Katastrophenschutz und Krisenvorsorge
#46
(07.08.2022, 21:32)Quintus Fabius schrieb: Und nein, dass alles hat rein gar nichts mit irgendwelchen Weltuntergangsphantasien zu tun, oder einem Sonnensturm etc. Es reicht ja schon ein ganz profaner Stromausfall in einem Regierungsbezirk für zwei bis vier Wochen.

Ein Ausfall in der Fläche für zwei bis vier Wochen ist mehr als nur "profan", das setzt durchaus schon ein größeres Ereignis voraus. Und dass es dann zu einem völligen Versorgungsausfall kommt, ist nochmal deutlich mehr als nur "profan". Selbst bei der letztjährigen Flut war die Stromversorgung in den meisten Schadensgebieten trotz ausgefallener Umspannwerke (weil man die sinnvollerweise häufig neben Bächen/Flüssen positioniert hat) nach wenigen Stunden bis Tagen wieder hergestellt, in den stark beschädigten Bereichen gab es nach Tagen eine zentrale Notversorgung und die provisorische Hausversorgung war meiner Kenntnis nach spätestens einen Monat nach der Zerstörung weitestgehend wieder hergestellt (unbewohnbare/zerstörte Häuser natürlich ausgenommen). Weltuntergangsszenarien müssen es tatsächlich nicht sein, aber es muss sich schon um ein großflächiges bzw. weiträumiges Großschadensereignis in bisher nicht gekanntem Ausmaß handelt, "harmlose, unbedeutende und in anderen Ländern völlig normale Ereignisse" reichen dafür nicht aus.

(07.08.2022, 22:22)Nightwatch schrieb: Wäre vielleicht eine gute Idee gewesen diese Fähigkeit gesetzlich vorzuschreiben, aber gut.
(07.08.2022, 23:02)Quintus Fabius schrieb: Warum geschieht das nicht ?? Der Wert einer solchen Vorrichtung sollte doch selbsterklärend sein ?!

Weil ein entsprechender Wechselrichter nicht reicht, du brauchst auf der einen Seite eine ausreichend große Anlage, auf der anderen Seite aber auch einen hinreichend großen Speicher. Und die waren vor allem sehr teuer, und sind heute noch teuer. Kurz gesagt, hätte man sowas vorgeschrieben, es wäre nur ein Bruchteil an Anlagen verbaut worden.

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Was mir bei der Diskussion etwas fehlt ist eine Betrachtung in der Fläche. Schon die Photovoltaik auf dem Dach, ob nun als Insel-, Hybrid- oder Normalanlage ausgelegt, kann sich ein großer Teil der Bevölkerung gar nicht leisten, sei es aus finanziellen oder schlicht aus strukturellen Gründen. Deutschland ist noch immer ein Land der Mieter, die meisten Menschen leben in Wohnungen, der Platz ist beschränkt, Abstell- oder Vorratsräume sind selten, die Unterschicht ist groß, die finanziellen Möglichkeiten nicht weniger Menschen sind es nicht. Vorräte für ein paar Tage, vor allem Wasser, das ist auf jeden Fall sinnvoll und kann von jedem geleistet werden, ohne Frage. Aber schon bei der Stromversorgung sind enge Grenzen gesteckt, vernünftige Notstromaggregate sind nicht günstig, es muss entsprechender Treibstoff vorgehalten und regelmäßig erneuert werden, Akkunotstromgeräte oder -stromgeneratoren sind sehr teuer und sind ehrlich gesagt auch nur eine Kurzzeithilfe, wenn nicht die notwendigen Infrastruktur hinten dran hängt.

Die Diskussion darüber, dass viel zu wenige Menschen sich auf Versorgungsengpässe vorbereiten ist in meinen Augen genauso weltfremd wie politische Appelle zum Sparen von Gas und Strom. Sinnvoll, klar, aber für die Fläche bräuchte es ganz andere Lösungen, das lässt sich schlicht nicht auf die individuelle Ebene abwälzen. Und da ist auch nicht nur die Politik gefragt, die ja sowieso für alles herhalten muss, sondern auch beispielsweise die Wirtschaft (die mir sowieso zu gut wegkommt bei der ganzen Thematik).
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#47
@Helios

Zitat: Ein Ausfall in der Fläche für zwei bis vier Wochen ist mehr als nur "profan", das setzt durchaus schon ein größeres Ereignis voraus.
Also eine Gasmangellage im Winter, flankiert mit Dunkelflaute und Atomausstieg?

