16.01.2022, 12:41
(16.01.2022, 00:43)Quintus Fabius schrieb: Warum eigentlich diese Aufteilung, wenn nicht allein aus unserem Unvermögen heraus? Jeder Eurofighter könnte genau so gut für Luft/Luft wie für Luft/Boden einsetzbar sein, würde man nur die dafür notwendigen Systeme und Wirkmittel beschaffen. Die Briten zeigen ja auf was da möglich wäre. Bis auf das dezidierte Eloka / Aufklärungs-Geschwader sollte besser jedes Geschwader breiter aufgestellt sein.
Es spielt keine Rolle, was "der Eurofighter" kann, weil sich tatsächliche Leistungsfähigkeit und Kampfkraft aus der Kombination von technischem Leistungsvermögen, Einsatzdoktrin sowie Ausbildungs- und Trainingsstand des Personals ergibt (ich glaube, das habe ich hier schon einmal erwähnt). Ein Geschwader mit dem Schwerpunkt auf den Luftkampf wird in Luftüberlegenheitseinsätzen eine höhere Leistung erzielen als ein "Mehrzweckgeschwader" ohne Schwerpunktbildung, was im Umkehrschluss nicht bedeutet, dass ersteres zu nichts anderem befähigt wäre. Da es sich beim Luftkampf um generell geringe Quantitäten und in der Regel um Entweder-Oder-Gefechte handelt (bzw. in einem größeren Krieg handeln wird) ergibt diese Schwerpunktbildung insbesondere bei der Luftkampfrolle sehr viel Sinn. Dass es diese Schwerpunktbildung in allen größeren Luftwaffen gibt ist keine Strukturextrapolation oder stumpfsinniger Fähigkeitserhalt, sondern eine Folge der Ergebnisse von internationalen Vergleichen. Anders formuliert ist es gerade der Vorteil einer hohen Quantität, entsprechende Schwerpunkte bilden zu können.
Die von dir erwähnten Briten machen es nicht grundsätzlich anders, haben allerdings organisatorisch eine andere Struktur, die auch eine Folge der im Vergleich zur Luftwaffe viel stärker ausgeprägten Flottenreduktion ist. Die Unterschiede liegen etwa darin, dass es nur zwei Großstützpunkte für den Eurofighter gibt und die Einsatzstaffeln selbst nochmals in unterschiedliche Schwerpunkte aufgeteilt sind. Von den sieben Einsatzstaffeln ist eine auf Luftkampf fokussiert, diese verwendet auch noch die alten Tranche 1 Maschinen (die bis 2025 anders als bei uns ersatzlos gestrichen werden sollen), die anderen sechs verfolgen eine duale Funktion, die sich stark an den Einsätzen im IKM orientiert. Der Grund, warum uns die Briten hinsichtlich der Luft-Boden-Befähigung soweit voraus sind liegt primär daran, dass man aufgrund der geringen Stückzahlen die Typenzahl so schnell wie möglich auf ein Hauptkampfflugzeug reduzieren wollte. Das Ende vom Lied wird sein, dass die RAF ab 2025 aus nur noch knapp über 100 Eurofightern plus den für den Trägereinsatz beschafften F-35B bestehen wird.
Zitat:Aber lassen wir sie mal völlig außen vor: jedes Geschwader sollte beide Aufgaben gleichermaßen erfüllen können. Gerade darin sollte ja der Sinn und Zweck eines Mehrzweck-Kampfflugzeuges liegen.
Schwerpunktbildung heißt nicht, dass die anderen Aufgaben nicht geleistet werden können, und der Sinn von Mehrzweckflugzeugen ist primär eine Kostenreduktion, weil dadurch die Stückzahlen der Einzelmuster deutlich reduziert und die Flottenhaltung vereinfacht wird. Die Befähigung zu allem möglichen ist Marketing, natürlich "funktioniert" das, deswegen muss es aber nicht die beste Lösung sein. In einem Großkonflikt habe ich lieber drei dedizierte Jagd- und zwei Jagdbombergeschwader, als fünf Mehrzweckgeschwader, die dann die entscheidenden Prozent unterlegen sind. Die Geschichte, auch die jüngere, hat uns gelehrt, wie wichtig Ausbildung, Training und Einsatzdoktrin tatsächlich ist und welchen Unterschied sie machen kann.
