05.07.2023, 22:03
1. Zum Fachkräftemangel in der Rüstungsindustrie
Das ist keine Einzelperspektive, über das wurde auch schon sowohl in den russischen wie auch in einigen westlichen Medien offen berichtet. Was mich hingegen an seinen Aussagen erstaunt hat und was ich bisher so nicht gehört hatte ist die Größe des Problemes und dass da laut seinen Angaben um die 600.000 Techniker und Ingenieure fehlen damit in dem Maß produzieren könnte, wie es eigentlich von der Regierung verlangt wird.
Die Gründe dafür sind vielfältig: zum einen hat man tatsächlich einfach zu wenig ausgebildet. Junge Russen die technische Berufe erlernen und darin gut sind, gehen zudem sehr oft ins Ausland, im übrigen war das schon vor dem Krieg so. Es gab auch schon vor Kriegsbeginn eine stete Abwanderung der besten Techniker. Dann ist das Niveau an vielen der Universitäten nicht gut, die Ausbildung soll in vielen Hochschulen einfach nur schlecht sein.
Dazu kommt die grassierende Korruption. Ich selbst kenne einen Fall eines jungen Russen der an der Universität im Prinzip ganz offen aufgefordert wurde, Geld zu zahlen, sonst würde er seinen Abschluss nicht erhalten. Er meldete dies und zeigte es bei der Polizei an. Das Ergebnis war ein Strafverfahren gegen ihn selbst wegen versuchter Bestechung (man drehte die Sache einfach um) und schlussendlich ist er ohne Abschluss ausgewandert. Das war noch vor dem Krieg.
Die Korruption und dass man mit Beziehungen bzw. einer bestimmten Abstammung an der Universität oder sonstwo Abschlüsse erhält, für die man keinerlei Qualifikation besitzt schädigt die technische Weiterentwicklung in Russland immens. Das greift aber inzwischen sogar eigentlich in alle Bereiche hinein. Beispielsweise erhalten Kinder aus entsprechenden Familien einfach so Stellen im Geheimdienst, obwohl sie überhaupt keinerlei Qualifikation oder Eignung dafür haben. Entsprechend sinkt seit Jahren schon überall die Qualität, nicht nur in der Rüstungsindustrie, einfach überall.
Die Flucht nach Kriegsbeginn hingegen ist vor allem für die IT Branche, die Finanzwirtschaft usw. hochproblematisch. ITler sind unter den Geflüchteten immens überrepräsentiert. Zudem flohen eher wohlsituierte Kreise und nahmen teilweise ihr Kapital ins Ausland mit. Das führte in Serbien und auch in Georigen inzwischen zu einem Boom sondergleichen was Wohnungspreise angeht, Unternehmensgründung, neue Geschäftsmodelle und überall drängen vergleichsweise wohlhabende Russen dort in die Wirtschaft vor. Das sind aber ganz bestimmte Kreise und sie kommen auch überwiegend aus bestimmten Städten und Regionen.
Laut meinem Bekannten hat sich die Flucht vieler junger Russen ins Ausland um nicht eingezogen zu werden deutlich weniger auf die Rüstungsindustrie ausgewirkt als die Korruption, die mangelnde Qualität und die zu geringe Quantität in den technischen Universitäten. Diese Faktoren seien deutlich relevanter als die Flucht junger Russen vor der Einberufung.
2. Zur Frage wie begehrt diese Jobs sind
Die sind begehrt, aber das nützt ja rein gar nichts in Bezug auf die Frage der Herstellung von Waffensystemen, wenn die Qualifikation nicht vorhanden ist. Entsprechend hätten russische Rüstungsfirmen viel zu viele Mitarbeiter die eigentlich nichts leisten und entsprechend irgendwo in der Verwaltung, dem Marketing, Personalentwicklung usw. geparkt werden, nur um die Löhne dort abzugreifen. Entsprechend ist auch für das Ergattern eines solchen Jobs Korruption und Nepotismus ein großes Thema.
