Verteidigung, Generalmajor Freuding, erläutert den operativen Plan und die Strategie der Kursk-Offensive. Freuding bewertet die Entscheidung zum Gegenschlag als aus militärischer Sicht positiv. (Quelle)

Zur Lage im Donbass:

Gestern sind die russischen Streitkräfte entlang der Hauptstraße von Nju-Jork etwa 1.200 m vorgerückt. Es entsteht gerade ein kleinräumiger Kessel zwischen Nelipiwka (hier) und Piwinitschne (hier). Die Ukrainer werden ihn sicher aufgeben müssen. Das dürfte geordnet geschehen, sie sind durch Gewässer gedeckt, weist aber darauf hin, dass der russische Stoß auf Kostjantyniwka (hier) anhält.
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Für besonders bemerkenswert halte ich die geringen Zerstörungen in den eroberten Ortschaften, was eindeutig darauf hinweist, dass die Russen diese nicht ernsthaft verteidigt haben (waren beispielsweise italienische Journalisten in Sudscha und da gab es offenkundig fast keine wirklichen Kämpfe. Zudem, dass sich sehr viele russische Soldaten ergeben. Es werden da Zahlen von bis zu 2000 russischen Kriegsgefangenen genannt, dass ist in der kurzen Zeit und angesichts der Umstände extrem viel.
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(16.08.2024, 06:27)Quintus Fabius schrieb: Für besonders bemerkenswert halte ich die geringen Zerstörungen in den eroberten Ortschaften, was eindeutig darauf hinweist, dass die Russen diese nicht ernsthaft verteidigt haben (waren beispielsweise italienische Journalisten in Sudscha und da gab es offenkundig fast keine wirklichen Kämpfe. Zudem, dass sich sehr viele russische Soldaten ergeben. Es werden da Zahlen von bis zu 2000 russischen Kriegsgefangenen genannt, dass ist in der kurzen Zeit und angesichts der Umstände extrem viel.

Ich fürchte, die Zerstörungen werden noch kommen, nämlich wenn die Russen anfangen, die Gebiete zurück zu erobern. Da wird einfach blindlings mit einer bestimmten Menge Artillerie draufgehalten. Gab auch schon Berichte und Videos über Plünderungen im eigenen Land, Leute wurden evakuiert und die gleiche Militäreinheit hat unmittelbar danach bei denen die Möbel gerade gerückt...

Was ich viel interessanter finde, ist der relativ sparsame Gebrauch von Kampfdrohnen. Entweder haben die Ukrainer eine eigene EW Methode gefunden, um russische FPV-Drohnen zu unterdrücken, oder die russische EW macht Freund + Feind gleichermaßen platt.

Könnte natürlich auch sein, daß man eine Schwachstelle in den Grenzbefestigungen gefunden hat, aber das erklärt nicht die inkompetenten Verteidiger oder die Tatsache, daß kritische Infrastruktur unmittelbar hinter der Staatsgrenze praktisch ungeschützt dastand.

Die Russen setzen neuerdings Kampfdrohnen mit extrem dünnen Glasfaserleitungen ein, welche sie unempfindlich gegen EW machen, aber halt mechanisch abreißen können (viele Bäume und Überlandleitungen).
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(16.08.2024, 05:40)muck schrieb: ....
Zur Lage im Donbass:

Gestern sind die russischen Streitkräfte entlang der Hauptstraße von Nju-Jork etwa 1.200 m vorgerückt. Es entsteht gerade ein kleinräumiger Kessel zwischen Nelipiwka (hier) und Piwinitschne (hier). Die Ukrainer werden ihn sicher aufgeben müssen. Das dürfte geordnet geschehen, sie sind durch Gewässer gedeckt, weist aber darauf hin, dass der russische Stoß auf Kostjantyniwka (hier) anhält.
welches KArenmaterial verwendest Du?
Nach dieser Karte https://www.google.com/maps/d/u/0/viewer...3&entry=yt hätten die Ukrainer im Süden von Niu-York sogar Boden gut gemacht, und der verbleibende ukrainische Bogen nach Osten scheint gut gesichert zu sein.
Wenn die Russen im nördlichen Bereich weiter vorrücken müssen sie bei Dscherschynsk in den Häuserkampf. Die freie Fläche zu den Häusern von Niu-York scheint neben den natürlichen Hindernissen (Seen) umfangreich befestigte ukrainische Stellungen aufzuweisen. Was unter den Baumreihen ist weiß man auch nicht so recht.
Da werden sich die Russen vor dem Schlucken wieder einige Zähne ausbeißen müssen.

