07.01.2010, 19:43
Zitat: Vergebliche Kampfansagen
Korruption in Russland
Von Heide Rasche
Im Korruptionsranking von Transparency International belegt Russland Platz 146 von 180 untersuchten Staaten. Präsident Medwedew, der fast die Hälfte seiner Legislaturperiode schon hinter sich hat, kämpft seit seiner Amtseinführung um ein besseres Bild - vergeblich.
Wer in Russland ans Ziel kommen will, bezahlt: für einen schnellen OP-Termin im Krankenhaus, für einen guten Studienplatz, für eine fixe Baugenehmigung oder auch nur für das Durchwinken bei einer Verkehrskontrolle.
Präsident Medwedew kämpft seit seinem Amtsantritt gegen dieses Phänomen. Für ihn ist die Korruption - so wörtlich - ein seit Menschengedenken aussaugendes chronisches Leiden. Und das lässt sich eben nicht von heute auf morgen heilen. Dennoch versprach der Präsident in seiner Jahresbotschaft im November erneut, für Abhilfe zu sorgen.
"Die Korruption ist eine der ernsthaften Hürden auf unserem Entwicklungsweg. Um die Korruption erfolgreich zu bekämpfen, muss man alle Bereiche der Staatsverwaltung für die Gesellschaft öffnen, einschließlich der Geheimdienste und der Justizbehörden. Darauf sind eben entsprechende Gesetze ausgerichtet, die im kommenden Jahr in Kraft treten sollen."
Das entsprechende Gesetz ist seit Weihnachten unterschrieben, der russische Innenminister hat jetzt drei Monate Zeit, ein neues Auswahlverfahren bei der Einstellung neuer Mitarbeiter vorzulegen und einen Plan zur Bekämpfung der Korruption zu entwickeln.
Das dürfte allerdings nicht einfach werden. Denn nach Überzeugung des Vorsitzenden des Duma-Ausschusses zur Bekämpfung der Korruption, Alexej Wolkow, sind schließlich alle Behörden und Dienststellen des Landes von diesem Virus befallen.
Die Gründe sind vielfältig. Für Wolkow ist es vor allem die Personalpolitik: Statt Profis einzustellen, vermittele man die Stellen lieber an willfährige Bekannte. Aber auch die Einkommenssituation in den Behörden bei Polizei und Stadtverwaltungen gelten als Grund für die weitverbreitete Sitte, sich für Leistung und Wohlwollen schmieren zu lassen.
Ein Problem, dass Medwedews Vorgänger im Präsidentenamt, der heutige Premierminister Putin, durchaus auch schon erkannt hatte. Alljährlich beklagte er während seiner Amtszeit die um sich greifende Korruption im Land. Und versprach Abhilfe, zum Beispiel vor genau sechs Jahren, im Januar 2004:
"Um Korruption und andere negative Begleiterscheinungen zu beseitigen, müssen wir die Menschen, von denen das Wohl des Staates abhängt, besser bezahlen. Das müssen wir akzeptieren und uns von dem sozialistischen Prinzip, alle bekommen das Gleiche, trennen."
Tatsächlich geändert hat sich seither wenig. Zwar müssen auf Initiative von Präsident Medwedew seit einem Jahr alle hohen Staatsbediensteten, angefangen vom Präsidenten, ihre Einkommenssteuererklärung offen legen. Und die ihrer Verwandten, um so zu verhindern, dass die Bestechungsgelder möglicherweise auf Umwegen in die Privatschatullen fließen. Doch alles nur mit zweifelhaftem Erfolg. Russische Medien wundern sich immer wieder über Diskrepanzen: teure Autos, Uhren, Aktienpakete bei Ministern und ranghohen Beamten, die nicht zu dem offiziell angegebenen Vermögen passen wollen. Der russische Volksmund kommentiert das eher lakonisch: Wer sei schon ehrlich bei seiner Steuererklärung.
Transparency International legte Zahlen des russischen Innenministeriums vor, nach denen im vergangenen Jahr durchschnittlich 629 Euro Schmiergeld pro Bestechungsfall gezahlt wurden. Zum Vergleich: Der Drogenfahnder Alexej Dimowski, der vor wenigen Monaten via Internet erpresste Zeugenaussagen, gefälschte Beweise und willkürliche Verhaftungen seiner Kollegen anprangerte und von vielen Russen als Vorkämpfer gegen Korruption bei der Polizei gefeiert wurde, verdiente bis zu seiner Entlassung wegen des unbotmäßigen Verhaltens umgerechnet monatlich rund 325 Euro. Und das, da in Moskauer Supermärkten durchaus westeuropäische Preise für Lebensmittel verlangt werden.
Die Korruption betrifft alle Lebensbereiche: Im vergangen Sommer kündigte das Möbelhaus Ikea an, wegen der ständigen Forderungen nach Schmiergeld seine Expansionspläne zunächst einmal auf Eis zu legen.
Und auch nach dem verheerenden Brand in einer Diskothek in Perm vor wenigen Wochen, bei dem 152 Menschen ums Leben kamen, machte Russlands Präsident Medwedew nicht nur die Manager des Klubs verantwortlich, sondern auch die Korruption der zuständigen Beamten. Die Sicherheitsvorkehrungen der Diskothek waren offenbar regelmäßig überprüft und nach entsprechender Gegenleistung für ausreichend befunden worden.
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