Russland vs. Ukraine
@Quintus
Zitat:Die feindlichen Streitkräfte kampfunfähig zu machen und die Rüstungskapazitäten und die den Krieg nährende Industrie auszuschalten, sind in jedem Krieg immer nur Mittel zum Zweck und nicht das eigentliche Ziel des Krieges. Sondern nur eine Methode um das Ziel des Krieges zu erreichen.

Jeder Krieg hat irgendein eigenes Ziel. Das sich aus diesem ein Krieg überhaupt ergibt, resultiert daraus, dass wir einen bestimmten Willen in Bezug auf dieses Ziel haben, der Feind einen anderen Willen. Diese sind nun unvereinbar und organisierte Gewalt aufgrund der Umstände das Mittel den Willen des Gegners zu beeinflussen, zu verändern und/oder zu brechen.

Nur zu diesem Zweck also, der Beeinflussung des Willens in Bezug auf das Ziel wende ich organisierte Gewalt an.
Das sind nun beinahe philosophische Themenfelder und ich sehe hier das Risiko, dass man aneinander vorbeischreibt, aber wenn man Willen gegen Willen stellt, und daraus eine Notwendigkeit für einen Konflikt ableiten will oder meint ableiten zu müssen, hilft es nicht, wenn ich mich mit grimmigem Blick an den Grenzzaun stelle, sondern ich werde gezwungen sein, meinen Willen dem Gegner dadurch aufzuzwingen, indem ich seinen Militärapparat und seine das Militär stützende Rüstungsindustrie nachhaltig zerstöre. Ergo ist das primäre Ziel ja immer noch die Zerschlagung der gegnerischen Streitkraft und nicht der Wille als solcher, egal nun, wie stark oder schwach ein jeweiliger Wille ist.

Zum Thema strategische Kriegsführung noch etwas:
Zitat:+++ UKRAINE-LIVEBLOG +++

130.000 Menschen in Kiew weiter ohne Strom

Nach schweren russischen Angriffen sind in der ukrainischen Hauptstadt Kiew Zehntausende Bewohner weiterhin ohne Strom. Am Samstagvormittag seien noch 130.000 Menschen der Drei-Millionen-Einwohner-Metropole betroffen gewesen, teilte die städtische Militärverwaltung mit. Die Reparaturen sollen innerhalb von 24 Stunden abgeschlossen werden. Dann sollen auch alle Heizungen wieder funktionieren. Die Wasserversorgung hingegen sei bereits wiederhergestellt, hieß es. Lediglich in den obersten Etagen von Hochhäusern könne es noch Probleme mit niedrigem Wasserdruck geben.
https://www.faz.net/aktuell/politik/ukra...34628.html

Also wenn von ca. 3 Mio. Menschen in einer Großstadt wie Kiew ca. 130.000 Personen (noch) ohne Strom sind - d. h. weniger als 5% -, so kann man nicht unbedingt von einem strategischen "Angriffserfolg" gegen die Infrastruktur sprechen, auch wenn für diese 130.000 Menschen die Situation sicherlich inmitten des angehenden Winters stark belastend ist. (Und manche Horror-Meldungen lasen sich so, als wie wenn die ganze Stadt im Dunkeln sitzen würde.) Sicher war die Zahl der Betroffenen vor einigen Tagen höher, aber es scheint sich zu bewahrheiten, dass die Reparaturen schneller vorankommen als gedacht und dass die Folgen der Luftschläge nicht so gravierend sind wie angenommen.

Schneemann
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Schneemann:

Zitat:hilft es nicht, wenn ich mich mit grimmigem Blick an den Grenzzaun stelle,

Auch das kann eventuell bereits ausreichend sein und ist kriegsgeschichtlich oft genau so praktiziert worden. Die bloße Drohung mit militärischer Gewalt ist ein ganz übliches Mittel. Im Kontext dieses Stranges könnte man anmerken, dass die Russen exakt auf diese Weise in den letzten Jahren versucht haben Einfluss auf die Ukrainer zu nehmen, weshalb diese den Beginn des Krieges ja dann sogar noch als eine dieser üblich gewordenen Drohgebärden wahrgenommen haben.

ich werde gezwungen sein, meinen Willen dem Gegner dadurch aufzuzwingen, indem ich seinen Militärapparat und seine das Militär stützende Rüstungsindustrie nachhaltig zerstöre.

