(Amerika) United States Marine Corps (USMC)
ede144:

Russland hat es versucht und hat die Entscheidungsschlacht verloren! Und damit de facto den ganzen Krieg. Man kann heute, im modernen Krieg mit seinen hochtechnischen Waffensystemen und all den Problemen welche das Technologie-Niveau derselben dann kriegswirtschaftlich nach sich zieht und auch mit der Anfälligkeit unserer Gesellschaften insgesamt für Kriegerische Eingriffe selbst als Großmacht kaum noch über einen langen Zeitraum einen Zermürbungskrieg führen.

Die Schlussfolgerung aus dem russischen Scheitern ist daher aber nicht, dass die grundsätzliche Idee falsch ist (auch wenn Russland sie völlig falsch umgesetzt hat), sondern dass man den Sieg in der Entscheidungsschlacht gleich zu Beginn mit allen Mitteln sicher stellen muss.
Zitieren
Quintus du überraschst mich mit deiner Einschätzung.

Vor einigen Wochen hast du die Reorganisation des USMC uns vorgestellt und fandest, die Verlagerung der Feuerkonzentration an der Front sei zu begrüssen. Und jetzt lese ich, dass sei um Scheitern verurteilt. Warum?

Und Ja die Kosten werden immer vergessen. Qualität und Quantität sind immer gefragt. Die Kosten müssen so tief wie möglich sein.
Zitieren
Redhead:

Ich vermute stark, dass du mich hier missverstehst. Oder ich verstehe deinen Satz nicht. Könntest du bitte kurz darlegen, was exakt du mit folgendem meinst?

Zitat:die Verlagerung der Feuerkonzentration an der Front sei zu begrüssen. Und jetzt lese ich, dass sei um Scheitern verurteilt. Warum?

Welcher Satz von mir impliziert für dich, dies sei zum Scheitern verurteilt? Den nichts läge mir ferner als so eine Aussage.

Ganz im Gegenteil. Die Verlagerung der Feuerkonzentration "an die Front" ist eine der wesentlichen Größen um die sofortige Entscheidungsschlacht gleich zu Beginn des Kampfes siegreich entscheiden zu können und es war beispielsweise exakt dieser Mangel bei der russischen Armee welcher ihr (unter anderem) das Genick gebrochen hat, zum einen weil die Feuerkraft in bestimmten Bereichen unzureichend war (Luftwaffe), zum anderen weil sie logistische eingeschränkt war (Nachschub für die Artillerie), zum anderen weil man exzentrischen Objektlinien von den Operationsbasen aus gar nicht sinnvoll versorgen konnte, so wie sie gelegt wurden, als nächstes weil die Objektlinien selbst an sich exzentrisch waren, was dazu führte, dass die ohnehin quantiativ unzureichenden Kräfte weiter aufgeteilt wurden, und dies so, dass sie sich gegenseitig nicht einmal mehr unterstützen konnten usw usw usf

So verlief sich die russische Feuerkraft im Prinzip dadurch dass sie auf divergierende Objektlinien aufgeteilt wurde, dass sie nicht "an der Front" konzentriert werden konnte und sie konnte daher nicht zu einem Schwerpunkt zusammen gefasst entlang einer sinnvollen Objektlinie den Durchbruch ermöglichen.
Zitieren
Quintus schrieb:

Meiner rein persönlichen Meinung nach sind die aktuellen Pläne von Berger ein Irrweg und der Anfang vom Ende des USMC, hier noch eine weitere Analyse dazu:

Berger plant doch den Umbau des USMC. Was ist daran falsch?

Meiner persönlichen Meinung nach ist es grundlegend falsch wenn MarineInfanterie gegen Panzer antreten. Dann ist was falsch gelaufen. Ich bin ein Verfechter der Rohrartillerie. Statt 18 Rohre pro Bat lieber 24 wie bei den Briten. Raketenartillerie ist für mich nicht der Matchwinner.
Zitieren
Ah..... jetzt. Bitte sieh mir meine Nachfrage nach, aber man versteht sehr leicht etwas falsch aufgrund der Beschränktheit der Kommunikation in dieser Form.

Der Umbau des USMC spezialisiert dieses in extremer Weise auf den Kampf im Pazifik, spezifischer noch auf den Kampf von Inseln aus oder um solche Inseln herum. Damit nimmt sich das USMC die Flexibilität auch in ganz anderem Terrain und unter ganz anderen Umständen kämpfen zu können. Es reduziert sich damit sehr stark zu einem "Handlanger" der Navy und verliert damit wesentliche Alleinstellungsmerkmale. Auch wenn mir da immer viele wiedersprechen ist das USMC eine de facto Armee und gerade dadurch in der Lage insgesamt wesentlich mehr zu leisten, ist also bisher eher ein Generalist gewesen. Nun wird es zu einem hochgradigen Spezialisten umgebaut.

Das führt zu der Frage, inwieweit dies überhaupt sinnvoll ist und hier kann man sehr unterschiedlicher Ansicht sein.

Spezifischer in Bezug auf deine spezifische Fragestellung nach der Feuerkraft und wo man diese konzentriert: das USMC verlegt gerade sehr viel Feuerkraft aus den Bodentruppen weg in Richtung Raketenartillerie, Drohnen und F-35B. Das ist nicht unbedingt falsch, aber all diese Fähigkeiten kann die US Army ebenso liefern wie auch die Navy. Das führt einerseits zu der Frage, wozu man dann das USMC überhaupt noch benötigt und zum anderne zu der Frage, wie es mit der Feuerkraft "an der Front" aussieht. Mit weitreichender Raketenartillerie von Inseln aus über hunderte Kilometer zu feuern oder mit einer F-35B von Inseln aus zu operieren ist keine Feuerkraft "an der Front". Das ist ein Abtastspiel, wobei es dann vor allem darauf ankommt dadurch den Gegner extrem zu verlangsamen, und See-Gebiete für ihn zu sperren bzw. die Nutzung dieser See-Gebiete für ihn so weit wie möglich zu erschweren. Entsprechend gibt es hier keine Feuerkraft "unten und vorne" wie ich es immer vorziehen würde.

Nun willst du gegebenenfalls darauf hinaus, dass ich die neue Struktur der Infanterie-Bataillone des USMC gut finde und dies ja scheinbar ein Widerspruch dazu ist, dass ich die Reform von Berger insgesamt schlecht finde.

Das klingt widersprüchlich, ist es aber nicht. Die neuen Infanterie-Bataillone des USMC finde ich rein persönlich sehr gut, aber die Reform insgesamt sehr fragwürdig bis schlecht. Dass es innerhalb dieser Reform auch sinnvolle Einzelheiten gibt, oder bestimmte Details die gut sind, ändert ja nichts daran, dass sie insgesamt eher negativ zu bewerten ist.

Aber wie geschrieben ist dass selbst im USMC eine hochkontrovers debattierte Sache.

Ich hoffe es ist jetzt etwas klarer?
Zitieren
Zitat:Auch wenn mir da immer viele wiedersprechen ist das USMC eine de facto Armee und gerade dadurch in der Lage insgesamt wesentlich mehr zu leisten, ist also bisher eher ein Generalist gewesen. Nun wird es zu einem hochgradigen Spezialisten umgebaut.
Das führt zu der Frage, inwieweit dies überhaupt sinnvoll ist und hier kann man sehr unterschiedlicher Ansicht sein.
Ich halte das ja für sehr sinnvoll Wink

Ganzheitlich betrachtet gibt es keinen vernünftigen Grund, das Marine Corps als Army-Miniatur aufzustellen. Das mag vielleicht für das Kollektive Corps Ego was hermachen, erzeugt aber nur sinnbefreite Doppelstrukturen und Ineffizienzen ohne Ende.
Das Marine Corps hat nur dann eine Berechtigung, wenn es mit relevanten Fähigkeiten aufwarten kann, die die Army (oder eine andere Teilstreitkraft) so nicht aufbieten kann. Und das ist mit der bisherigen Struktur halt nicht mehr der Fall.

Der Amphibische Kampf als Kernaufgabe des Marine Corps ist eine Nischenfähigkeit, die auf dem modernen Gefechtsfeld keinerlei praxisnahe Berechtigung mehr hat. Man investiert hier seit Jahr und Tag gewaltige Summen in Fähigkeiten die seit fast Siebzig Jahren (!!) nicht mehr benötigt wurden. Und stellt nun zu allem Überfluss fest, dass diese Fähigkeiten auch und gerade im maritimen Wettbewerb gegen einen Near Peer kaum noch angewendet werden könnten.
Wäre da nicht so ewig viel administrative Trägheit und Tradition im Spiel würden sich dramatische Kürzungen im Amphibischen Bereich geradezu aufdrängen.

Was bleibt dem Corps über diese Kernaufgabe hinaus? Die modernere Idee, das Marine Corps hätte schon allein durch die Vernetzung von Land-, See und Luftfähigkeiten auf unterster taktischer Ebene ein Alleinstellungsmerkmal ist in Zeiten der schier uneingeschränkten Vernetzung und Kommunikation mittlerweile völlig überholt. Da wird nichts geboten was die Army nicht genauso auf dem Kasten hat.
Man könnte das noch weiterführen. Der springende Punkt aber ist, dass die Existenzberechtigung des Marine Corps lässt sich heute mehr denn je in Frage stellen. Es ist aus Sicht der Corps so nur geboten neue Wege zu gehen und neue Fähigkeiten zu erschließen, die so von anderen Teilstreitkräften nicht abgedeckt werden.