3. Zur Frage wer zur Armee geht und wieviele rekrutiert werden
Zur Armee geht der, der muss, der arm ist, der kriminell ist, der asozial ist, der keine Beziehungen hat, nicht aus einer entsprechenden Familie stammt, einer ethnischen Minderheit angehört und dessen Familie akute Geldprobleme hat.
Die Zahl von 185.000 halte ich sogar rein persönlich für realistisch. Wieviele überhaupt eingezogen werden (auf welche Weise auch immer) ist höchst unklar. Meiner Ansicht nach läuft in Russland eine massive Schattenmobilisierung. Vor allem bei der ersten "Teilmobilisierung" wurden in Wahrheit sehr viel mehr Soldaten eingezogen als offiziell gesagt wurde. Viele der "lustigen" Filme und Bilder die da entstanden resultierten daraus, dass man sehr viel mehr Soldaten eingezogen hat als offiziell gesagt wurde und man dafür die Kapazitäten gar nicht hatte. Manche der Mobilisierten wurden sofort an die Front geworfen um den Feind zu stoppen, andere aber durchaus gründlich und über Monate hinweg ausgebildet. Und entspechend tauchen diese Einheiten jetzt "überraschend" auf, obwohl sie offiziell eigentlich gar nicht sein dürften. Wie groß das Ausmaß der Mobilisierung tatsächlich ist, kann man meiner Meinung nach gar nicht sagen.
Theoretisch könnte es sogar größer sein als die genannten 185.000. Das klingt zwar jetzt bedrohlich bzw. problematisch, aber den Russen gehen aktuell zunehmend Waffen und Munition aus. Entsprechend ist die Kampfkraft dieser Masse im Verhältnis zu ihrer Quantität nicht so hoch. Sie sinkt aber auch nicht, weil entsprechend immer weiter zugeführt wird.
4. Zur Stimmung in der Bevölkerung
Dazu sollte man anmerken, dass Russland zum einen sehr uneinheitlich ist, zum anderen dass Russen selten öffentlich (oder auch sonst) wirklich sagen was sie denken und dass wenn man es gröbstmöglichst darlegen möchte die Bevölkerung meiner Ansicht nach vor allem von zwei großen Gruppen dominiert wird: die einen sind recht einfache, ich möchte sagen Naive Gemüter, die zudem meist ein sehr archaisches Weltbild und sehr archaische Vorstellungen von Gesellschaft haben. Diese Gruppe steht dem Krieg tatsächlich mehrheitlich positiv gegenüber, weil man glaubt die Russische Welt (das ist ein fester Begriff in Russland) gegen den Westen zu verteidigen, der diese Welt seit Jahrzehnten schon mit allen Mitteln zerstören will. Die andere große Gruppe sind im Prinzip aphatische Zyniker. Denen ist der Krieg einfach völlig egal, wobei sie durchaus bereit sind Gewalt jedweder Art anzuwenden, wenn sie irgendwelche Vorteile davon haben.
Mein Bekannter gehört im Prinzip zur zweiten Gruppe, den Zynikern. Ihm ist schon bewusst was man da tut, er weiß auch was die Wahrheit ist und was wirklich in der Ukraine vor sich geht, aber es ist ihm völlig egal. Zu diesem spezifischen russischen Zynismus gehört eine extreme Apathie und sehr oft eine extreme Menschenverachtung, selbst wenn man das nach außen hin nicht zeigen will.
Dazu kommt ein über alle Gruppen hinweg auftretendes Bewundern von Stärke und Härte als Wert für sich und die feste Überzeugung dass die Schwachen keinerlei Gnade verdient haben. Der Starke der sich erfolgreich über andere hinweg setzt und dadurch deren Rechte missachtet wird in Russland bewundert. Vorausgesetzt er ist erfolgreich. Andernfalls: Es gibt keine Gnade für die Schwachen.
Das ist meiner Meinung nach der Kern der sozialkulturellen Grundströmung dort. Und daraus erklärt sich vieles was so geschieht, von der asozialen Kriminalität über den übertriebenen Nationalismus bis hin zu den Kriegsverbrechen.