Ich werde eventuell dazu gezwungen sein. Aber du verwechselst hier darüber hinaus weiterhin die Methode und das Ziel. Die Zerstörung der Kampffähigkeit des Gegners ist nicht das Ziel des Krieges, sondern die Methode (des Krieges) um dem Gegner den eigenen Willen aufzuzwingen.

Das Ziel des Krieges ist in fast allen Fällen (die Ausnahme davon hatte ich bereits beschrieben) ein anderes als die Zerstörung der feindlichen Streitkräfte. Die Zerstörung derselben dient also nur dazu, dadurch auf den Willen des Gegners in Bezug auf das eigentliche Ziel einzuwirken.

Das ist meiner Meinung nach übrigens im Bereich der Strategie ein recht verbreiteter Fehler, die Zerstörung der Streitkräfte des Feindes aus dieser Verwechselung von Methode und Ziel überzubetonen oder gar anzunehmen sie sei das eigentliche Ziel des Krieges. Diese Überbetonung des Faktors der Vernichtung der gegnerischen Streitkräfte (als ein Faktor von mehreren) ist kriegsgeschichtlich schon oft geschehen und war oft ein Fehler.

Zitat:Ergo ist das primäre Ziel ja immer noch die Zerschlagung der gegnerischen Streitkraft und nicht der Wille als solcher,

Nein, die Zerschlagung der gegnerischen Streitkraft, genauer und umfassender eigentlich die Vernichtung der gegnerischen Kampffähigkeit, dient der Beeinflussung des Willens. Sie ist also lediglich eine Methode um den gegnerischen Willen zu beeinflussen.

Ich verschiebe das mal in Kürze in einen geeigneteren Strang.
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Über den aktuellen Stand das neueste von Rybar, zur Abwechslung mal in Form eines Kurzfilms:

https://twitter.com/rybar_en/status/1596574489084559365
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Michael Kofmann über den Luftkrieg andere Erkenntnisse aus dem aktuellen Konflikt:

https://warontherocks.com/episode/therus...n-ukraine/

Für Leute ohne Zugang hier eine Zusammenfassung der wichtigsten Einzelpunkte:

https://twitter.com/shashj/status/159541...3rSrEzGt8w

Zitat:1/ Russian air/missile power was effective. That, plus electronic warfare, worked to "disable & suppress the Ukrainian air defence system very effectively in the first couple of days" says Bronk. Air force punched hole in defences to allow VDV to seize airfields, notes Watling.

Sehe ich ebenso. Zudem hätte die kühne Luftsturmoperation auch gelingen können. Der Krieg hätte daher mit dem ersten Schlag auch gleich ganz anders ausgehen können.

The problem was when ground forces didn't advance fast enough, Russia struggled with "dynamic" targeting (e.g. new targets). Russia had, and still has, plenty of HUMINT on targets but "their ability to get that to their air force in a timely manner is non existent" says Watling.

2/ Western arms did not save Ukraine (at least not as conventionally thought). Watling: "The propaganda value of Western equipment...was extremely high at the beginning of the war. It didn't really have a substantial material effect on the course of the fighting...until April."

Diese Ansicht teile ich nicht. Schon seit Anfang März waren westliche Waffensysteme, vor allem aber auch die Lieferung von Munition / Wirkmitteln aus osteuropäischen Staaten wesentlich. Entscheidend war meiner Meinung nach darüber hinaus die Unterstützung mit Aufklärung, auch wenn dies natürlich keine Waffenlieferung darstellt und man daher spitzfindig sagen kann, dass sei hier ja gar nicht gemeint.

3/ Turkish drones did not save Ukraine. TB2s worked for three days because Russian air defences were told to assume anything in air was friendly. "By day 10 they were ... denied in most areas" says Watling. They also dropped fewer munitions than less sexy fixed-wing aircraft.

Bronk: "Ukraine recognised very quickly as part of an extremely effective information ops. strategy that [TB2] was some of the best footage they had." They "stored up a lot of that footage and kept drip feeding, releasing it, having got rid of...date and time & location stamps"

Der Wert von Drohnen für die Informationskriegsführung war schon im Krieg von Armenien gegen Azerbeidschan die primäre Leistung der Drohnen dort.

4/ Electronic warfare has been important. Kofman: "one of the things folks have gotten the most wrong about this war is the role of electronic warfare. It's been very significant...Russia has used it extensively as one of the biggest challenges for Ukraine to deal with".

But EW challenges, too. Watling tells story of two Russian pilots flying next to each other complaining their radars are scrambled. Turns out their EW pods are targeting each others' radar, so they have to shut them down. "Level of fratricide on the Russian side is very high."