Die grundsätzliche Stoßrichtung des Force Design 2030 halte ich da schon für sehr richtig. Um Berger direkt zu zitieren:

Zitat: Our current force design, optimized for large-scale amphibious forcible entry and sustained operations ashore, has persisted unchanged in its essential inspiration since the 1950s. It has changed in details of equipment and doctrine as technology has advanced toward greater range and lethality of weapon systems.
In light of unrelenting increases in the range, accuracy, and lethality of modern weapons; the rise of revisionist powers with the technical acumen and economic heft to integrate those weapons and other technologies for
direct or indirect confrontation with the U.S.; and thepersistence of rogue regimes possessing enough of those attributes to threaten United States interests, I am convinced that the defining attributes of our current force design are no longer what the nation requires of the Marine Corps.

Worüber sich dann natürlich diskutieren lässt ist die Frage ob und inwieweit Bergers Ideen im Pazifischen Raum tatsächlich so funktionieren würden wie er sich das so vorstellt. Was mir schon grundsätzlich absolut fehlt, ist der Ganzheitliche Ansatz. Berger als Commandant ist eigentlich die völlig falsche Person um strukturelle Reformen des Marine Corps im Hinblick auf China vom Zaun zu brechen. Solche Umstrukturierungen müssten auf Teilstreitkräfteübergreifender Ebene ausformuliert werden und es ist ein ziemliches Armutszeugnis, dass die (politische) Führungsebene des DoD hier zu nichts durchringen kann.
Zitieren
Werter Nightwatch:

Vernünftige Gründe das USMC als eine de facto Armee mit spezifischen Eigenheiten (auf diese werde ich weiter unten noch näher eingehen) zu betreiben sind: dass man so sicherstellt, dass es eine gesunde Konkurrenz und verschiedene Ansichten innerhalb der Streitkräfte gibt, und unterschiedliche militärische Kulturen und dies ist sehr vorteilhaft - vorausgesetzt natürlich die Streitkräfte haben eine ausreichende Größe. Und dass man eine schnelle Expeditiongsstreitmacht hat, welche man den anderen Streitkräften voraus schicken kann und exakt darauf ist das USMC eigentlich vorgesehen.

Eine solche Struktur mit mehr - und selbstständigeren Teilstreitkräften kann zudem militärisch effektiver sein als eine monolithische Einheitsstruktur und auch die Frage der Effizienz stellt sich dann so gar nicht - wie geschrieben ist das aber eine Frage der Skalierung. Bei kleinen Streitkräften ist dies ineffizienter, je größer diese aber insgesamt werden, desto geringer wird die Ineffizienz ausmachen. Auch Doppelstrukturen sind dann im Weiteren nur scheinbar vorhanden. Es spielt gar keine Rolle ob eine Panzer-Brigade beim USMC oder bei der Army angegliedert ist, wenn man es auf der Gesamt-Ebene betrachtet und dies umso mehr, wenn beide die exakt gleichen Panzer (M1) betreiben und auch sonst alle verwendeten Systeme identisch sind.

Aufgrund der Skalierung sind hier dann Synergieeffekte durch Vereinheitlichung und Zusammenfassung sehr viel schwerer zu erreichen, umgekehrt aber bedeuten unterschiedliche militärische Kultur und unterschiedliche Doktrin erhebliche Vorteile für die militärische Effektivität.

Das soll aber jetzt nicht als ein Argument für Kampfpanzer beim USMC verstanden sein, sondern nur als ganz allgemeine Aussage zur Frage der Ineffizienzen, möglichen Synergieeffekten und der Frage ob die vermeintlichen Doppelstrukturen überhaupt welche sind. Selbst in Bezug auf die Befehlsstruktur muss man ja überlegen, dass es völlig egal ist ob ein Brigadegeneral nun der Army untersteht oder dem USMC. Selbst bei einer völligen Auflösung des USMC und seiner Aufnahme in die Army würde man gar nicht viel Befehlsstrukturen einsparen können.

Die relevante Fähigkeit des USMC ist nun zuvorderst eine querschnittlich größere strategische und auch operative Mobilität zu haben als die US Army. Das ist in Wahrheit der primäre Unterschied. Daher dient das USMC seinem Wahlspruch von „First In“ vor allem dem Theater Entry (deshalb auch die amphibischen Fähigkeiten, die man heute aber zurecht hinterfragen kann). Die zweite relevante Fähigkeit ist die querschnittlich größere Befähigung der Infanterie des USMC bzw. seine Infanterielastigkeit. Damit ist das USMC überall da besser geeignet als die US Army wo es auf die Infanterie ankommt. Und traditionell ist das USMC seit jeher querschnittlich wesentlich besser als die US Army in Sachen COIN, Hybride Kriegsführung etc

Diese relevanten Fähigkeiten beruhen in Wahrheit alle aufeinander bzw. sie bedingen sich gegenseitig. Das USMC ist beispielsweise deshalb besser im COIN in einem weit entfernten Land gerade weil es Infanterie-lastiger ist, um alle drei wirklich relevanten Bereich mal in einem Satz zu benennen. Da aber im heutigen modernen Krieg selbst in einem solchen Szenario bloße Infanterie für sich allein unzureichend ist, aus diesem Grund benötigt diese entsprechend unterstützende Systeme und gerade deshalb macht es Sinn diese breit aufzustellen. Beispielsweise sind Kampfpanzer im Orts- und Häuserkampf gegen ernsthafte feindliche Guerilla immens wertvoll. Sie zu streichen beraubt das USMC der Befähigung gerade eben in diesem relevanten Bereich sich von der US Army abzusetzen. Gerade durch die Reformen Bergers werden aber genau diese relevanten Bereiche in Wahrheit geschwächt.

Dies schwächt das USMC nicht nur dort, wo es traditionell stark ist, eine derart überspezialisiete Struktur von Missile-Marines mit Flugzeugen wird auch auf die innere Verfasstheit des Korps, auf seine militärische Kultur, seine Doktrin, seine Auffassungen usw erheblichen - negativen - Einfluss nehmen. Und gerade diese Fähigkeiten welche die Militärreform hier in den Vordergrund stellt sich nun gerade eben erst recht keine Fähigkeiten die das USMC von der US Army unterscheiden würden, denn diese hat ebenso Kampfflugzeuge und Raketenartillerie zuhauf und könnte entsprechend komplett analog operieren.
Die Fähigkeiten auf welche sich das USMC durch die Reform Berges als überspezialisieren soll sind eben nicht relevante Fähigkeiten welche die Army / Navy usw so nicht aufbieten können.

Ganz folgerichtig folgerst du dann auch: dass man die Existenz des USMC deshalb ganz in Frage stellen sollte !

Das Korps hat aber eigentlich dadurch eine Existenzberechtigung, dass es vollumfänglich befähigte Expeditions-Streitmacht dient (das ist völlig ungeachtet der Frage der amphibischen Fähigkeiten!). Diese Befähigung als Expeditions-Streitmacht zu agieren, ist aber durch die Reform Berges gefährdet und ebenso die besondere Befähigung des USMC für den Orts- und Häuserkampf (hat man meist weniger auf dem Schirm) und für COIN. Diese eigentlich relevanten Fähigkeiten in welchen es sich von der US Army unterscheidet sind durch die Reform nicht nur gefährdet, sie werden weitgehend reduziert bis dahin, dass sie irrelevant werden. Gerade dadurch aber wird die Existenz des USMC an sich in Frage gestellt. Bergers Reform ist daher hochproblematisch für die Zukunft des Korps an sich.

Deine Schlussbemerkung, dass man eine strukturelle Reform des USMC - genauer gesagt eine Modernisierung aber in jedem Fall Teilstreitkräfte-Übergreifend angehen müsste kann ich wiederum nur zustimmen. Eine solche Umstrukturierung muss - wie du es absolut richtig beschreibst - unbedingt Teilstreitkräfte übergreifend (JOINT) und ganzheitlich eingebettet in ein Gesamt-Konzept stattfinden. Ansonsten fehlt da jedwede Koordination mit dem was die anderen so machen und exakt das ist es, was wir hier beobachten: eine mehr als schlechte Reform in einem Luftleeren Raum. Derweilen beispielsweise die US Army exakt die gleichen Fähigkeiten wie das USMC voran treiben will und sogar aktuell anfängt Einheiten von sich amphibisch zu befähigen, beispielsweise die 25 Inf-Div.