Was nun Kostjantyniwka betrifft - westlich von Bachmut haben sich die Fronten bei Tschassiw Jar seit Tagen nicht mehr bewegt - so diese Karte https://www.google.com/maps/d/u/0/viewer...3&entry=yt ... hat sich der russische Angriff da festgelaufen? Kann es sein, dass russische Einheiten doch abgezogen werden, um den ukrainischen Einbruch bei Kursk abzuwehren?
Aus den Fragezeichen sieht man, die Fragen sind spekulativ. Sie drängen sich aber wohl auf.
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Die kabelgelenkten Drohnen sind (immer noch / wieder) relativ selten, und mein rein persönlicher Eindruck ist, dass die Ukrainer die immer weit unterschätzte notwendige Infrastruktur für den Drohneneinsatz nicht ausreichend nach vorne bringen konnten, dass wird dann vielleicht noch kommen, und dass es bei den russischen Verbänden in der Region ganz allgemein an Drohnen-Kapazitäten fehlt.
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(16.08.2024, 10:37)Quintus Fabius schrieb: Die kabelgelenkten Drohnen sind (immer noch / wieder) relativ selten, und mein rein persönlicher Eindruck ist, dass die Ukrainer die immer weit unterschätzte notwendige Infrastruktur für den Drohneneinsatz nicht ausreichend nach vorne bringen konnten, dass wird dann vielleicht noch kommen, und dass es bei den russischen Verbänden in der Region ganz allgemein an Drohnen-Kapazitäten fehlt.

Ja, da stimmt!
Überhaupt scheint die Drohnengeschichte stark abhängig von der Logistik zu sein, so wie alles andere auch. Man sieht um Größenordnungen mehr Drohnen in einem Stellungskrieg als in einem Bewegungskrieg. Ein Bradley, Marder oder MaxxPro kann vielleicht 5 Mavic mitführen, und diese sind in weniger als einer Woche aufgebraucht. Das wird noch interessant zu beobachten sein, wie die Ukrainer das Logistikproblem lösen.
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Thorsten Heinrich erwartet btw eine weitere Offensive (langer Post):

Zitat:Ich denke, die Wahrscheinlichkeit ist über 60 Prozent, dass die Ukraine in den nächsten 2-4 Wochen eine weitere Offensive startet.

Im letzten Lagebericht habe ich erwähnt, dass von der Ostfront Truppen für die Kursk-Operation abgezogen wurden. Ein neuer Artikel des WSJ beschreibt erneut die Lage als extrem kritisch. (Zitate unten)

Fassen wir mal zusammen:
Die Ukrainer haben keine nennenswerte Verstärkung in Richtung Ostfront geschickt, die Ukrainer haben von dort sogar Truppen abgezogen.
In Kursk sind nach den meisten Einschätzungen bislang noch unter 10.000 Soldaten involviert. Gehen wir mal großzügig von weiteren 20.000 bis 30.000 als Reserve aus.
[...] Reserven werden von allen Teilen der Front verlegt. Bislang nur Reserven, bislang erfolgt noch keine Schwächung der russischen Linien.

