(Zweiter Weltkrieg) Hitlers "Kommandobefehl" vom 18. Oktober 1942
#1
Servus!

Am 18. Oktober 1942 erließ Hitler den sogenannten "Kommandobefehl". Er ordnete an, dass alle gefangenen alliierten Kommandosoldaten vor Ort erschossen oder dem SD (Sicherheitsdienst) übergeben werden sollen (was auch einem Todesurteil gleichkam). U. a. werden die Kommandotrupps als aus Sträflingen rekrutierte Einheiten beschrieben (was so nicht richtig war).

Jetzt meine Frage: Aufgrund von welchem Anlaß gab Hitler diesen Befehl?

Meine einzige Quelle, wo ich einen Hinweis fand, ist bisher das Buch "Invasion" des polnischen Historikers J. Piekalkiewicz.

Er macht einen britischen Kommandoraid der SSRF (Small Scale Riding Force) gegen die kleine Kanalinsel Sark (Operation "Basalt") am 3./4. Oktober 1942 dafür verantwortlich. Er (Piekalkiewicz) schreibt, dass die britischen Kommandotrupps einige deutsche Pioniere überwältigen und mit "Todesschlingen" fesseln konnten. Diese Fesseln sind so angelegt, dass man sich bei einem Befreiungsversuch selbst erdrosseln kann. Einem der deutschen Pioniere gelingt dennoch die Flucht. Er erstattet später Meldung und legt eine eidesstattliche Erklärung über den "Todesschlingen"-Einsatz ab.

Laut Piekalkiewicz erlässt Hitler aufgrund dieses Vorfalls den "Kommandobefehl".

Deshalb: Hat hier jemand noch weitere Infos oder Quellen zu diesem Thema? Bzw. stimmen die Schilderungen Piekalkiewiczs oder gibt es noch andere Ursachen?

Danke.

Schneemann.
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#2
Hi Schneemann,
wurde der Kommissarsbefehl erst im Oktober erlassen?
Ich war bisher immer der Meinung, das die Kommissare seit Beginn des Feldzuges, also Juni 41 "Vorwärts der Regimentsgefechtsstände" also noch im Bereich der Kompanien erschossen werden sollten.
Wenn Dein Datum stimmt, könnte es eine Ursache im Bereich der Gefangenenlager geben. Schließlich wurde ja hunderttausende eingekesselt, und unter der Führung der Kommissare waren Befreiungen und Ausbruchsversuche möglich. Bei der ausgedehnten Front und den langen Versorgungsstrecken für den "Gröfaz" sicherlich ein Grund.
Oder bezieht sich deine Frage auf Kommandosoldaten- also Speznaz?
Dann war es vielleicht nur ein ganz primitiver Racheakt.
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#3
Das bezieht sich auf westliche Commandos.
Speznaz, Kommissare oder jedwede andere Russen konnten ohnehin keine Gnade erwarten.



Zum Thema: Das stimmt so weit ich es weiß, das ganze hatte aber eine Vorgeschichte mit in Norwegen gemachten Erfahrungen wo man auch auf britische Commandos gestoßen ist.

Das ganze hatte aber nichts mit Todesschlingen wie hier genannt zu tun, sondern ganz allgemein mit der Kampfweise solcher Verbände. Der Anlaß war die besagte Aktion auf der Kanalinsel, aber der wahre Grund ist liegt in der Persönlichkeit Hitlers der Gegner von hoher Qualität nicht weiter leben lassen wollte. Man beachte paralell z.B. Befehle die Intelligenz der östlichen Völker auszurotten, was dann praktisch zur Folge hatte, daß man möglichst viele Studierte oder Brillenträger erschoß. Das hat nichts mit Rache sondern mit dem persönlichen Denken Hitlers zu tun.

