Europa im 30jährigen Krieg- Osmanen / Was wäre wenn?
#1
Wieso ist Sultan Murat IV (1622-1640) nicht gegen Restungarn und Österreich vorgerrückt, und hat die Situation ausgenutzt, dass sich in Europa 2 unversöhnliche Lager gegenüberstehen und sich stattdessen für einen Irakfeldzug gegen die Safawiden entschieden? Was meint ihr? Das wäre doch eine vielversprechende Ausgangslage gewesen um u.a. Wien zu erobern!
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#2
Es war eine Mischung aus Rache an den Safawiden und einer inneren Schwäche des Reiches (der Niedergang des Osmanischen Reiches/des Reichsverfalls [auch durch Palastintrigen und Korruption] wird von Historikern allgemein in die Zeit zwischen 1567 und 1661 eingeordnet), die einen Feldzug gegen die Habsburger verhinderte. Nach dem Abfall Bagdads und Mossuls wollte der Murad IV. nicht nur das Reich erhalten, sondern auch eben Rache üben. Diese Grundströmungen und Grundintentionen stellte er vor die Option, einen neuerlichen Krieg mit Habsburg zu führen; auch weil ihm die innere Stabilität vor einer neuerlichen Ausdehnung ging. Und für einen gleichzeitigen Feldzug gegen Österreich und die Perser fehlten die Mittel, da eben das Reich schon geschwächt war.

Eine Schwäche des Osmanischen Reiches zeigt sich bereits 1606, als nach dem Krieg mit Österreich (1593 bis 1606) die Osmanen erstmals mit den Österreichern einen Frieden aushandeln müssen (Vertrag von Zsitvatorok).

Schneemann.
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#3
@Takeda Shingen
Ein Grund mag gewesen sein, das im Mittleren Osten die Eroberung von Indien das Fernziel der Osmanischen Expansion war.
Weiterhin litt das Osmanische Reich unter inneren Problemen. Murad IV hatte nicht vergessen, das sein Halbbruder Osman II von seinen Janitscharen ermordet worden war, und 1631 gab es einen erneuten Aufstand der Janitscharen, dem der Wesir und mehrere andere hochgestellte Würdenträger des Osmanischen Reiches zum Opfer fielen. Es hatte zudem Aufstände in Anatolien gegeben, und bereits 1623 war Persien in das Gebiet des heutigen Irak einmarschiert. Ganz nebenbei war noch die Herrschaft von Mustafa I, einem Verrückten, in frischer Erinnerung. Murad IV hatte also die Herrschaft über ein innerlich geschwächtes Reich angetreten. Zudem legen die Aufstände der Janitscharen beredtes Zeugnis von inneren Rissen im Militär des Osmanischen Reiches ab.
Um diese Risse zu kitten, musste Murad IV seine Armee, die Janitscharen natürlich eingeschlossen, beschäftigen, ohne sie zu überfordern. Ein Angriff auf Österreich und Ungarn hätte trotz des 30jährigen Krieges die Armee des Osmanischen Reiches überfordert.
Hier übrigens eine Biographie über Murad IV:
<!-- m --><a class="postlink" href="http://www.xs4all.nl/~kvenjb/madmonarchs/murad4/murad4_bio.htm">http://www.xs4all.nl/~kvenjb/madmonarch ... d4_bio.htm</a><!-- m -->
Daneben muss man sehen, das der territoriale Besitz des Osmanischen Reiches in Europa bereits überdehnt war. Eine weitere Ausdehnung hätte weitere Gefahren und wenig Aussicht auf Erfolge mit sich gebracht. Deutschland hätte sich als ein Wespennest erwiesen, da die erneute Bedrohung durch das Osmanische Reich die deutschen Fürsten und die Habsburger gegen sie vereint hätte. Ungarn, das die Osmanen nie ganz unter Kontrolle bringen konnten, verursachte schon genug Ärger, und Polen war eine weitere Grossmacht.
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#4
Wie schon erwähnt wurde, befand sich das Osmanische Reich in einer ersten Schwächeperiode. Neben den weiteren, hier schon genannten Punkten, sollte man auch an folgendes denken:

In Europa war Österreich nicht der alleinige Angriffspunkt. Neben Dem Besitz Restungarns und Österreichs mit Wien ging es für die Osmanen auch um die Ukraine und den Besitz des heutigen Rumäniens.
Nachdem das Osmanische Reich wie erwähnt zu Beginn des 17. Jahrhunderts lange mit Östeereich focht, kam es gerade 1620 zu einem neuerlichen Krieg mit Polen.
Polnische Magnaten hatten ihr eigenes Spiel gespielt und in den Angelegenheiten der Moldau, damals eines von den Türken abhängigen Fürstentums interveniert. Daraufhin kam es um den Besitz um die Moldau zum Krieg, in der ein großangelegter Interventionsversuch der Osmanen in Polen in der blutigen Schlacht von Chocim durch die Polen gleich im Ansatz gestoppt wurde, gleichwohl in dem darauffolgenden Vertrag der osmanische Besitz der Moldau von Polen anerkannt wurde.
An der westlichen Front kann man daher durchaus von einer ab 1621 endgültig einsetzenden Beruhigung sprechen. Ein so großes Reich wie das Osmanische Reich musste seine Kräfte gezielt einsetzen und mobilisieren können. Aufgrund aber der inneren einsetzenden Lähmung, waren wiederholte Kraftmobilisierungen in dieselbe Richtung nur schwer möglich, da dies ansonsten zu sehr zu einer Vernachlässigung anderer Regionen und Fronten geführt hätte. Daher auch der Versuch (wie auch schon bei der Moldau sehr deutlich), das gewonnene zu verteidigen und nicht weiter expansiv wirksam zu werden.
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