10.06.2022, 09:48
Ich mutmaße mal eher, dass man hiermit eine Art Faustpfand bzw. "Verhandlungsmasse" schaffen will. Man bedenke, dass kürzlich ein russischer Soldat in Kiew wegen der Tötung eines Zivilisten zu lebenslanger Haft verurteilt wurde. Gut möglich, dass man diesen (und ggf. noch andere) bald mit irgendeinem Deal austauschen möchte.
Interessant auch, was anscheinend mit den Kämpfern aus dem Mariupoler Stahlwerk geschieht:
Denkbar, dass hier bald der eine oder andere Schauprozess folgen wird. Aber wie gesagt: Ich denke, dass vieles damit zu tun hat, dass man ein Faustpfand für Verhandlungen und einen Austausch schaffen will.
Und die Zeichen deuten Richtung "Schauprozess":
Allerdings ist auch die Frage, inwieweit hier geltendes Kriegsrecht verletzt wird. Wenn es sich um Söldner handelt aus dem Ausland, so haben diese wohl einen schlechten Stand und könnten tatsächlich abgeurteilt werden. Aber wenn es reguläre Angehörige des Asow-Bataillons sind, und dieses ist ja Teil der ukrainischen Streitkräfte bzw. der Nationalgarde und die Mitglieder sind auch entsprechend gekennzeichnet, so sind sie als normale Kriegsgefangene mit entsprechenden Rechten zu behandeln (in der Theorie zumindest; dass der Status eines Kriegsgefangenen bei diesem Krieg leider wenig zählt, ist ja hinlänglich schon bekannt). Aber auch die russischen Ankläger und Strafverfolger sollten sich gut überlegen, inwieweit sie gängiges Kriegsrecht aushebeln wollen, einerseits weil sie sich selbst strafbar machen würden, andererseits weil russischen regulären Soldaten sonst ein ähnliches im Rahmen von Repressalien der Gegenseite widerfahren könnte.
Und letztlich ist eine solche Vorgehensweise auch militärisch betrachtet zweifelhaft. Denn: Ein Soldat, der weiß, dass ihm im Falle einer Gefangennahme ein Schauprozess, die Deportation in ein russisches Arbeitslager, Hunger, Folter oder gar die Hinrichtung droht, wird wesentlich erbitterter und notfalls bis zur Selbstaufgabe kämpfen; hingegen wird ein Soldat, der weiß, dass ihm als Gefangenem eigentlich wenig passieren kann und dass er gut behandelt werden wird, sich erstens nicht nur eher ergeben, sondern zweitens insgesamt gesehen wird die Kampfkraft der Gegenseite dadurch reduziert, was wiederum die eigenen Verluste senken wird. Insofern tun sich die Russen selbst keinen Gefallen, wenn sie nun diesen Weg der Repression gegenüber Kriegsgefangenen beschreiten.
Schneemann
Interessant auch, was anscheinend mit den Kämpfern aus dem Mariupoler Stahlwerk geschieht:
Zitat:Ukrainische Einheitenhttps://www.spiegel.de/ausland/ukraine-k...aee5a7b5c0
Offenbar mehr als 1000 Gefangene aus Mariupol nach Russland gebracht
Die Sorge um die Kriegsgefangenen von Mariupol wächst. Laut russischen Angaben wurden rund tausend von ihnen über die Grenze transportiert – für »Ermittlungen«. Darunter sollen nicht nur Ukrainer sein. [...] Ende Mai hatten sich insgesamt mehr als 2400 ukrainische Kämpfer ergeben. [...]
Mehr als 1000 von ihnen sind mittlerweile nach Russland gebracht worden. Die russischen Strafverfolgungsbehörden beschäftigten sich derzeit mit ihnen, meldete die russische Staatsagentur Tass in der Nacht zum Mittwoch unter Berufung auf Sicherheitskreise. Unter ihnen könnten mehr als 100 ausländische »Söldner« sein. Bald würden noch mehr ukrainische gefangene Soldatinnen und Soldaten aus der südostukrainischen Hafenstadt nach Russland transportiert.