Das ist keine Einzelperspektive, über das wurde auch schon sowohl in den russischen wie auch in einigen westlichen Medien offen berichtet. Was mich hingegen an seinen Aussagen erstaunt hat und was ich bisher so nicht gehört hatte ist die Größe des Problemes und dass da laut seinen Angaben um die 600.000 Techniker und Ingenieure fehlen damit in dem Maß produzieren könnte, wie es eigentlich von der Regierung verlangt wird.
Die Gründe dafür sind vielfältig: zum einen hat man tatsächlich einfach zu wenig ausgebildet. Junge Russen die technische Berufe erlernen und darin gut sind, gehen zudem sehr oft ins Ausland, im übrigen war das schon vor dem Krieg so. Es gab auch schon vor Kriegsbeginn eine stete Abwanderung der besten Techniker. Dann ist das Niveau an vielen der Universitäten nicht gut, die Ausbildung soll in vielen Hochschulen einfach nur schlecht sein.
Dazu kommt die grassierende Korruption. Ich selbst kenne einen Fall eines jungen Russen der an der Universität im Prinzip ganz offen aufgefordert wurde, Geld zu zahlen, sonst würde er seinen Abschluss nicht erhalten. Er meldete dies und zeigte es bei der Polizei an. Das Ergebnis war ein Strafverfahren gegen ihn selbst wegen versuchter Bestechung (man drehte die Sache einfach um) und schlussendlich ist er ohne Abschluss ausgewandert. Das war noch vor dem Krieg.
Die Korruption und dass man mit Beziehungen bzw. einer bestimmten Abstammung an der Universität oder sonstwo Abschlüsse erhält, für die man keinerlei Qualifikation besitzt schädigt die technische Weiterentwicklung in Russland immens. Das greift aber inzwischen sogar eigentlich in alle Bereiche hinein. Beispielsweise erhalten Kinder aus entsprechenden Familien einfach so Stellen im Geheimdienst, obwohl sie überhaupt keinerlei Qualifikation oder Eignung dafür haben. Entsprechend sinkt seit Jahren schon überall die Qualität, nicht nur in der Rüstungsindustrie, einfach überall.
Die Flucht nach Kriegsbeginn hingegen ist vor allem für die IT Branche, die Finanzwirtschaft usw. hochproblematisch. ITler sind unter den Geflüchteten immens überrepräsentiert. Zudem flohen eher wohlsituierte Kreise und nahmen teilweise ihr Kapital ins Ausland mit. Das führte in Serbien und auch in Georigen inzwischen zu einem Boom sondergleichen was Wohnungspreise angeht, Unternehmensgründung, neue Geschäftsmodelle und überall drängen vergleichsweise wohlhabende Russen dort in die Wirtschaft vor. Das sind aber ganz bestimmte Kreise und sie kommen auch überwiegend aus bestimmten Städten und Regionen.
Laut meinem Bekannten hat sich die Flucht vieler junger Russen ins Ausland um nicht eingezogen zu werden deutlich weniger auf die Rüstungsindustrie ausgewirkt als die Korruption, die mangelnde Qualität und die zu geringe Quantität in den technischen Universitäten. Diese Faktoren seien deutlich relevanter als die Flucht junger Russen vor der Einberufung.
2. Zur Frage wie begehrt diese Jobs sind
Die sind begehrt, aber das nützt ja rein gar nichts in Bezug auf die Frage der Herstellung von Waffensystemen, wenn die Qualifikation nicht vorhanden ist. Entsprechend hätten russische Rüstungsfirmen viel zu viele Mitarbeiter die eigentlich nichts leisten und entsprechend irgendwo in der Verwaltung, dem Marketing, Personalentwicklung usw. geparkt werden, nur um die Löhne dort abzugreifen. Entsprechend ist auch für das Ergattern eines solchen Jobs Korruption und Nepotismus ein großes Thema.