Derweil, Blackout ist etwas fundamental anderes als die Situation im Ahrtal letztes Jahr. Dort ging eine Menge Infrastruktur zu Bruch, die man mit erheblicher Hilfe von außen relativ schnell hat wieder zusammenflicken können. Bei einem Blackout reden wir selbst bei einem lokalen Großereignis sehr schnell über Kaskadeneffekte an deren Ende das europaweite Stromnetz entkoppelt ohne Strom daniederliegt.
Und dann wird es halt spannend. Klar, es gibt Schwarzstartfähige Kraftwerke und in der Theorie (Simulation) sieht das mit reichlich Vorwarnung und warmen Büro auch irgendwie halbwegs schnell wiederherstellbar aus.
In der Praxis? Ausprobiert hat es noch keiner. Das Chaos dürfte erheblich sein und ich halte es für sehr wahrscheinlich, dass mindestens einzelne Regionen über deutlich länger als nur ein paar Tage ohne Strom. Und da reden wir noch garnicht darüber, ob wir nach einem Blackout überhaupt genügend Strom bereitstellen können um die Netze danach wieder weiterhin stabil zu halten. Ein Blackout ist schließlich kein Reset und danach ist alles wieder gut.

Brisantes Detail am Rande: Schwarzstartfähigkeit wird jenseits der Pumpspeicherkraftwerke im Regelfall über Notstromgeneratoren abgedeckt, die im Falle des Falles die Turbinen in Gaskraftwerken anwerfen sollen. Wäre spannend so mit ohne Gas.

Zitat: Weil ein entsprechender Wechselrichter nicht reicht, du brauchst auf der einen Seite eine ausreichend große Anlage, auf der anderen Seite aber auch einen hinreichend großen Speicher. Und die waren vor allem sehr teuer, und sind heute noch teuer. Kurz gesagt, hätte man sowas vorgeschrieben, es wäre nur ein Bruchteil an Anlagen verbaut worden.
Das erschließt sich mir so nicht.
Der erforderliche Wechselrichter wäre ein Kostenpunkt von in etwa 1000€. Wohl weniger wenn das Teil in Masse in alle Anlagen eingebaut hätte werden müssen. Das sollte bei Investitionskosten deutlich jenseits der 20.000€ nicht ins Gewicht fallen.
Dann wieso 'ausreichen große' Anlagen und Speicher dahinter? Ausreichend für was bitte? Keine normale PV Anlage auf dem EFH mit irgendetwas unter 20 kWp und unter 20kW Speicher ist ausreichend um ganzjährig Autarkie zu garantieren. Im Sommer schon, aber nicht im Winter, nicht im Ansatz. Aus diesem Fakt kann man sich auch nicht rauskalieren, man könnte Leistung von Anlage und Speicher verzehnfachen und wäre immer noch nicht vollautark.
Was aber halt mit geeigneten Wechselrichter zumindest zuallerallermeist funktioniert ist ein Notbetrieb mit einzelnen Elektrogeräten.

Das ist nie gekommen weil die Politik a) einen Blackout bis vor kurzem ins Reich der Fabel verwiesen hat und deswegen kein Bedarf bestand und b) weil überhaupt nicht gewollt ist, dass sich die Menschen unabhängig von staatlich gepamperten Energieversorgern mit Strom versorgen. Da wäre noch eine ganze Menge mehr möglich wenn man die Menschen nur unbürokratisch machen ließe.

Zitat:Die Diskussion darüber, dass viel zu wenige Menschen sich auf Versorgungsengpässe vorbereiten ist in meinen Augen genauso weltfremd wie politische Appelle zum Sparen von Gas und Strom. Sinnvoll, klar, aber für die Fläche bräuchte es ganz andere Lösungen, das lässt sich schlicht nicht auf die individuelle Ebene abwälzen. Und da ist auch nicht nur die Politik gefragt, die ja sowieso für alles herhalten muss, sondern auch beispielsweise die Wirtschaft (die mir sowieso zu gut wegkommt bei der ganzen Thematik).
Ja, der Staat ist seinen Krisenvorsorgepflichten nicht nachgekommen. Böse Zungen könnten behaupten, die politische Führung hätte uns in nicht unerheblichen Teilen fast schon vorsätzlich in diese Lage manövriert.
Aber die Erkenntnis hilft nicht weiter. Die Lage ist jetzt, wenn es dumm kommt wird dieses Land in weniger als einem halben Jahr vollständig kollabiert sein. Es bringt nichts mehr jetzt fundamentale Mängel zu benennen, es gilt sich jetzt bestmöglich vorzubereiten. Individuell da weite Teile der Politik nach dem Drei-Affen-Prinzip in den Herbst stolpern, da ist keine Rettung zu erwarten.