Wenn man schon eine gewisse Spezialisierung haben will, dann sollte es die auf eine Expeditionsstreitmacht sein, welche den Theater Entry vornimmt, und/oder dann COIN betreibt. Man könnte auch eine noch weitergehende Befähigung für COIN andenken und meiner Meinung nach wird das als Thema aktuell wieder unterschätzt und wird in Zukunft noch wesentlich relevanter werden. Mit den geplanten Missile Marines aber wird genau dies - die eigentliche Stärke und der eigentlich relevante Bereich - kaum mehr möglich sein.
Zitieren
Das ist vielleicht eine Konkurrenz aber sicher nicht ‚gesund‘. Das ist sündhaft teuer und ineffizient, dass da ‚verschiedene Ansichten‘ und ‚unterschiedliche militärische Kulturen‘ gar nicht ins Gewicht fallen können. Zumal solche Reibungspunkte auch durchaus innerhalb einer Teilstreitkraft zwischen verschiedenen Truppengattungen kultiviert werden können, wenn man meint derartige Aspekte unbedingt betonen zu müssen (was nochmal eine eigene Diskussion wäre).
Die Frage nach der Effizienz ist hier vielleicht der Knackpunkt. Es ist halt nicht so, dass Corps und Army im Wesentlichen die gleichen Gerätschaften bespielen und sich Unterschiede im Wesentlichen auf Uniform und Kultur beschränken.

Wenn das Corps hier schön genau das übernehmen würde, was die Army so beschafft wäre es ja das eine. Aber selbstredend hat das Corps als eigenständige Teilstreitkraft seinen ganz eigenen Beschaffungsprozess und zieht sein eigenes Ding durch. Auf allen Eben beginnend mit der Bedarfsformulierung bis zur Truppenweiten Einführung wird hier einer Mehrfachstruktur gefrönt und es ist jedes Mal buchstäblich ein Act of Congress, wenn hier mal kooperiert werden soll, damit am Ende wenigstens das gleiche Gerät auf dem Hof steht. Aber schlimmer noch, ist das Gerät am Ende dann mal da läuft der Unterhalt teilstreitkraftintern von der Front bis zum Hersteller. Und wären die einen irgendwann mal die Nachfolgegeneration ins Auge nehmen haben die anderen gerade ganz andere Prioritäten und kein Geld um da mitzugehen.

Das Ergebnisse sind dann haarsträubend wohin man schaut.
Etwa der bemühe M1. Das mag vielleicht mal der gleiche Panzer gewesen sein, aber die Marines brauchten für ihre Miniaturflotte von 200 Fahrzeugen natürlich ihren ganz eigenen Prozess. Während die Army heute mit dem M1A2 SEPv3 durch ein halbes Dutzend Kampfwertsteigerungen gegangen ist mussten die Marines aus Gründen dieses Prozess in Eigenregie nachempfinden. Aber nicht auf dem M1A2 sondern mit dem M1A1. Das Ergebnis war – mangels Relevanz und Geld – ein bis Ende des Spiels schlechterer MBT. Überleg mal bitte was dieser doppelte Spaß gekostet hat.

Oder schauen wir ans untere Ende des Beschaffungspolitik. Warum benötigt das Corps eine eigene Ordonanzwaffe? Mit dem ganzen administrativen Zinnober der dahinter steht? Wenn die Army fast parallel einen eigenen Wettbewerb dazu am laufen hat? Und man am Ende zwischen XM5 und M27 mit unterschiedlichen Kalibern dasteht?! Aber gut, Taschengeld. Das so für jede einzelne Handwaffe im Bestand doppelt ausgegeben wird. Und nochmals und nochmals, denn Air Force, Navy und Coast Guard spielen ja fast das gleiche Spiel.

Krank wird es halt bei Dinge die wirklich Geld kosten, also Flugzeuge. Wir haben aktuell die Situation, dass die Marines noch Legacy Hornets von USN Trägern fliegen währen diese von der USN selbst bereits vor Jahren vollständig ausgemustert worden sind. Warum? Weil hier zwei Teilstreitkräfte völlig unabhängig voneinander das gleiche Flugzeugmuster bespielen zu müssen. Mit zwischendurch ganz unterschiedlichen Varianten und Block-Standards natürlich. Das kann man jetzt so noch lange weitermachen.
Der Punkt ist jedenfalls der, selbst wenn vordergründig auf die gleichen Waffensysteme gesetzt wird stehen dahinter jeweils völlig eigene Prozesse und Strukturen. Es ist da keine große Erkenntnis das etwa bei der Panzerfrage die Army mit ihren paar tausend Abrams die 200 des Marine Corps mit geradezu lächerlichem Mehraufwand mitbetreuen könnte als, dass das Marine Corps hier alles selbst zwei Größenordnungen kleiner nochmal nachbildet.

Und für was das Ganze? ‚Querschnittlich größere strategische und auch operative Mobilität‘? Nicht viel mehr als praxisferne USMC Propaganda. Wo wann und wie waren denn die Marines auch nur im operativen relevanten Kontext irgendwie „First In“? Ich kann mich nicht an einen einzigen kinetischen Event erinnern bei dem es zwangsweise irgendwelche USMC spezifischen Fähigkeiten benötigt hätte irgendwo reinzugehen. Bei Lichte betrachtet zeichnen sich die vielbeschworenen Expeditionskräfte des USMC höchstens in Sachen schnell verfügbarer Katastrophenhilfe aus. Das hat zweifellos seine Berechtigung, kann aber nicht als Begründung für die Existenz der ganzen Veranstaltung ausreichen. Wie erst unlängst im anderen US Thread angerissen ist es doch so, dass die Army im wesentlich umfangreicheren Maße Expeditionstruppen verlegen kann, als das Marine Corps. Natürlich, für den absoluten Sonderfall das man aus welchen fadenscheinigen Gründen ganz dringend ein verstärktes Bataillon mit minimaler Unterstützung und Durchhaltefähigkeit benötigt und eine MEU gerade zufällig vor Ort ist kann das Marine Corps hier auftrumpfen. Aber dahinter? Beim Marine Corps lange nichts, während die Army ohne Weiteres binnen Tagen mehrere Luftlandebrigaden und SOF aufbieten könnte. Wie es ja etwa beim Theater Entry in Afghanistan und Irak gemacht wurde – völlig am USMC vorbei.

Hinsichtlich Infanterielastigkeit. Sicher ist das Marine Corps infanterielastiger als die Army. Die US Army unterhält schließlich Waffengattungen, die dem Marine Corps vollständig abgehen. Aber das ist doch kein Argument. Bei Lichte betrachtet unterhält das USMC vor Bergers Reformen 24 Infanteriebataillone mit gut 22.000 Mann. Das ist nur unwesentlich mehr als was die US Army im USASOC an SOF Kampftruppen aufzubieten hat. Nur um die Verhältnisse mal klar zu machen. Das sind Verbände die der regulären Marineinfanterie gerade in Sachen COIN und hybride Kriegsführung deutlich überlegen sind. Das USASOC wäre übrigens prädestiniert dafür, das USMC als weltweite agierende und tatsächlich mobile Einsatztruppe abzulösen. Weltweite Grundstrukturen sind vorhanden, müsste man nur noch weiter aufstocken.

Aber wie auch immer. Ich sehe jetzt überhaupt keinen relevanten Qualitätsunterschied zwischen der USMC Infanterie und den verschiedenen leichten Infanteriegattungen der US Army. Die Idee, dass das USMC hier irgendwie besser aufgestellt wäre rührt doch nur daher, dass in Irak und Afghanistan halt so ziemlich alles an Kampftruppen bis zum letzten ANG Artilleriebataillon irgendwie in COIN involviert war. Natürlich schneidet hier die infanterielastigere Teilstreitkraft besser ab. Aber das ändert nichts daran, dass die US Army insgesamt gesehen viel mehr mindestens gleichwertige Infanterie aufbieten kann und es überhaupt kein Verlust wäre, die Marineinfanteristen in gewöhnliche Army Infanterieverbände umzugliedern.

Übrigens darf ich daran erinnern, dass COIN halt nun mal ganz furchtbar out ist und es absolut keinen politischen Willen gibt, sich in irgendwelche neuen infanterielastigen Abendteuer zu begeben. Egal wie gut oder schlecht das Marine Corps hier im Vergleich zur Army abschneiden mag, gehen diese Fähigkeiten sehr weit am aktuellen Bedarf vorbei. Und an diesem Punkt setzen die Reformen von Berger an.

Das USMC ist kein Selbstzweck. Es ist nicht Sinn der Sache das Corps so aufzustellen, das ‚innere Verfasstheit‘, ‚militärische Kultur‘ und ‚Doktrin und Auffassungen‘ bewahrt bleiben, wenn das Corps den aktuellen, tatsächlichen Sicherheitspolitischen Herausforderungen nicht gerecht werden kann. Insofern, ja die Reformen Bergers stellen einen Bruch mit dem Etablierten dar und hier wird viel über Bord gehen, dass vordergründig etlichen Wert hat. Aber halt nur eben einen sehr geringen Wert in einem Near Peer Konflikt mit China. Es bringt die USA keinen Meter weiter, wenn das Marine Corps am Altbewährten festhält und damit ini Konflikten und Kriegen von gestern oder vorgestern verharrt.
Es braucht ein Marine Corps (es braucht eine Navy, Air Force, Army…) das in die Konfrontation mit den Chinesen gehen kann. Berger hat versucht diesen Weg zu gehen und eine Antwort zu finden wie dieses Marine Corps dann aussehen kann. Ich stimme dir zu, dass an seinem Konzept etliches Kritikwürdig ist. Aber die Grundidee dahinter ist völlig richtig und ich meine auch, dass seine Ideen grundsätzlich in die richtige Richtung gehen.

