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Ich besuche gerade eine Vorlesung mit dem Thema:
Zitat:ozent: Prof. Dr. Rainer Schmidt
Veranstaltungsart: Vorlesung
Thema: Der Erste Weltkrieg (1914-1918)
Beginn: 25.10.2005
Zeit: Dienstag, 15-17 Uhr
Ort: HS 2
Inhaltsübersicht: Die Veranstaltung schließt inhaltlich an die vorausgegangene Vorlesung über „Das Wilhelminische Kaiserreich“ an und thematisiert die militärischen, politischen wirtschaftlichen und sozialen Ereignisse und Strukturen von der Julikrise des Jahres 1914 bis zum Zusammenbruch des Kaiserreichs in der Novemberrevolution von 1918. Methodisch ist die Vorlesung so angelegt, daß die einzelnen Kapitel durch filmische Reportagen ergänzt und reflektiert werden.
Wenn Interesse besteht kann ich jede Woche meine Mitschrift (per Laptop mitgeschrieben) hier posten. Diese ist dann allerdings zumeist noch unkorrigiert und eben nur eine hastige Mitschrift. Das Thema an sich ist aber sehr Interessant, der Prof geht sehr ins Detail, wenn ich das richtig verstanden habe will er das nächste Mal sich ausschließlich um den Schlieffenplan kümmern!
Also wenn hier Interesse besteht... Der Text dürfte allerdings Rechtschreibfehler, evtl. Grammathikalische Fehler und manchmal vielleicht auch schwer zu verstehende Sätze enthalten ;-)
Ich bin in einer Stunde an der Uni, dann könnte ich die Mitschrift der ersten Sitzung posten falls hier Interesse besteht
Grüße
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Also meinerseits nur her damit!
Einzige "Bedingung" nun meinerseits für mein Interesse:
Du hälst dich mit Werturteilen in deinen Mitschriften etwas zurück
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Als ob ich in einer Vorlesung noch die Zeit hätte etwas davon zu werten... :misstrauisch:
Außerdem wertet es der Prof selber schon genug...
Wie gesagt - einfach copy&paste - unkorrigiert und unbearbeitet...
Der Große Krieg wurde zur Urkatastrophe Europas.
Zum einen so schrecklich und grausam er auch war und so fest sein Ende durch die Pariser Vorortverträge bestimmt war, so legte er doch den Keim für einen neuen Krieg.
Es ist durchaus angemessen von einem 2. 30-jährigen Krieg zu sprechen, der in der europäischen Pentarchie endet.
Zum anderen drückt sich darin der ungeheure Transformationsprozeß aus, der durch den Krieg ausgelöst wurde. Nicht nur auf der Landkarte, auch in der Mentalität, der Wirtschaft und der Gesellschaft.
Weltkrieg als fundamentale Epochenscheide:
1. Der große Krieg stürzte die überkommen Vorstellungen von Kriegsführung und Kabinettspolitik völlig um. Die Kriegsführung verselbständigte sich zu etwas Unkontrollierbaren, anders als noch in deutschen Einigungskriegen. Schon in der Julikrise war dies greifbar, als die politischen Entscheidungen von den militärischen Erwägungen (Mobilmachung, Zeitdruck und Präventivkriegsgedanken) dominiert wurden. Dies machte einen politische motivierten Verständigungsfrieden durch die Militärs völlig unmöglich. Durch die dritte oberste Heeresleitung wurde sogar die Staatskontrolle durch die Militärs übernommen. Nicht umsonst kam die erste Friedensinitiative von außen, von Woodrow Wilson mit seinen 14 Punkten.
2. Der große Krieg verschlang eine nie dagewesene Menge an Menschenleben. Alleine von Deutschland geht man von 6,8 Mio. Kriegstoten aus, darunter gut 700.000 tote Zivilisten durch die Blockade. Damit wird bei einer gesamten Bevölkerung von 70 Mio. etwa jeder 10. Getötet! Die Entente hat 4,4 Mio. Tote zu beklagen. Mit 11 Mio. Toten schlägt der Krieg daher jede Rekorde
3. Der Krieg sprengt die vertrauten politischen und sozialen Verhältnisse Europas und beendet die zum teil jahrhundertelange Herrschaft der Monarchen einiger Länder. Der Krieg führt das Kriegsspiel ein durch Freikorps, Herrschaaren, Kampforganisationen und sog. Giftpilzen ein.
4. Rückfall in atavistische politische Grundmuster, in dem die aufklärerischen Errungenschaften wie Würde des Menschen außer Kraft gesetzt werden. AN deren stelle treten die auf Rassen oder Anschauungen basierende Ansichten in der Zwischenkriegszeit. Der Typus der pluralistischen Demokratie wird in den 30iger Jahren auf die Räume zurück geworfen, wo er bereits vor dem 1. Weltkrieg vorhanden war. Europa wird ideologisch gespalten und trägt den nächsten Krieg mit sich.
5. Der Krieg zerrüttelt die Währungen und es kommt zu Wirtschaftskrisen. Das Geld wird im Krieg geradeso verpulvert. Die Reparationen werden zu einem Quell internationaler Streitigkeiten.
6. Der Krieg revolutioniert die Territorialordnungen. Die alte europäische Grundordnung wird völlig zerrüttelt. Das Osmanische Reich und die Habsburgermonarchie werden zerschlagen. 12 neue Staaten entstehen neu, von Finnland bis zum Irak.
7. Im Verlauf des Krieges treten erstmals die beiden Mächte hervor, die dem 20. Jahrhundert ihren Stempel als Supermächte hervortreten. Sie formulieren im Krieg ihre weltumspannende gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Ziele.
8. Der große Krieg war der erste totale Krieg. Eine bis dahin nicht gekannte Mobilisierung aller militärischen und zivilen Ressourcen. Das ganze land wird dem krieg dienbar gemacht. Der Einsatz neuer Waffen die auf die massenhafte Vernichtung des Gegners zielen. Panzer, Giftgas, Flammenwerfer, Flugzeuge, Bomben, Minen, U-Boote, Maschinengewehre. Es kommen Millionenheere zum Einsatz auf allen Seiten, die bislang ungekannte vernichtungs- und Materialschlachten mit sich bringen. Damit geht einher die Radikalisierung des Krieges. Die bislang bestehenden Hemmungen werden durch die Brutalisierung des Frontalltags und das Schützengrabenerlebnis außer Kraft gesetzt. Kriegsfront und Heimatfront verschmelzen zur Einheit. Die moderne Kriegsführung wird essentiell für den Kriegseinsatz, der sie in einer gewissen Art und Weise auch zum legitimen Ziel macht. Zum ersten Mal werden weitreichende Kriegsziele propagiert und Propaganda kommt massiv zum Einsatz.
Anhand dieser Punkte kann man den 1. Weltkrieg als Epochenbruch zwischen dem 19. und 20. Jahrhundert begreifen. Das 20. Jahrhundert war das Jahrhundert ungeahnter Kriege, der Ausrottung ganzer Völker und schließlich der Einführung der Atomwaffen, die die Menschheit total vernichten könnten.
Faktoren der Urkatastrophe:
Anlaß und Ursachen des großen Krieges:
Seit Tukydides differenziert man zwischen Ursachen und Anlässen von Krieg. Der Anlaß war ohne Zweifel die Ermordung des österreichischen Thronfolgers Franz Ferdinand durch einen serbischen Nationalisten in Bosnien. Morde waren damals gang und gebe. Sie haben niemals zu internationalen Kriegen geführt, auch dann nicht wenn der Attentäter ein Ausländer war. Sarajewo war auch keine Ausnahme weil die serbische Regierung dahinter stand. Die Regierung war vielmehr entsetzt. Der serbische Regierungschef Nicola Pasic hatte zwar von den Attentatsplänen gewußt, seine Warnung nach Wien war nicht wahrgenommen worden. Der Mord war durch Geheimdienstkreise initiiert worden. Es trifft auch nicht zu daß Österreich von vornherein zu Krieg gegen Serbien entschlossen war. Für den Krieg war nur der Generalstabschef in Wien der Rest der entscheidenden Köpfe war eigentlich bis leidenschaftlich gegen den Krieg.
Wenn sich dennoch ein Krieg entwickeln konnte, dann waren tiefere Ursachen am Werk.
Die Ursachen des 1. Weltkriegs:
1. Der 1. Weltkrieg war in spezifischer Weise ein Produkt der Zeit die er beendete. Dazu gehört vor allem die Überhitzung des europäischen Staatensystems. Dazu gehörten der übersteigerte Nationalismus, der sich mit einem Irrationalismus in dem Bewußtsein Bahn bricht. Er bringt die Nationen ihre Selbstbestätigung in den Gegensätzen zu suchen. Darüber hinaus gab es den Expansionsdrang der Industriegesellschaften. Die Imperialistische Grundorientierung der Politik bedeutete einen ständigen Wettkampf zwischen den Nationen. Der Krieg war also klar ein Produkt des Zeitgeistes.