Ganz interessantes Interview mit Herbert Saurug, einem (selbsternannten) Krisenvorsorgexperten:
https://www.youtube.com/watch?v=K_N3Pznrj9k
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#48
(08.08.2022, 17:56)Nightwatch schrieb: In der Praxis? Ausprobiert hat es noch keiner. Das Chaos dürfte erheblich sein und ich halte es für sehr wahrscheinlich, dass mindestens einzelne Regionen über deutlich länger als nur ein paar Tage ohne Strom.

Die Aussage war, dass ein Stromausfall in einem Regierungsbezirk über mehrere Wochen etwas "profanes" wäre. Und ich bleibe dabei, dass es das nicht ist, und dass es das auch anderswo mit einigermaßen relevanter Infrastruktur nicht wäre. Insofern geht es eben doch um "Großschadensereignisse" und, wenn man eurer Dramatik folgt, um Weltuntergangsszenarien.

Zitat:Das erschließt sich mir so nicht.

Für eine tatsächliche Notfallautarkie darf man keine Schönwetterrechnung hernehmen, du hast es selbst im nach mir zitierten Satz erwähnt:
"das Problem ist eh das selbst groß dimensionierte Anlagen im Januar und Februar im Zweifelsfall nicht ausreichen, um mehr als eine Gefriertrue zu betreiben. Also genau dann wenn ein Blackout am wahrscheinlichsten ist."

Wenn man es sich nicht schönrechnet, dann nützt ein entsprechender Wechselrichter allein gar nichts, zumindest ein Minimalspeicher ist für ein autark funktionierendes Notfallsystem erforderlich (es gibt auch integrierte Systeme). Selbst wenn ich von einem kleinen Speicher ausgehe verdreifachen sich die Kosten, während deine Schätzung von Investitionen jenseits der 20.000 Euro übertrieben sind - die Privatanlagen sind im Durchschnitt deutlich günstiger gewesen (und zum Großteil ist kein Speicher verbaut). Meine Schlussfolgerung: wäre eine Notfallautarkie verpflichtend gewesen, hätten wir jetzt nur ein Bruchteil der tatsächlichen Anlagen im Privatbereich.
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#49
Speicher ist bei der Anlage auf EFH seit mehhreren Jahren Standard. Investitionskosten in Höhe von über 20k sind für eine Anlage mit Speicher realistisch.

Aber die Diskussion können wir uns sparen. Die Lösung wäre einfach gewesen wenn man gewollt hätte: Minimale Verzögerung der Abschmelzung der Einspeißevergütung und die Mehrkosten von ~ 1k€ wären über die Lebensdauer der Anlage wieder drin gewesen. Das hätte keinen messbaren Effekt gehabt.
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#50
Der große Anstieg bei den Speichern kam erst in den letzten zwei bis drei Jahren, verglichen mit der Gesamtzahl an PV-Anlagen (1,3 Millionen auf EFH/ZFH Stand Ende 2020 bzw. 2,2 Millionen Anlagen insgesamt Stand 2022) wird deutlich, dass bis heute nur ein kleiner Teil der Anlagen mit entsprechenden Speichern ausgerüstet ist.

Damit sind deine etwa 1.000 Euro Mehrkosten deutlich zu niedrig und eine Investitionssumme von 20.000 Euro deutlich zu hoch. Signifikant höhere Mehrkosten und dadurch entsprechend niedrigere Verbreitungszahlen wären vermutlich die Folge einer solchen Regelung gewesen.
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#51
Der Einzelspeicher für jeden daheim ist weder besonders effizient, noch nachhaltig. Wir müssen zu mehr Insellösungen mittlerer Größe kommen, also ganze Dörfer oder Wohnblöcke. Idealerweise bräuchte es da Nahwärme-BHKWs mit angeschlossenem Stromspeicher, der bei günstiger Lage von den Solaranlagen im Einzugsgebiet gespeist wird, bei Bedarf diese Energie zurück liefert und ggf. "dazuheizt". Das ganze dann möglichst noch inkl. Ladesäulenintegration, so dass Kfz-Akkus mit genutzt werden können etc.
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#52
(08.08.2022, 20:01)Helios schrieb: Damit sind deine etwa 1.000 Euro Mehrkosten deutlich zu niedrig und eine Investitionssumme von 20.000 Euro deutlich zu hoch. Signifikant höhere Mehrkosten und dadurch entsprechend niedrigere Verbreitungszahlen wären vermutlich die Folge einer solchen Regelung gewesen.
Soll ich die Rechnung meines Elektrikers von 2016 oder das Angebot meines Nachbarn von 2021 hochladen? ...
Der zusätzliche Wechselrichter kostet halt nicht mehr und wäre bei einem verpflichtenden Einbau durch Masse nochmal günstiger. Und günstiger als 20k wird dir das nicht für PV+Speicher, weder heute noch vor Jahren.
Kann dazu jetzt auch nicht mehr sagen als das es halt so ist. Willkürliche Quelle
https://www.wegatech.de/ratgeber/photovo...ikanlagen/
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#53
(08.08.2022, 22:11)Nightwatch schrieb: Der zusätzliche Wechselrichter kostet halt nicht mehr und wäre bei einem verpflichtenden Einbau durch Masse nochmal günstiger. Und günstiger als 20k wird dir das nicht für PV+Speicher, weder heute noch vor Jahren.