Davon unabhängig, ja ich würde das Marine Corps auf den Status eines Truppenkommandos zusammenkürzen. Ich sehe fast nichts was das USMC bietet das nicht so von anderen Teilstreitkräften angeboten wird. Sicher gibt es immer einen gewissen Grundbedarf an maritimer Infanterie, nachdem aber bereits vor Jahrzehnte die Säule des amphibischen Kampfes weggebrochen ist, besteht für eine eigene Teilstreitkraft überhaupt keine Notwendigkeit mehr. Aber gut natürlich utopisch.
Zitieren
Werter Nightwatch:

Zunächst im Vorab erneut meinen Dank für die Ausführlichkeit deiner Ausführungen, was gerade in der heutigen Zeit ja leider nicht mehr so üblich ist. Es ist mir eine Freude noch die Möglichkeit zu haben über so einem Text zu sinnieren. Bevor ich den Versuch wage etwas ganzheitlicher zu antworten will ich im Vorab auf einige Einzelpunkte gesondert eingehen, zum einen damit dies im größeren Ganzen nicht so untergeht, zum anderen weil es dann genau zu meiner Kritik an deinen Ausführungen überleitet:

Stichwort Ordonanzwaffen:

Das USMC hat aus gutem Grund (!) das M16 beibehalten als die US Army auf das M4 umstieg, welches die wesentlich schlechtere Ordonanzwaffe ist. Rein persönlich würde ich immer ein M16 jedem M4 vorziehen, unter allen Umständen, in allen Szenarien. Die M16 mussten aber schlußendlich altersbedingt ersetzt werden, entweder durch weitere neue M16 oder durch eine weitgehend äquivalente Waffe, welche zudem besonders gut für Feuerstöße und Dauerfeuer geeignet ist und insbesondere eine „Over the Beach“ Befähigung, also eine besondere unanfälligkeit gegen Nässe, Sand, Staub etc hat. Nun ist es so, dass das USMC eben nicht frei für sich allein beschaffen kann was es will (den Eindruck implizieren übrigens deine Ausführungen beim Unkundigen), sondern dass auch das USMC hier Einschränkungen hat.

Man wollte ihm eine solche Assault Rifle nicht zugestehen, folglich entstand das IAR Programm um so über die Hintertüre eine neue bessere Assault Rifle zu beschaffen. Zu diesem Zeitpunkt gab es das XM5 noch lange nicht und war nicht absehbar, ob die US Army überhaupt jemals auf eine neue Ordonanzwaffe umsteigen wird und vor allem wann. Es gab ja seit Dekaden immer wieder und wieder Programme der US Army für neue Ordonanzwaffen und es kam nichts dabei heraus. Das USMC wollte aber eine neue Ordonanzwaffe im exakt gleichen Kaliber wie die US Army, sogar mit Kompatibilität der Magazine, aber eben kein M4. Daher war das M27 zu diesem Zeitpunkt sinnvoll. Dass die US Army dann Jahre später mit dem XM5 auf ein neues Kaliber umsteigt war damals so nicht absehbar und es hätte keinen Sinn gemacht auch M4 zu verwenden. Es gab damals übrigens im USMC einige Hoffnung, auch die Army würde dann das M27 einführen und tatsächlich haben viele in der Army dafür sich ausgesprochen. Es ist also vor allem die Army, welche hier eine gemeinsame Lösung sich verbaut hat, denn das M27 wäre für die US Army durchaus gut gewesen und man hätte es zusammen mit dem USMC beschaffen können.

Um das nochmal zu betonen: der Kaliberumstieg war zu dem Zeitpunkt als man das M27 beschaffte in keinster Weise absehbar / vorhersehbar. Aber unabhängig davon: das USMC kann - sollte die Army tatsächlich vom Kaliber her umsteigen - natürlich ebenso das XM5 beschaffen und schon ist das von dir hier konstruierte Problem so gar nicht mehr gegeben. Denn auch die Army wird Jahre brauchen bis das XM5 überall vorhanden ist dem folgend wird es auch in der Army jahrelang parallel nebeneinander M4 und XM5 geben! Die Ineffizienz entsteht also nicht dadurch, dass das USMC einen Sonderweg will, sondern dass ein Kaliberwechsel bei der Ordonanzwaffe immer eine solche Ineffizienz erzeugt.

Egal ob nun zwischen Teilstreitkräften oder innerhalb einer Teilstreitkraft! Die Ineffizienz ist die exakt gleiche. Wenn die Army das XM5 tatsächlich flächendeckend einführt, wird es auch beim USMC eingeführt und entsprechend gibt es hier dann keine Ineffizienz mehr, sobald diese Einführung abgeschlossen ist.

Stichwort Kampfpanzer:

Der Grund warum die Marines einen eigenen Prozess in der Entwicklung ihrer Kampfpanzer haben, ist vor allem anderen ihr beschränktes Budget. Das USMC hat pro Kopf gerechnet weniger Geld als die US Army, was wenig Beachtung findet. Der doppelte Spaß kostet also interessantererweise auf Seiten des USMC weniger, da deren Panzer billiger sind als die der Army. Und exakt das ist der Grund, weil dies die Zielsetzung dieses gesonderten Entwicklungsweges war und ist, nämlich Fähigkeiten so weit wie möglich und so weit wie nötig zu entwicklen, mit dem begrenzten Budget das man hat. Dies führt immer zu Abweichungen in den Details. Aber dadurch entstehen eben keineswegs erhebliche Mehrkosten wie du hier implizierst, sondern es ist sogar in einigen Fällen so, dass die Kosten dadurch sogar geringer ausfallen.

Im Weiteren gäbe es auch in einer Teilstreitkraft immer unterschiedliche Rüststände und unterschiedliche Varianten ein und desselben Systems. Wenn du also beklagst, dass die Marines einen anderen Rüststand betreiben, so wäre dies ganz genau so, wenn dies nur US Army intern der Fall wäre. Die US Army hat im übrigen ebenfalls verschiedene Rüststände bei ihren Systemen und inwiefern ist das nun ein doppelter Spaß? Das gleiche gilt im übrigen für eigentlich jede Armee. Die Frage ob das USMC eine eigene Teilstreitkraft ist oder nicht, ist dafür völlig unerheblich.

Stichwort Legacy Hornets et al:

Ich kann dir hier nur voll und ganz zustimmen. Aber solche Probleme gibt es auch Teilstreitkräfteintern. Und sie könnten auch teilstreitkräfteübergreifend angegangen werden, die F-35 war / ist ja ein Versuch diesbezüglich. Entsprechend werden sich solche Probleme mit dem Zulauf der F-35 für das USMC alsbald deutlich reduzieren.

Allgemeiner:

Meine Schlussfolgerung daraus ist, dass es zweifelsohne einen erheblichen Reformbedarf gibt. Richtigerweise hast du ja eingangs mehrfach die überkommenen amphibischen Fähigkeiten genannt. Und auch sonst ist eine Vereinheitlichung der Ausrüstung in den Bereichen wo man die konzeptionell gleichen Systeme verwendet anzustreben. Also gleiche Ordonanzwaffe, gleiche Kampfpanzer, gleiche Kampfflugzeuge etc. aber diese Vereinheitlichung der Ausrüstung ist es eben nicht, worauf Bergers Reform hinaus will! Eine solche Vereinheitlichung wäre exakt die Reform, welche das USMC benötigen würde, um dann innerhalb seiner unabhängig davon abweichenden Strukturen eben durch diese bestimmte Aufgaben besser erledigen zu können, als es die US Army in diesem Bereich jeweils kann, bzw. diese dadurch zu ergänzen.

Und diese Bereiche sind: Theater Entry, Expeditionsstreitmacht, COIN. Natürlich hast du recht, dass die US Army viele Systeme des USMC sekundär mitbetreuen könnte, und es daher falsch ist, dass das Korps diese Fähigkeiten in klein nochmal gesondert abbildet, aber das sind nur einige Bereiche eher weiter hinten und oben, den es spielt keine Rolle, ob ein Inst-Bataillon bei der US Army angegliedert ist (Teilstreitkräfteintern) oder ob es dem USMC untersteht. Viele dieser „Doppelstrukturen“ sind daher nur scheinbare Doppelstrukturen, und wären innerhalb einer Teilstreitkraft ganz genau so vorhanden, nur dann halt teilstreitkraftintern. Dennoch kann ich dir zustimmen, dass eine Reform des USMC hier hätte versuchen können, Synergieefffekte zu erzielen und exakt das wäre die eigentlich notwendige Reform gewesen und exakt das ist Bergers Reform jetzt nicht.

Nun sprichst du zurecht davon, dass die von mir genannten Fähigkeiten des USMC entweder nicht abgerufen werden, oder von der US Army ebenfalls gestellt werden könnten. Deinen Vergleich mit dem USASOC fand ich dabei besonders passend und gut, zumal dieses zusammen mit MARSOC gemeinsam der De Facto Teilstreitkraft des USSOCOM unterstellt ist. Die besonderen Eigenschaften des USMC (welche du ja leugnest) wären gerade eben in diesem Kontext interessant.