2. Das irrationale Konfliktdenken den Krieg zu zähmen oder unmöglich zu machen. Der Grund dafür war die allgemeine Perzeption (allgemeins Empfinden dessen was Krieg bedeutet) des Krieges. Der Krieg erschien allen Staatsmännern nicht als Katastrophe, sondern als Mittel der Politik, als FOrtfürhung der Politik mit anderen Mitteln. Daher gab es auch keine Notwendigkeit in einem Frieden an den eigenen Wünschen Abschlag zu nehmen. Der technische Fortschritt das Bewußtsein der Zeit weit überholt. Nur so ist es zu erklären daß man es in der Julikriese und auch schon in den Jahren davor einen Ausgleich zwischen einer Kriegsdrohung und den Konsequenzen nicht erreichen konnte. Diese Ignoranz die Zerstörerischen Folgen eines großen Krieges zu begreifen kommt von Lloyd Georges Ausspruch alle europäischen Mächte seien in den Krieg hinein geschlittert… Keiner der verantwortlichen Staatsmänner war sich darüber im klaren was sie taten. Alle Staatsmänner waren derart eingebunden in das tagesaktuelle Geschehen, daß ihnen die Folgen ihres Handelns nicht bewußt waren. „In Europa gehen die Lichter aus“ beschreibt die europäische Resignation. Keine der Nationen kalkulierte die Konsequenzen für Europa und sich selbst ein.
3. Das europäische Staatensystem befand sich vor dem Krieg in einer höchst labilen Grundverfassung, in einem festen Blockdenken. Der Grund daran liegt an dem Eintreten des Deutschen Reiches in das System. Das Reich war zu stark um Vertrauen zu finden und zu schwach um dieses System aus eigener Kraft zu dominieren. Zu schwach um dem System seinen eigenen Stempel aufzudrücken, um unangreifbar zu sein und zu stark um für die anderen keine Bedrohung zu sein. Stärker als alle seine Nachbarn und durch seine Mittellage bedroht, flankiert von 3 Großmächten und in ständiger Spannung lebend. Das Wechselverhältnis zwischen potenieller Hegemonie und dem Gefühl des Umstelltwerdens lockt damit das System aufzusprengen. Die Geburtsfehler des Reiches waren die Erbfeindschaft mit Frankreich und die Kriegsgefahr zwischen beiden deutschen Bündnispartnern, Ö-U und Rußland. Das Ungleichgewicht Deutschlands wurde zur Ursache für die Unruhe Europas. Durch die entstehenden Bündnisse steigert sich in Deutschland das Gefühl des Eingekreistseins und macht sich in außenpolitischem Großmachtsauftreten Luft. In der Marokkokrise und in der bosnischen Annexionskrise droht Deutschland mit Krieg. Ab 1907/1908 beginnt das Wettrüsten, da weder Frankreich noch Rußland erneut zurückstecken wollen. Dieses Wettrüsten führt zu einer Situation, die in der Julikrise keine Seite zum Einlenken bewegt. Der Druck der Allianzen führt dazu, daß die Bündnisse mit der eigenen Staatsraison gleichgesetzt werden.
4. Zwei von Fünf europäischen Großmächten sind durch revolutionäre Tendenzen in ihrem Bestand bedroht. In Wien und in Ö-U sah man nur im Krieg die Chance zur Erhaltung des eigenen Systems. In ÖU waren 3/5 Slaven, die Deutschen und die Ungarn bildeten die Minderheit. Die Slaven setzen mindestens auf Autonomie, wenn sie nicht gleich den Staat mit Rußlands Hilfe aufsprengen wollen. In Rußland gibt es soziale Konflikte, Massenstreiks drohen in offenen Aufstand gegen das russische Reich überzugehen. Das österreichische Ultimatum änderte diese Stimmung schlagartig! Die Streikenden gehen mit fliegenden Fahnen zum russischen Slavismus und Panslavismus über. Sasorrow, der russische Außenminister sieht nur noch den Sturz des Zaren oder den Krieg als Alternativen. Dies schafft ein Klima, in dem Außenpolitik eben nicht mehr nüchtern abläuft, sondern die inneren Spannungen nach außen abgelenkt werden sollen.
5. Die Handlungsfähgkeit der Mächte wird sehr durch der traditionellen Leitvorstellung der Ballance of Power beeinträchtigt. Diese Politik beschränkt sich zum Ende des 19. Jahrhunderts nur noch auf das rein Militärische. Fieberhaftes Wettrüsten ist die Folge, Berechnungen die gegnerischen Allianzen könnten aufholen senkt die Schwelle zum Krieg durch den Präventivkriegsgedanken. Auch auf britischer Seite besteht die Befürchtung die russische Bundesgenossenschaft zu verlieren wenn man sich nicht mit Rußland alliiert.
6. Allgemeine Disposition zum Krieg- die Bereitschaft einem sich anbahnenden Kriege nicht aus dem Weg zu gehen. Umstellungskomplex, Gefühl des Erdrücktwerdens, Angst im Wettrüsten nicht mehr mithalten zu können, und das Gefühl entweder stagnieren oder zur gleichberechtigten Weltmacht aufsteigen zu können. Dieses Gefühl betrifft alle Kreise Deutschlands. Der General a. D. Bernhardi mit Deutschland und der nächste Krieg trifft dabei den Nerv der Zeit, wo er schreibt den nächsten Krieg sollte man auf keinen Fall vermeiden, ihn vielmehr schnellstmöglich zu möglichst guten Bedingungen herbeiführen. Die russischen Rüstungen ließen den Deutschen Militärführern eigentlich nur die Möglichkeit eines Präventivkrieges, so lange man noch halbwegs mit den Feinden mithalten könne. Kurt Riezlers „Die Erforderlichekti des Unmöglichen“ (1912) und „Grundzüge der Weltpolitk“ (1914) schreibt hierzu daß jedes Volk sein Land vergrößern und die Fremden dominieren will.
Im Kriegsrat wurde 1912 beschlossen, daß Deutschland sich auf einen großen europäischen Krieg einstellen und daß das Volk darauf vorzubereiten sei. Wenige Tage später wird der belgische König um Durchmarscherlaubnis gebeten, er lehnt ab, was erklärt woher die Entende wußte daß Belgien in Gefahr ist.
Die Kriegsplanungen der anderen Großmächte setzten allesamt auf Angriff und Offensive und beinhalteten ein starkes Wettrüsten.
Das Wettrüsten in Europa:
Das Deutsche Reich steht 1914 nicht an der Spitze der Militärpyramide. Das Deutsche stehende Heer umfaßt 750.000 Mann, zusammen mit den ausgebildeten Reservisten kann das Reich rund 3,8 Millionen Mann ins Feld schicken. Verglichen mit der Bevölkerungszahl und Frankreich ist das geradezu moderat.
Frankreich hat 3,58 Millionen Mann mit Reserven bei einer Bevölkerung von nur 39,6 Millionen
Rußland hält dauernd mehr als 1,34 Millionen Mann unter Waffen, dazu kommen mehr als 3 Millionen Mann durch Mobilmachung und weitere 2 Millionen Einsatzreserve, was insgesamt 6,5 Millionen Mann bedeutet. Damit war die russische Armee mehr als doppelt so stark als die Deutsche Armee alleine.
Truppenstärke und Militärausgaben:
IN Deutschland dienten 0,99% der Bevölkerung in der Armee, in Frankreich 1,53%. Der Militarisierungsgrad des französischen Staates war um ein Drittel höher als der des deutschen.
Militärausgaben im jahre 1912 waren an der Spitze mit Großbritannien mit 32,97 Reichsmark, gefolgt von Frankreich mit 25,60 Mark. Deutschland mit 21,80 Mark, Österreich-Ungarn mit 9,15 Mark und Rußland mit 8,60 Mark pro Kopf.
Damit fiel Deutschland mehr und mehr ins Hintertreffen wenn man nicht durch einen Präventivkrieg die Situation noch abwendet.
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Schöne Zusammenfassung.
Zitat:Cyprinide postete"...Die russischen Rüstungen ließen den Deutschen Militärführern eigentlich nur die Möglichkeit eines Präventivkrieges, so lange man noch halbwegs mit den Feinden mithalten könne..."
Naja, diesen Satz unterschreibe ich so nicht . Durch die im Westen gebundenen Kräfte und die dortige Hauptbedrohung musste Russland als Kriegsgegner zwar so schnell wie möglich ausgeschaltet werden. Nach anfänglichen russischen Offensiverfolgen, war dann später auch jedes Mittel recht um Russland zu neutralisieren (incl. der Einschleusung Lenins). Von einem "Präventivschlag" gegen Russland von deutscher Seite kann aber keine Rede sein, da für eine solche Aktion nicht einmal die Truppen bereitgestellt waren.
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ähm...
darum geht es doch gar nicht!
Es geht hier um die generelle Situation vor Kriegsbeginn! Wie bereits aufgeführt war die Russische Armee bereits um Längen stärker als die Deutsche. Doch Russland rüstete weiter. Die Russischen Rüstungen sollten meines Wissens 1916 bis 1918 beendet sein. Daher war die offensichtliche Notwendigkeit Russland zu schlagen bevor es dafür keine Chance mehr gibt!