Denkbar, dass hier bald der eine oder andere Schauprozess folgen wird. Aber wie gesagt: Ich denke, dass vieles damit zu tun hat, dass man ein Faustpfand für Verhandlungen und einen Austausch schaffen will.
Und die Zeichen deuten Richtung "Schauprozess":
Zitat:VERTEIDIGER VON MARIUPOLhttps://www.faz.net/aktuell/politik/ausl...89555.html
Russland plant Tribunal über Kriegsgefangene
Laut russischen Medien sind etwa Tausend gefangene ukrainische Soldaten aus Mariupol zu „Ermittlungen“ nach Russland gebracht worden. Offenbar will Moskau sie in einem Tribunal aburteilen. [...]
Die Mehrzahl der getöteten Ukrainer sind nach ukrainischen Angaben bei den Kämpfen um das Stahlwerk Asowstal in Mariupol gefallen. Auch beim ersten Gefallenenaustausch der beiden Länder am Samstag waren unter den 160 Leichnamen, welche in die Ukraine gebracht wurden, zahlreiche Gefallene aus den Kämpfen um Asowstal. Für deren überlebende Kameraden schwinden derweil die Aussichten, bald durch einen Gefangenenaustausch in die Heimat zurückzukehren. [...]
Die staatliche russische Nachrichtenagentur TASS meldete am Mittwoch, was in den Tagen zuvor schon als Gerücht in sozialen Medien kursierte: Etwa 1000 der ukrainischen Soldaten, die sich Mitte Mai in Mariupol in russische Gefangenschaft begeben haben, seien zu Ermittlungszwecken nach Russland gebracht worden. „Die Sicherheitsorgane arbeiten kräftig mit ihnen“, sagte laut der Agentur eine nicht namentlich genannte Quelle. Weitere Gefangene sollten nach Russland gebracht werden. Die Gesamtzahl der ukrainischen Kämpfer, die sich im Mai in Mariupol ergeben haben, wurde damals vom russischen Verteidigungsministerium mit 2439 angegeben.
Allerdings ist auch die Frage, inwieweit hier geltendes Kriegsrecht verletzt wird. Wenn es sich um Söldner handelt aus dem Ausland, so haben diese wohl einen schlechten Stand und könnten tatsächlich abgeurteilt werden. Aber wenn es reguläre Angehörige des Asow-Bataillons sind, und dieses ist ja Teil der ukrainischen Streitkräfte bzw. der Nationalgarde und die Mitglieder sind auch entsprechend gekennzeichnet, so sind sie als normale Kriegsgefangene mit entsprechenden Rechten zu behandeln (in der Theorie zumindest; dass der Status eines Kriegsgefangenen bei diesem Krieg leider wenig zählt, ist ja hinlänglich schon bekannt). Aber auch die russischen Ankläger und Strafverfolger sollten sich gut überlegen, inwieweit sie gängiges Kriegsrecht aushebeln wollen, einerseits weil sie sich selbst strafbar machen würden, andererseits weil russischen regulären Soldaten sonst ein ähnliches im Rahmen von Repressalien der Gegenseite widerfahren könnte.
Und letztlich ist eine solche Vorgehensweise auch militärisch betrachtet zweifelhaft. Denn: Ein Soldat, der weiß, dass ihm im Falle einer Gefangennahme ein Schauprozess, die Deportation in ein russisches Arbeitslager, Hunger, Folter oder gar die Hinrichtung droht, wird wesentlich erbitterter und notfalls bis zur Selbstaufgabe kämpfen; hingegen wird ein Soldat, der weiß, dass ihm als Gefangenem eigentlich wenig passieren kann und dass er gut behandelt werden wird, sich erstens nicht nur eher ergeben, sondern zweitens insgesamt gesehen wird die Kampfkraft der Gegenseite dadurch reduziert, was wiederum die eigenen Verluste senken wird. Insofern tun sich die Russen selbst keinen Gefallen, wenn sie nun diesen Weg der Repression gegenüber Kriegsgefangenen beschreiten.
Schneemann