(Zweiter Weltkrieg) Unternehmen Barbarossa
#19
Stichwort Sowjetische Doktrin: die Doktrin dieser Zeit sah in jedem Fall einen möglichst frühen Gegenangriff vor. Das heißt, auch bei einer Defensive war es das Ziel, so schnell wie nur irgendwie möglich von der Defensive in eine Gegenoffensive überzuwechseln. Noch darüber hinaus war Stalin ein Befürworter einer Vorwärts-Verteidigung und ging davon aus, dass die Wehrmacht gar nicht tief in den sowjetischen Raum eindringen könne, wie schon beschrieben schätzte man auf sowjetischer Seite die Zahl der deutschen Truppen dafür als viel zu gering ein.

Seit der Schlacht bei Nomonhan waren die Sowjets von der Grundidee überzeugt, jeden feindlichen Angriff sofort und unmittelbar an der Grenze mit Truppenmassen ersticken zu können, um dann ohne dass der Feind überhaupt voran gekommen war diesen dann der erfolgreichen Abwehr folgend offensiv angehen zu können.

Und genau deshalb diese Vorwärtslozierung der Verbände.

Das ist ironischerweise gar nicht so verschieden von der Aufstellung und der grundsätzlichen Doktrin der NATO in Westdeutschland vor allem zu Beginn des Kalten Krieges - Vorwärtsstrategie, dann Vorwärtsverteidigung genannt. Auch hier war die Idee, die Russen so weit östlich wie möglich, also unmittelbar in Grenznähe abzufangen. Und entsprechend waren die Verbände der NATO aufgestellt.

Nun zur Frage wie Schwipper überhaupt zu seinen Auffassungen kommt:

Er ist ein NVA Offizier, welcher in der Doktrin der Sowjetarmee des Kalten Krieges militärisch sozialisiert wurde. Diese Doktrin war sehr viel offensiver als die der Sowjets vor dem 2WK. Die Offensive wurde während des Kalten Krieges zur Zeit von Schwippers aktivem Dienst extrem überhöht, jedes Vorgehen der Sowjets war zu dieser Zeit immer als sofortige Offensive gedacht. Entsprechend seiner praktischen realen Erfahrung als Ost-Offizier, seiner militärischen Lehrgänge in Russland welche er besuchte und damit seiner praktisch-realen Erfahrungen mit der Roten Armee floß diese Überhöhung des Offensiv-Gedankens daher auch in seine Auffassungen wie das militärische Geschehen 1941 gewesen sein muß.

Auch das stützt ja ganz klar die Behauptung, daß die Rote Armee in Angriffsstellung lag. Denn in vier Tagen kann man nicht aus Defensivstellungen angreifen. Das schaffen die Armeen selbst heute nicht.

Mal abgesehen davon dass man das damals durchaus konnte, und sowohl in Nomonhan die Japaner wie auch die Sowjets exakt so etwas praktiziert hatten, lagen diesem Vorschlag mehrere Fehlannahmen zu Grunde. Zum einen eine extreme Unterschätzung der quantitativen und auch der qualitativen Stärke der deutschen Verbände, eine heillose Überschätzung der eigenen MIttel, der Umstand dass viele Sowjetverbände nur auf dem Papier vollständig und einsatzbereit waren, und die Annahme, dass man in den deutschen Bereitstellungsraum vorstoßen könne, bevor die deutschen Truppen dort ihre Gefechtsaufstellung eingenommen hätten bzw. bevor sie dort zum Kampf und zur Defensive befähigt werden.

Jede dieser Annahmen war falsch. Ein sowjetischer Angriff auf die deutschen Einheiten im Osten wäre genau so katastrophal verlaufen wie der Versuch einer Vorneverteidigung den Stalin hier anstrebte, und hätte allenfalls den Deutschen propagandistisch immens genutzt, wären sie ja dann eben nicht die Angreifer gewesen.

Der Grund für die sowjetische Arroganz und den Versuch einer Vorwärtsstrategie (Vorneverteidigung analog zur NATO in den ersten Jahren des Kalten Krieges) lag also in den falschen Auffassungen welche die Sowjets in diesem Kontext hatten, und zu einem wesentlichen Anteil auch in ihrer ideologischen Verblendung.

Beispielsweise gingen die Kommunisten davon aus, dass sich im Falle eines Angriffs der Deutschen die Arbeiter in Deutschland und in der Wehrmacht erheben würden etc. Beschließend könnte man daher Schwipper vor allem anderen unterstellen, dass er sich viel zu sehr auf bloße militärische Logik stützt und viel zu wenig die ideologischen und politischen Faktoren berücksichtigt, welche aber gerade für das militärische Handeln der Sowjetunion immens wichtig waren.

Ohne eine Berücksichtigung von Ideologie und politischen Auffassungen und vor allem der inneren Verfasstheit der Sowjetunion werden viele ihrer militärischen Handlungen und vor allem ihrer militärischen Fehler nicht verständlich. Und gerade weil sie deshalb für Schwipper nicht verständlich sind, sucht er entsprechend Gründe die aber in der Realität nicht gegeben waren.

Die Sowjets haben immense militärische Fehler begangen. Aus einer Vielzahl von Gründen, vor allem aber auch aufgrund ihrer ideologischen Verblendung, der Fehler der absoluten Führungsspitze (Stalins selbst) und die Vorneverteidigung war so ein militärischer Fehler. Nicht geboren aus einem dahinter stehenden militärischen Offensivkonzept, nicht aus einer sinnvollen militärischen Zielsetzung, sondern aufgrund der rein persönlichen Ansichten Stalins und seines engsten Führungskreises.

Und da kommt erneut Schwippers eigene militärische Sozialisierung zum Vorschein: Zu seiner Zeit als Soldat galt: Die Rote Armee ist die beste, die Russen sind überlegen, die russische Führung hatte immer recht usw usf, Entsprechend kann nicht sein, was nicht sein durfte: nämlich dass militärische Vollversager hier die Rote Armee durch eine falsche Doktrin der Vorwärtsverteidigung fast in den Untergang manövriert hätten. Also musste es naütrlich für diese ganze Aufstellung andere Gründe geben, so die Annahme Schwippers. Und passend zur Doktrin seiner Zeit fand er in diese im Offensivgedanken seiner Zeit.

Von daher sagen die Bücher Schwippers mehr über die Sowjetischen Streitkräfte des Kalten Krieges aus, als über die Rote Armee zur Zeit von Barbarossa.
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