3. Zur Frage wer zur Armee geht und wieviele rekrutiert werden
Zur Armee geht der, der muss, der arm ist, der kriminell ist, der asozial ist, der keine Beziehungen hat, nicht aus einer entsprechenden Familie stammt, einer ethnischen Minderheit angehört und dessen Familie akute Geldprobleme hat.
Die Zahl von 185.000 halte ich sogar rein persönlich für realistisch. Wieviele überhaupt eingezogen werden (auf welche Weise auch immer) ist höchst unklar. Meiner Ansicht nach läuft in Russland eine massive Schattenmobilisierung. Vor allem bei der ersten "Teilmobilisierung" wurden in Wahrheit sehr viel mehr Soldaten eingezogen als offiziell gesagt wurde. Viele der "lustigen" Filme und Bilder die da entstanden resultierten daraus, dass man sehr viel mehr Soldaten eingezogen hat als offiziell gesagt wurde und man dafür die Kapazitäten gar nicht hatte. Manche der Mobilisierten wurden sofort an die Front geworfen um den Feind zu stoppen, andere aber durchaus gründlich und über Monate hinweg ausgebildet. Und entspechend tauchen diese Einheiten jetzt "überraschend" auf, obwohl sie offiziell eigentlich gar nicht sein dürften. Wie groß das Ausmaß der Mobilisierung tatsächlich ist, kann man meiner Meinung nach gar nicht sagen.
Theoretisch könnte es sogar größer sein als die genannten 185.000. Das klingt zwar jetzt bedrohlich bzw. problematisch, aber den Russen gehen aktuell zunehmend Waffen und Munition aus. Entsprechend ist die Kampfkraft dieser Masse im Verhältnis zu ihrer Quantität nicht so hoch. Sie sinkt aber auch nicht, weil entsprechend immer weiter zugeführt wird.
4. Zur Stimmung in der Bevölkerung
Dazu sollte man anmerken, dass Russland zum einen sehr uneinheitlich ist, zum anderen dass Russen selten öffentlich (oder auch sonst) wirklich sagen was sie denken und dass wenn man es gröbstmöglichst darlegen möchte die Bevölkerung meiner Ansicht nach vor allem von zwei großen Gruppen dominiert wird: die einen sind recht einfache, ich möchte sagen Naive Gemüter, die zudem meist ein sehr archaisches Weltbild und sehr archaische Vorstellungen von Gesellschaft haben. Diese Gruppe steht dem Krieg tatsächlich mehrheitlich positiv gegenüber, weil man glaubt die Russische Welt (das ist ein fester Begriff in Russland) gegen den Westen zu verteidigen, der diese Welt seit Jahrzehnten schon mit allen Mitteln zerstören will. Die andere große Gruppe sind im Prinzip aphatische Zyniker. Denen ist der Krieg einfach völlig egal, wobei sie durchaus bereit sind Gewalt jedweder Art anzuwenden, wenn sie irgendwelche Vorteile davon haben.
Mein Bekannter gehört im Prinzip zur zweiten Gruppe, den Zynikern. Ihm ist schon bewusst was man da tut, er weiß auch was die Wahrheit ist und was wirklich in der Ukraine vor sich geht, aber es ist ihm völlig egal. Zu diesem spezifischen russischen Zynismus gehört eine extreme Apathie und sehr oft eine extreme Menschenverachtung, selbst wenn man das nach außen hin nicht zeigen will.
Dazu kommt ein über alle Gruppen hinweg auftretendes Bewundern von Stärke und Härte als Wert für sich und die feste Überzeugung dass die Schwachen keinerlei Gnade verdient haben. Der Starke der sich erfolgreich über andere hinweg setzt und dadurch deren Rechte missachtet wird in Russland bewundert. Vorausgesetzt er ist erfolgreich. Andernfalls: Es gibt keine Gnade für die Schwachen.
Das ist meiner Meinung nach der Kern der sozialkulturellen Grundströmung dort. Und daraus erklärt sich vieles was so geschieht, von der asozialen Kriminalität über den übertriebenen Nationalismus bis hin zu den Kriegsverbrechen.