Electronic warfare presents dilemmas. Watling: "If I am protecting myself from precision strike by denying navigational systems, great. But that also interrupts my ability to find targets with UAVs." Adds: West does not have many exercises areas where it can turn all its EW on.

Das kann man nur betonen!

5/ War did not shift from Javelin/NLAW phase in Feb-Apr to artillery phase in June. Artillery (and what enabled it) was always key. "What blunted the Russians north of Kyiv was two brigades of artillery firing all their barrels every day," says Watling.

Da stellt sich dann die Frage warum die im Stau stehenden endlos langen Kolonnen der russischen Fahrzeuge von der ukrainischen Artillerie nicht zerlegt wurden.

6/ Ukraine was not minnow. Watling: Ukr entered war with 1,178 barrel artillery pieces, 1,680 MLRS, 60 divisions of air defences & 900 tanks—more air defence and artillery systems "than vast majority of European NATO combined". Plus ammo for six weeks, more than anyone but Finns.

Auch so ein Punkt: die Ukraine hatte zu Kriegsbeginn eine sehr starke Armee.

7/ The BTG is dead. Watling: "it's not just that the company is actually the fighting unit of the Russian military at this point in terms of scale." Also "warlordization" of units. GRU setting up new Wagner-type forces, "proliferation of personality-based private armies".

8/ Ukrainian NCOs not backbone of army. Watling: "it's not yet a professional cadre; it's just older guys". Ukr mil has more than doubled since Feb. "The idea that there's some Ukrainian NCO Corps that's holding this whole thing together is just projection. It's a complete myth."

Watling: "The [Ukrainian] junior leadership is good, particularly at company level. What you're seeing is a lot of colonels being pushed in to support small scale operations ...and providing that personal leadership. But it's it's not built around the western approach at all."

Dazu kommt noch das was ich immer als militärische Anarchie bezeichne. Das ist übrigens keine Kritik, wir könnten diesbezüglich noch etwas von der Ukraine lernen. Die Ukrainer waren und sind viel besser dazu in der Lage mit extremen Chaos, totaler Unübersichtlichkeit und mangelnden Informationen zu kämpfen.

9/ Russian logistics vulnerable to HIMARS. But Western air & ground forces would face simialr issues. Kofman: "a lot of science fiction on our side, when I hear about distributed forces & logistics...the operational concepts have never made contact with an actual logistician."


Eine weitere Darstellung über den Luftkrieg:

https://www.youtube.com/watch?v=YYDnspMWdaM
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Das größte 1WK Reenactment aller Zeiten - der heutige Krieg in der Ukraine:

https://twitter.com/PaulJawin/status/159...8396413952

https://twitter.com/PaulJawin/status/159...45/photo/3

https://twitter.com/PaulJawin/status/159...45/photo/2

https://twitter.com/PaulJawin/status/159...45/photo/1


Und noch eine interessante Erinnerung an die Selbsteinschätzung der Ukrainer Anfang Februar 2022:

https://www.aljazeera.com/news/2022/2/7/...des-expert

Hab das damals gelesen und gerade durch Zufall wieder gefunden. Auch aufgrund solcher Aussagen ging ich damals davon aus, dass der Krieg länger dauern würde und nach meiner damaligen Einschätzung nach 6 Monaten harter Kämpfe mit einem russischen Sieg enden würde. Damals gingen viele andere noch davon aus, dass die Ukrainer niemals 6 Monate durchhalten würden. Aber ich hatte mich ganz genau so geirrt.

Die militärische Leistung der Ukraine ist ebenso beachtlich wie die Nicht-Leistung der Russen es gewesen ist.

Militärische Leistung resultiert einfach immer aus einer ausreichenden Vorbereitung. Die Ukrainer hatten sich vorbereitet. Die Russen nicht. Sind wir vorbereitet ?!

Zitat:If we are weighing all those options, we see that none of them are satisfactory for Russia, because we in Ukraine are pretty much ready.

Not just the armed forces, but Ukrainian society, volunteers, and the Ukrainian government, are showing readiness.

And we have huge international support [from the US and Europe]

Zitat: If pro-Russian forces try to claim territory beyond Donetsk and Luhansk, what kind of welcome would they receive?

Khara: They will meet up to 260,000-strong armed forces and territorial defence.

We have some 400,000 veterans who went through the war in Donbas – they have combat experience and certainly will not have mercy towards the invaders.
I’m not talking about the civilians.