Für mich ist daher der wahrscheinlichste Grund: Die Ukraine hat einen zweiten Stoß vor, in eine völlig andere Richtung. Naheliegend hier ist wieder der Süden. [...]
https://x.com/Inclutus/status/1824403543626862635
dazu auch: https://x.com/prestonstew_/status/1824393851018137970

Ich sage dazu: Mit einem zweiten Offensivschwerpunkt würde die Ukraine Gefahr laufen den Kardinalfehler des Sommeroffensive 2023 zu wiederholen: Verzettelung der Kräfte an zu vielen Achsen und über zu lange Zeiträume.
Wenn sie noch ein, zwei Divisionsäquivalente in der Hinterhand haben dann wäre *vorgestern* der richtige Zeitpunkt gewesen, diese Verbände vor Kursk antreten zu lassen um die hastig verlegenden russischen Reserven zu werfen und tiefe Einbrüche zu erzielen.
Jetzt eine Verlegung abzuwarten und dann an anderer Stelle nochmal mit 4-6 Brigaden anzugreifen wird wahrscheinlich garnichts bringen außer ein paar hundert Quadratkilometer unbedeutendes Gelände.

Ich bin nach wie vor der Auffassung, dass es auch in diesem Krieg möglich ist mit ausreichender Schwerpunktbildung in einen Bewegungskrieg überzugehen. Gerade das russische Grenzland ist - nachdem man dort jetzt anscheinend endlich operieren darf - im Gegesatz zum befestigten und verminten Donbas prädestiniert dafür.
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Dem schließe ich mich an - aber eine wirkliche Schwerpunktbildung ist hier meiner Meinung nach noch nicht die ganze Miete - man muss auch radikal opportunistisch sein, jeden Erfolg so schnell wie mögich und so radikal wie möglich explorieren und explizit seinen Schwerpunkt immer dort ansetzen, wo der Feind gerade am schwächsten ist und nicht wie bei der gescheiterten Offensive im Süden letztes Jahr Stärke auf Stärke setzen. Man benötigt eine Offensivfähige Reserve, welche schnell dorthin geworfen werden kann, wo der Erfolg eintritt. Umgekehrt muss man Missserfolge früher abbrechen. Ob die Ukraine überhaupt noch so eine Reserve hat, entzieht sich meiner Kenntnis.
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(16.08.2024, 15:25)Quintus Fabius schrieb: Ob die Ukraine überhaupt noch so eine Reserve hat, entzieht sich meiner Kenntnis.

Immerhin hatte sie eine offensivfähige Reserve für Kursk, von der niemand etwas wusste
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(16.08.2024, 13:39)Nightwatch schrieb: Mit einem zweiten Offensivschwerpunkt würde die Ukraine Gefahr laufen den Kardinalfehler des Sommeroffensive 2023 zu wiederholen: Verzettelung der Kräfte an zu vielen Achsen und über zu lange Zeiträume.
Wenn sie noch ein, zwei Divisionsäquivalente in der Hinterhand haben dann wäre *vorgestern* der richtige Zeitpunkt gewesen, diese Verbände vor Kursk antreten zu lassen um die hastig verlegenden russischen Reserven zu werfen und tiefe Einbrüche zu erzielen.
Jetzt eine Verlegung abzuwarten und dann an anderer Stelle nochmal mit 4-6 Brigaden anzugreifen wird wahrscheinlich garnichts bringen außer ein paar hundert Quadratkilometer unbedeutendes Gelände.
Sinnvoll erscheinen würde mir ein Angriff von Ulanove nach Südosten über Rylsk, um sich mit dem Vorstoß bei Korenevo zu vereinigen. Müsste man nur schnell und mit ausreichenden Kräften durchführen. Bei Sudscha und südlich davon könnte man zeitgleich mit reduzierten Kräften auf die befestigten Linien der Russen dort zurückweichen. Aber das ist wohl leider etwas zu optimistisch.
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(16.08.2024, 19:56)Broensen schrieb: Sinnvoll erscheinen würde mir ein Angriff von Ulanove nach Südosten über Rylsk, um sich mit dem Vorstoß bei Korenevo zu vereinigen. ...
ja ja. wir Sandkastenstrategen
tatsächlich scheint Rylsk eine Art "Nachschubdrehscheibe" zu sein, jedenfalls soll eine russische Militärkolonne von dort aus nach Süden fahrend zerstört worden sein
https://liveuamap.com/en/2024/16-august-...r-military
und dann dürfte es da von Militär und Waffen ziemlich dicht wimmeln
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@MartiniX
Zitat:Immerhin hatte sie eine offensivfähige Reserve für Kursk, von der niemand etwas wusste...
Ein dezent formulierter Hinweis, den ich gerne hervorheben möchte.