Daß der Krieg gemäß Schliefenplan zunächst im Westen geführt werden sollte ändert doch nichts an der Tatsache daß ein Präventivkrieg gegen Russland in den Augen der Zeitgenossen notwendig war!
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Zitat:Cyprinide postete
ähm...
darum geht es doch gar nicht!Es geht hier um die generelle Situation vor Kriegsbeginn!
Achso, dann war ich wohl von den Ausführungen über den zerstörerischen Krieg, seine technischen Mittel und seine Auswirkungen, fälschlicherweise davon ausgegangen, dass in diesem Abschnitt mal gerade wieder ein Zeitsprung stattgefunden hat und nicht über theoretische Optionen, sondern über tatsächliche Ereignisse referiert wird.......
Zitat:Wie bereits aufgeführt war die Russische Armee bereits um Längen stärker als die Deutsche.
Strukturell wohl kaum. Allenfalls in den Köpfen der Menschen und in der Stärke in absoluten Zahlen. Insbesondere die entscheidende Fähigkeit, Truppen schnell und effizient zu verlegen fehlte oder war stark unterentwickelt. Die persönliche Ausrüstung der Soldaten war allenfalls "schlecht" zu nennen und wies insbesondere starke qualitative Mängel auf. Die Moral der russischen Soldaten kann ich nicht bewerten, sie wäre zwar, unter westlichen Masstäben gesehen, unterdurchschnittlich, aber die Moral russischer Soldaten ist schwer einschätzbar.
Zitat:Doch Russland rüstete weiter. Die Russischen Rüstungen sollten meines Wissens 1916 bis 1918 beendet sein. Daher war die offensichtliche Notwendigkeit Russland zu schlagen bevor es dafür keine Chance mehr gibt!
Daß der Krieg gemäß Schliefenplan zunächst im Westen geführt werden sollte ändert doch nichts an der Tatsache daß ein Präventivkrieg gegen Russland in den Augen der Zeitgenossen notwendig war!
Nun ja, das war wohl eher umgekehrt. Deutschland verlängerte den Rückversicherungsvertrag mit Russland nicht (oder besser: ließ ihn passiv auslaufen) und die tiefsitzende russische Angst vor einer Invasion aus dem Westen trieb die Russen in das Bündniss mit Frankreich. Vereinfacht zusammengefasst. Und erst danach entstand dieses Gefühl das der Professor wohl zu beschreiben versuchte. Die russische "Rüstung" an sich war dabei weniger bedrohlich als der simple Blick auf die Landkarte - "von Feinden umringt".
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Zitat:Wolf postete
Zitat:Doch Russland rüstete weiter. Die Russischen Rüstungen sollten meines Wissens 1916 bis 1918 beendet sein. Daher war die offensichtliche Notwendigkeit Russland zu schlagen bevor es dafür keine Chance mehr gibt!
Daß der Krieg gemäß Schliefenplan zunächst im Westen geführt werden sollte ändert doch nichts an der Tatsache daß ein Präventivkrieg gegen Russland in den Augen der Zeitgenossen notwendig war!
Nun ja, das war wohl eher umgekehrt. Deutschland verlängerte den Rückversicherungsvertrag mit Russland nicht (oder besser: ließ ihn passiv auslaufen) und die tiefsitzende russische Angst vor einer Invasion aus dem Westen trieb die Russen in das Bündniss mit Frankreich. Vereinfacht zusammengefasst. Und erst danach entstand dieses Gefühl das der Professor wohl zu beschreiben versuchte. Die russische "Rüstung" an sich war dabei weniger bedrohlich als der simple Blick auf die Landkarte - "von Feinden umringt".
Es geht hier um die Jahre nach dem Beginn des 20. Jahrhunderts! Daß Deutschland den Rückversicherungsvertrag 1890 nach der Aufdeckung durch die Hambuerger Nachrichten nicht verlängerte ist somit schon über ein jahrzehnt her. Nachdem Deutschland sich hinter Österreich-Ungarn nach dessen Annexion Bosniesn und Herzegowinas 1908/1909 gestellt hatte mussten Russland und England zurückrudern. In Russland nahm man sich vor daß dies eben nicht mehr passieren würde und begann die Rüstungen.
Die von Dir angesprochene Zitat:Insbesondere die entscheidende Fähigkeit, Truppen schnell und effizient zu verlegen fehlte oder war stark unterentwickelt
wurde gerade behoben, da in Russland eine von Frannkreich finanzierte Eisenbahn gebaut wurde (der Name mir leider entfallen ist - weiß den jemand?) die 1916/1917 fertig werrden sollte und daher die Mobilisierungszeit derart verkürzte daß es eben nicht mehr reichen würde um Frankreich in den geplanten 6 Wochen nieder zu werfen.
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@Cyprinide
Zitat:wurde gerade behoben, da in Russland eine von Frannkreich finanzierte Eisenbahn gebaut wurde (der Name mir leider entfallen ist - weiß den jemand?) die 1916/1917 fertig werrden sollte und daher die Mobilisierungszeit derart verkürzte daß es eben nicht mehr reichen würde um Frankreich in den geplanten 6 Wochen nieder zu werfen.
Du meinst nicht zufällig die Transsibirische Eisenbahn? :frag:
Ich glaube zugegebenerweise aber nicht, daß du sie meinst, sie war meines Wissens schon vor 1905 fertig.
Eine Rolle dürfte es auch gespielt haben, daß Japan und Rußland nach 1905 sich bezüglich ihrer Interessensphären und Grenzen in Fernost einigten, was auf russischer Seite alle Ängste bezüglich der Sicherheit von Wladiwostok zerstreute.
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Nein, die meine ich nicht... Vielleicht werde ich einfach mal dem Prof eine ePost schreiben, da ich es verpasst habe. Er nannte einen Namen - und wäre es die Transibirische gewesen hätte ich mir das sicher merken können zumal mir diese ja bekannt ist...
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Die Kriegspläne
Schlieffenplan
Seit dem französisch Russischen Zweibund 1892 war der Zweifrontenkrieg Faktum für den deutschen Generalstab geworden. Allerdings waren die Pläne nicht erst ein Produkt de Wilhelminischen Ära, sondern existierten bereits in der Ära des älteren Moltke.
Allerdings gab es zwei Unterschiede:
1. Moltke ging immer davon aus, das in einem Zweifrontenkrieg nie ein Sieg sondern immer nur die Erhaltung des Status Quo möglich sei. In einem Zweifrontenkrieg einen der beiden Gegner in einem schnellen Krieg niederzuwerfen hielt Moltke für unmöglich. Er erwartete einen 7 bis 30jährigen Krieg. Daher waren sein Pläne rein defensiv. Moltkes Ansatz war der einer Offensive mit begrenztem Ziel, die im Osten und nicht wie beim Schlieffenplan im Westen erfolgen sollte. Zum einen hielt Moltke aufgrund der Erfahrungen des Deutsch-Französischen krieg einen kapitalen Vernichtungsschlag für unmöglich. „Deutschland darf nicht hoffen durch eine rasche und glückliche Offensive in westlicher Richtung von dem einen Gegner zu befreien um sich dann dem anderen zuzuwenden.“ Die Existenz des Zweibundes bot für Moltke die Möglichkeit durch einen konzentrischen Vorstoß aus Ostpreußen und aus Galizien die Truppen in Polen zu fassen und somit die Situation zu sichern.
2. Moltke bestand auf der Einhaltung der belgischen Neutralität. Belgiens Küste ist Englands Küste auf dem Festland. Dort hatten sie Napoleon geschlagen. Antwerpen war eine auf das Herz Englands gerichtete Pistole. Auf dem Wiener Kongreß hatte man daher auf betreiben der Engländer Belgien den Niederlanden zugeschlagen. Die Belgier rebellierten bekanntlich und als dann die Franzosen einmarschierten drohte England mit Krieg. Belgien wurde schließlich von den Niederlanden abgetrennt und 1839 brachte der englische Außenminister einen Vertrag zustande, nach dem von allen fünf europäischen Großmächten Belgiens Unabhängigkeit anerkannt und Garantiert wurde. Gladstone hatte 1870 von Preußen und Frankreich einen Vertrag unterzeichnen lassen nach dem England sofort einschreiten würde wenn Belgiens Neutralität verletzt werden würde.
Daher ging Moltke davon aus das wenn Frankreich die rechte Flanke durch ein Ignorieren der belgischen Neutralität zu fassen versuchen würde, es sich die Feindschaft Englands zuziehen würde.
Diese Grundregel der Anerkennung der belgischen Neutralität wurde dann 1897 aufgegeben.
1897 entwickelte der Chef des Generalstabs Generalfeldmarschalls Graf von Schlieffen einen neuen Plan:
Der Schlieffenplan: „Angriffskrieg gegen Frankreich“ (1904/1905)
• Auflösung des Zweifrontenkrieges in zwei separat zu führende möglichst nacheinander zu schaltende Einfrontenkriege auf. Ganz Deutschland muß sich auf einen Gegner werfen, auf denjenigen, der stärkste, gefährlichste und mächtigste ist, was nur Frankreich/England ist.