It’s going to be a bloody hell for the Russians. See, if they decide to cross [the border] and especially if they then decide to enter our cities… Thanks to the British, we have pretty powerful anti-tank missiles that can be used in urban warfare, and certainly, we have enough of our own to deploy.

Even if you look at Russian-speaking cities like Kharkiv or Odesa, people are not going to convert their flourishing cities into what Russia has been doing with Donetsk and Luhansk for eight years.

Russia should have no illusions that Russian-speakers or ethnic Russians are going to welcome them on our territory – they will be fighting.
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Zitat:Military briefing: Russia and Ukraine prepare for rigours of winter war

Combatants set to face temperatures as low as minus 30C, equipment failures and snarled-up supply lines. [...]

Winter has played a major role in Russian and Ukrainian military history. It was decisive in their victories over Napoleon and Nazi Germany, and in what Kyiv-born writer Mikhail Bulgakov called that “great and terrible year” of 1918, when “the snowstorm from the north howled and howled” and Ukraine was beginning its war of independence. The weather is set to be a critical factor again as the fighting between Ukrainian and Russian forces enters its ninth month, say security officials and military experts.

Keeping warm in a country where winter temperatures can drop as low as minus 30C is not the only consideration. At such extremes, equipment becomes harder to operate, booby traps can be hidden under snow, more fuel is needed for generators, supplies must move at night because there is less field cover, and navigation systems for some drones ice over. Even bullets are slower because cold air is denser than warm. [...]

A second strand of Putin’s strategy is that the cold typically slows the tempo of military operations. That will help Russia sustain its lines of defence and to hold captured territory — an approach analysts say is central to the thinking of General Sergei Surovikin, recently appointed Russia’s commander in Ukraine. “In winter, you need more logistics to support people because it’s colder and darker. You need more fuel. All this adds to frictions that slow operations, which tend to favour defence,” said Anthony King, professor of war studies at Warwick University. [...]

Russian troops do not enjoy the same level of support in newly occupied areas. Many of the tens of thousands of recently mobilised soldiers Moscow is rushing to Ukraine’s 1,100km frontline also lack basic equipment. In one video published by Russian news outlet Astra, recruits complained they had been sent to Ukraine’s Zaporizhzhia region without adequate supplies. “We’re in enemy territory and we don’t have a single cartridge,” one of the men said.
https://www.ft.com/content/14ea4d75-b273...708881673b

Der Winter wird sicherlich den Krieg erheblich erschweren und wird infolge Erfrierungen etc. auch beiden Seiten erhebliche Personalverluste einbringen, indessen jedoch darf man den Winter an sich nicht als reine Bremse jedweder Kampfhandlung deuten. Es gibt nach der alles lähmenden Schlammphase eine Phase, in der das im Schlamm versunkene Gerät erst einmal festfriert und unbeweglich bleibt, danach allerdings, wenn es gelingt die Gerätschaften wieder flott zu bekommen und halbwegs eine belastbare Winterausstattung an die Truppen auszugeben, hat der Winter in Russland ein Zeitfenster von grob sechs bis acht Wochen, in denen militärische Operationen auf dem gefrorenen Boden durchaus wieder möglich sind.

Dies haben die Russen vor Moskau 1941 ausgenutzt, als sie Anfang Dezember zum Gegenangriff antraten. Und auch die Deutschen haben dieses Zeitfenster einmal ausgenutzt, und zwar vor Stalingrad Mitte Dezember 1942. Man drang da zwar bekanntermaßen nicht bis zur Stadt durch, aber trotz hoher Minusgrade kamen die Panzer auf dem gefrorenen, steinharten Boden erstaunlich gut voran.

Es ist schwer zu beurteilen, ob die beiden Parteien in der Ukraine überhaupt in der Lage wären, jetzt in den nächsten Wochen zu einer Offensive anzusetzen, dazu wirken beide Seiten zu abgekämpft und ausgeblutet. Und auch ist fraglich, ob sie das taktische und strategische Knowhow für so eine Winterschlacht hätten. Generell jedoch sollte man vorsichtig sein mit der Annahme, dass der russische Winter jedwede Offensivtätigkeit verhindern würde.

