08.03.2022, 17:02
Nightwatch:
Um dich selbst zu zitieren:
Für die russischen Eliten läuft dieser Prozesse eben nicht vollkommen losgelöst von der Frage ob und inwieweit die NATO in der Ukraine rumturnt oder ob sie sich der EU annähert. Man trennt die Frage der militärischen Bedrohung nicht von der kulturellen Bedrohung sondern sieht sich selbst stattdessen in einem vom Westen auf allen Ebenen geführten, einen ganzheitlich geführten und totalen Krieg. Die beschriebenen Wahrnehmungen eines zersetzenden Prozesses werden daher als ein Teil einer aktiven Kriegsführung auf allen Ebenen verstanden, als etwas was vom Westen intentional und bewusst eingesetzt wird weil man hier und heute Russland (noch) nicht militärisch zerschlagen kann.
Es gibt daher in dieser Vorstellungswelt keine Trennung zwischen einer direkten militärischen Bedrohung und einer sozialkulturellen Bedrohung da beides als ein und dasselbe verstanden wird: als eine totale Kriegsführung des Westens gegen alles russische.
Die NATO / der Westen TM / die USA und ihre Hintermänner etc etc werden daher direkt für diese Prozesse verantwortlich gemacht. Man glaubt tatsächlich, dass der Westen direkt und sehr aktiv versucht das bestehende System in Russland zu zerstören und erkennt nicht, dass Verwerfungen und Widerstand gegen die Zustände nicht vom Westen künstlich implementiert werden, sondern dass sie vom eigenen Versagen her rühren.
Dasselbe in der Ukraine: man versteht nicht, dass man die Ukraine durchaus als engen Verbündeten auf der eigenen Seite hätte gewinnen können, auch nach Maidan (vor der Besetzung der Krim bzw. des Donbass) und dass man mit einer geschickten Politik selbst nach der Besetzung der Krim die Beziehungen noch hätte reparieren können und die Ukraine jetzt ein Verbündeter Russlands wäre.
Man erkennt die eigenen Fehler nicht, sondern glaubt alles was da aus deren Sicht schief läuft sei vom Westen TM absichtlich erzeugt worden. Und damit fühlt man sich selbst (persönlich) direkt bedroht, weil der Westen nach deren Sicht die aktive Vernichtung der bestehenden Eliten anstrebt, womit diese auch ihre Pfründe, ihre Macht, ihre Sicherheit und eventuell ihr Leben verlieren würden.
Deshalb auch diese ständigen Aussagen, dass jede Unruhe im Eurasischen Raum (wie jetzt in Kasachstan beispielsweise) von westlichen Agenten und Geheimdiensten herbei geführt wurde und orchestriert war. Und diese paranoide Grundannahme ist eben keine Propaganda, so sehen die in viel zu großen Anteilen tatsächlich die "Relaität" (wie sie sich ihnen darstellt).
Der Grund für den Krieg in der Ukraine ist daher tatsächlich weniger / oder gar nicht die rein militärische Bedrohung durch die NATO, sondern meiner Auffassung nach die so empfundene persönliche Bedrohung. Und zwar nicht weil Demokratie und Menschenrechte usw. das Regime gefährden, sondern weil man sich von sozialkulturellen Veränderungen bedroht fühlt, die man als künstlich von außen aufoktroyiert wahrnimmt, obwohl sie das nicht sind.
Deshalb auch diese immense Förderung der Rückwärtsgewandtheit, diese Zuwendung zur Sowjetunion oder zum Zarenreich, all diese Reminiszenzen an die Vergangenheit. Weil man sich von der Gegenwart und ihren sozialkulturellen Umbrüchen direkt persönlich bedroht fühlt. Man erkennt in diesen Kreisen auch nicht, dass diese Umbrüche vor allem auch eine Folge von technologischen Revolutionen sind (Smartphone, Internet etc) und damit ein Ausfluss der Technik, ein Symptom des technischen Fortschritts und dass sie also weder gelenkt, noch künstlich, noch aufoktroyiert noch als Waffe eingesetzt werden - sondern sich aus der Existenz der Technologie und einigen anderen Umständen selbst ergeben. Beschließend hätte man Putin einfach mehr zuhören müssen, dann wäre schon ab 2010 herum klar geworden, worauf es hinaus laufen muss. Deshalb schrieb ich ja schon vor mehr als einer Dekade, dass Russland unser Feind ist und dass es keine friedliche Koexistenz geben kann.