So gab es auch entsprechende Befehle Scharfschützen zu liquidieren oder an der Ostfront den Kommissarbefehl. Diese Befehle liegen in Hitlers Persönlichkeit begründet, und haben keinen wirklich praktischen oder ernsthaften logischen Grund.
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#4
Hintergrund ist vielleicht auch in der besseren Ausbildung der Kommandosoldaten zu sehen.
Gute Ausbildung schafft eben auch einen gewissen Korpsgeist. Den kann man bei Gefangenen eher weniger brauchen.
Zum Zweiten ist für einen Soldaten das Wissen "Wenn ich gefangen werde, bin ich tot" sicherlich bis zu einem bestimmten Punkt abschreckend.
ABER: Auch allierte Soldaten hatte keine Möglichkeit, sich dem Einsatzbefehl zu entziehen.
Und so schaffte ein solcher Befehl eher die ganz persönliche Entscheidung, bis zum Allerletzten zu kämpfen.
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#5
Genau diesen Effekt, nämlich eine Versteifung des Wiederstands hatten auch der Kommissarbefehl und andere ähnliche Anordnungen.

Das war aber Hitler sehr wohl bekannt und egal (eigentlich war das sogar sein Ziel dabei). Wie gesagt sind die Gründe für diese Befehle in der Persönlichkeit Hitlers und nicht in einem logischen Grund.

Hitler war auch sonst gegen Kriegsgefangenschaft, und bezeichnete das mehrmals als lästiges Übel. Im Rußlandfeldzug realisierte er auch immer wieder seine Vorstellungen und so kamen Millionen von russischen Kriegsgefangenen um. Das sich wiederum auch deutsche Soldaten ergaben brachte ihn immer wieder zur Weißglut.

Solche Befehle sollten den Kampf verschärfen, das war der Hintergrund, beide Seiten sollten die Chance genommen werden, mit etwas anderem als Sieg oder Tod zu agieren. Seine wirklichen Absichten konnte Hitler da nicht verwirklichen da dies zu großen Wiederstand bei der Wehrmacht wie auch den einfachen Soldaten hervor gerufen hätte, deshalb versuchte er Stück für Stück mit solchen Befehlen den Kampf zu verschärfen und brutaler und härter zu machen. Das ist der Grund für diese Befehle. Den Befehl offen überhaupt keine Gefangenen mehr zu machen traute sich Hitler zumindest im Westen nicht zu geben, das wäre zu vielen Deutschen zu weit gegangen. Im Osten hingegen kam er mit seinen Vorstellungen jedoch erstaunlich weit.
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#6
Das mit der Kampfverschärfung hat er ja auch geschafft- immerhin starben in den Jahren 44 und 45 mehr deutsche Soldaten als in den 4 kriegsjahren zuvor.


Das im Osten die Kriegsführung erheblich grausamer war- liegt möglicherweise daran, das die Annektion der ehemals deutschen Ostgebiete seit `18 massiv böses Blut gemacht hat- und an der Kampfführung a la Ilja Ehrenburg.
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#7
Hmm,

also zunächst mal ein Dankeschön wegen der teilweisen Bestätigung der von mir angeführten Ursache (Kanalinsel-Raid). Das hat mir doch schon etwas weitergeholfen. Nichtsdestotrotz bin auch für weitere Quellen dankbar.

Nur: Die These, dass Hitler diesen Befehl erlassen hat, weil er in den Kommandotrupps eine Elite (egal, ob nun intelligenz- oder ausbildungstechnisch) gesehen hat, die es auszurotten gilt, kann ich so nicht ganz unterstützen. Weder im Befehl selbst (nachzulesen hier: <!-- m --><a class="postlink" href="http://www.documentarchiv.de/ns/1942/kommandobefehl.html">http://www.documentarchiv.de/ns/1942/ko ... efehl.html</a><!-- m -->), noch in den Äußerungen Hitlers zu diesem Thema an sich, können hierzu Anhaltspunkte von mir gefunden werden.