• Schlieffen gab den Gedanken der Defensive oder begrenzten Offensive auf. Anders als Moltke stellte Schlieffen darauf ab die militärische Formel für eine Vernichtungsschlacht zu finden. Keine Ordinären Siege zu erzielen sondern eine Einkesselung des Gegners zu erreichen die den Krieg entscheidet. Als militärisch-historisches Vorbild für eine Vernichtungsschlacht sah er die Schlacht bei Cannae.
• Schlieffen gab dem Gedanken eines Ostaufmarsches der Priorität vor dem Westaufmarsch hat auf. Die von Schlieffen erdachte Vernichtungsschlacht glaubte er nur in Westen verwirklichbar. Dies bedeute auf jeden Fall einen Krieg egen Frankreich
• Das Ziel des Vernichtungsschlag hatte zur Folge das man irgendwie in den Rücken der Franzosen gelangen mußte. Das hatte zur Folge daß man durch die neutralen Niederlande oder Belgien stoßen muß!
April 1913 unter veränderten Rahmenbedingungen für einen isolierten Planungsaufmarsch ad acta gelegt bedeutet daß, das jeder mögliche Kriegsfall nur mit einer Möglichkeit beantwortet werden kann: Mit dem Angriff auf Frankreich. Dies kann man als militärische Bankrotterklärung sehen, da es überhaupt keinen Plan mehr für einen separaten Krieg gegen Rußland gab
Vier wichtige Fragen:
1. Wie sah der Schlieffenplan konkret aus?
2. Was waren Schlieffens Motive von Moltkes Plänen so grundsätzlich abzuwenden
3. Welche Veränderungen widerfuhr der Schlieffenplan unter dem jüngeren Moltke?
4. Wo lagen die politisch militärischen Rückwirkungen?
1. Frage:
Niederwerfung Frankreichs in 6 Wochen durch 7/8 der deutschen Streitkräfte. Das verbleibende 8. sollte den deutschen Osten defensiv absichern bis der Rest herangeholt werden konnte um den Russen gegenüber zu treten. Da Schlieffen nicht über genug Truppen für Zwei Zangen verfügte wurde der Rechte Flügel deutlich stärker gemacht, im Verhältnis 7:1. Der rechte Flügel sollte durch Luxemburg, durch Belgien und Holland auf beiden Seiten der Maß nach Frankreich stoßen, dann nach Süden umschwenken und nach Frankreich abschwenken. Der im Elsaß stehende Verteidigungsflügel von der Schweiz bis nach Metz. Hier sollten die Franzosen in einen Frontsack zwischen Metz und den Vogesen gelockt werden. Schlieffen rechnete sogar mit einem Durchstoßen der schwachen Front hindurch nach Baden, woraus sich aber zwei Vorteile ergeben: Zum einen stehen die in Deutschland eingedrungenen Armeen nicht mehr für die eigentliche Schlacht in Frankreich zur Verfügung. Darüber hinaus hegte er immer noch die Hoffnung der linke Flügel könne einen Gegenangriff führen um ein Kolossales Cannae herbeizuführen.
2. Frage:
• Deutschland hat nur in einem kurzen und entscheidenden Krieg und nicht in einem langem Ermattungskrieg eine Siegchance. Die Mittelmächte waren ihren Gegnern mit Blick auf Wirtschaftspotential und im Hinblick auf die bewaffnete Macht zu lande und zur See von Vornherein unterlegen. Bei einem langen Krieg mußte sich dieses Zahlenverhältnis immer weiter verschlechtern. Den Gegnern stand der Zugang zu den Meeren und den Rohstoffen damit offen, während Deutschland vom Weltmeer abgeschnitten werden würde. Der Vorteil Deutschlands lag jedoch an seiner zentralen Lage und seinem dichten Eisenbahnnetz.
• Die Unterschiedliche Beschaffenheit der Fronten und der Gegner im Westen und im Osten. Im Osten erschwerte der Ausbau der russischen Befestigungen die seit 1880 gebaut wurden einen schnellen deutschen Vorstoß. Die Russen konnten einem deutschen Vorstoß wie schon Napoleon begegnen indem sie immer wieder auf der Weite ihres Raumes auswichen. Rußland brauchte darüber hinaus wegen seines großen Raumes etwa 6 Wochen bis es überhaupt zu einer größeren Operation antreten konnte. Diese Zeit galt es zu nutzen. Da Deutschland nur 14 Tage zur Mobilmachung brauchte könnte schon am 15. Tag ein erster großer Schlag erfolgen.
• Wegen Raum und Beschaffenheit konnte nur im Westen ein Entscheidungsschlag erfolgen. Die 1,5 Millionen Soldaten (6fach stärker als 1870) brauchten natürlich Raum um sich zu entfalten. Die Französischen Festungen boten diesen benötigten Raum eben nicht! Die Festungen zwingen die Deutschen Truppen in einen Kanal der zu einem aussichtlosen Frontalangriff gezwungen hätte. Die Deutsche Westarmee verfügte eben nicht über genug Raum um die französischen Festungen auf deutschem Boden zu umgehen! Raum, Straßen und Eisenbahnlinien waren jedoch für eine Entfaltung der Armee von Nöten. All dies war in den Ebenen Belgiens, in Flandern vorhanden. Dafür sprach auch die Logik den französischen Festungsplan zu umgehen. Ein entscheidender Schlag erfordert also den Durchmarsch durch Belgien.
• Schlieffen geht seltsamerweise davon aus das Belgien nicht kämpfen wird und das sich Belgiens 6 Divisionen nicht mit Frankreich verbinden werden! Auch hier also eine zu optimistischste Sicht der Dinge. Die veranschlagten 34 Divisionen sollten die 6 belgischen Divisionen schnell vernichten falls diese sich doch wehren sollten. Ein Widerstand sollte aber auf jeden Verhindert werden, da es ja auf die Infrastruktur ankam, auf die Brücken und Eisenbahnlinien. Von völkerrechtlichen Bedenken wurde der Generalstab nicht geplant, bis 1914 war man allgemein innerhalb des Generalstabs der Meinung eine Invasion Belgiens sei nötig.
• Eine Verstärkung des rechten Flügels war ebenfalls wichtig um England aus dem Feld zu schlagen. Der Rechte Flügel sollte bis Lille 70km vor der Kanalküste reichen um auch gegen ein britisches Expeditionskorps vorgehen zu können. Schlieffen schätzte das Blockadepotential der Britischen Flotte weitaus höher ein als die Fähigkeiten seines Landheers.
• Wenn Schlieffen sich nur der aktiven Armee bediente reichten seine Divisionen nicht aus um im Osten defensiv gegen die Russen vorzugehen und gleichzeitig die notwendige Zahlenmäßige Überlegenheit im Westen zu haben. Schlieffens Idee war revolutionär: Er wollte einfach die Reserveeinheiten an die Front werfen, was Frankreich tatsächlich auch überraschte. Seit der Abschaffung der Landwehr waren die Reservisten in eigenen Divisionen zusammengefaßt worden. Schlieffen änderte dies indem er 20 Reservedivisionen der aktiven Armee hinzufügte.
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3. Frage:
Bereits ein Jahr nach der Ausarbeitung des Schlieffenplans nahm Schlieffen seinen Abschied und starb 1913. Der Neffe des Siegers von Königgrätz und Sedan Helmut von Moltke war sein Nachfolger, der 1914 66 Jahre alt war. Er war lange Zeit Schlieffens rechte Hand gewesen, jedoch völlig unterschiedlich im Naturell. Während Schlieffen ein zupackender Charakter war und auch bereit war das Risiko einzugehen war Moltke ein Zauderer, ein für einen hohen Militär ungewöhnlich weicher geradezu melancholischer Charakter, von Selbstzweifeln geplagt. Er litt darunter das große Erbe seines Onkels antreten zu müssen, dessen Reiterstandbild er sich jeden Tag bei der Arbeit ansehen mußte. Seinem Charakter entsprechend war er auch nicht in der Lage einen eigenen Plan zu entwickeln sondern gab 1913 den Ostaufmarschplan auf. Er hatte allerdings schon bei seinem Amtsantritt dem Kaiser gesagt daß der nächste Krieg ein Volkskrieg sein würde.
Moltke hatte allerdings einen Oberst mit dem gleichen Charakter wie Schlieffen an seiner Seite: Ludendorff
Die Modifikationen durch Moltke:
• Wegen der Verstärkung der französischen Truppen hatte man Angst die Franzosen könnten den Rechten Flügel nach einem Durchbruch von hinten packen. Diese Annahme war richtig! Verstärkung der lothringischen Front. Kräfteverhältnis des rechten und linken deutschen Flügels nicht mehr 7 zu 1 sondern 3 zu 1.
• Moltke verzichtete auf eine Invasion der Niederlande und beschränkte sich auf Belgien und Luxemburg.
• Er entwarf ein genaues Drehbuch für den Aufmarsch im Westen. Es wurde genau festgelegt wie sich 1,5 Millionen Soldaten zu bewegen hatten. 11.000 Eisenbahnen wurden so genau geplant das alle 10min die Züge fahren sollten. Jeder einzelne Tag, jede einzelne Aktion war genau durchgeplant.