Den Aufpreis beim Wechselrichter stelle ich nicht in Frage, ebenso wenig die Kosten für eine PV-Anlage mit Speicher. Aber wie bereits mehrfach dargelegt sind die deutliche Mehrzahl der PV-Anlangen ohne Speicher gebaut worden. Um eine typische PV-Anlage, wie sie in den letzten zehn oder fünfzehn Jahren verbaut worden ist, für eine sinnvolle Notfallautarkie auszurüsten sind dem entsprechend deutlich höhere Investitionskosten notwendig - deinem Link nach etwa 5.000 Euro für den Speicher, plus den Aufpreis für den Wechselrichter. Nach deinen Zahlen sind wir dementsprechend nicht in der Fläche bei Mehrkosten im Bereich von etwa 30% durchschnittlich.

Nur für die PV-Anlagen mit Speicher hätte man eine Autarkiefähigkeit fordern können, das hätte tatsächlich keinen großen Unterschied gemacht. Für die Masse der PV-Anlagen wären allerdings deutlich Mehrkosten entstanden, wenn man eine solche Fähigkeit für alle Anlagen vorgeschrieben hätte. Und meiner Ansicht nach wäre eine Vielzahl der Anlagen dadurch gar nicht erst entstanden, weil der Markt sehr preissensibel reagiert hat.
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#54
Helios:

Zitat:Die Diskussion darüber, dass viel zu wenige Menschen sich auf Versorgungsengpässe vorbereiten ist in meinen Augen genauso weltfremd wie politische Appelle zum Sparen von Gas und Strom. Sinnvoll, klar, aber für die Fläche bräuchte es ganz andere Lösungen, das lässt sich schlicht nicht auf die individuelle Ebene abwälzen.

Diese Aussage kann ich nicht ansatzweise nachvollziehen. Absolut jeder könnte hier wesentlich mehr leisten. Das ist eine Mentalitätsfrage, eine Kulturfrage, vor allem aber auch eine Frage der Information. Wenn die Regierung hier massiv Informationen verbreiten würde, offensiv Kenntnisse zur Verfügung stellen würde, und dass reicht von den Schulen bis hin zu den öffentlichen Rundfunkanstalten, könnte man hier viel in Bewegung setzen.

Auch die Leute die sich keine Photovoltaik etc leisten können, könnten allesamt wesentlich mehr in Bezug auf Versorgungsengpässe vorbereiten und leisten. Und es kann für den Staat und auch für die herrschenden Eliten eigentlich nur sinnvoll sein dies voran zu treiben, weil die daraus erwachsende gesellschaftliche Widerstandsfähigkeit ein erheblicher Vorteil ist, auch ein erheblicher sicherheitspolitischer und militärischer Vorteil.

Und welche anderen Lösungen "für die Fläche" sollten den gehen?! Die Lösung sind die Bürger selbst, sie müssen endlich weg von dieser Staatshörigkeit, von dieser organisierten Verantwortungslosigkeit, von dieser Unselbstständigkeit, von dieser hifllosen Unterordnung und Passivität und dass ist erreichbar, dazu genügt bereits eine andere offensive Informationspolitik.

Obwohl man aktuell beschwichtigt was nur geht, läuft es bereits in Teilen der Bevölkerung in diese Richtung. Aktuell kriegt man de facto keine neuen Photovoltaikanlagen in kurzer Zeit, man muss sehr lange Wartezeiten in Kauf nehmen, Ofenbauer sind vollständig auf Jahre hinaus ausgelastet (mein Bruder baut beispielsweise Öfen und weiß nicht mehr wie er mit der Auftragsannahme umgehen soll, so dermaßen wird das überrannt), seht euch die Preise für Brennholz an (!), da verdiene ich aktuell Geld wie noch nie zuvor in meinen Lebzeiten und dabei verlange ich noch moderate Preise im Vergleich zu dem was der Ster inzwischen in der Großstadt kostet und auch ich weiß nicht mehr wie ich überhaupt noch mehr neue Kunden beliefern könnte, selbst wenn ich es wollte.