Dazu passt auch die frühere Einstellung beim Korps, dass man innerhalb des Korps keine Spezialeinheiten benötigen würde, weil jeder Marineinfanterist diese ganz genau so übernehmen könnte. Dass die querschnittlich größere strategische und operative, geländebedingt auch taktische Mobilität nun in den letzten Jahren nicht abgerufen wurden, wie du völlig richtig anmerkst, hat niemand mehr verärgert und gestört als die Marines selbst, welche sowohl in Afghanistan wie auch im Irak eigentlich die Ersten sein wollten und dies dann gerade eben nicht waren, weil die US Army dies sich erfolgreich unter den Nagel reißen konnte. Das diese Fähigkeiten welche für ein First In besonders geeignet sind nicht abgerufen wurden, also im Endeffekt verschwendet und vergeudet wurden, heißt im Umkehrschluss nicht, dass sie nicht existieren würden oder nur USMC Propaganda wären, wie du das hier angeführt hast.

Das die Army nun auch solche Fähigkeiten vorhält ist eine Ineffizienz, zweifelsohne, diese könnte man aber auch dahingehend lösen, dass die US Army einfach auf diese Fähigkeiten verzichtet und dies entsprechend dem Korps überlässt. Denn den Vorwurf der Ineffizienz hier nur als Kritik am Korps zu formulieren geht zu kurz. Auch die US Army muss sich den exakt gleichen Vorwurf gefallen lassen, auch sie handelt und agiert ineffizient, indem sie parallel Fähigkeiten aufbaut welche das USMC schon hat. Als Beispiel nannte ich schon die aktuelle Befähigung von Army Einheiten für amphibische Operationen, was geradezu eine abstruse Ironie ist, wenn man sich den Wert solcher Fähigkeiten ansieht und wie völlig überzogen diese schon im Korps selbst abgebildet sind.

Und wenn das Korps das grundsätzliche Konzept der MGATF (von dem ich persönlich viel halte) weiter führen würde, dann wäre es auch keineswegs so, dass da nur eine MEU zum Einsatz käme, und entsprechend relativiert sich deine Aussage auch, dass die Army hier stattdessen ganze Luftlandebrigaden einsetzen könnte. Was im übrigen auch eine gewisse Ironie ist, weil Luftlandefähigkeiten noch mehr überkommen sind als amphibische Fähigkeiten, welche angesichts des Fakts, dass immer mehr urbane Ballungsräume an Küsten liegen und diese eines der wesentlichen Kriegsgebiete der Zukunft sein werden amphibische Fähigkeiten gerade in Bezug auf asymetrische Kriegsführung entlang der Küstenlinie solcher urbaner Ballungsgebiete noch eine gewisse Bedeutung haben werden. Zumindest mehr als die völlig überkommene Befähigung zur Luftlandung, die außerhalb von Spezialeinheiten keinerlei Wert und Rolle mehr hat.

Und statt Luftlandebrigaden und SOF kann das USMC aktuell nicht weniger als 3 vollständige MEF einsetzen, und diese haben ganz andere Fähigkeiten und Möglichkeiten als eine Luftlandebrigade bzw. ein Verbund von SOF. Oder wenn man die Brigadeebene hernehmen sollte, so hat das USMC alternativ 6 MEB, es ist also nicht so wie du es hier beschreibst, dass man da nur ein verstärktes Bataillon hätte. Man könnte genau wie die Army auch wesentlich mehr für den spezifischen Bereich welchen man da abdeckt einsetzen.

Stichwort Spezialeinheiten:

Du hast hier im Weiteren angeführt, dass USASOC dafür prädestiniert wäre, das USMC als weltweit agierende und mobile Einsatztruppe abzulösen. Mal abgesehen davon, dass dazu eher das USSOCOM die geeignete Struktur wäre, welcher das USASOC ja untersteht, lässt dass außer Acht, dass die Fähigkeiten des USASOC andere sind als die des USMC. Tatsächlich müsste man eigentlich von verschiedenen Ebenen, verschiedenen Formen des Kampfes sprechen und daher von jeweils verschiedenen, auf diese spezialisierten Truppengattungen / Truppenkommandos / Teilstreitkräften.

Da haben wir die Sondereinheiten des USSOCOM (erster Bereich), zwischen diesem und dem klassischen konventionellen Einsatz das USMC (zweiter Bereich) und schließlich die US Army (dritter Bereich). Jeder deckt hier eigentlich einen spezifischen Bereich ab, oder vielmehr sollte ich schreiben: sollte einen unterschiedlichen Bereich abdecken, denn wie du zurecht kritisierst, gibt es hier viel zu viele Überschneidungen, Ineffizienzen und Doppelstrukturen. Statt dass jede Teilstreitkraft sich auf ihren spezifischen Bereich spezialisiert und ihre jeweilige Stärke zum Mittelpunkt ihrer Spezialisierung macht.
Die Stärke des USMC ist es aber gerade eben nicht als Missile-Marines mit Drohnen, weitreichender Raketenartillerie und Loitering Munition zu agieren.

Denn dafür braucht man gar kein USMC! Nicht einmal als Truppenkommando würde es dann Sinn machen, den all diese Fähigkeiten kann die US Army besser abdecken. Zuvorderst hat das Konzept des Missile-Marine vor allem aber auch nichts mehr mit dem Bereich zu tun, der zwischen den Sondereinheiten und deren Einsätze und den konventionellen Einheiten der US Army steht. Diesen Bereich könnte man nun auch durch das USSOCOM abdecken - dazu müsste man dieses mit weiteren Fähigkeiten versehen und befähigen, oder man könnte ihn auch durch die sonstige Army abdecken, und umgekehrt müsste man dann dort halt auch erneut Fähigkeiten einziehen, oder man hält eben eine eigene Struktur dafür vor und dies würde ich angesichts der Größe der US Streitkräfte insgesamt für überlegen erachten, insbesondere weil man das USMC schon hat.

Der relevante Qualitätsunterschied zwischen USMC Infanterie und der leichten Infanterie der US Army ist im weiteren auch keine bloße Propaganda, er ist real vorhanden (man muss es vielleicht gesehen haben um es selbst zu verstehen). Und das deutlich bessere Abschneiden in Sachen COIN ist ebenfalls nicht das bloße Resultat der Infanterielastigkeit, sondern resultiert vor allem auch aus der anderen militärischen Kultur des USMC im Vergleich zur Army. Es ist diese militärische Kultur, die andere Doktrin, dass andere Selbstverständnis, die mit einem bloßen und reduzierten Truppenkommando als Unterdependance der Army so nicht aufrecht erhalten werden können. Denn dann würde die US Army Kultur und Army Doktrin exakt das ersezten, was sowohl die Marineinfanterie im infanteristischen Bereich überlegen macht, als auch das USMC in Sachen COIN nachweislich und deutlich der Army überlegen macht.

Nun kann man COIN natürlich für völlig „out“ erklären, aber gerade wenn man an einen Konflikt mit China denkt, dessen Militärdoktrin im extremen Maß indirekte Ansätze und unkonventionelle Kriegsführung betont, so ist gar nicht ausgemacht, dass die konventionelle Vorstellung von großen Seeschlachten im Pazifik und offenem Krieg überhaupt jemals aufgehen wird. Ich halte daher viele indirekte asymetrische Kriege welche China vom Zaun bricht für wesentlich wahrscheinlicher, als dass jemals die Missile Marines dazu kommen von Inseln aus auf chinesische Schiffe feuern zu können und selbst wenn der große Seekrieg im Pazifik wieder jedes Erwarten doch stattfinden würde, sind Army und Navy hier wesentlich besser geeignet diesen zu führen als das ineffiziente Missile-Korps von Berger, welches exakt das tut was du hier so entschieden (und zu Recht!) kritisiert hast, nämlich in Doppelstrukturen exakt die gleichen Systeme wie die Army vorzuhalten und dies vom System nur teilstreitkräfteintern bis zum Hersteller. Was soll eine Raketenartillerie des Korps den anderes sein als eine Raketenartillerie der Army? Wozu ein USMC als eigene Teilstreitkraft, oder sogar nur als eigenes Truppenkommando, wenn diese nichts anderes abbildet als Army Fähigkeiten?

Da die Army aufgrund der aktuellen Umstände COIN weitgehend aufgegeben hat, läge stattdessen genau dort das brachliegende Feld welches das USMC beackern könnte. Und im Bereich COIN / Expeditionskriegsführung / Dritte Welt Länder gibt es eben einen breiten Bereich von denkbaren Konflikten, welche die SOF für sich allein nicht stemmen können, auch wenn es sich um asymetrische Szenarien handelt. Für diesen Bereich ist das Korps prädestiniert, auf diesen könnte es sich auch spezialisieren und schließlich ist in einem globalen Konflikt mit China dieser Bereich genauso relevant wie die Seeschlacht um den Pazifik die nie stattfinden wird, weil China damit nichts gewinnen würde.

Kontrazyklisches Denken!

Und da sind wir nun beim Kern des ganzen angelangt! Man denkt (auch beim USMC) nicht kontrazyklisch genug. Gerade weil jetzt alle zur Zeit COIN von sich streifen, dafür keinerlei Bedarf sehen, diese Fähigkeiten verlieren, gerade deshalb sollte das USMC sich auf diesen Bereich spezialisieren und sich insbesondere auf hybride Kriegsführung im Rahmen einer Expeditionskriegsführung spezialisieren. Den dies ist zwar vielleicht nicht der aktuelle Bedarf, aber was aktuell ist, sollte gerade eben nicht relevant sein, sondern was zukünftig relevant sein wird.