Anscheinend aber ist es für dich (und andere im Westen) unvorstellbar, derartige Handlungen aus solchen Motiven heraus zu begehen (Stichwort Irrationalität). Und eventuell kann ich ein solches nach unseren Maßstäben irrationales Denken aufgrund meiner Sozialisierung eher nachvollziehen (auch wenn ich es nicht teile), wie dem auch sei: du unterschätzt meiner Meinung nach die Bedeutung dieser ideelen Werte als Motiv. Die sind bereit für solche rein ideelen Werte Krieg zu führen, während man die direkte militärische Bedrohung durch die NATO im Vergleich dazu sogar weniger ernst nimmt. Man gewichtet das alles dort einfach vollkommen anders! Die ganzen Gründe für den Krieg sind nur aus unserer Sicht völlig unzureichend, da deren Gewichtung aber eine völlig andere ist, sind sie für "die" nicht nur ausreichend, sie sind zwingend.
Zitat:Die von dir skizzierten Zersetzungsbefürchtungen existieren so wie beschrieben, keine Frage. Ich denke auch, dass sie für Putin&Co eine direktere und wichtigere Bedrohung darstellen als das Militärpotential der Nato. Nur: Dieser Prozess läuft vollkommen losgelöst von der Frage ob und inwieweit in der Ukraine die Nato rumturnt oder ob sich die Ukraine der EU annähert. Der Krieg war (zumindest so wie er geplant war) nicht geeignet um daran irgendetwas zu ändern. Insofern Zustimmung in der Analyse, aber das taugt nicht als interne Motivation für den Einmarsch.
Um dich selbst zu zitieren:
Zitat:Ich halte Putins Verhalten zum Kriege hin für irrational. Seine vorgebrachten wie tatsächlichen Gründe und Ziele sind aus unserer Westlichen Sicht nicht ansatzweise ausreichend um diesen Waffengang vom Zaun zu brechen. Er lebt da offensichtlich in einer Welt die sich von der unseren doch sehr unterscheidet. Wir verstehen ihn nicht (er uns auch nicht), nach unseren Weltvorstellungen verfolgt er keine rationalen Ziele.
Für die russischen Eliten läuft dieser Prozesse eben nicht vollkommen losgelöst von der Frage ob und inwieweit die NATO in der Ukraine rumturnt oder ob sie sich der EU annähert. Man trennt die Frage der militärischen Bedrohung nicht von der kulturellen Bedrohung sondern sieht sich selbst stattdessen in einem vom Westen auf allen Ebenen geführten, einen ganzheitlich geführten und totalen Krieg. Die beschriebenen Wahrnehmungen eines zersetzenden Prozesses werden daher als ein Teil einer aktiven Kriegsführung auf allen Ebenen verstanden, als etwas was vom Westen intentional und bewusst eingesetzt wird weil man hier und heute Russland (noch) nicht militärisch zerschlagen kann.
Es gibt daher in dieser Vorstellungswelt keine Trennung zwischen einer direkten militärischen Bedrohung und einer sozialkulturellen Bedrohung da beides als ein und dasselbe verstanden wird: als eine totale Kriegsführung des Westens gegen alles russische.
Die NATO / der Westen TM / die USA und ihre Hintermänner etc etc werden daher direkt für diese Prozesse verantwortlich gemacht. Man glaubt tatsächlich, dass der Westen direkt und sehr aktiv versucht das bestehende System in Russland zu zerstören und erkennt nicht, dass Verwerfungen und Widerstand gegen die Zustände nicht vom Westen künstlich implementiert werden, sondern dass sie vom eigenen Versagen her rühren.