Es ist natürlich korrekt, dass Hitler die Intention hatte, die Intelligenz in den besetzten Gebieten im Osten auszurotten und quasi Sklavenvölker zu etablieren, nur kann ich keine Beweise finden, dass er diese Denkweise im übertragenen Sinn auch eben auf die Kommandosoldaten der Briten anwenden wollte und deshalb diesen Befehl so erlassen hat.

Schneemann.
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#8
Zitat:Schneemann posteteNur: Die These, dass Hitler diesen Befehl erlassen hat, weil er in den Kommandotrupps eine Elite (egal, ob nun intelligenz- oder ausbildungstechnisch) gesehen hat, die es auszurotten gilt, kann ich so nicht ganz unterstützen. Weder im Befehl selbst (nachzulesen hier: <!-- m --><a class="postlink" href="http://www.documentarchiv.de/ns/1942/kommandobefehl.html">http://www.documentarchiv.de/ns/1942/ko ... efehl.html</a><!-- m -->), noch in den Äußerungen Hitlers zu diesem Thema an sich, können hierzu Anhaltspunkte von mir gefunden werden.
Ich würde auf die Vorkommnisse in Afrika tippen. Angehörige der britischen LRDP/LRDG und andere Kommandoeinheiten richteten dort einigen Schaden an. Der Versuch Rommel zu entführen, die Vorbereitung einer Landungsoperation in einem afrikanischen Hafen, ich weiss leider nicht mehr wo genau, bei dem sie z.T. in deutschen Uniformen unterwegs waren und eine ganze Reihe Deutsche und Italiener der dortigen Garnison töteten usw.. Dagen waren die Operationen solcher Kommandos 1942 in Europa eher begrenzt, deshalb liegt der Schluss mit Afrika als Impulsgeber nahe.

Speziell die im Befehl angesprochenen enttarnten Saboteure und Agenten wurden aber, afaik, auch vorher schon von den meisten Kriegsparteien unverzüglich erschossen.
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#9
Waren zu der Zeit nicht auch Kommandotrupps der Briten im Elsass? Kann mich noch dunkel an ne Dokumentation von Discoverygeschichte über das Thema erinnern. Da gings um die entsterhung der SAS beim absetzen ging das Funkgerät verloren und sie konnten nicht mehr antworten und saßen deswegen fest.
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#10
Allerdings muss man zu den Kommandoraids in Nordafrika sagen, dass diese nicht unbedingt so (d. h. als Kommandoaktionen) bis ins Führerhauptquartier hinein bekannt wurden. Wenn man als Bsp. den sogenannte "Rommel-Raid" oder die Doppeloperationen "Agreement" und "Daffodil" (gescheiterter Raid gegen Tobruk 1942, wobei auch der Chefplaner der LRDG, Colonel Haselden, den Tod fand) herannimmt, so findet man schnell heraus, dass Rommel die gefangenen alliierten Kommandosoldaten (auch die, die ihn entführen, bzw. ermorden sollten) nicht als Kommandosoldaten deklarieren ließ, sondern sie als normale Kriegsgefangene behandeln ließ (was ihnen wohl auch das Leben rettete). Die Tatsache, dass es sich wirklich um Raids handelte, verschwindet so oft in den Akten und wird übergangen.

Insofern glaube ich nicht unbedingt, dass die Raids in Nordafrika mit der bestimmende Faktor für diesen Befehl waren.

Schneemann.
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#11
Zitat:Schneemann posteteInsofern glaube ich nicht unbedingt, dass die Raids in Nordafrika mit der bestimmende Faktor für diesen Befehl waren.
Entscheidend erscheint mir nicht sosehr die rein deutsche Perspektive, sondern die Tatsache, dass in Afrika Verbündete wie Italien dirket betroffen waren, gegenüber denen man Entschlossenheit und Handlungsfähigkeit beweisen wollte. Hitlers merkwürdige Beziehung zum "Duce" ist ja dokumentiert. Bedenkt man den Haufen Italienischer Generäle die sich in Afrika herumtrieben, gelangeten solche storys brühwarm nach Rom und von da dann zu Hitler. Ob Rommel das wollte oder nicht, sei dahingestellt.
Da die Anzahl der Kommandoaktionen, rechnet man die Aktionen der SAS Desert Patrol dazu, in Afrika eine Dimension erreicht haben, die es so nirgendwo vorher gab, denke ich doch, dass das ein wesentlicher Auslöser für den Kommandobefehl gewesen ist.

