21.02.2023, 18:17
Zitat:Im Russland von heute scheint es umgekehrt zu sein - die Führung ist sich keiner Schuld bewusst, während die einfachen Soldaten immer mehr an den Lügengeschichten zu zweifeln scheinen [aber dann aus Fatalismus dennoch weiterkämpfen].)
Das sehe ich umgekehrt. Ein Gros der Führung ist sich der realen Umstände durchaus bewusst und ich glaube auch nicht daran, dass Putin sich in realitätsfremden Wahnwelten verfangen hat. Auch dass ist nur ein Schauspiel von ihm dass verschiedene Zwecke erfüllen soll. Unter anderem soll es bewirken, dass Angst vor irrationalem Handeln durch seine Person geschürt wird etc.
Die russsische Führung entspricht ihrem Charakter, ihrem Wesen nach der von Schwerkriminellen / der organisierten Kriminalität. Sie hatten meiner Überzeugung nach tatsächlich nie vor einen echten vollumfänglichen Krieg zu führen. Aufgrund falscher Informationen gingen sie davon aus, dass sie hier mit ihrem Hasardeurtum durchkommen würde und die Ukraine einfach im ersten Angriff fallen würde. Aufgrund ihres kriminellen Charakters ist ein solcher krimineller Akt, de facto eine Art blitzartiger Raubüberfall, für sie ganz normal. Nun ist dies gescheitert, entsprechend stehen sie vor dem immensen Problem rein persönlich (für sich selbst also) keinen wirklichen Ausweg aus dieser Misere zu haben als einen "Sieg" in dem Sinne, dass sie etwas erreichen was sie der eigenen Bevölkerung und vor allem den Rechtsextremisten und Ultranationalisten als Sieg verkaufen können.
Damit dies überhaupt machbar ist, müssen sie entsprechend der Bevölkerung ein bestimmtes Narrativ verkaufen bzw. einpflanzen. Entsprechend diese Propaganda vom Defensivkrieg gegen die in die Russische Welt vordringenden westliche Welt, welche als Todfeind nur die Vernichtung alles Russischen betreibt.
Bei den Berufssoldaten der russischen Armee herrscht vor allem Nihilismus vor. Dass sind Söldner, größtenteils aus der Unterschicht, die für eine Flasche schlechten Vodkas bereits bereit sind jemanden zu töten oder Verbrechen zu begehen. Dieser Nihilismus der in weiten Teilen der Berufssoldaten vorherrscht macht diese vollkommen gleichgültig für welches Narrativ auch immer. Man könnte ihnen genau so gut befehlen jetzt auf der Stelle Polen anzugreifen und dort alle Kinder zu erschießen, sie würden es zum größten Teil tun. Die Gleichgültigkeit und Gewaltbereitschaft dieser Gruppe ist immens, aber sie ist auch in weiten Teilen abgenutzt.
Die Mobilisierten wiederum teilen diesen Nihilismus in weiten Teilen nicht. Sie benötigen daher ein Narrativ um überhaupt noch die Motivation dafür aufzubringen in diesen Krieg zu ziehen, denn das System Putin wird von ihnen durchaus immer kritischer gesehen. Und dies nicht weil sie Frieden wünschen oder westliche Freiheit, sondern weil das System Putin nicht das liefert, was eine Mehrheit von ihnen will, nämlich ein mächtiges russisches Imperium. Man betrachtet das eigene Land zudem ganz traditionell als eine belagerte Festung (im russischen wird das teilweise wortwörtlich so ausgedrückt). Russland war und ist von Feinden umzingelt welche die russische Welt vernichten wollen, welche die rechtgläubige Orthodoxe Kirche auslöschen wollen, welche das Gute vernichten wollen um die eigenen perversen und degenerierten Abartigkeiten an deren Stelle zu setzen. Man sieht das sehr schön jeden Tag im Staatsfernsehen wenn endlos wieder und wieder über die Woke- und LGBTQIA*SS+ Bewegung im Westen Zeter und Mordio geschrien wird. Das ist nicht einfach nur Propaganda, dass trifft den Nerv vieler einfacher Russen, die diese Dinge von Grund auf hassen und nicht bei sich im Lande wollen. Damit kann man also die Mobilisierten vortrefflich mobilisieren.
Entsprechend glauben viele der Mobilisierten tatsächlich, sie würden hier einen Verteidigungskrieg führen, gegen einen übermächtigen westlichen Feind, der an perfider Hinterlist und Abartigkeit und Russenhass nicht zu übertreffen ist und die Ukrainer auf die Russen gehetzt hat damit sich slawische Brüdervölker gegenseitig vernichten. Entsprechend steigen aktuell mit den Verlusten auch zunehmend in Russland Rachegedanken auf, man will sich am Westen in jedem Fall rächen und sieht die eigene Kriegsführung als viel zu zurückhaltend und versteht nicht, warum man auf diesen westlichen Angriff nicht viel massiver reagiert.
Direkt von meinen russischen Bekannten welche vor ein paar Monaten in die Ukraine gezogen sind, seitdem habe ich keinen Kontakt mehr zu ihnen: Wortwörtliches Zitat: Wir werden uns noch an euch Allen rächen und eure Länder zerstören für das was ihr da in der Ukraine getan habt ! Und wenn die USA nicht währen und ihre Atomwaffen, würden wir Deutschland auf der Stelle vernichten.
Dieses Narrativ erklärt auch die erstaunlich hohe Kampfmoral (hoch im Verhältnis zu den katastrophalen Umständen) gerade der Mobilisierten Verbände. Nicht umsonst sprechen ukrainische Führungskräfte und hochrangige Offiziere von einem erheblichen Druck an der Front seit die Mobiks dort eingetroffen sind. Auch dass die Angriffe derart verbissen ohne nachzulassen weiter geführt werden, sollte einem eigentlich zu denken geben. Ein vorherrschendes Gefühl bei Soldaten an der Front ist ein Empfinden tiefster Ungerechtigkeit und Hifllosigkeit gegenüber den westlichen Staaten (nicht gegenüber der Ukraine, sondern gegenüber der NATO) und ein immer mehr um sich greifender Hass auf die westlichen Staaten. Da wird gerade jede Menge Sprengstoff für Morgen angelegt der noch allen so richtig um die Ohren fliegen wird, und zwar egal ob Russland verliert oder nicht.