Dasselbe in der Ukraine: man versteht nicht, dass man die Ukraine durchaus als engen Verbündeten auf der eigenen Seite hätte gewinnen können, auch nach Maidan (vor der Besetzung der Krim bzw. des Donbass) und dass man mit einer geschickten Politik selbst nach der Besetzung der Krim die Beziehungen noch hätte reparieren können und die Ukraine jetzt ein Verbündeter Russlands wäre.
Man erkennt die eigenen Fehler nicht, sondern glaubt alles was da aus deren Sicht schief läuft sei vom Westen TM absichtlich erzeugt worden. Und damit fühlt man sich selbst (persönlich) direkt bedroht, weil der Westen nach deren Sicht die aktive Vernichtung der bestehenden Eliten anstrebt, womit diese auch ihre Pfründe, ihre Macht, ihre Sicherheit und eventuell ihr Leben verlieren würden.
Deshalb auch diese ständigen Aussagen, dass jede Unruhe im Eurasischen Raum (wie jetzt in Kasachstan beispielsweise) von westlichen Agenten und Geheimdiensten herbei geführt wurde und orchestriert war. Und diese paranoide Grundannahme ist eben keine Propaganda, so sehen die in viel zu großen Anteilen tatsächlich die "Relaität" (wie sie sich ihnen darstellt).
Der Grund für den Krieg in der Ukraine ist daher tatsächlich weniger / oder gar nicht die rein militärische Bedrohung durch die NATO, sondern meiner Auffassung nach die so empfundene persönliche Bedrohung. Und zwar nicht weil Demokratie und Menschenrechte usw. das Regime gefährden, sondern weil man sich von sozialkulturellen Veränderungen bedroht fühlt, die man als künstlich von außen aufoktroyiert wahrnimmt, obwohl sie das nicht sind.
Deshalb auch diese immense Förderung der Rückwärtsgewandtheit, diese Zuwendung zur Sowjetunion oder zum Zarenreich, all diese Reminiszenzen an die Vergangenheit. Weil man sich von der Gegenwart und ihren sozialkulturellen Umbrüchen direkt persönlich bedroht fühlt. Man erkennt in diesen Kreisen auch nicht, dass diese Umbrüche vor allem auch eine Folge von technologischen Revolutionen sind (Smartphone, Internet etc) und damit ein Ausfluss der Technik, ein Symptom des technischen Fortschritts und dass sie also weder gelenkt, noch künstlich, noch aufoktroyiert noch als Waffe eingesetzt werden - sondern sich aus der Existenz der Technologie und einigen anderen Umständen selbst ergeben. Beschließend hätte man Putin einfach mehr zuhören müssen, dann wäre schon ab 2010 herum klar geworden, worauf es hinaus laufen muss. Deshalb schrieb ich ja schon vor mehr als einer Dekade, dass Russland unser Feind ist und dass es keine friedliche Koexistenz geben kann.
Anscheinend aber ist es für dich (und andere im Westen) unvorstellbar, derartige Handlungen aus solchen Motiven heraus zu begehen (Stichwort Irrationalität). Und eventuell kann ich ein solches nach unseren Maßstäben irrationales Denken aufgrund meiner Sozialisierung eher nachvollziehen (auch wenn ich es nicht teile), wie dem auch sei: du unterschätzt meiner Meinung nach die Bedeutung dieser ideelen Werte als Motiv. Die sind bereit für solche rein ideelen Werte Krieg zu führen, während man die direkte militärische Bedrohung durch die NATO im Vergleich dazu sogar weniger ernst nimmt. Man gewichtet das alles dort einfach vollkommen anders! Die ganzen Gründe für den Krieg sind nur aus unserer Sicht völlig unzureichend, da deren Gewichtung aber eine völlig andere ist, sind sie für "die" nicht nur ausreichend, sie sind zwingend.