Schneemann
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Kriegsgeschichtlich gesehen waren diejenigen im russischen Raum am erfolgreichsten, welche jeweils besser als ihr Gegner für die Winterkriegsführung ausgerüstet waren. Die Seite setzt sich hier also während dieser Zeit durch, deren Soldaten durch den Winter weniger beeinträchigt werden. Wer das im aktuellen Krieg sein wird, kann ich nicht sagen, da beide Seiten hier drastische Defizite haben.
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Meinung von Herrn Kujat

https://www.n-tv.de/mediathek/videos/pol...48244.html
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Kujat: "Wir müssen uns langsam auch glaube ich im klaren werden, wo die Grenzen unserer Beteiligung an diesem Konflikt liegen. Die... unser Grundgesetz enthält ganz prominent schon in der Präambel das Friedensgebot für Deutschland. Wir müssen also jede Kriegsbeteiligung oder Unterstützung einer Kriegspartei muss immer darauf gerichtet sein am Ende zu einer friedlichen Lösung zu kommen. Das ist das Gebot des Grundgesetzes. Ich erwarte deshalb auch von der Bundesregierung, das sie der Bevölkerung einmal klar macht, was... wo die Grenzen liegen, dessen was sie unterstützt und was sie nicht unterstützt. Zum Beispiel wäre die Rückeroberung der Krim etwas was Deutschland unterstützt, eine sehr delikate Frage. Wie weit wollen wir gehen, sind wir wirklich nicht bereit, also wenn ich höre beispielsweise das gesagt wird, wir werden die Ukraine unterstützten solange es nötig ist, was heißt das denn? Das heißt doch das wir die Entscheidung darüber, wir lange und in welchen Maße wir die Ukraine unterstützen auf die an die Ukraine abtreten! Das heißt ein Teil unserer Staatsgewalt wird auf die Ukraine übertragen. Das kann doch nicht das Ziel deutscher Politik sein. Vor allem doch nicht im Einklang mit dem Friedensgebot des Grundgesetzes."

So ein ehemaliger Generalinspekteur der Bundeswehr.
Hätte so eins zu eins auch ein Herr Vad darbieten können. Unterirdisch, in Teilen (Johnson verhinderte den Siegfrieden !!!11!!) russische Propaganda in Reinform.
Mehr möchte ich dazu garnicht schreiben, wäre wahrscheinlich zu schnell justiziabel.
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Herr Kujat ist irgendwie derzeit etwas irritierend unterwegs. Er redet ja auch davon, dass sich die Munitionsbestände der USA leeren würden. Man muss fairerweise hierzu sagen, dass manche US-Waffensysteme zwar nicht zur Neige gehen, aber sich die Bestände tatsächlich leeren, das gilt z. B. für die Stinger.

Aber anzunehmen, dass sich deswegen die US-Munitionsbestände signifikant leeren, ist irrig. Man hat ca. 1 Mio. Granaten 155 mm an die Ukraine geliefert, was grob einem Drittel des Bestandes entspricht. Und natürlich produziert man dieses Drittel nun nicht mehr so rasch nach, wie wenn man einen Krieg führen würde (nochmal: Der Westen führt bislang keinen Krieg, noch ist es ein Spesenaufwand), aber nun davon ableiten zu wollen, dass sich die US-Munitionsbestände leeren, ist schlichtweg eine strategische Fehleinschätzung. (Und die Art, wie dies verkauft wird in den Medien, ist doppelt bedenklich.)

Alles andere, auch das moralisierende Herumschwadronieren von wegen der Präambel des Friedensgebotes, ist ein unnötiges Ablenken vom eigentlichen Problem, und es übersieht völlig, dass wir gar nicht gefragt werden, ob unsere Präambeln einen Aggressor nun interessieren oder nicht. Das nicht erkennen zu wollen (oder es zumindest geflissentlich zu ignorieren?), ist leider ziemlich arrogant und auch riskant zugleich. Und es zeichnet ein Bild der unnötigen, aber irgendwo wieder typischen, deutschen moralischen Selbstüberschätzung. Schade, ich hatte Herrn Kujat eigentlich anders in Erinnerung...

Schneemann
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Oberst Reisner fürs deutsche Fernsehen (ab Minute 1:25 und nochmal deutlich detaillierter ab Minute 18:30):

Oberst Reisner

Grundaussage: Haben Russland unterschätzt.
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So sehr ich Oberst Reisner schätze, hier komme ich zu einer anderen Einschätzung: mein rein persönlicher Eindruck ist, dass man Russland überschätzt hat. Das nehme ich auch und insbesondere als meinen eigenen Fehler in diesem Kontext wahr. Ich habe anscheinend vor dem Krieg die Russen massiv überschätzt.