Auch ich selbst ging in der Annahme, dass die Ukrainer zu einer solchen Offensivoperation aktuell nicht fähig sind, zumal allenthalben (und dies gerade auch in den Berichterstattungen) von einem großen Druck der russischen Kräfte im Osten gesprochen wurde und von einem schrittweisen, wenngleich auch teils als taktisches Manöver dargestellten, Rückzug der Ukrainer von einer Ortschaft zur nächsten. Vermutlich alle, selbst die Proponenten der Ukraine - wozu ich mich auch zähle -, gingen von aus, dass Kiew allmählich immer weiter zurückgehen wird müssen.

Das war sicher noch keine "Kriegsentscheidung" für Russland, aber der "Eindruck" war kein guter bzgl. der Lage der Ukrainer, ja sie erschienen extremst hart bedrängt. Dass nun eine solche, gegenwärtig sich wohl noch ausweitende Offensive, überhaupt denkbar sein könnte, schien bis zum 6. August kaum vorstellbar. Und dennoch geschah es und es geschieht auch noch weiter.

Langfristig wage ich gerade nur eine vorsichtige Prognose abzugeben. Denn eines ist allerdings auch auffällig: Nach verschiedenen Quellen sind die Ukrainer mit ca. zehn bis 14 oder gar 16 Brigaden aktiv. Im Schnitt schwankt die Kopfstärke einer solchen Brigade zw. etwa 1.000 und bis zu 7.000 Mann. Nehmen wir also einmal im Minimum 30% bzw. 2.500 bis 3.000 Mann an. So haben wir hier also im Minimum 25.000 Mann. Wie gesagt - im Minimum. Und nun melden z. B. klar prorussische Quellen relativ lautstark - vermutlich ohne vorher nachgerechnet zu haben -, dass man etwa in einer Woche 500 Gegner getötet oder gefangen genommen hätte.

500, in einer Woche, nach knapp zwei Wochen Offensive. Wenn man diesen "Wert" wiederum hochrechnet - lassen wir es im Extremum 2.000 Mann sein bzw. verdoppeln wir es -, so ist es geradezu erstaunlich, wie gering die ukrainischen Ausfälle sind, gerade auch, wenn zugleich von "heftigen Kämpfen" berichtet wird. D. h.: Sollten diese Angaben auch nur grob ineinander greifen, so wären in zwei Wochen weniger als 10% der ukrainischen Angriffskraft in irgendeiner Art von Ausfall (gefallen, verwundet, vermisst, gefangen) betroffen gewesen. Das ist sehr wenig angesichts dieser Materialschlachten, zumal diese 10% eine recht hohe Schätzung meinerseits sind (ich tendiere eher zu 5% oder weniger).

Ergo: Die Masse der ukrainischen Einheiten dürfte auch nach knapp zwei Wochen erstaunlicherweise noch weitgehend einsatzbereit sein, während zugleich überraschend hohe Zahlen an Russen in Gefangenschaft gehen - wenn man den Meldungen Glauben schenken mag. Insgesamt betrachtet erachte ich es also als möglich, dass die Ukrainer ihre Offensive noch weiter ausbauen werden können, zumal die Russen wohl erkennbare Erosionserscheinungen zeigen (was angesichts des Moskowiter Sklavensystems aber auch nicht verwundert). Entscheidend dürfte aber sein, wie a) gut der ukrainische Nachschub funktioniert und b) wie gut man die Drohnen- und Luftplage im Griff hat.

Schneemann
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https://istories.media/en/opinions/2024/...sk-oblast/

Berichte eines russischen Offiziers der aufklärungstruppen .
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