Also: selbst ohne eine solche offensive und massive staatliche Informationspolitik gibt es bereits eine beginnende Strömung in diese Richtung. Diese hätte man massiv voran treiben können, einfach nur durch ganz billige Informationen welche man steuert, und man könnte dies immer noch. Und exakt das würde eine Lösung für die Fläche wesentlich voran bringen, und dies auch noch von selbst, aus eigener Initiative der Bürger und ohne dass der Staat hier künstlich irgendwelche bürokratischen Prozedere aufbaut.

Zitat:Und da ist auch nicht nur die Politik gefragt, die ja sowieso für alles herhalten muss, sondern auch beispielsweise die Wirtschaft (die mir sowieso zu gut wegkommt bei der ganzen Thematik).

Dem kann ich allerdings zustimmen. Die aktuellen Sonderprofite in vielen Bereichen für Großkonzerne sind eine Ungeheuerlichkeit.
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#55
Punkt eins, für einen Notbetrieb benötigst du keinen Speicher. Natürlich ist ein Notbetrieb mit Speicher wesentlich sinnvoller, aber auch ohne Speicher würde es bis auf wenige Wochen im Jahr reichen eine Kühltrue oder dergleichen zu betreiben. Hier gilt wenig ist besser als nichts.

Punkt zwei, eine Anlage vor zehn oder fünfzehn Jahren entstand nochmal unter anderen Voraussetzungen. Da musst du gut das dreifache pro kWp rechnen und hast eine deutlich höhere Einspeisevergütung. Auch damals wären dann 1000€ mehr nicht ins Gewicht gefallen.

Insofern, über was reden wir hier? Das stichhaltigere Argument ist das Speicher schlicht erst seit ~2015 verfügbar waren, nicht das der Wechselrichter 1.000€ kostet.
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#56
Ergänzend:

Der wesentliche Punkt ist meiner Ansicht nach, dass die Regierung Merkel hier bewusst diese Entwicklung zugunsten großer Konzeren sabotiert hat, und wir deshalb Jahre verloren haben.

Broensen:

Hatte ich noch übersehen:

Zitat:Wir müssen zu mehr Insellösungen mittlerer Größe kommen, also ganze Dörfer oder Wohnblöcke.

Bei uns in der Gegend läuft es genau in diese Richtung, bis auf ein paar Unbelehrbare wie mich, die im Winter halt einfach am Kachelofen herumlungern.
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#57
(08.08.2022, 22:49)Quintus Fabius schrieb: bis auf ein paar Unbelehrbare wie mich, die im Winter halt einfach am Kachelofen herumlungern.

Das ist nicht unbelehrbar, das ist beneidenswert. Heizen könnt kaum schöner sein als mit einem guten Kachelofen. Nur der offene Kamin bereitet mehr Freude, wenn auch weniger Komfort und Effizienz.
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#58
(08.08.2022, 22:42)Quintus Fabius schrieb: Diese Aussage kann ich nicht ansatzweise nachvollziehen. Absolut jeder könnte hier wesentlich mehr leisten.

Ja, aber ein großer Teil der Bevölkerung wird nie genug leisten können, und ein Großteil dessen, was hier gerade diskutiert wurde geht im Gesamtkontext genauso unter wie die Gassparappelle der Politik.

Zitat:Und welche anderen Lösungen "für die Fläche" sollten den gehen?!

Größere Vorratshaltung insbesondere bei nicht haushaltsüblichen Verbrauchsmitteln (bspw. Kraftstoffe), mehr Großgeneratoren, eine deutlich dezentralisiertere Stromversorgung (Stromerzeugung und Speicherung) mit ausgeprägteren Inselfähigkeiten, mehr und vor allem gefüllte Wasserhochbehälter, konkrete Pläne und Übungen zur Verteilung der Menschen in der Fläche (insbesondere aus den Großstädten heraus) im Notfall, Wiederaufbau eines analogen Notsendenetzes, usw. usw. usw., es braucht dafür stärkere Feuerwehren, ein stärkeres THW, usw. Es ist doch kein antibellizistisches Geschwafel, dass man mit den 100 Milliarden unsere Gesellschaft wesentlich resilienter gestalten könnte als mit der Investition in die Bundeswehr, es wäre nur falsch, die 100 Milliarden der Bundeswehr dafür zu verwenden.

Zitat:Obwohl man aktuell beschwichtigt was nur geht, läuft es bereits in Teilen der Bevölkerung in diese Richtung. Aktuell kriegt man de facto keine neuen Photovoltaikanlagen in kurzer Zeit, man muss sehr lange Wartezeiten in Kauf nehmen, Ofenbauer sind vollständig auf Jahre hinaus ausgelastet (mein Bruder baut beispielsweise Öfen und weiß nicht mehr wie er mit der Auftragsannahme umgehen soll, so dermaßen wird das überrannt), seht euch die Preise für Brennholz an (!)

