Ur- und Frühmenschen
#12
Ein paar kurze Punkte dazu:

1. ist Steinzeit nicht gleich Steinzeit. Von daher nützt es wenig festzustellen, dass in einem bestimmten Zeitraum wesentlich früher sehr wenige Menschen hier lebten, wenn zwanzigtausend Jahre später (immer noch Steinzeit) bereits mehr Menschen hier lebten. Auch die klimatischen Bedingungen / Umweltbedingungen / Vegetation usw. veränderten sich während dieser Zeiträume erheblich.

2. Natürlich umfassten die Umweltzerstörungen durch Steinzeitmenschen keineswegs dann ganz Europa oder auch nur große Teile davon. Sie waren jeweils lokal begrenzt. Trotzdem lassen sie sich nachweisen.

3. Man muss hier auch die Zeiträume berücksichtigen die es benötigte damit diese Schäden eintraten. Wenn beispielsweise eine Tierart durch Übernutzung in einem Gebiet ausgerottet wurde, dann dauerte dass erhebliche Zeiträume. Man stellt sich das vielleicht viel zu sehr wie heute vor. Stattdessen dauerte es Jahrhunderte - teilweise Jahrtausende bis der entsprechende Effekt eintrat.

4. Naütrlich ist eine monokausale Betrachtung hier falsch (der Mensch als einziger Faktor). Aber das wurde in der Sendung so ja auch gar nicht behauptet. Umgekehrt wäre es falsch den Mensch als Faktor komplett zu leugnen, in einem Faktorenbündel welches die Ursache darstellt gibt es immer auch gewisse Kippelemente und können daher auch ganz geringe Faktoren dazu führen, dass ein System das vorher überdauert hat kippt. Von daher kann ein sehr geringer Einfluss (für sich selbst betrachtet) trotzdem erheblich sein.

5. Es ist nicht seriös zu erklären, es lebten in Europa minimal so viel und maximal so viele Menschen. Das gibt die reale Fundlage nicht her. Das ist Fantasy. Nur ganz allgemein kann man feststellen, dass es sehr wenige Menschen gab. Darüber hinaus muss man natürlich sehr stark zwischen den verschiedenen Epochen der Steinzeit unterscheiden:

Rudi nannte beispielsweise den Bereich um 40.000 v Chr. Das ist tief in der Altsteinzeit. Wenn man hingegen nun in den Bereich um 10.000 v Chr geht, sieht die Lage in Europa bereits wieder ganz anders aus - dass sind zudem nicht weniger als 30.000 Jahre später.

Es ist daher ziemlich verfälschend die Besiedelungszahlen für Europa in der Altsteinzeit mit denen der Mittelsteinzeit gleichzusetzen, dazwischen liegen Zehntausende von Jahren. Und: man sollte auch beachten, dass zwar in Europa um 40.000 v Chr die Besiedlungszahlen sehr niedrig waren, dass dies aber nicht weltweit so der Fall war. In Europa waren sie so extrem niedrig, weil in diesem Zeitraum sowohl die Würmeiszeit als auch die Weichseleiszeit das Leben in Europa extrem einschränkten. Deshalb diese niedrige Zahl von Menschen im Bereich 40.000 bis 30.000 v Chr. Es ist daher recht sinnfrei den Nicht-Einfluss von Menschen zwischen unvorstellbaren Gletschermassen als Beleg für den Nicht-Einfluss von Menschen in der Steinzeit im allgemeinen herzunehmen.

6. Aber auch sehr wenige Menschen können (Feuer, Waffen) immense Schäden anrichten, und tatsächlich steigt die Neigung zur Verschwendung wenn Menschen in sehr geringer Anzahl über solche Mittel verfügen, weil die Natur dann unerschöpfbar wirkt. Gerade Naturvölker gehen eben keineswegs "pfleglich" mit der Natur um.

7. Man unterschätzt wie sehr sich Effekte auch wenn sie für sich selbst betrachtet sehr klein wirken mit der Zeit kulminieren können und wie sehr einige wenige Menschen ganze Lebensräume im Laufe der Zeit umgestalten können. Beispielsweise gibt es Steinzeitvölker in Papua die dort in einem Sumpf im Laufe von Jahrhunderten, eventuell sogar Jahrtausenden ein endloses Netz von Kanälen und künstlichen Inseln gegraben haben. Extrem wenige Menschen veränderten so im Laufe der Zeit die Landschaft derart nachhaltig, dass sie inzwischen vollständig vom Menschen gestaltet ist, was man selbst von Satellitenbildern aus sieht, was man aber vor Ort nicht feststellen kann. Und selbst die Einheimischen wissen gar nicht, was sie da im Laufe sehr langer Zeiträume geschaffen haben, weil sie keinerlei Gesamtüberblick darüber haben und immer nur ihren jeweiligen kleinen Aufenthaltsbereich gestalten.

Wie krass wenige Menschen die Umwelt beeinflussen, gestalten und auch zerstören können habe ich selbst beispielsweise auch in der Mongolei gesehen. Dort leben von 3 Mio Einwohnern ca 1,5 Mio in der Hauptstadt und enger Umgebung, ca 0,5 Mio in wenigen anderen Großstädten (Darkhan, Erdenet) und gerade 1 Mio verteilt sich auf die 6-fache Fläche der Bundesrepublik Deuschland. Und trotzdem ist der Einfluss dieser gerade mal 1 Mio Menschen immens, sind die Umweltzerstörungen immens und teilweise geradezu verblüffend.
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Nachrichten in diesem Thema
[Kein Betreff] - von Quintus Fabius - 11.06.2006, 14:30
RE: Ur- und Frühmenschen - von Quintus Fabius - 04.01.2023, 18:02
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RE: Die Ersten Menschen - von Schneemann - 02.02.2022, 14:24

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