Ein weiterer Gedankenfehler von Oberst Reisner ist meiner Ansicht nach, dass er davon ausgeht, dass wir nicht liefern könnten. Die Wahrheit ist meiner Meinung nach, dass wir nicht liefern wollen, weil der Westen TM (also vor allem die USA) ziemlich exakt die Strategie fahren, welche ich auch gegenüber Russland lange Zeit als die bestmögliche beschrieben hatte, nämlich immer nur genau so wenig (!) zu liefern damit die Ukraine nicht die Hoffnung verliert und weiter kämpft, und Russland nicht die Hoffnung verliert und weiter kämpft, damit Russland auf diese Weise möglichst langsam und möglichst weitgehend ausblutet.

Hinter dem Mangel bei den Lieferungen steckt also meiner Überzeugung nach ein System, eine intentionale Strategie der USA die Russen konventionell so weit wie nur machbar abnutzen um sie für Jahrzehnte als konventionelle Bedrohung damit auszuschalten, so dass man den Rücken gegen China frei hat.
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Reisner sagt viel richtiges aber erzählt zum Teil einen Quark, das ist unglaublich.

'Zu Beginn des Krieges hat Russland ca. 530 Marschflugkörper / ballistische Raketen eingesetzt. Der Westen, die Nachrichtendienste haben unisono gesagt, das wird es ja wohl gewesen sein, weil soviel haben die Amerikaner damals 2003 beim Einmarsch in den Irak eingesetzt. Im Juni des Jahres waren wir bei 2008, im August bei 3500 und jetzt hat Präsident Zelensky über 4700 Marschflugkörper/ballistische Raketen/ iranische Drohnen wurden eingesetzt. Das gab es sonst bisher noch nie in der Kriegsgeschichte und wir wissen nicht wie leer diese Lager sind, also ich wäre sehr vorsichtig it den Prognosen, das in ein paar Wochen alles vorbei ist.'

1. Die Amerikaner haben 2003 über 800 Tomahawk und 450 ATACMS gegen den Irak eingesetzt. Das ist schon mal deutlich mehr als die Russen in den ersten Wochen eingesetzt hatten.
2. Der Vergleich ist Käse. Die Russen legen einen viel größeren Fokus auf Marschflugkörper und ballistische Raketen, die US Streitkräfte dagegen konzentrierten sich auf von Kampfflugzeugen eingesetzten Gleit- und Präzisionsbomben.
3. Es hat niemand behauptet, dass 'es das ja wohl gewesen sein sollte'. Man ging lediglich davon aus, dass die Russen angesichts des Ausmaßes der Angriffe die ukrainische Luftverteidigung ziemlich ausgeschaltet haben sollten. Glücklicherweise war das nicht der Fall.
4. Es ist keine tiefgehende Erkenntnis und in sich kein Argument, dass es soetwas in der Kriegsgeschichte noch nie gab. Es ist nun mal auch der erste große Krieg zwischen ziemlich modern ausgestatteten Kontrahenten der sich über Monate zieht.
5. Ich finde jetzt knapp 5000 Fluggeräte in 9 Monaten nicht so sonderlich beeindruckend, eher am unteren Rand des erwartbaren.


Keine Ahnung wo Reisners persönliches oder professionelles Problem liegt - ich schätze ihn nicht und halte ihn für overhyped und meine Meinung sinkt mit jeder Einlassung die ich von ihm höre - seit Beginn des Krieges zeichnet er sich wie viele andere dadurch aus, die russischen Niederlagen und ukrainischen Möglichkeiten kleinzureden.
Daran hat sich nichts geändert, ganz egal was sich auf dem Schlachtfeld so tut.
Seine Darstellung, dass es 'bei Bakhmut' noch immer darum ginge die 'erste Verteidigungslinie' mit 'massiver Artillerieunterstützung' zu durchbrechen um dann alsbald ins offene Hinterland vorstoßen zu können, sich jetzt gegen HIMARS ja angepasst hätte, der Rückzug aus Kherson ja eine einzige Konsolidierung gewesen wäre und die freigewordnenen Elitefallschirmjäger im Donbass jetzt ganz bestimmt diden ganz großen Druck aufbauen könnten ist schon sehr speziell und verkennt die Natur der absolut zermübenden Gefechte dort völlig.
Hier ist die Problematik sicherlich nicht, 'dass sich die Ukraine wieder in einem Fegefeuer im Donbass befindet'. Vielmehr hat die Ukraine hier endlich (?) ihr ganz eigenen Verdun geschaffen an dem die Russischen Angreifer trotz größter Bemühungen verbluten.