Du selbst hast das mit deiner Forderung, den Eurofighter vom "Friedensdienst" zu befreien, im bereits impliziert. Die Schwerpunktbildung geht in genau die gleiche Richtung.
Zitat:Ich finde es interessant, dass du selbst immer wieder mal in Einträgen hast anklingen lassen, dass ein günstiges Strahlflugzeug spezifisch für Erdkampf / Luftnahunterstützung usw. besser wäre als die von mir dafür damals vorgeschlagenen COIN Flugzeuge oder Fighter / Trainer und die F-16 wäre exakt das was du damals in diesen Einträgen dahingehend beschrieben hast.
Ich glaube du unterschätzt die Anschaffungs- und Unterhaltskosten der F-16 sehr drastisch. Das ist keine andere Liga, in der Realität liegt ersteres knapp um die 10% und letzteres je nach Verwendung 10 bis 15% unterhalb der Super Hornet. Wichtig ist hier die Betrachtung auf gleicher Basis, was etwa bei US-Zahlen schwierig ist, weil die Super Hornet da im Trägerdienst steht. Die F-16 ist auch kein grundsätzlich einfacheres Muster, beides sind komplexe Kampfflugzeuge. Meine Äußerungen bezogen sich auf tatsächlich deutlich günstigere Muster und sind eher im Kontext eines Wunschkonzerts zu verstehen, nicht als realistischer Ansatz für die NT-Nachfolge.
Zitat:Bei einer geringen Stückzahl kommt dieser Unterschied natürlich nicht so zum tragen, aber die geplante Stückzahl für den Tornado Ersatz ist ohnehin lächerlich. Es gab mal über 350 Tornado (!) und wir ersetzen das durch 45 F/A-18.
Wir hatten mal 350 Tornados zur Zeit des Kalten Krieges. Wir hatten auch mal fast 1.000 Starfighter. Die Zeiten haben sich geändert, überall. Worauf willst du damit hinaus?
Und der Rest stimmt nicht, zum einen wurden bereits Tornados durch den Eurofighter ersetzt, zum anderen sieht die bisherige Entscheidung für die verbliebenen 85 Tornados eine Ersatzbeschaffung von 45 Super Hornets/Growler und 40 Eurofighter plus Option auf 15 weitere vor, bei einer Beschaffung von Eurofighter ECR dürften sich die Zahlen also auf 30 Maschinen Typ X und 60 bis 70 Eurofighter belaufen. Daneben werden zusätzlich die Tranche 1 Eurofighter, die aktuell nur für Luft-Luft-Aufgaben zur Verfügung stehen und derzeit abgeflogen werden, perspektivisch durch 38 Eurofighter der neuesten Version ersetzt.
Zitat:Diesen Absatz verstehe ich nicht ganz. Die Verzichtskosten muss man den Einsparungen gegenüber stellen, soweit klar. Aber die Kampfkraft muss relativ im Verhältnis zum Gegner bzw. den Anforderungen gesehen werden. Wenn die Kampfkraft eines Verbandes eine Größe von 1n hat, und für die Aufgabe 1n völlig ausreichend ist (oder man sogar mehrheitlich weniger benötigt), dann nützt es rein gar nichts dass ein anderer numerisch ähnlich großer Verband eine höhere Kampfkraft von 2n hat.
Richtig, aber es geht um die Frage, welche Mehrkosten durch die Bereitstellung einer Kampfkraft "2n" entstehen, und welche Kosten die Bereitstellung der Kampfkraft "1n" erzeugt. Bei solchen Fragen wir fälschlicherweise immer nur verglichen, was der direkte Einsatz von Typ A oder Typ B an Kosten verursacht, aber nicht, welche indirekten Mehrkosten durch die Nutzung von Typ A und Typ B parallel entstehen, und welche sonstigen Faktoren noch eine Relevanz besitzen, beispielsweise Einsatzerfahrungen von Piloten (die in fremden Lufträumen mit verschiedensten Partnern zusammenarbeiten müssen).
Da die Zertifizierung des Eurofighters für die NT nicht erfolgte sind wir gezwungen, ein NT-Muster anzuschaffen, was ansonsten finanziell keinen Sinn ergäbe. Das verkompliziert die Rechnung natürlich, ändert aber zumindest an einem Teil der Fragestellungen nichts, denn wie du bereits sagst: innerhalb des realen Finanzrahmens brauchen wir uns um eine größere Teilflotte gar keine Gedanken machen.