- Linker Flügel mit 8 Korps (etwa 320.00 Mann), der die Front im Elsaß und in Lothringen südlich von Metz halten sollte
- Die deutsche Mitte mit 11 Korps etwa (400.000 Mann) sollte durch Luxemburg und die Ardennen nach Frankreich einmarschieren
- Der rechte Flügel mit 16 Korps etwa (700.000 Mann) sollte über Belgien angreifen, die Sperrfestungen Lüttich und Namur brechen und über die Maas vorstoßen.
- Das Marschpensum und die Etappenziele waren für jeden Tag im voraus festgelegt. Der Plan verlangte, daß die Straßen über Lüttich bis zum 12. Tag nach Abschluß der Mobilmachung offen waren. Brüssel würde dann bis zum 19. Tag genommen, die französische Grenze am 22. Tag überschritten, die Linie Thionville-St-Quentin am 31. Tag, schließlich Paris und der endgültige Siege zum 39. Tag nach der Mobilmachung erreicht sein.
Frankreich sollte also geschlagen sein bevor die Russen mobil gemacht hatten.
4. Frage
• Der Schlieffenplan lief auf eine einzige Alternative zu: Entweder schneller Sieg im Westen oder steckenbleiben und langfristigem Ermattungskrieg mit unvermeidbarer Niederlage.
• Der Schlieffenplan setzte zwingend die Feindschaft Englands vorraus, wofür aber keinerlei Pläne vorhanden waren. Es gab daher keinerlei Koordinationspläne mit der starken Flotte
• Es fehlt vollkommen die Abstimmung zwischen Militärplanung und Diplomatie. Die gesamte Deutsche Vorkriegspolitik der Ära Holweg basierte darauf England neutral zu halten. Der Deutsche Generalstab zerstört diese Politik mit dem geplanten Durchmarsch durch Belgien. Kaiser und Generalstab ließen Holweg gewähren wohl wissend daß sein Plan nicht aufgehen kann.
• Der Spielraum der deutschen Diplomatie wird durch diese Militärdoktrin auf fatale Weise eingezwängt. Eine Kriegsvermeidungspolitik läßt sich aufgrund des militärischen Sachzwangs Frankreich angreifen zu müssen nur bis zu einer bestimmten durchhalten. Irgendwann erreicht man den Punkt an dem die Direktive verloren geht und er Stein ins rollen kommt.
• Die Fehlende militärische und politische Flexibilität. Sobald Frankreich aber ganz besonders Rußland mobilisiert gerät man unter den Zeitdruck der eigenen Mobilisierung. Nun beginnt die eigene Zeit abzulaufen, die man zur Verfügung hat um Frankreich zu besiegen. Sobald Rußland mobilisiert kann es nur eine Generalmobilmachung geben
- Eine Beschränkung des Krieges auf den Osten ist undenkbar, da man nur mit einer einzigen Reaktion antworten kann: mit einem Angriff auf Belgien
- Es gibt nur den Schlieffenplan weil die Russen ihre Mobilmachungszeit verkürzen wird der Präventivkriegsgedanke ungemein beflügelt. Ab 1917 habe man keine Siegchancen mehr.
- Aufgrund der Eindimensionalität fällt der deutschen Kriegsführung ein Mittel aus der Hand: Die Mobilmachung als politisches Druckmittel um Kriegsbereitschaft zu demonstrieren. Sobald mobil gemacht wurde muß der Krieg begonnen werden. Aus dieser selbstgestellten Falle gab es kein Entrinnen.
Frankreich und Rußland hingegen bot es sich an mobil zu machen um Deutschland unter Druck zu setzen, um das Uhrwerk des deutschen Mobilmachungsplans zu beginnen. Frankreich und Rußland konnten mit Krieg drohen, Deutschland mußte ihn auslösen.
contra-facta
Wie wäre der Krieg verlaufen wenn Deutschland nicht den Schlieffenplan genutzt hätte? Die Franzosen wären ihrem Bündnis folgend wohl in Elsaß-Lothringen eingedrungen sich dort aber wohl festgefressen da die deutschen Verteidigungsanlagen gewaltig waren und im 1. Weltkrieg die Defensive der Offensive überlegen gewesen wäre. England hätte es sehr schwer gehabt auf der Seite des Aggressors Frankreich einzusteigen, es hätte auch keine Blockade gegeben. Deutschland und Österreich hätten im Osten und am Balkan den Krieg entscheiden können. Deutschland hätte die große Chance gehabe den Westkrieg ohne große Verluste zu beenden und den Krieg im Osten sicher zu gewinnen.
Die britische Kriegsplanung: „Plan W“
Sir Edward Grey: „in Europa gehen jetzt die Lichter aus, wir werden sie nie mehr wiedersehen“
Seit Februar 1906 waren die Generalstabsgespräche zwischen London und Paris so weit fortgeschritten das die Birten versprochen hatten mehr als 100.000 Mann zu schicken. Seit 1906 wurde ein bewaffneter Zusammenstoß mit Deutschland als unvermeidbar gesehen.
Brigadegeneral Henry Wilson war der Planer der Zusammenarbeit. Seit 1909 radelt er bei Frankreichbesuchen die gesamten Schlachtfelder von 1870 ab und besichtigt
30. Juli 1911 reist Wilson wieder nach Frankreich und unterfertigt mit seinem Kollegen Dubail ein Memorandum, das für den Fall der Entsendung eines Expeditionskorps von 6 Divisionen (110.000) zwischen dem 4. und 12. Mobilmachungstag sollte es in Le Havre, in Boulogne und in Rouen landen: am 13. Mobilisierungstag sollte es kampfbereit sein, Seine Aufgabe war die französische Front Richtung Kanalküste zu verlängern und den französischen Westflügel vor einer Umfassung zu schützen.
Die Weichenstellungen im Committee of Imperial Defence seit August 1911:
• Deutschland rechnet mit einer langsamen Mobilmachung in Frankreich und wird daher mit aller Wucht im Westen angreifen
• Frankreich ist ohne britische Hilfe zu schwach um Deutschland alleine stand zu halten
- England muß am gleichen Tag wie Paris mobil machen und die vollständigen sechs Divisionen ins Feld stellen
- Konsens daß die Neutralität Belgiens und Hollands im Falle einer britischen Seeblockade nicht respektiert werden könne!!! Um auf Deutschland den größtmöglichen Druck auszudehnen sei eine Entscheidung Belgiens und Hollands zu erzwingen auf welcher Seite sie in diesen Krieg stehen wollten.
Die Weichen für die Verletzung der Neutralität war somit bereits 1911 seitens der Briten beschlossen! Alle Planungen sollten bis Juli 1914 abgeschlossen sein! (interessanter Zufall…)
Der französische Plan: Die „offensive à outrance“: Plan XVII
Die Franzosen rechnen fest mit dem Umfassungsversuch der Deutschen. Die Konsequenz daraus ist, das die forcierte Stärkung des rechten Flügels in einer Schwächung der Mitte und des linken Flügels resultiert. Genau dort planen die Franzosen den Durchbruch. Der Französische Plan XVII sieht also eine Offensive vor, die die Deutsche Mitte durchbrechen soll.
Gründe für den Wechsel von der Defensive zur Offensive im Mai 1913:
• General Ferdinand Foch (Direktor der Ecol Supérieure de la Guerre) predigt die Offensivkonzeption. Er predigt das der Schlüssel der Wille zum Sieg, nicht der zum Widerstand sei.
• Oberst Grandmaison (Direktor des Troisème Bureau) lehrt seinen Schülern die offensive à outrance“ (Offensive um jeden Preis) nur wenn man selbst die Initiative an sich reiße, könne man eine Entscheidungsschlacht herbeiführen – im Kriege müsse man die Freiheit des Handelns“ bewahren. Diese sei nur zu erreichen wenn man dem Feind den eigenen Willen aufzwinge.
• Die Zusagen der Russen für einen Zweifrontenkrieg 1911:
- Die Mobilmachung und Aufmarsch werden so beschleunigt werden, daß das russische heer möglichst am 15. Tag nach Beginn der Mobilmachung kriegsbereit sei.
- Sobald die Angriffsregimenter in Stellung sind beginnt ein Angriff auf Ostpreußen. Dies bedeute, daß die Russen spätestens am 16. Mobilisierungstag die ostpreußische Grenze überschreiten würden.
- Präzisierung der Zusagen in den alljährlichen Stabsgesprächen bis zum 14. Mobilmachungstag stehen alle 800.000 Mann, die für die deutsche Front bestimmt sind, bereit.
Der Plan XVII:
General Joseph-Jacques-Césaire Joffre
Unser Weg nach Berlin führt über Mainz. Das Operationsziel ist zwar Berlin, aber der Main wird bei Mainz überquert. Anders als beim Schlieffenplan nach der Modifikation ist es kein Tag-für-Tag Plan sondern nur ein Aufmarschplan. Es werden zwei Offensiven festgelegt. Je eines zur rechten und zur Linken des deutschen Festungsgürtels. Die zweite Offensive im Norden nach Mainz oder durch Luxemburg und die belgigen Ardennen. Zu diesem Zweck stellt Plan XVII die 5 französischen Armeen auf und läßt bewußt das Einfallstor für die Deutschen offen.