Der Materialmangel von Importgütern wie PV (da gab es hier ja mal eine Industrie, aber die wollte man nicht) hat nicht viel mit einer deutlich höheren Nachfrage zu tun (die auch eine Rolle spielt), sondern vor allem mit Produktion, Transport und einem deswegen deutlich schärferen Konkurrenzkampf. Das zieht sich durch alle Branchen und betrifft in letzter Konsequenz dann auch lokale Ressourcen. Der Handwerkermangel wurde jetzt durch Corona nur noch stärker offenbart, Problematisch ist der schon seit Jahren, und in bestimmten Regionen und Branchen sind heute überall anzutreffende Wartezeiten mangels Überlastung entsprechend lange schon normal.
Es hat sicherlich ein Umdenken stattgefunden, erst durch Corona, jetzt kommt noch der Krieg in der Ukraine hinzu. Was passiert, wenn die Bürger selbst um ihr Wohl sorgen kann man da aber auch sehen: es geht teilweise in gewaltig falsche Richtungen (siehe Heizlüftermangel).

Zitat:Diese hätte man massiv voran treiben können, einfach nur durch ganz billige Informationen welche man steuert, und man könnte dies immer noch. Und exakt das würde eine Lösung für die Fläche wesentlich voran bringen, und dies auch noch von selbst, aus eigener Initiative der Bürger und ohne dass der Staat hier künstlich irgendwelche bürokratischen Prozedere aufbaut.

Die ganz billigen Informationen gab es doch, die Empfehlungen beispielsweise vom Katastrophenschutz, die eine Zeitlang sogar prominent im Fernsehen und Radio liefen. Und mögliche Katastrophenszenarien kannst du bildgewaltig auch im TV hoch und runter schauen. Es interessiert schlicht niemanden auf einer persönlichen Ebene, weil allen Beteuerungen von Experten und Verantwortlichen zum Trotz niemand davon ausgeht, dass so etwas wirklich passiert. Es ist ja gerade nicht so, dass es zu diesem Thema nichts gäbe.
Dieses Desinteresse sorgt dann nicht nur dafür, dass auf individueller Ebene nichts passiert, sondern auch, dass entsprechende Vorsorgemaßnahmen für die Fläche keine politische oder wirtschaftliche Unterstützung bekommen. Und bevor das Argument wieder kommt, das ist auch kein spezifisch deutsches oder westliches Problem, im Gegenteil, in Nationen wie China oder Russland sieht das noch sehr viel schlimmer aus (wenn man sich da auf infrastrukturell ausgebaute Gebiete bezieht).

(08.08.2022, 22:47)Nightwatch schrieb: Insofern, über was reden wir hier? Das stichhaltigere Argument ist das Speicher schlicht erst seit ~2015 verfügbar waren, nicht das der Wechselrichter 1.000€ kostet.

Bei den typischen Anlaufströmen für Elektrogeräte sprechen wir bei einer speicherlosen PV-Anlage nicht nur über wenige Wochen, insbesondere im Norden der Republik. Wie gesagt, ein Wechselrichter für autarken Betrieb von speicherlosen PV-Anlagen ist eine Schönwetterargumentation. Und du allein behauptest, es würde um die 1.000 Euro für den Wechselrichter gehen - es geht mir darum, dass die meisten PV-Anlagen keinen substanziellen Beitrag zur Notversorgung leisten könnten, selbst wenn sie mit einem solchen ausgerüstet wären, und dass der notwendige Speicherzwang zu einer signifikant kleineren Anzahl an Anlagen geführt hätte, so dass auch darüber kein substanzieller Beitrag erzielt worden wäre.
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#59
@Helios
Zitat:Ja, aber ein großer Teil der Bevölkerung wird nie genug leisten können, und ein Großteil dessen, was hier gerade diskutiert wurde geht im Gesamtkontext genauso unter wie die Gassparappelle der Politik.
Das ist i. d. T. ein gewichtiger Punkt, der der Forderung, wonach die Menschen im Land Krisenvorsorge zu betreiben hätten, entgegen steht.

Vermutlich hätten wohl, so schätze ich, einerseits 35% der Bevölkerung grundsätzlich schon mal das Problem, ad hoc die Mittel aufzubringen für einen Kauf entsprechender Vorräte für einen Zeitraum von zwei Wochen. Zumindest gibt es Studien, die besagen, dass z. B. rund ein Drittel der Menschen in Deutschland mit einer "spontanen" Rechnung von € 400,00 überfordert wären. Alleinstehende mögen vielleicht noch besser reagieren können, aber spätestens dann, wenn ich zwei oder mehr Personen versorgen müsste, wäre der Kauf von (haltbaren) Vorräten für 14 Tage quasi nur auf Halde schon bei nicht wenigen ein Problem. Kommen dann noch z. B. bestimmte Medikamente, Lampen, Batterien etc. hinzu, so reden wir schnell von Summen von jenseits von € 400,00.