Und damit ist der entscheidende Punkt, dass wir realistisch betrachtet eine kleine Teilflotte bekommen werden, deren Größe und Organisation an der Aufgabe NT orientiert, und die zusätzlich andere Aufgaben des Geschwaders übernimmt (also primär Luft-Boden-Einsätze sowie gegebenenfalls die Verwendung im IKM). Da geht es nicht um Luftraumüberwachung, Alarmrotten oder Drohnenjagd, das ist unrealistisch und meines Erachtens (wie dargestellt) auch unsinnig.
Zitat:Kurz und einfach: man benötigt eine gewisse Mindestzahl und die unterschreiten wir mit der Tornado-Ersatzbeschaffung.
Diese Mindestzahl bezieht sich aber nur auf eine Maximierung der Effizienz, nicht auf einen sinnvollen operationellen Einsatz. Und es ergibt keinen Sinn höhere Stückzahlen nur zur Reduktion der Einzelkosten zu beschaffen, insbesondere nicht wenn das in einem fixen Finanzrahmen zur Einschränkungen bei den Stückzahlen anderer Muster führt. Natürlich kann ich deinen Ansatz nachvollziehen, aus der notwendigen Ersatzbeschaffung NT eine sinnvolle Ergänzungsbeschaffung für die Luftwaffe zu machen, aber die F-16 ist dafür absolut das falsche Muster, und ich befürchte, abseits der F-35 gibt es leistungsmäßig gar kein passendes Muster dafür, weil die eigentlich sinnvollen Ergänzungen (bspw. LIFT) keine NT-Befähigung mitbringen.
Zitat:Was ist deiner Meinung nach das eigentliche Problem?
Das man nicht frühzeitig die Ersatzentwicklungen für den Tornado auf Basis des Eurofighters angestoßen hat. Die Aufgabenstellungen kamen nicht aus heiterem Himmel und die Relevanz war bekannt, eine frühe Zertifizierung für die NT und die entsprechend frühe Beauftragung zur Entwicklung des Eurofighter ECR würden uns jetzt nicht vor das Problem stellen, dass wir ein Muster beschaffen müssten, dass wir eigentlich gar nicht wollen, in einer Stückzahl, die keinen Sinn ergibt, und ohne Möglichkeit, an beidem etwas zu ändern, weil das die nächste Fehlentscheidung für die Zukunft einleiten würde, da unsere Politiker zur kurzfristig denken.
Mit einem "ganzheitlichen Ansatz" hat das nichts zu tun, der ergibt sich daraus, dass in der Realität dafür eine viel tiefergehende Kooperation auf europäischer Ebene notwendig wäre, nicht so sehr aus meinem Verständnis einer "Armee".
Auch wenn das hier OT ist, ich war übrigens immer ein Freund des Mako gewesen, und habe lange Zeit für eine NATO-Gripen mit wesentlichen Subsystemen des Eurofighters als dessen Low-Cost-Ergänzung plädiert. Das wäre selbst vor einigen Jahren noch möglich gewesen, als Saab auf Partnersuche zur Entwicklung der Gripen E gewesen ist. Verpasste Chancen zu Hauf, aber wie gesagt, hier ist es OT.
(16.01.2022, 08:40)Kul14 schrieb: Ich würde entgegen Helios Aussage auch behaupten das der Eurofighter im Bereich Stealth mehr zu bieten hat als die F18. Die F18 wird zu großen Teilen noch aus Metall gefertigt, der EF hingegen hauptsächlich aus CFK.
Ich habe keinen Vergleich zwischen der F/A-18F und dem Eurofighter gezogen, sondern nur erstere zur aktuellen F-15 und F-16 eingeordnet! Davon abgesehen liegst du mit der Aussage zur Super Hornet falsch, schon die Oberfläche der ersten Modelle bestanden zu knapp zwei Dritteln aus Kompositmaterialien, und mit den späteren Revisionen wurde dies explizit zur Reduktion des RCS weiter ausgedehnt (insbesondere durch eine überarbeitete Frontsektion bei der Block III Variante). Wobei Stealth nicht nur RCS ist, und es nicht den einen RCS gibt, sondern der abhängig von vielen Faktoren (Frequenzen, Winkel, Zuladung, etc.) ist.