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Die offensive Kriegsplanung Rußlands ab 1912
Plan 19
Weder der britische noch der französische Generalstab hatten von der Schlagkraft der russischen Armee eine hohe Meinung. Man war der Meinung das russische Heer sei unbesiegbar, man müsse den russischen Riesen nur in Bewegung bringen. Rußland hatte eine verfügbare Truppe von 6,5 Millionen Mann. Man stellte sich das Heer als riesige Dampfwalze vor, die wenn sie erst einmal in Bewegung sei unaufhaltbar sei. Die Plätze der Gefallenen würden dabei immer wieder aufgefüllt werden. „Die russischen Reserven sind so groß daß Deutschland mit der Zeit der Atem ausgehen wird“
Tatsächlich sind die russischen Probleme aber gewaltig. Der russische Soldat muß bei der Mobilmachung im Durchschnitt etwa 1100km transportiert werden, in Deutschland war der Schnitt bei 200km, darüber hinaus war das deutsche Eisenbahnnetz 10 Mal so dicht wie das russische
Auch die Russen gingen 1912 zu einer offensiven Kriegsplanung über.
Kriegsminister Suchomlinow verlegte die Einheiten so, daß si in dem Bezirk stationiert waren, aus dem sie ihre Rekruten einzigen und löste zahlreiche Einheiten auf, die in Befestigungsanlagen stationiert waren um das Personal der Feldarmee aufzufüllen.
Ab März 1913 wurde Maßnahmen zur Verkürzungen der Mobilmachungszeit durchgeführt:
Massenhafte Bereitstellung von Eisenbahnwaggons, Aufbau von Mobilmachungsstationen, frühere Einberufung der drei jüngsten Altersgrippen an Reservisten, Befehl von November 1912, daß Kampfhandlungen nur auf Befehl des Zaren eröffnet würden
Plan XIX vom Mai 1912
• Gleichzeitige Offensive gegen Deutschland und Österreich-Ungarn um den Krieg auf deren Territorium zu tragen
• Variante A. Schwerpunksetzung nach Süden an der Galizienfront gegen Österreich-Ungarn, wenn Deutschland seine Hauptmacht gegen Frankreich warf – 4 Armeen gegen Österreich und nur 2 gegen Deutschland
• Plan für die deutsche Front: zangenförmige Invasion Ostpreußens durch die 1. und 2. russische Armee. Die 1. Armee sollte im Norden die 2. im Süden unter Umgehung der von den Masurischen Seen gebildeten Schranke vorgehen. Da die 1, Armee nach ihrem Sammelbegriff Wilna-Armee genannt. Eine direkte Bahnlinie zur Verfügung hatte, würde sie zuerst angriffsbereit sein., Sie sollte zwei Tage vor der südlichen Warschau-äArmee vorrücken und gegen die Deutschen marschieren, um soviel als möglich von den feindlichen Streitkräften zu binden. In der Zwischenzeit sollte die 2 Armee um die Seenschranke herum aus Süden eintreffen und im Vormarsch hinter die deutsche Front den Rückzug zur Weichsel abschneiden.
Zusammenfassend hatten also alle Länder offensive Pläne, der Deutsche Plan war jedoch der riskanteste und sollte starke diplomatische Verwicklungen mit sich bringen.
28. Juni 1914: das Attentat Gavrilo Princips auf Franz Ferdinand
Es war von Anfang an klar daß die Hintermänner in Serbien zu finden waren. Die Waffen stammten aus serbischen Heeresbeständen, serbische Zöllner hatten den Mördern den Übertritt über die Grenze ermöglicht und die serbische Presse feierte das Attentat. Die Österreichische Regierung machte daher sofort die serbische Regierung verantwortlich. Der revolutionäre Geheimbund schwarze Hand bekannte sich zu einem Großserbien. Die Schwarte Hand arbeitete hierbei gegen die Regierung, die einen Krieg mit Österreich vermeiden wollte. Der Mord von Sarajewo ist also ein Ausdruck innerer Spannungen und richtet sich gegen den Mann, der nicht nur für einen Modus Vivendi eintritt sondern auch für einen Trialismus eintrat. Hierbei sollten nicht nur die Österreicher und Ungarn sondern auch die Slawen eigene Rechte erhalten, es sollte ein Reich nach dem Vorbild der Schweiz entstehen. Dies hätte die panslawistischen Ambitionen sehr erschwert.
Bei dem Prozeß gegen Dragutin Dimitrjewitsch-Apis kommt raus, daß weitere Attentate geplant war und daß die russen die schwarze Hand unterstützt hätten. Das Attentat zielte also darauf ab den ganzen Balkan in Brand zu stecken.
In ganz Europa herrschte helle Empörung wegen des Attentats, die Situation schien günstig gegen den serbischen Großnationalismus einen Schlag zu führen
Der österreichische Generalstabschef Franz Conrad von Hötzendorf hatte schon lange einen Schlag gegen Serbien gefordert und war bislang immer an Franz Ferdinand gescheitert. Man war sich nun in Wien einig die großserbische Verschwörung nicht nur auf österreichischem Boden zu bekämpfen sondern es auch militärisch zu tun. Wilhelm II. meinte „Mit den Serben muß aufgeräumt werden, jetzt oder nie“
Jetzt, wo Rußland noch nicht fertig ist sollte man es zum Krieg kommen lassen war die Meinung in Berlin.
Für ein militärisches Vorgehen gegen Serbien benötigte Man die Rückendeckung Deutschlands, das stand außer Frage. St. Petersburg würde wohl einer militärischen Bestrafung Serbiens nicht zusehen. Das Kalkül eines großen Krieges war nicht vorhanden, man wollte eine lokale Strafexpedition durchführen, die jedoch nur durchführbar wäre, wenn sie in Form eines Österreichisch-Serbischen Duells abliefe. Die Bündnispartner beider Seiten hätten sich gegenseitig im Schach zu halten.
Daher war folgende Zusage aus Deutschland notwendig:
1. Österreich habe freie Hand mit Serbien abzurechnen
2. Berlin gewährt Wien beistand wenn Rußland sich einmischt
Zum einen setzten die Wiener Strategen voraus, daß Rußland genau wie 1908 und 1912/13 wieder abseits stehen würde, zum anderen mißachtete man den Punkt, daß die vorangegangen Krisen die Disposition zum Krieg nicht gesenkt sondern gestärkt hatten.
Das Ergebnis der Mission nach Deutschland fiel zur vollen Zufriedenheit Österreichs aus: Willhelm und Betman Hohlweg sicherten nicht nur ihre Unterstützung zu, sie forderten sogar ein rasches Vorgehen!
In den Konferenzen am 5. und 6. Juli werden die Weichen für eine gezielte Eskalation der Julikrise gestellt. Österreich erhält einen Blankoscheck. Ohne daß man sich in Berlin der Möglichkeit versichert hat auf die Österreicher irgendwie Einfluß zu nehmen soll also Österreich den Krieg auslösen. In Berlin weiß man sehr wohl daß man sich am Rande eines großen Kriegs befindet:
Arthur Zimmermann der Unterstaatssekretär im Auswärtigen Amt sagte zu Hoyos: „Ein Krieg gegen Serbien bedeutet zu 90 Prozent Wahrscheinlichkeit einen europäischen Krieg“, man zündelt also ganz klar in Berlin.
Über die Frage ob man den Krieg anstrebte oder nur in Kauf nahm gibt es eine große Debatte zwischen drei Schulen:
Die Fischer-Schule:
Fritz Fischer aus Hamburg und drei seiner Schüler sind daran sehr beteiligt, der eigentliche Ghostwriter ist Immanuel Geist, der Assistent von Fritz Fischer.
Fisher Röhl, Geist und Böhme sind die Hauptvertreter.
Deutschland habe einen Krieg mit Frankreich bewußt herbeigeführt um eine Weltmacht zu werden. Spätestens seit 1912 hatte man bewußt darauf hingearbeitet um die Hegemonie auf dem Kontinent zu gewinnen. Es war also kein Produkt des Versagens sondern ein von langer Hand herbeigeführter Angriffskrieg.
Bewertung der Theorie:
• Fischers Verdienst ist es ohne Zweifel die Frage nach den ökonomischen und gesellschaftlichen Antriebskräften des deutschen Hegemoniestrebens gestellt zu haben.
• Er entdeckte ein Schlüsseldokument, das seine Vermutung zu erhärten schien: das Septemberprogramm von Holweg aus 1914 mit allen weitreichenden Kriegszielen.
• In seinem zweiten Buch Krieg der Illusionen wies Fischer nach, daß die Kriegsziele von wirtschaftlichen Interessensgruppen und nationalen Agitationsgruppen immer wieder vertreten worden sind.
Seine Forschungen konnte sich jedoch auf breiter Front nicht durchsetzen.