Und sorry, seine 'Warnungen' von 30 Millionen russischen Reservisten die theoretisch die Ukraine einfach überschwemmen könnten (und man es 'runterrechnen' könnte bis den Ukrainern halt die Soldation ausgehen) sind einfach nur irgendwas zwischen wahnhaft und bekloppt. Da ist aus so vielen Gründen schon lange, lange vorher auch in Russland der Ofen aus, dass kann man nicht ernst nehmen.
Genauso seine Einlassungen zur ukrainischen Seite - sorry, aber das ist einfach nur telegerecht verpackter Bullshit. Die Ukraine hat gut 1 Million Mann unter Waffen und sind Grenzschutz und diverse Polizeieinheiten schon mit dabei. Nicht ansatzweise jeder wird eingezogen, das da jetzt 5 oder 6 'Wellen' stattgefunden haben ist völlig bedeutungslos, die gab es 2014/2015 auch schon, sind halt schlichte Teilmobilmachungen die nichts über das Gesamtpotential aussagen.
Es ist eben nicht so, dass mit Welle eins alle 18-20 Jährigen fällig gewesen wären und man mit Welle Sechs jetzt irgendwo knapp vor Volkssturm angelangt wäre.
In diesen Wellen ging es primär darum ehemalige Veteranen und Militärangehörige wieder in Uniform zu bekommen und weniger darum in irgendwelchen westukrainischen Dörfern die letzten Männer einzusammeln.
Reisner scheint überhaupt keine Vorstellung davon zu haben, wie die fortgesetzten Mobilisierungen seit 2014 (!) und die unverändert bestehende Wehrpflicht den Personalpool der Ukrainer prägten. Eine Million Mann unter Waffen ist nicht in Ansätzen das Maximum, bei einer totalen Mobilmachung beiderlei Geschlechts ginge es eher in Richtung von fünf Millionen. Der Flaschenhals sind viel mehr Waffen und Logistik - wie bei den Russen eigentlich auch.
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Exakt so etwas meinte ich:

Zitat:1. Die Amerikaner haben 2003 über 800 Tomahawk und 450 ATACMS gegen den Irak eingesetzt. Das ist schon mal deutlich mehr als die Russen in den ersten Wochen eingesetzt hatten......Die Russen legen einen viel größeren Fokus auf Marschflugkörper und ballistische Raketen, ........
5. Ich finde jetzt knapp 5000 Fluggeräte in 9 Monaten nicht so sonderlich beeindruckend, eher am unteren Rand des erwartbaren.

Als der Krieg losging ging ich rein persönlich davon aus, dass die Russen jetzt binnen kürzester Zeit tausende Raketen und Marschflugkörper gegen die Ukraine einsetzen würden. Die 5000 hätte ich für den ersten Monat als Minimum erwartet, und nicht über 9 Monate.

Und dieser Umstand, dass die Russen so wenig einsetzbares Material hatten, war für mich rein persönlich sehr überraschend, trotz meines Wissens um die extreme Korruption in Russland und all der Missstände dort.

Nur mal so als Beispiel: Russland übernahm aus den Beständen der Sowjetunion ungefähr 300 Werfer für Scud-Raketen und der Bestand an selbigen lag bei ungefähr 7000. Statt diese zu modernisieren - oder auch nur einfach zu erhalten, hat man sie verkommen lassen und schließlich ausgemustert. Hätte man sie -wie KheibarShekan es ja auch schon mal angemerkt hat einfach funktionsfähig gehalten, hätte man im ersten Auftakt des Krieges einfach mal 7000 Raketen nur dieses einen Typs abfeuern und verbrauchen können. Und diese Rechnung kann man bei ganz vielen eigentlich vorhandenen Systemen aufmachen. Real praktisch waren diese dann nicht da, obwohl die russische Doktrin absolut eindeutig den Massengebrauch solcher Systeme vorsieht und dies spezifisch für dafür entwickelt und früher vorgehalten wurden.

Hier im übrigen mal der Versuch einer Hochrechnung der Restbestände seitens der Ukrainer:

https://visitukraine.today/blog/1212/how...of-ukraine

Laut dem ukrainischen Verteidigungsministerum haben die Russen inzwischen ungefähr 50% ihrer Bestände an Raketen verbraucht. Das heißt sie könnten noch einmal ungefähr das gleiche machen, bei gleichbleibenden Verbrauch also noch mal 9 Monate weiter feuern, und dann ist alles weg. Das ist verblüffend. Hätte man dies mir vor dem Krieg gesagt, ich hätte es nicht geglaubt.

