15.03.2022, 08:08
(14.03.2022, 23:39)Quintus Fabius schrieb: Ja, beispielsweise dass Rot dies nicht erkennen kann, selbst wenn dem so wäre. Noch mal abgesehen davon, dass Rot den konventionellen Krieg in jedem Fall gewinnen wird.
Die Variante, dass Rot seine Situation nicht erkennt, spielt aber für meine Betrachtung keine Rolle, weil es die Kaskade nicht in gang setzt. Merkt Rot nicht, wie es langsam ausblutet, und glaubt weiterhin an einen konventionell möglichen Sieg, gibt es gar keinen Grund die Gewalt weiter zu eskalieren. Folglich treten auch die Gegenreaktionen auf die eskalierte Gewalt nicht ein.
Das Rot einen konventionellen Krieg (das meine ich nicht im Gegensatz zu einem Guerillakrieg, sondern als ein klarer militärischer Sieg) in jedem Fall gewinnen wird sehe ich im übrigen nicht so.
Zitat:EXAKT das meinte ich ! Exakt das muss unser Ziel sein und entsprechend muss man jetzt gezielt die Weichen stellen und eine Flugverbotszone über Ukraine als Reaktion auf irgendwelche russischen "Greueltaten" führt eben nicht möglichst zeitnah in den Guerillakrieg.
Und ich wiederhole meine Frage: wie willst du Rot daran hindern, die Gewalt deutlich zu eskalieren, falls es die eigene Lage erkennen sollte? Und noch weiter gedacht, falls es erkennt, dass Blau genau diese Lage herbeiführen und aufrecht erhalten will?
Zitat:Deshalb darf man Russland gar keine andere Option lassen und genau deshalb keine Flugverbotszone, weil exakt das eine solche andere Option ist. Wir haben hier und jetzt die Chance Russland in ein solches langgezogenes Ausbluten hinein zu ziehen, ohne dass die russische Führung dies verhindern könnte.
(...)
Die Frage an sich ist aber falsch, wenn man entsprechende Handlungsmöglichkeiten gezielt wegnimmt. Ein Beispiel: was sollten Schläge mit taktischen Atomwaffen gegen eine Guerilla bringen ?
Es geht mir exakt darum, Handlungsmöglichkeiten wegzunehmen, die Rot einen Sieg ohne Ausbluten ermöglichen würden (auch wenn ich damit einen Verhandlungsfrieden erzwingen will, aber der Weg zum Guerillakrieg ist zumindest auf dem Teilstück exakt das gleiche). Dafür muss das Eskalationspotenzial von Rot deutlich eingeschränkt werden. Natürlich bekämpft man mit Atomwaffen keine Guerilla direkt, welcher Sinn hinter dem Einsatz steckt sollte aber in Anbetracht der Wirkweise des einzigen tatsächlichen Einsatzes solcher Waffen klar sein. Natürlich kann man darüber diskutieren, wie lange der Guerillakampf aufrecht erhalten wird, eher noch, wie lange eine Exilregierung einem solchen treiben zuschauen würde, aber ich halte zumindest die Möglichkeit einer relativ zügigen Aufgabe durchaus für gegeben.
Damit hätte Rot dann tatsächlich den Krieg gewonnen, auf Kosten von ein paar verstrahlten Flecken, womit man sich in der Ukraine allerdings auskennt.
Zitat:Es gibt für Rot aber diese klare Grenze nicht. Rot kann und wird nicht wahrnehmen, dass hier eine Grenze ist und wird diese Mittel einsetzen oder nicht, völlig unabhängig von unseren Reaktionen, die von Rot schon gar nicht mehr verstanden werden.
Das sehe ich anders.
Zitat:Das aber die aktuelle Politik von Rot gelinde gesagt falsch ist, darüber sind wir uns einig?
Die Abschreckungspolitik halte ich nicht für falsch, nein, und genau genommen ist sogar deine Argumentation für mich eine gute Bestätigung dafür, dass diese so gut funktioniert, wie man es sich in Moskau wünscht. Du bist der festen Überzeugung, dass Rot die Lage im Zweifel eskalieren lassen würde, egal was wir androhen - genau diesen Eindruck will Rot erzeugen. Vorgespielte Irrationalität zum Erreichen der eigenen Ziele ist letztlich ziemlich rational.
Nach allem, was man aktuell so hört und liest (von beiden Seiten) bin ich der Überzeugung, dass nicht eine eigene Irrationalität, sondern vor allem ein deutliches Informationsdefizit von Rot zu dieser Gesamtsituation geführt hat. Natürlich kann das so bleiben, aber es zeigen sich ja jetzt schon erste Erkenntnisse, dass dem nicht so ist. Und darauf basiert meine Einschätzung.
Zitat:Wenn wir vorher erklären: wenn Rot Handlung A vornimmt, ergibt sich daraus zwingend folgende Handlung B, und Rot führt trotzdem die Handlung A aus (was ich für wahrscheinlich halte), werden wir dann die Handlung B trotzdem durchführen, auch wenn diese dann ebenso zwingend die Handlung C verursacht welche Rot nun vorher ankündigt?
Spielen wir das doch einfach durch, unsere beide Handlungsoptionen in dieser konkreten Situation:
1) wir legen vorher eine Reaktion fest und leiten Schritte ein, um diese unmittelbar umzusetzen (das ist ein wichtiger Punkt, weil das für eine deutliche Verschärfung sorgt)
2) wir legen keine Reaktion fest, sondern bestätigen (wie aktuell), dass es unter keinen Umständen eine Reaktion geben wird.
Nun ist Rot am Zug, es ergeben sich folgende Varianten:
1a) die Abschreckung funktioniert nicht, sie führen die Gewalteskalation durch
1b) die Abschreckung funktioniert, sie führen die Gewalteskalation nicht durch
2) da keine Gefahr droht führen sie die Gewalteskalation durch
Davon ausgehend, dass Rot die Gewalteskalation intrinsisch will, verlieren wir durch eine valide Abschreckung nichts, könnten aber etwas gewinnen. Wenn Rot die Gewalteskalation aus eigener Motivation heraus nicht will, kann es noch einen vierten Fall gaben:
1c) durch die Abschreckung erst fühlt sich Rot genötigt, wie Gewalt eskalieren zu lassen
Das ist natürlich grundsätzlich nicht auszuschließen und wäre die einzige Variante, in dem die Abschreckung selbst negative Folgen hat. Und ich kann mir vorstellen, dass du dies als valides Gegenargument für eine Abschreckung bezeichnest, ich halte das aber nicht für sehr realistisch, weil ich nicht glaube, dass Putin sich die Züge des Handelns so diktieren lässt, wenn er selbst dadurch nichts gewinnen kann (und die Schuld für den Waffeneinsatz könnte er nicht dem Westen geben). Aber natürlich ist das auch wieder reine Spekulation, und im Zweifel sind wir uns da uneinig.
Und ja, mir ist bewusst, dass ich damit deine Frage gar nicht beantwortet habe. Aber ich wollte damit nur klar machen, dass ich die Antwort nicht für wichtig genug halte. Denn Ja oder Nein sind, abgesehen von Pfad 1c, eigentlich völlig egal und ändern am Risiko nichts.
Zitat:Aber ich halte sie in Bezug auf die Ukraine für undurchführbar und für zu risikoreich.
Das ist legitim, für mich ist eher der Verzicht auf eine solche Politik zu risikoreich.