23.11.2022, 09:19
Zitat:Die Russen haben nicht für einen größeren Krieg gerüstet.
Das hat meiner Meinung nach auch "kulturelle" Gründe dahingehend, dass Russland eben kein Militärstaat ist, sondern ein Polizeistaat, mit einem Primat der Geheimdienste und einer grundsätzlichen Einstellung welche weitgehend eher den Denkweisen der organisierten Kriminalität entspricht. Entsprechend ist klandestines Denken in Russland bei den herrschenden Eliten vorherrschend.
Deshalb bin ich beispielsweise der Überzeugung, dass die russischen Aussagen bezüglich einer Sonderoperation durchaus absolut ernst gemeint waren. Man hatte wirklich nie vor einen ernsthaften Krieg zu führen. Die ganze Geheimdienst-Kamarilla und die Verfasstheit der russischen Sicherheitskräfte drehen sich eigentlich seit Jahren nur noch um Geheimoperationen, Sonderoperationen, Unkonventionelle Kriegsführung usw. Die konventionelle Armee spielt in dieser Welt in Wahrheit keine wirkliche Rolle, wird nur verachtet und als das allerletzte angesehen und entsprechend nicht gefördert. Noch darüber hinaus betrachtet man sie seitens des Geheimdienst / Polizeistaates als ernsthafte Gefahr und hält sich allein schon deshalb klein.
Ein interessanter Ausfluss dieser Denkweise ist beispielsweise, dass erfolgreiche Offiziere nach der Beendigung von Kriegen (bspw dem Tschetschenienkrieg) verschwinden, ermordert werden oder anderweitig aus dem Verkehr gezogen werden. Dieses Offizierssterben recht hochrangiger Soldaten wurde im Westen jahrelang nicht mal wahrgenommen.
Entsprechend gehen junge Russen wenn sie besser qualifiziert sind auch immer zum Geheimdienst, den Sicherheitsdiensten, der innneren Sicherheit und eben nicht zur Armee. Selbst die VDV sind unter Putin von einer Eliteeinheit der Streitkräfte zu einer bloßen Schlägertruppe zum Niederhalten von Aufständischen und der Unterstützung von Sicherheitskräften bei der Unterdrückung von Zivilbevölkerung, Partisanen und Terrorgruppen herunter gekommen.
Entsprechend sind die russischen Sicherheitskräfte und auch die Armee beispielsweise gar nicht schlecht was COIN angeht, auch wenn dieser Aspekt immer sehr weitgehend untergeht. Ironischerweise können sie das wirklich gut und selbst in der Ukraine sind sie in diesem Bereich (Niederhalten von Partisanen usw) vergleichsweise und angesichts der Umstände und Schwierigkeiten sehr erfolgreich, völlig konträr zum konventionellen militärischen Bereich, auch wenn ihre Methoden natürlich nicht unseren Vorstellungen davon entsprechen.
Die russische Armee kann im Prinzip COIN gut, und alles andere allein schon deshalb nicht, weil es nicht der vorherrschenden Denkweise der Eliten entspricht. Jede strategische Betrachtung wird daher von diesen Eliten immer durch ihren (diesen) spezifischen Filter gesehen.