Entscheidend wird nun für Russland, inwieweit und mit was für Systemen genau sie sich aus dem Ausland eindecken können. Das reicht ja theoretisch weit über bloße Drohnen und Raketen hinaus, die Russen könnten beispielsweise im erheblichen Ausmaß Kampfpanzer aus dem Ausland einkaufen. Damit wird Russland aber zugleich abhängig von diesen Lieferungen, so wie die Ukraine von den Lieferungen aus dem Westen.
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Werter Nightwatch:

Zitat:Keine Ahnung wo Reisners persönliches oder professionelles Problem liegt - ich schätze ihn nicht und halte ihn für overhyped und meine Meinung sinkt mit jeder Einlassung die ich von ihm höre - seit Beginn des Krieges zeichnet er sich wie viele andere dadurch aus, die russischen Niederlagen und ukrainischen Möglichkeiten kleinzureden.

Was eigentlich erstaunlich ist, vertritt er doch seit Kriegsbeginn vehement die gleiche grundsätzliche Forderunge wie du, nämlich die Unterstützung für die Ukraine massiv zu erhöhen, sehr viel mehr Waffen zu liefern und beispielsweise aktuell die Forderung, sofort substanziell westliche Luftabwehrsysteme zu liefern und ganz allgemein sehr viel mehr Material.

Deshalb bin ich der Überzeugung, dass seine Ausführungen immer eine politische Zielsetzung haben: nämlich mehr Waffen und mehr Unterstützung für die Ukraine. Und deshalb zeichnet er die Russen querschnittlich stärker und die Ukrainer schwächer. Denn: wenn die Russen ja ach so schwach sind, dann muss man der Ukraine nicht so viel helfen - diese Schlußfolgerung hört man übrigens in letzter Zeit immer mehr, dass die Ukrainer es ja auch so schaffen und daher die Hilfe nicht nötig ist oder man diese sogar zurück fahren kann.

Oberst Reisner ist meiner Ansicht nach militärisch sehr fähig, und er weiß auch in Wahrheit um die wirkliche Lage in der Ukraine und das vermutlich sogar besser als du und ich. Ich will gleich erklären warum dem so ist. Wenn er also solche Äußerungen tätigt, dann weil der glaubt damit den Ukrainern helfen zu können, den seine Schlußfolgerung ist durchgehend von Kriegsbeginn an immer gewesen, dass man die Ukraine sehr viel mehr unterstützen muss.

Woher aber diese Pro-Ukrainische Haltung?! Der Grund liegt darin (was nicht viele wissen), dass Oberst Reisner auf dem Balkan im Einsatz war und dort dann sehr eng mit ukrainischen Soldaten zusammen gearbeitet hat. Daraus entstanden meiner Kenntnis nach mehrere enge Freundschaften und weitreichende persönliche Kontakte in die Ukraine bzw. ins ukrainische Militär. Ein enger Freund und Kamerad von Oberst Reisner, ein ukrainischer Offizier ist im Kampf durch die Russen getötet worden. Auch viele andere Ukrainer die er persönlich kannte sind inzwischen gefallen.

Aus diesem Kontext heraus (!) erklären sich seine Äußerungen dann auf der Stelle, welche eine politisch-strategische Zielsetzung haben, nämlich die Unterstützung der Ukraine zu befördern und das geht nicht, wenn das Narrativ ist, dass die Russen de facto schon geschlagen sind und dass Russland schwach ist.

Reisner hält die aktuelle westliche TM Strategie des langsamen Ausblutens der Russen eindeutig für falsch. Das hat er im Laufe der Monate sogar mehrfach so gesagt. Genau genommen teilt er also deine strategische Auffassung, dass man der Ukraine die Mittel geben muss, um diesen Krieg schnell militärisch zu entscheiden und dass ein möglichst langer und möglichst verlustreicher Krieg ein strategischer Fehler ist.

Er steht damit von der Strategie her eigentlich auf deiner Seite, und damit konträr beispielsweise zu meinen Auffassungen in dieser Sache welche sich meiner Meinung nach mit der Strategie der USA decken, Russland langsam ausbluten zu lassen.

PS: Erst diese Wloche wieder habe ich von einem Offizier der Bundeswehr gehört, dass man die Unterstützung der Ukraine eigentlich herunter fahren soll, weil die Russen de facto geschlagen seien. Ich halte eine solche Position für sehr viel problematischer als umgekehrt die Russen als stärker darzustellen als sie sind.
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