Dieppe war aber wohl der Tropfen der das Fass zum Überlaufen brachte.


Das feindliche Agenten, auch wenn sie in Zivil militärische Aufträge ausführten oder ausführen sollten, eigentlich immer, und auch von den USA, hingerichtet wurden ist allen hoffentlich klar.
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#12
Wolf schrieb:
Zitat:Das feindliche Agenten, auch wenn sie in Zivil militärische Aufträge ausführten oder ausführen sollten, eigentlich immer, auch von den USA, hingerichtet wurden ist allen hoffentlich klar.
Das ist i. d. Tat richtig. Man erinnere sich hier an das deutsche Unternehmen "Pastorius" - deutsche U-Boote setzten 1942 mehrere Agenten an der US-Ostküste ab, um Sabotageakte durchzuführen - , wo fast alle deutsche Agenten vom FBI gefasst wurden (auch, weil einer der Männer, H. Haupt, die Operation verriet) und später entweder hingerichtet oder zu lebenslangen Freiheitsstrafen verurteilt wurden. Und als deutsche Kommandosoldaten während der Ardennenoffensive 1944 hinter den US-Linien, teils in US-Uniformen, von Amerikanern aufgegriffen wurden, wurden sie meines Wissens grundsätzlich füsiliert.

Was die Operationen der LRDG, des SAS und all der anderen britischen Kommandoorganisationen in Nordafrika angeht, so habe ich immer noch gewisse Zweifel, weil es wenige Aufzeichnungen über Reaktionen Hitlers zu diesem Thema in diesem Gebiet gibt. Und auch der Stab hat sich wenig damit beschäftigt.

Schneemann.
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#13
Zitat:Schneemann postete...wo fast alle deutsche Agenten vom FBI gefasst wurden (auch, weil einer der Männer, H. Haupt, die Operation verriet) und später entweder hingerichtet oder zu lebenslangen Freiheitsstrafen verurteilt wurden.
Georg Dasch und Ernst Gruber verrieten die anderen Agenten - dachte ich immer. Für 150K USD, die ihnen aber wieder weggenommen wurden. 6 Agenten wurden wg. der geplanten Sabotage hingerichtet, die zwei Verräter Dasch und Gruber wurden bis 1946 eingesperrt und dann nach Deutschland abgeschoben.
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#14
Da hier nach den ersten Zusammenstößen mit Commandos gesucht wurde, diese fanden schon in Norwegen statt.

Es war also nicht Afrika usw, sondern Norwegen, wo das erste Mal deutsche Soldaten auf britische Commandos stießen und schon da wurde die Diskussion über den Umgang mit diesen Gegnern auf deutsche Seite begonnen.
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#15
Wobei die Raids in Norwegen (Lofoten, Bjaerangsfjord) nicht direkt mit denen der Briten in Nordafrika oder Westfrankreich, besonders im Kanal, verglichen werden können, da diese vor Churchills Ankündigung nach der "Arcadia"-Konferenz 1942, man werde in Zukunft Kommandoaktionen in einem größtmöglichen Umfang durchführen (Dieppe war u. a. eine Folge), ausgeführt wurden und zwar fast nur von regulären Militäreinheiten (Royal Navy, Royal Marines). Die Kanaloperationen hingegen wurden von echten "Commandos" ausgeführt.

Anzumerken wäre, dass ein ähnlicher deutscher Raid 1943 gegen Spitzbergen stattfand.

Schneemann.
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