Meiner Meinung nach denkt auch das Korps da zu konventionell. Nicht die vermeintlichen aktuellen sicherheitspolitischen Anforderungen, sondern die realen zukünftigen sicherheitspolitischen Herausforderungen sind dass, was man nicht aus dem Auge verlieren darf, und entsprechend sollte man ganz im Gegenteil dem Bereich COIN / Hybride Kriegsführung wesentlich mehr Gewicht beimessen. Das bedeutet übrigens ebenso mit dem etablierten etwaig zu brechen, den die Konfrontation mit den Chinesen wird nicht zwingend aus der Seeschlacht im Pazifik bestehen (wie oben schon ausgeführt). Sie wird stattdessen zur höheren Wahrscheinlichkeit ein globaler Kampf um Einfluss und Kontrolle und entsprechend mit indirekten Mitteln geführt, welche ein zunehmendes Eingreifen in fernab liegenden Ländern erfordern werden. Da selbst solche drittklassigen Gegner aber immer stärker werden, auch immer stärker im konventionellen Bereich, sind hier bloße SOF eben nicht ausreichend. Es kann sogar leicht sein, dass man selbst dann noch Army Einheiten nachziehen muss, aber hier eben ein klassischer Theater Entry notwendig wird (den man gegen China so nie führen wird, weil man ja niemals das chinesische Kernland mit Einheiten der US Army invasieren wird).

Deshalb halte ich die Grundidee von Berger für falsch und gehen seine Ideen eben in die falsche Richtung, weil sie nicht nur das Korps an sich völlig in Frage stellen, sondern auch weil sie nicht auf der eigentlichen Stärke des Korps aufbauen und nicht auf dem was in einem Konflikt mit China in Wahrheit am wahrscheinlichsten sein wird.

Ein bloßer Grundbedarf an maritimer Infanterie rechtfertigt nicht die Existenz des Korps, genau so wenig wie das von Berger geplante Missile Korps. In beiden Fällen würde ich dir beschließend zustimmen, dass solche Fähigkeiten einfach innerhalb der Army abbildbar sind. Dann wäre die einzig logische Konsequenz das Korps aufzulösen.

Eine eigene Teilstreitkraft aber vorzuhalten, welche sowohl für hybride Konflikte, als auch COIN, als auch Terrorismusbekämpfung usw. im besonderen Maße geeignet ist, wäre gerade in der Konfrontation mit China notwendig, geboten und könnte durch das USMC abgebildet werden, als eine Spezialisierung, die dann das Korps von der Army unterscheiden würde.

Wie aber könnte man das bewerkstelligen, zumal es ja dann wieder Bereiche gibt, welche das USSOCOM auch abdeckt. Meiner Meinung nach, und ich habe diese Idee schon immer wieder mal über die Jahre hinweg geäußert sollte man das USSOCOM zu einer eigenen vollumfänglichen Teilstreitkraft machen, und schließlich das USMC diesem unterstellen. Damit würde das USMC für das USSOCOM dass, was beispielsweise Army Intern das Ranger Regiment für die Green Berets ist. Und schließlich könnte man das USMC damit als eine eigene Entinität erhalten, was meiner Überzeugung nach gerade für die wahrscheinlichste Form des Konfliktes mit China, nämlich den indirekten Kampf besonders geeignet ist, und diesen besser bestreiten kann, als dies die Army könnte. Zudem hält man diese dadurch frei von diesem Geschehen und sie kann sich dann ebenfalls weitergehend spezialisieren und überkommene Fähigkeiten wie beispielsweise Luftlandebrigaden etc aufgeben.

Schlußendlich gäbe es dann damit nur noch folgende Teilstreitkräfte: USSOCOM (das USMC wäre im weiteren ein Truppenkommando des USSOCOM), Army, Navy, Air-Force.

Aber das ist natürlich auch alles nur utopisch.
Zitieren
Also während ich Euren interessanten Ausführungen hier und auch im allgem. US-Thread gespannt folge, kommt bei mir der Gedanke auf, ob es sinnvoll sein könnte, die Airborne-Kräfte der Army dem USMC anzugliedern. Mein Gedanke dahinter wäre, dass man die beiden TSK dadurch stärker hinsichtlich ihrer Kampfweisen und Einsatzszenarien abgrenzt.
Beim Corps mit seinen flexibleren Einsatzstrukturen und Verbringungsmöglichkeiten werden alle leichten/COIN/Entry-Kapazitäten konzentriert und entsprechend können die eigenen Unterstützungselemente auf eben diese hin optimiert werden.
Die Army hingegen kann konsequent auf die Bodenkriegsführung im großen Rahmen spezialisiert werden und verzichtet auf die Kräfte des Übergangsbereichs zwischen SOF und regulären mech./mob. Kampftruppen.

Ich bin ja generell kein Freund vom Konzept der Teilstreitkräfte an sich, aber wenn man es schon betreibt, dann sollten die Grauzonen dazwischen möglichst vermieden werden.
Zitieren
Deine Ausführgen zu den Systemen (die ich jetzt nicht im Detail aufdröseln möchte) gehen ein bisschen am Kern dessen vorbei was ich versucht habe mit diesen Beispielen zu skizzieren:
Unabhängige Teilstreitkräfte führen zu gespiegelten Prozessen deren Ergebnisse zu Ineffizienz führen.
Es gibt keinen stichhaltigen Grund dafür, dass das Marine Corps in eigener Zuständigkeit über die eigene Ordonanzwaffe entscheiden können sollte und am Ende andere Waffen verwendet als die US Army. Es gibt keinen stichhaltigen Grund dafür warum sich Legionen von Marines und Zivilbeschäftigen nochmal extra mit einem Auswahl- und Beschaffungsprozess beschäftigen müssen wenn eine andere Teilstreitkraft diesen Prozess schon ad nauseam bespielt hat.

Die Lösung hier ist eigentlich offensichtlich: Der Beschaffungsprozess müsste, wenn schon nicht gleich im DoD Überbau angesiedelt vollumfänglich einer Teilstreitkraft zugeordnet werden. Mit der sehr klaren Ansage das Ergebnis dann auch für alle verpflichtend ist. Das gilt nicht nur für die Marines sondern für jede andere Teilstreitkraft auch. Natürlich ist das ‚politisch‘ utopisch, schließlich sind die Teilstreitkräfte in den USA schon grundsätzlich viel zu unabhängig voneinander wie auch vom DoD selbst.

Im Grundsatz aber sage ich ganz klar: Es ist immer besser, wenn möglichst Streitkräfteweit möglichst das gleiche Gerät eingesetzt wird. Ja das mag hier und dort zu Verschlechterungen führen, weil vielleicht Truppengattung X (zurecht) meint sie könnten mit etwas anderen Gerät etwas besser performen. In Einzelfällen muss dann sicherlich nachgesteuert werden. Aber lieber nehme ich global etwas mehr Unterperformance Inkauf als das ich der jetzigen Situation das Wort rede, in der so ziemlich jede Teilstreitkraft den ureigenen Gerätepark zusammenbaut solange nur Congress zustimmt.

Da spiegelt sich auch in dem Einwurf wider, den du richtigerweise zur Kampfpanzerfrage einbringst. Es ist aber meiner Meinung nach aber halt schlicht absurd, dass Kampfpanzerflotten (auch) deshalb divergieren weil Teilstreitkraft A weniger finanzielle Mittel zu Verfügung (oder schlicht andere Prioritäten) hat als Teilstreitkraft B. Stattdessen sollte es oberste Maxime sein die Instandhaltung und Weiterentwicklung des Gerätes streitkräfteweit möglichst einheitlich und möglichst effizient zu gestalten. Es ist grundfalsch Marines und Army im Rahmen ihrer jeweiligen Möglichkeiten an ein und demselben Gerät schrauben zu lassen. Die Betreuung (und Finanzierung derselben) sollte unter der Federführung einer Teilstreitkraft erfolgen.

Natürlich ist es dabei richtig, dass auf Teilstreitkraft intern mit verschieden Geräten und Rüststanden gearbeitet werden muss. Das ist nicht vermeidbar. Dieser Prozess ist aber deutlich leichter mit besseren Ergebnissen zu managen wenn die Verantwortung klar einem Akteur zugeordnet ist und Mittel allein durch den Wegfall doppelter Strukturen frei werden.

-----

Themenwechsel. Der Punkt hinsichtlich der USMC Propaganda war weniger, dass das USMC keine ‚First In‘ Fähigkeiten anbieten könnte, sondern mehr, die propagandierte These, dass es gerade und unbedingt das Marine Corps für derartige Aktionen benötigt, wenn die Army jenseits der reinen Amphibischen Kapazität hier nicht nur deutlich mehr auf dem Kasten sondern auch schon deutlich mehr eingesetzt hat.
Es ist ja schön und gut, dass die Marine das unbedingt machen wollen und meinen, das sei ganz speziell ihr Terrain. Nur warum sollte das so sein? Das ist doch nur ein von den Marines gepushtes pseudopolitisches Nativ ohne realen Hintergrund. Die schlichte Wahrheit lautet: Wenn die Realität zeigt, dass diese ach so schwierig abzubildende Fähigkeit mal von der Army nebenher miterledigt werden kann, braucht es dafür kein Marine Corps.