Kritikpunkte:
• Bei Fischers Interpretation fehlt das entscheiden Bindeglied ins einer Beweiskette. Es fehlt der Nachweis, daß die aus ökonomischen und militärischen Interessen des Reiches abgeleiteten Ziele tatsächlich in der Julikrise die Entscheidungen der maßgeblichen politischen Instanzen in berlin bestimmten. Das Septemberprogramm ist eher ein Produkt des Krieges, nicht sein Anlaß
• Es gibt einen methodischen Widerspruch zwischen der behaupteten Dominanz sozialökonomischer Faktoren und der individuellen Verantwortung für die Auslösung des Krieges. Daß die Politiker bloße „ausführende Organe“ der von den Wirtschaftsmagnaten verfochtenen Interessen waren, dafür fehlt ein klarer dokumentarischer Beleg, Schlieffenplan und Präventivkriegsüberlegungen sowie der Kurs Bethmann Hollwegs mit England ins reine zu kommen waren Reflex sozioökonomischer Faktoren, sondern eigenständige Größen
• Das Axiom Fischers, daß die Militärs wie die Politiker einen Schnellen und klaren Sieg Deutschlands erwarteten, daß sie den krieg planmäßig vorbereiteten und diesen aus einem Gefühl der Stärke heraus auslösten hält weder der subjektiven nach der objektiven Situationsdeutung stand. Die Kriegsbereitschaft speiste sich nicht aus der Offensive, sondern aus einer auch objektiv gegebenen Zwangslange der Befürchtung immer weiter ins Hintertreffen zu geraten
• Fischers Ansatz kann nicht erklären, daß im Umfeld der Mission Hoyos keine Kriegsvorbereitungen getroffen wurden. Weder für die Marine noch für das Heer wurden irgendwelche Anordnungen erlassen im Hinblick auf einen möglichen krieg, Der Kaiser begab sich am 6. Juli auf seine gewohnte Nordlandreise, auch Moltke, der Chef des Generalstabes und Tirpitz der Chef des Reichsmarineamtes waren auf Urlaub und wurden auch nicht zurück gerufen
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Die Interpretation Wolfgang Mommsens und Hans-Ulrich Wehlers
Sie sehen eine Flucht nach vorne in einer verfahrenen innenpolitischen Lage.
• Die SPD war trotz aller Versuche sie klein zu halten bei der Reichstagswahl von 1912 zur stärksten Fraktion geworden
• Ein unaufhaltsamer Parlamentarisierungstrend drohte die Fundament der Verfassung von 1871 hinwegzuspülen und das monarchische System in seinem Grundfesten zu erschüttern, so daß die alten Eliten um macht und Einfluß fürchten mußten.
• Mit dem Reformstau im Inneren und einer Blockadeposition des Reichstages gegenüber de monarchischen Exekutive stand das deutsche konstitutionelle System vor der Unregierbarkeit
Dieser Ansatz ist daher schlüssig, als daß Machteliten gerne Risiken eingehen wenn sie mit dem Rücken zur Wand stehen. Läßt sich jedoch dieser Befund auch von Rußland und Österreich auf Berlin übertragen? Laßt sich dieser Kausalnexus auch auf die Julikrise belegen? Gibt es also einen Zusammenhang zwischen den Problemen und den Entscheidungen?
• Die Krise gab es, aber sie war nicht ausweglos. Die Gegenkräfte waren zu schwach und die Stützfaktoren des Systems waren zu stark.
• Die Krise war keine ausweglose, sondern eine stabile Krise. Das System war keineswegs am Ende. Dazu waren die Gegenkräfte zu schwach und dazu waren die Verteidiger des Systems zu stark. Die zerklüfteten Partikularinteressen im Reichstag verhinderten einen konzentrierten Angriff auf das System, der Monarchismus der Deutschen war eine feste Große, das weit verbreitet Gefühl des Antiparlamentarismus; die konservative Bastion Preußen war intakt und bildete einen Unüberwiegbahren Sperriegel gegen eine Erosion des Systems: Unter den Führungsschichten herrschte deshalb kein Konsens, daß von einem Krieg systemstabilisierende Wirkungen zu erwaten seinen und man ihn aus diesem Grunde führen müsse
• Klein quellengestützter Konnex zwischen Problemlage und Kriegsbereitschaft. Von Bethmann Hollweg sind zahlreiche Äußerungen
Die „Theorie des kalkulierten Risikos“ von Egmont Zechlin, Karl Dietrich Erdmann, Andreas Hillgruber und Klaus Hildebrand
Sie entwickelten ihre Theorie in der Auseinandersetzung mit Fischer. Die Entscheidungen bis Juli 1914 müssen vor allem im Lichte außenpolitischer Gesichtspunkte gefällt werden.
Das Deutsche Reich nahm bewußt durch eine kalkulierte Politik hart am Rande des Krieges das Risiko einer Entfesselung des Krieges in kauf, beabsichtigte diesen jedoch nicht als primäre Option außenpolitischen Handelns
Das Ziel war es, den Bündnisring gegen das Deutsche Reich aufzusprengen, die französisch-russisch-englische Allianz durch eine Politik gezielter Eskalation und einer Drohung mit dem Krieg auseinanderzumanövrieren
Es war eine begrenzte Offensive mit dem defensiven Ziel der Selbstbehauptung als Großmacht. Ein Weltmachtsstreben ist nicht die Ursache!
Die Grundgedanken der Politik des kalkulierten Risikos:
1. Aus den Verhalten der Großmächte im Krisenjahrzehnt vor dem ersten Weltkrieg folgerte Riezler, daß Großmachtpolitik in der Gegenwart immer mehr zu einer Politik des Aufschubs kriegerischer Auseinandersetzungen geworden sei. Alle Großmächte setzten darauf, den großen Krieg zu vermeiden und ihm letztlich aus dem Wege zu gehen. Solche Gründe des Aufschubs waren für Reizler die immer noch mögliche Parallelexpansion der Großmächte in außereuropäische Gebiete, die starke Verflechtung wirtschaftlicher Interessen sowie der zerstörerische Charakter moderne Großkriege, die an der Existenzgrundlagen der Großmächte rührten. Für alle europäischen Großmächte bedeutet ein verlorenen Krieg gegen eine Großmacht, menschlicher Voraussicht nach, den politischen Ruin.
2. Machtgleichgewicht ist vom Faktor der Rüstung bestimmt. Das Wettrüsten ist die moderne Form des Aufschubs. Die Wahrung des Rüstungsgleichgewichts ist daher für die Erhaltung des Friedens bestimmend. Die Kanonen schießen nicht, aber sie reden mit in den Verhandlungen. Die Rüstungen sind aber vorwiegen politisch und nicht militärisch motiviert, um den Gegner erpressen zu können und zum nachgeben zu bringen
3. In einer außenpolitischen Krise ist entscheiden, wer am glaubwürdigsten mit dem Krieg droht, in Europa stehen sich in zwei Lager erstarrte, hochgerüstete Bündnissysteme gegenüber. Deshalb kann nur der Staat eine Verschiebung der Mächtekonstellation erreichen, der mit der Methode des diplomatischen Bluffs die Kriegsdrohung möglichst überzeigend vorträgt. Der Bluff so Riezler ist das Hauptrequisit der Diplomatie
4. Die Kunst der Politik ist es, um selbst nicht ins Hintertreffen zu geraten und die eigenen Position verbissen zu können dem Gegner die Verantwortung für die Auslösung des großen Konflikts zuzuschieben Da so Riezler zwischen zwei streitenden Teilen niemand den krieg will wird auch der Mächtigere vor die Alternative Krieg oder Frieden gestellt zurückweichen
5. Da Deutschland mit einer stagnierenden Macht, Ö-U verbündet ist und sich einer auf lange Sicht überlegenen Mächte Konstellation gegenübersieht. das Kräfteverhältnis zwischen beiden Bündnissystemen verschiebt sich.
Riezlers Tagebuch als Schlüsselquelle für die Strategie der Reichsleitung in der Julikrise
1. Der Blankoscheck entsprang keiner Kriegswilligkeit, um einen großen Krieg unter allen Umständen herbeizuführen; aber man tat alles um die Krise eskalieren zu lassen und den Krieg möglich zu machen. Sie gehen zwar das Risiko des Krieges ein, wollen ihn aber nicht unbedingt
2. Es gab in der Julikrise weder ein festumrissenes Eroberungsprogramm noch eine sozialimperialistische Krisenstrategie, die die Flucht in den Krieg aus innenpolitischen Gründen nahelegte.