Weiterhin denke ich, dass man noch einen Unterschied zwischen Stadt und Land machen müsste. In den Großstädten ist die Tendenz, Einlagerungen vorzunehmen, deutlich geringer als auf dem Land. (Das ist meine eigene Einschätzung.) Zwar ist die Verfügbarkeit in der Stadt eher gegeben, aber gerade deswegen ist die Bereitschaft entsprechende Vorräte zu kaufen und zu lagern, wiederum geringer. Hinzu kommt auch, dass in den Städten es manche Viertel gibt, die besser gestellt sind und wo die Menschen entsprechend einkaufen könnten, aber ein erheblicher Teil der Menschen in Städten hätte diese Chance in den kleineren Wohnungen oder Mehrparteienhäusern nicht - von sozial schwachen Vierteln rede ich da noch gar nicht.

Ich habe selbst schon in Städten gewohnt, u. a. München, wohne aber nun schon seit ein paar Jahren etwas außerhalb, ca. 40 Kilometer von Stuttgart entfernt, und möchte es eigentlich nicht missen bzw. will auch nicht mehr in die Stadt zurück. Für das abendliche Ausgehen, die Shoppingtour etc. - Quintus würde hier nun wohl Hedonismus wittern - ist die Stadt natürlich besser (und ich kann auch verstehen, weswegen man als junger Mensch dorthin will; ging mir früher ja auch so), aber hinsichtlich Ruhe, Luft, Landschaft und Nachbarschaft ist mir persönlich mittlerweile die Umgebung lieber.

Sicherlich mag es auch im ländlichen Bereich Unterschiede von Ort zu Ort geben - Wohlstand, Mentalität etc. -, aber für mein Empfinden ist hier der nachbarliche Zusammenhalt (obwohl es ja weniger Menschen pro Kilometer sind als in der "Neutralität" der Städte) ausgeprägter und auch die Bereitschaft und die Mittel zur Vorsorge sind stärker vorhanden. Zwar wäre ein längerer Stromausfall auch hier sehr ärgerlich, aber nicht wenige besitzen einen kleinen Generator in der Garage und ein "Stückle" mit Holzlager und einen kleinen Kamin.

Insofern: Das Einfordern des Anlegens von Vorräten ist sicherlich sinnvoll, aber es ist m. M. n. a) den meisten in den Städten gar nicht möglich und b) müsste man unterscheiden zwischen Stadt und Land. Und ja, ein großer bis erheblicher Teil der Menschen wird dies auch gar nicht leisten können.

Schneemann
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#60
Die Bundesnetzagentur hat neue Szenarien für den Winter in deutlich höherer Qualität veröffentlicht.

Der Bericht:
https://www.bundesnetzagentur.de/DE/Fach...onFile&v=4

Erklärungen zum Bericht:
https://www.bundesnetzagentur.de/DE/Fach...onFile&v=4

Das Szenario 2 bildet aktuell die Realität ab, es gibt keine Erkenntnisse, dass die Russen die Gasliefermenge in absehbarer Zeit über 20% hinaus erhöhen.

!!Wichtig!!: Den Szenarien liegt die Annahme zu Grunde, dass die Deutschen LNG Terminals ab 01.01.23 mit annähernd Maximalauslastung fahren. Wie erörtert, mE Wunschdenken, aber gut. Zitat Bundesnetzagentur: „Eine Auslastung von 90% ist sehr ambitioniert, entspricht aber der Auslastungsrate einiger europäischer LNG-Terminals seit Beginn des Ukrainekrieges.“ Na dann.

Natürlich nimmt man auch einen durchschnittlichen Winter an, dass es vielleicht auch mal zum Beginn des Frühjahres eine überdurchschnittliche Kältewelle geben könnte blendet man aus.
Ebensowenig befasst man sich mit der Stromproblematik, modelliert wird nur der Gasverbrauch als solches. Das durch eine gedrosselte Gasversorgung der Strombedarf steigt (Heizlüfterproblematik) und Stand heute ab Januar nach der AKW Abschaltung nochmal 7% Strom im System fehlen die während einer Dunkelflaute nur durch mehr Gasverstromung ersetzt werden können wird ausgeblendet.

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Was erwartet uns nun?