Schließlich gilt hier der Grundsatz: Generalisten vor Spezialisten! Spezialisierte Trupp nur dann und dort wo regulärere Einheiten die gestellten Aufgaben nicht miterledigen können.
Konkret: Die Army wird aus einer Reihe von Gründen immer Luftverlegbare Infanterie (was nicht dem klassischen Fallschirmjäger entsprechen muss btw) und SOF unterhalten. Wenn die Theater Entry nebenher mitbespielen können gibt es überhaupt keinen Grund, das eine andere Teilstreitkraft diese Fähigkeiten abbilden muss. Völlig egal wie gut das zu ihrem Selbstverständnis passen mag. Es käme dann auch niemand auf die Idee, eine spezialisierte ‚First In‘ Truppengattung innerhalb der Army zu schaffen, wenn es das Marine Corps nicht geben würde. Die Aufgaben werden bereits abgedeckt, darüber hinaus gibt es keinen Bedarf an weiterer Spezialisierung. Ergo sind das Ineffizienzen die man abstellen kann.

Andererseits: Natürlich könnte man grundsätzlich auf die Idee kommen und den ganze (riesigen) Army SOF Apparat den Marines zuordnen und das Marine Corps grundsätzlich als SOF Teilstreitkraft begreifen. Kann man machen, wäre eine politische Entscheidung. Ich bezweifle aber, dass solche eine Struktur viel Sinn machen würde, schließlich stützten sich die SOF Verbände stark auf die grüne Truppe der Army ab. Freilich könnte man auch gleich alle leichte Infanterie den Marines zuordnen nur haben wir spätestens hier die Grenzen zum Absurden überschritten. Ganz zu schweigen von allen anderen Organisationsproblemen die man im Joint SOCOM sehr zufriedenstellend gelöst hat. Das würde ich für einen ziemliche Rohrkrepierer halten.

Es ging mir bei meinem Verweis auf das USASOC (sehr bewusst nicht SOCOM) auch weniger darum, das Marine Corps irgendwie unter SOF verwursten zu wollen, vielmehr ging es darum der von dir betonten Infanterielastigkeit das Argument entgegenzusetzen, dass die Army hier qualitativ und quantitativ mehr als mithalten kann. Insofern wäre nichts verloren, wenn die vielbeschworenen Infanterieregimenter des USMC in der grünen Truppe der Army aufgehen würden. [Ich nehme zu Kenntnis das du das hinsichtlich der Qualität anders siehst, aber ich kann jetzt nicht auf alles eingehen]. Der Einwurf, dass die 3 MEF ja so viel mehr leisten könnten als SOF oder Luftverlegbare Infanterie geht dahingehend auch ins Leere.
Natürlich trifft das zu, aber andererseits überfordert es auch die Army nicht leichter Infanterie bei Bedarf schwerere Verbände zuordnen. Combined Arms ist jetzt keine spezielle Erfindung des Marine Corps.
Ansonsten, ja, man kann den Marines auf Bataillonsebene (!) gewisse Interventionsfähigkeiten zusprechen die in bestimmten Szenarien so von den Interventionskräften der Army nicht genau so analog repliziert werden können. Aber wirklich, wir reden da von Nischenfähigkeiten auf unterer taktischer Ebene. Das Marine Corps hat eben gerade nicht die Fähigkeit größere Verbände jenseits der MEU in operativ relevanten Zeiträumen einzusetzen. Man müsste sich das mal im Detail anschauen, aber das Marine Corps verlegt komplette MEFs nicht relevant schneller als die Army Soldaten oder Gerät über die Ozeane schippern kann.

Die vielbeschworene Interventionsfähigkeit des Corps fußt allein darauf, dass meint es wäre sinnvoll, verstärkte Bataillone mit ein wenig integrierten Air Support in amphibischen Landungsschiffen über die Weltmeere segeln zu lassen. Die erwähnten MEBs existieren ja nicht. Das sind gekaderte Verbände die sich aus den bestehenden MEFs nach Bedarf gebildet und erstmal verlegt werden müssen. Aber klar, sollte sich tatsächlich mal eine passende Contingency in der passenden Lokalität ergeben ist die MEU der ESG sicher ein wunderbar funktionierendes Werkzeug. Bei Lichte betrachtet muss man aber schlicht feststellen: Das ist noch nie passiert, Mitteleinsatz steht in keinem Verhältnis zum Nutzen und hinter der MEU käme der Rest der Corps auch nicht schneller als die schweren Heeresverbände.

----

Zu den Missile Marines. Die grundsätzliche Idee dahinter ist es neue Fähigkeitenfelder zu erschließen die so von der Konkurrenz nicht abgedeckt werden. Könnte die US Army meinetwegen angedockt an SOCOm Verbände schaffen, die sich Litoral, also Küstennahen Raum schwerpunktmäßig mit dem Kampf gegen Luft- und Seeverbände beschäftigen? Sicherlich. Ich behaupte auch garnicht, dass Bergers Reformen ein Argument gegen meine grundsätzliche Kritik und meiner Forderung nach einer weitestgehenden Abschaffung des Marine Corps darstellen.

Diese Kritik existiert im sicherheitspolitischen Prozess der USA allerdings auch garnicht. Es gibt (bedauernswerterweise) keine ernsthaften Bestrebungen das Marine Corps abzuschaffen. Berger sucht insofern überhaupt nicht nach Argumenten für ein Fortbestehen des Marine Corps, sein Ansinnen ist es, dass Marine Corps auf zukünftige Herausforderungen in Hinblick auf China neu aufzustellen.
Nun kann man sich sicher auf den Standpunkt zurückziehen, dass der große Krieg gegen China so eh nicht kommt und man sich lieber auf nachgeordnete Herausforderungen (für die das jetzige Corps zuufällig besser geeignet ist) konzentrieren sollte.

Das ist aber sicherheitspolitisch kein zulässiger Ansatz. Schließlich ist Sicherheitspolitik zuallererst Risikominimierung. Beginnend aber eben nicht beim vllt wahrscheinlichsten letztlich meistens bedeutungslosen Kleinklein sondern den größten, elementaren Bedrohungen der Nation. Und das ist im Falle der USA halt nun mal ein Krieg gegen China. Eine verantwortungsvolle Sicherheitspolitik kann sich dem nicht entziehen.

Berger sieht das (richtigerweise) so und meint (argumentierbar fälschlicherweise) er müsse das Marine Corps nun auf diese Bedrohung hin ausrichten. Faktisch spart er ein paar Panzerkompanien ein und will IIRC mit drei Litoral Regimentern experimentieren und ein paar unterbewaffnete Schiffe kaufen die er nie genehmigt bekommen wird. Großes Drama um wenig Inhalt.

Der eigentliche strukturelle Fehler (für den Berger nichts kann) ist der fehlende Gesamtheitliche Ansatz in der Konfrontation mit China. Aktuell haben wir – bedingt durch die zu unabhängigen und im Congress zu einflussreichen Teilstreitkräfte gegenüber dem DoD – eine Situation in der jede Teilstreitkraft das Problem China auf ihre ganz spezielle Weise angehen will.

Was eigentlich nötig wäre eine Direktive auf der militärpolitischen Ebene des Generalstabes wie dem Problem China unter den Vorzeichen von Wirkung und Kriegsökonomie begegnet werden kann. Und das ist halt nicht, dass jede Teilstreitkraft vor dem Congress das durchzuboxen versucht was einen gerade besonders sinnvoll erscheint.

Aus meiner ganz persönlichen Sicht würden wir da bei nicht viel mehr als 500 LRS-B Derivaten und 50.000 JASSM Variationen landen und die chinesische Bedrohung wäre im Wesentlichen eingetütet. Dann wären auch genügend Ressourcen für irgendwelche Proxyauseinandersetzungen vorhanden. Aber klar, in den bestehenden Strukturen eine leider völlig unmögliche Wunschvorstellung.

Insofern bleibt halt die Beschäftigung mit der Frage, ob Bergers Ideen in einem großen Krieg gegen China funktionieren können. Ich meine in teilen ja, in teilen nein. Die Idee Einheiten mit integrierten Seezielflugkörpern und robuster Luftabwehr auf Inseln zu verteilen wäre rein aus USMC Sicht so falsch nicht. Die Idee diese Kräfte irgendwie am besten noch innerhalb der chinesischen A2AD Bubble mit unterbewaffneten Schiffen mobil halten zu wollen halte ich für großen Käse. Kann das auch die Army? Natürlich. Machen sie es? Nein.

------

Das von dir postulierte kontrazyklische Denken ist aus einem sehr einfachen Grund einzige Totgeburt: Du ignorierst die Politik. Und die ist für den Konkurrenzkampf der Teilstreitkräfte allein entscheidend, ja nichts ist wichtiger als zyklisches Denken! Man (Marine) muss mit der Zeit gehen, nichts ist wichtiger als der Finger am Puls der Sicherheitspolitik. Wenn du es verpasst dich entsprechend auszurichten gehst du im Gegenwind ganz schnell ins Hintertreffen.