3. In Berlin war man geplagt von der Vorstellung, der morsche Vielvölkerstaat Österreich-Ungarn könne über kurz oder lang auseinanderbrechen. Bethmann Hollweg klar „Österreich-Ungarn wird immer schwächer. Die Unterhöhlung aus dem Süden und Nordosten schreitet immer weiter voran. Es ist unbedingt notwendig Ö-U einen Prestigeerfolg zu verschaffen“ Also. Schnelle Aktion gegen Serbien, dann Schock und den Rest aushalten bis die Entente zerfällt
4. Die fatalistische Phobie vor der wachsenden politischen und militärischen Stärke Rußlands.
5. Das Eskalationskalkül. Es galt, die Krise so eskalieren zu lassen, daß sie bis an den Rand des Krieges trieb, daß Rußland, Frankreich und England unter Kriegsdruck gestellt wurden, daß ihnen die Entscheidung über Krieg oder Frieden oblag. Deshalb durfte eine Vermittlung nicht zu früh einsetzen. Vielmehr war gemäß der Bluff-Theorie genau zu kalkulieren, bis zu welcher Eskalationsstufe die Krise hochgetrieben werden durfte
6. Man nahm den Krieg als denkbares Ergebnis des Krise bewißt in Kauf. Dieser war jedoch nicht die angestrebte Option. Die gewünschte und gedeckte Strafaktion gegen Serbien sollte der Prüfstein für die russische Kriegsbereitschaft sein. Wenn der sich Zar auf die Seite der Fürstenmörder stellt, dann ist es besser den Krieg jetzt zu führen.
7. Die beste Krisenlösung: ein diplomatischer Triumph. „kommt der Krieg nicht, will der Zar nicht oder rät das bestürzt Frankreich zum Frieden, so haben wir doch noch Aussicht, die Entente über diese Aktion auseinanderzumanövrieren.
Es ist ein defensives Kalkül der Selbstbehauptung als Großmacht. Es speist sich nicht aus einem Gefühl der Stärke sondern aus Einsicht des eigenen Machtverfalls
Es ist eine Strategie mit unkalkulierbarem Risiko. Das beruht schon auf der Tatsache daß man auf Österreich keinen Einfluß nehmen kann. Die Gegenseite kann darüber hinaus viel länger das Risiko durchhalten. Darüber hinaus gibt es das Risikospiel der deutschen Militärkraft, die überhaupt nicht vorhanden ist Kalkulierbar ist dieses Risiko nur wenn Österreich die Situation für einen sofortigen Schlag gegen Serbien ausnutzt, wozu die Österreicher überhaupt nicht in der Lage sind.
Die Eskalation der Julikrise:
Österreich regiert trotz des deutschen Blankoschecks nur sehr zögernd, wofür es drei Gründe gibt:
1. Meinungsverschiedenheiten in der Österreichischen Führungskrise, was man mit einem besiegten Serbien überhaupt machen soll. Alle sind für einen Krieg gegen Serbien, aber es gibt den ungarischen Ministerpräsident Tisza, der auf keinen Fall weitere Slawen in der Monarchie haben will, da er die ungarische Monarchie im östlichen Reichsteil befürchtet. Man einigt sich schließlich auf einen Sattelitenstaat.
2. Konrad muß eingestehen daß die Armee überhaupt nicht schlagfertig ist. Beträchtliche Truppenteile befinden sich bis zum 15. Juli auf Ernteurlaub, von dort können sie ohne großen Volkswirtschaftlichen Schaden nicht zurückgerufen werden
3. Man befürchtet ein Eingreifen Bulgariens und Rumäniens. Erst als die Deutsche Regierung zusagt Bulgarien an den Dreibund heranzuführen und Rumänien neutral zu halten gibt Tisza nach.
Am 19. Juli ist der Text des Ultimatums fertig. Das Datum der Übergabe wird auf den 23. Juli festgelegt, da der französische Präsident gerade in Sankt Petersburg ist. Das ist Vier Wochen nach dem Attentat, damit ist das Überraschungsmoment weg.
Der österreichische Gesandte gibt das Ultimatum an die serbische Regierung mit einer Zeitspanne von 48Stunden. Dies ist die erste Fehlrechnung in der Deutschen Strategieplanung
Das Ultimatum ist so abgefaßt, daß es für Serbien unannehmbar ist, es wird aber dennoch angenommen.
Serbien kommt den österreichischen Forderungen weit entgegen. Es verwehrt sich gegen die eingriffe der Souveränität, sagt aber massives Vorgehen gegen die anti-österreichischen Umtriebe zu.
Wenn nun Österreich dennoch den Krieg erklärt ist klar daß man nur einen Kriegsgrund sucht.
Am 25. Juli mobilisieren Serbien und Österreich-Ungarn ihre Armeen. Serbien erhält noch am gleichen Tag von Rußland die Ermutigung gegenüber Wien fest zu bleiben und nicht mehr nachzugeben. Dahinter liegt ein französischer Blankoscheck gegenüber Rußlands.
Weshalb setzt Frankreich jedoch nicht auf eine Beruhigung der Krise sonder auf eine Eskalation genau wie Deutschland?
Im Mai 1914 waren Wahlen in Frankreich die eine sozialistische Mehrheit erbracht hat. Diese Mehrheit hat die Wahl damit gewonnen, daß die Französische 3-jährige Dienstpflicht auf 2 Jahre verringert wird. Dies würde die Friedenstruppen massiv verringern, was den Plan 17 außer Kraft setzen würde. Für den Fall daß dies eintritt muß Frankreich eine schwere Belastung der Beziehungen zu Rußland befürchten. Aus den Aufzeichnungen des französischen Botschafters geht hervor das Frankreich alle Bündnisverpflichtungen erfüllen werde. Der französische Blankoscheck entspricht also dem Deutschen, wird jedoch zu einem ganz anderen Zeitpunkt gegeben. Die Deutschen erschaffen die Krise, Frankreich führt sie damit aber zum Krieg. Als der russische Außenminister von dem Ultimatum an Serbien hört ruft er aus „das ist der europäische Krieg“
Der Kaiser ist über die serbische Annahme des Ultimatums sehr befriedigt, er bemerkt daß damit jener Kriegsgrund fortfällt. Allerdings muß man die Krise noch verschärfen, man schlägt britische Vermittlungsversuche zurück, da eine Konferenz den anvisierten Erfolg nicht erbringen kann. An diesem Tag (27. JUuli) schickt Hollweg erneut ein Telegramm an Wien daß die Ösis auffordert die Welt vor vollendete Tatsachen zu stellen.
In St. Petersburg und Paris stuft man die Deutsche Politik als Kriegsbereit ein. AM 28. Juli erklärt Österreich Serbien den Krieg. AM 29. Juli beschießt die österreichische Artillerie die serbische Hauptstadt. Zu einer Besetzung Serbiens ist Österreich nicht in der Lage, vor dem 12. August kann kein richtiger Angriff passieren. Die Beschießung soll lediglich eine friedliche Einigung verhindern hat aber sonst keinen militärischen nutzen.
Rußland proklamiert schon am 26. Juli die Kriegsvorbereitung. Vier Bezirke beginnen mit der Teilmobilmachung. Für den 30. Juli wird die Russische Mobilmachung nach der Beschießung Belgrads angeordnet, was jedoch zunächst zurück gehalten wird als Kaiser Wilhelm an den Zar telegrafiert, was jedoch den Automatismus nicht mehr aufhalten kann.
Ab dem 28. Juli tritt Bethmann Hollweg massiv auf die Bremse und versucht die Eskalation abzubrechen. Er schickt die sogenannten Weltbrandtelegramme an Wien.
• Halt in Belgrad. Österreich sollte sich mit der Besetzung Belgrads als eines Faustpfandes zufrieden geben
• Empfehlung schnellstens Verhandlungen mit Rußland aufzunehmen
• Um den italienischen Dreibundpartner bei der Stange zu halten der sofort erklärt hatte, daß er das Vorgehen Wiens gegenüber Serbien mißbillige, schlug er Wien vergeblich vor, die italienischen Irredentabestrebungen durch die Abtretung Südtirols zu befriedigen.
Es gibt Vier Gründe weshalb er jetzt damit beginn Wien zum Einlenken zu bewegen.
1. Das schroffe Ultimatum, die serbische Annahme und die Kriegserklärung haben die europäische Situation auf die Seite Serbiens gezogen
2. Österreich hat sich als unfähig bewiesen vollendete Tatsachen zu schaffen und zeigt sich militärisch Unfähig
3. die Russische Teilmobilmachung läßt Hollweg erkennen daß man in St. Petersburg nicht gewillt ist sich vor vollendete Tatsachen stellen zu lassen. England erklärt am gleichen Tag daß es nicht abseits stehen werde wenn Frankreich mitmischt.
4. Die Aufnahme von Verhandlungen ist wichtig, damit man nicht als Kriegstreiber gilt und ihn nicht beginnt. Die Sozialdemokraten sind nicht zur Bewilligung von Mitteln zu bewegen, wenn der Krieg kein Verteidigungskrieg ist. Rußland muß rücksichtslos ins Unrecht gesetzt werden.
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@Cyp
sehr interessant, bitte mehr davon! Habe viele Sachen, die erwähnt werden, so noch nicht gelesen.
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@Cyp,
du hast in deinem 2. post auf dieser Seite von ca.6.8 Mio Toten gesprochen...da haste dich doch verschrieben oder!?
Ich hab hier nämlich Zahlen vorliegen von ca. 2.5 mio. Also 1.8 mio toten deutschen soldaten (die russen hatten auch 1.8 mio tote Soldaten zu beklagen) und ca. 7oo.000 Zivilisten.
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