Geht man davon aus, dass keine weitergehende Reduktion des Gasverbrauchs über einer von der Bundesnetzagentur grundsätzlich angenommenen Reduzierung um fünf Prozent (IMO vertretbar) hinaus erfolgt und bleibt die Weiterleitung ins Europäische Ausland konstant besteht ab November(!!) 2022 ein Gasmangel der sich insgesamt auf fast 250TWh summiert. Bei gleichbleibenden Verbrauch führt dann selbst eine Kürzung der Exporte um 35% zu einer Gasmangellage ab Februar 2023.

Sprich, auf Industrie und Verbraucher werden schmerzhafte Einschnitte zukommen müssen. Die Bundesnetzagentur rechnet mit einer Verbrauchsreduktion von 20%. Wo die herkommen soll wird interessant. Zumindest aktuell ist der Gasverbrauch in Deutschland höher als eigentlich erhofft, im Monat Juli 2022 wurde zuletzt fast genauso viel Gas verbraucht wie im Juli 2021. Und zu allem Überfluss hat die Bundesnetzagentur gestern den Verbrauchswert von Juni 2022 von 33,6 auf 39,6 TWh deutlich nach oben korrigiert. Das entspricht im Wesentlichen dem Stand des Vorjahres – bei bestem Sommerwetter. Von den erhofften Einsparungen ist fast nichts in Sicht!

Springender Punkt jedoch, Verbrauchreduktionen um 20% allein reichen nach den Berechnungen der Bundesnetzagentur auch garnicht aus um einer Gasmangellage vorzubeugen. Ohne flankierende Maßnahmen beim Export ist ab Januar 2023 mit einer Gaslücke von über 100 TWh Ende.

Lediglich für ein Szenario mit einer Verbrauchsreduktion von 20% plus einer Exportreduktion um 20% prognostiziert die Bundesnetzagentur keine Gasmangellage. Ich wage das aber zu bezweifeln, neben der oben schon erwähnten LNG Problematik wären die Gasspeicher dann ab März 2023 so niedrig, dass bei Füllständen von global unter 10% sehr wahrscheinlich nicht mehr in allen Regionen Gas bereitgestellt werden kann. Wie schon mal angerissen funktioniert unser Pipelinenetz auch nicht omnidirektional, aber das sind ja Details die in diesen globalen Berechnungen unter den Tisch fallen. Die Bundesnetzagentur räumt letzteres in den oben verlinkten weiterführenden Erklärungen auch ein. Sprich, ich schätze das es für Süddeutschland richtig übel wird.

Damit die Lage aber nicht ganz so dramatisch daherkommt wie gezeichnet erfindet die Bundesnetzagentur neue Szenarien mit einer Steigerung der nichtrussischen Importe von 10 bzw. 15 GW pro Tag. Also sprich, die Gasmenge die (ganz bestimmt) über die LNG Terminals kommen wird kommt dann nochmal im Winter aus dem Europäischen Ausland. Woher? Zitat – „Importe lassen sich sowohl durch den Kauf von mehr LNG-Gas an europäischen Terminals, zusätzliche LNG Terminals in Deutschland als auch durch mehr Gas aus Norwegen, den Niederlanden, Belgien und/oder Frankreich realisieren.“

Auch hier wieder: Pipelines sind endlich und laufen nicht in beliebige Richtungen. Die LNG Terminals in Nordwestdeutschland werden das Netz schon gehörig füllen (zumindest theoretisch), da jetzt nochmal erhebliche Importmengen aus Westeuropa einzuleiten ist sportlich. Spannend auch die Frage, ob Frankreich bis zum Winter mit seinen Atomkraftwerken durch ist und Kapazitäten für uns frei hat. Bliebe die Frage Wann die Importerhöhungen kommen sollten. Ich würde ja meinen das wäre eine notwendige Sofortmaßnahme und nicht erst etwas für den Spätherbst.

Zumal eingräumt wird: „In keinem der betrachteten Szenarien werden sämtliche Speicherfüllstände erreicht. Fällt die Versorgung durch Nord Stream 1 komplett aus, wird keiner der vorgegebenen Speicherfüllstände erreicht.“
Dann wäre es vielleicht sinnvoll jetzt sofort den Import zu erhöhen wenn da noch Kapazitäten frei sind? Und wenn es jetzt nicht geht, warum sollten die Kapazitäten dann auf einmal im Winter stehen?

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Und nun den Knaller zum Schluss:
„In Szenarien, in denen Juni bis Juli 2023 keine Gasmangellage auftritt, sind die Speicherfüllstände im Sommer 2023 teils besonders niedrig. Die Versorgungssicherheit für den Winter 2023/24 wird dadurch eine Herausforderung“
Keine weiteren Fragen.
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