COIN ist wichtig, COIN liegt brach, COIN soll Aufgabe des Marine Corps sein? COIN ist out! Politisch tot! Niemand hat Appetit, niemand hat den politischen Willen Infanterie in irgendwelchen sinnfreien Befriedungseinsätzen zu riskieren. Es ist dabei völlig gleich wie wichtig COIN / Hybride Kriegsführung oder welche Umschreibung dieses Spiels auch immer in Zukunft sein wird. Die USA haben keinen Bock drauf. Mit foreign wars gewinnst du politisch keinen Blumentopf. Das ganze Spiel hinsichtlich China ist deshalb so attraktiv weil man dem Rüstungskomplex weiterhin risikolos gigantische Summen dieseits und jenseits der Sinnhaftigkeit zuschieben kann.

Die Kunst des militärpolitischen Prozesses ist es nun dieses Spiel zu akzeptieren und das beste daraus zu machen. Freilich sollte es anders sein, die US-Politik sollte hier ehrlicher, realistischer und effizienter agieren. Aber das sind Faktoren die in einem bloßen Militärischen Kontext nicht beeinflusst werden können.
Zitieren
(18.05.2022, 16:39)Nightwatch schrieb: Wir haben aktuell die Situation, dass die Marines noch Legacy Hornets von USN Trägern fliegen währen diese von der USN selbst bereits vor Jahren vollständig ausgemustert worden sind. Warum? Weil hier zwei Teilstreitkräfte völlig unabhängig voneinander das gleiche Flugzeugmuster bespielen zu müssen. Mit zwischendurch ganz unterschiedlichen Varianten und Block-Standards natürlich.

Es ist völlig normal, dass sich die Außerdienststellung eines alten Musters parallel zur Einführung eines neuen Typs in der Größenordnung deutlich über ein Jahrzehnt hinzieht, und während dieser Zeit entsprechende Doppelstrukturen bestehen. Ebenso ist es völlig normal, dass bei einer aktiv fortentwickelten Flotte unterschiedliche Rüstzustände existieren. Beides ist keine Folge des Doppelbetriebs durch USMC und USN, sondern war auch innerhalb der reinen USN-Flotte der Fall.

Aufgrund der großen Stückzahlen hat sich die US Navy zu einem frühen Teilersatz der ältesten Legacy Hornets durch die Super Hornet entschieden, weil ein solcher durch die F-35 zeitlich passend nicht in ausreichender Stückzahl gewährleistet werden konnte. Das USMC hat diese Zwischenlösung abgelehnt, weil man sich perspektivisch auf eine reine F-35-Flotte mit einem Schwerpunkt beim Typ B festgelegt hat, und die Super Hornet wertvolle Ressourcen verschlungen hätte. Nur aufgrund der deutlichen Verzögerungen beim JSF mussten weitere Fortentwicklungsstufen für die Legacy Hornet angestoßen werden. Das ist sicherlich unglücklich verlaufen, allerdings ebenso kein Resultat des Doppelbetriebs, sondern eine Folge der Entwicklungsprobleme der F-35. Die führen ja nun auch dazu, dass die Zahl einsatzbereiter Maschinen bei der US Navy grenzwertig ist.

Wenn man davon ausgeht, dass es diesen Doppelbetrieb nicht gegeben hätte und die Gesamtstückzahlen so bei der US Navy betrieben worden wären, dann wäre die Ausmusterung der Legacy Hornet tendenziell etwas später (als bei der USN tatsächlich durchgeführt) und die Ausmusterung des Harriers deutlich später erfolgt, während die Stückzahl an Super Hornet aufgrund des höheren Bedarfs größer und damit die Stückzahl an F-35 mittelfristig kleiner geworden wäre. Man kann darüber streiten, ob diese Situation tatsächlich einen Vorteil gebracht hat. In meinen Augen ist vor allem die Beschaffung der F-35C durch das USMC kritikwürdig, eine Fokussierung auf eine reine B-Flotte und die Erhöhung von deren Stückzahl wäre in Anbetracht der möglichen Einsatzszenarien zielführender gewesen. Aber hier ist das letzte Wort ja auch noch nicht gesprochen.

Die Legacy Hornets des USMC werden übrigens nicht mehr von Flugzeugträgern aus eingesetzt, der letzte Einsatz endete Anfang 2021 und damit keine drei Jahre nach dem letzten Einsatz der USN. Bis zur Ausmusterung werden die verbleibenden Maschinen nur noch von Land aus eingesetzt werden, auf den Trägerbetrieb hat also die Fortnutzung des USMC keinen Einfluss.
Zitieren
Zitat:Es ist völlig normal, dass sich die Außerdienststellung eines alten Musters parallel zur Einführung eines neuen Typs in der Größenordnung deutlich über ein Jahrzehnt hinzieht, und während dieser Zeit entsprechende Doppelstrukturen bestehen. Ebenso ist es völlig normal, dass bei einer aktiv fortentwickelten Flotte unterschiedliche Rüstzustände existieren. Beides ist keine Folge des Doppelbetriebs durch USMC und USN, sondern war auch innerhalb der reinen USN-Flotte der Fall.

Das bestreitet auch niemand. Nur ist dies keine Begründung die Flottenstruktur ohne Not noch viel weiter ausufern zu lassen und zur Bespielung der Veranstaltungen auch noch mehrere Apparate zu beschäftigen.
Mit der Konzentration auf möglichst einen Hauptverantwortlichen besteht zumindest die Chance die entstehenden Ineffizienzen so gering wie möglich zu halten und sich den gröbsten Unfug zu ersparen.

Es gibt überhaupt keinen relevanten militärische Grund, dass das USMC in irgendeiner Form irgendwelche konventionellen Kampfjets fliegt und diese auch noch administriert. Das überhaupt USMC Staffeln die Trägergeschwader ergänzen hat politische / haushaltsrechtliche Gründe in tiefster Vergangenheit, die mittlerweile einen Rattenschwanz an Fehlentscheidungen bis ins JSF Programm hinein nach sich gezogen haben, der seines gleiche sucht.

Man hätte hier schon in den frühen Neunzigern radikal die Axt ansetzen müssen. Wie verquer ist es denn bitte, dass das Marine Corps meint Trägerflugzeuge in langestützen Staffeln einsetzen (Hornets hier übrigens bis FY2030!!) zu müssen und diese über Jahrzehnte hinweg mit höchst eigenen Updates zu bespaßen wenn die US Air Force mit aberhunderten an taktischen Kampfflugzeugen aufwarten kann?
Das sind Auswüchse eines Molochs der sich schon längst von jeder militärischen Sinnhaftigkeit oder gar finanzpolitischen Verantwortung befreit hat.

Der Hornet Wahnsinn hier schön im Detail:
https://www.thedrive.com/the-war-zone/36...of-service
Zitieren
Diese Fehlentscheidungen reichen noch weiter zurück, die Umstrukturierung hätte schon im Zuge der Reformierungen nach dem Vietnamkrieg erfolgen müssen. Aber das war nicht das Argument von dir, auf das ich reagiert habe, noch beziehe in in dem Punkt einen gegensätzlichen Standpunkt.

Ausgehend von dem (kritikwürdigem) Status Quo der neunziger Jahre lässt sich an der Fortentwicklung die von dir geführte Kritik meines Erachtens nicht nachvollziehen, mit der genannten Ausnahme der Unsinnigkeit der Beschaffung von F-35C für den Einsatz von den Trägern aus. Die Gründe dafür habe ich genannt, weder ergibt die Beschaffung von mehr Super Hornets Sinn, egal wer diese nun betreibt, noch eine unmittelbare Aufgabe einsatztauglicher Maschinen mit einer hohen Zellenrestlebensdauer, insbesondere wenn der Ersatz nicht schnell genug nachgeliefert wird. Insofern sehe ich den "Hornet Wahnsinn" als völlig legitimen Weg hin zu einer Transformation auf einer STOVL-Flotte, deren Unterstellung in das USMC ich als sinnvoll erachte, die aber nicht mit einem Fingerschnippen zu herbeizuführen ist.

Im übrigen bin ich der Meinung, dass maritim ausgerichtete landgestützte Kampfflugzeuge durchaus Sinn ergeben und die entsprechenden Einheiten daher der US Navy, und nicht der US Air Force zuzuordnen sind. Denn wenn eines bekannt ist, dann dass Luftwaffen keine Marinefliegerei beherrschen (egal auf welcher Seite des Atlantiks).
Zitieren
Hätte man in den Neunzigern nach Ende des Kalten Krieges im Rahmen der erheblichen Verkleinerungend er US Streitkräfte die USMC Kampfjetfliegerei abgeschafft wären die Hornets mittlerweile ausgemustert. Stattdessen füttert man jetzt eine Kleinflotte inkl. neuen Kampfwertsteigerungen bis 2030 durch.
Über das Drama STOVL reden wir in diesem Zusammenhang garnicht.

Das Luftwaffen keine Marinefliegerei beherrschen ist auch einfach wieder nur propagandistischer Blödsinn der Marineflieger. Zumal die Landgestützten USMC Staffel sich nicht mal schwerpunktmäßig mit der Marinefliegerei beschäftigen.
Zitieren


Gehe zu: