21.11.2020, 17:28
aramiso:
Bellizismus ist heute die Position einer absoluten Minderheit in dieser Gesellschaft, vermutlich der kleinsten Minderheit überhaupt.
Helios:
Meiner Einschätzung nach haben Gesellschaften eine gewisse Trägheit. Keineswegs werden Werte so schnell und leicht aufgegeben wie Pogu beispielsweise ausgeführt hat. Natürlich kann es einzelfallweise durchaus zu extremen Änderungen von Werten kommen, relevant aber ist der Schnitt, wie sich also die Mehrheit verhält. Und diese ist erstaunlich Träge. Was erst einmal richtig verankert ist, kann daher nicht so schnell geändert werden. Eine ernsthafte äußere Bedrohung würde in der heutigen Zeit meiner Ansicht nach schneller da sein als die Gesellschaft sich auf diese sozialkulturell einstellen könnte.
Irgendwelche politische Rethorik oder die mediale Gestaltung dürfen dann nicht darüber hinweg täuschen, dass die Kriegsunfähigkeit der Gesellschaft dennoch größtenteils weiter besteht. Auf dem Papier wäre man zahlenmässig, technisch wie qualitativ sogar vielleicht überlegen, aber dennoch in der praktischen Realität nicht in der Lage sich militärisch durchzusetzen. Gerade die scheinbare eigene Überlegenheit in Europa im Gesamtverbund beispielsweise täuscht darüber hinweg, dass diese Überlegenheit nicht real einsetzbar ist. Die Nicht-Einsetzbarkeit der Streitkräfte und die Unfähigkeit der Gesellschaft organisierte massive Gewalt auszuüben machen damit die Streitkräfte wertlos, und es ist im Endeffekt so als ob sie nicht wären.
Die derzeitige militärische Schlagkraft Westeuropas ist daher eine Illusion. Sie ändert sich auch dann nicht wenn eine äußere Bedrohung entsteht, dafür ist die Trägheit der sozialkulturellen Grundströmung zu groß und die Geschwindigkeit der heutigen politischen und strategischen Prozesse im Gegensatz zu schnell.
Den Gedanken hat Nelson hier auch schon angeführt. Rein theoretisch ja. Man könnte im Prinzip sogar auf diese Weise eine Menge der Probleme die wir militärisch haben von Grund auf lösen, indem man die entsprechenden EU Strukturen völlig neu aufbaut, unabhängig von den bisher bestehenden nationalen Armeen. Nur: an den letztgenannten hängen sehr viele Interessen in deren jeweiligen Ländern und ich halte daher grundsätzlich eine ernsthafte EU Armee leider für ausgeschlossen. Dafür fehlt in der EU die Einigkeit (nicht alle Europäer teilen unsere Ansichten zur EU), wir haben nicht genügend eigenen Ehrgeiz und Führungsanspruch und wo wir diesen haben wird er von anderen kritisch gesehen, und die wirtschaftlichen und persönlichen ökonomischen Interessen viel zu vieler Personen stehen der Abgabe dieser Pfründe an eine EU Armee entgegen (und genau darauf würde es hinaus laufen, dass viele hochrangige Personen ihre Pfründe einbüßen würden). Diese hochrangigen Offiziere, Beamten und Politiker aber in die EU Armee alle einzubinden löst unser primärstes Problem nicht, sondern verlagert dieses nur von der Bundeswehr in die EU Armee.
Eine EU Armee macht nur dann Sinn (und dann wäre sie das Mittel an sich überhaupt wieder zu ernsthafter militärischer Stärke zu gelangen) wenn diese völlig neu aufgestellt wird und sich von den nationalen Armeen tatsächlich vollständig abkoppeln kann. Das bedeutet zuvorderst keine Übernahme der falschen / fehlerhaften Führungsstrukturen in die neue Armee.
Was wir aber bereits hier und heute an einer möglichen EU Armee verbrechen ist, dass wir gerade weniger fähige "nach Brüsssel" abschieben und dass wir ein Übermaß an Führungsstellen / Stäben schaffen wo hochrangige Führungskräfte gesammelt werden. Also das exakte Gegenteil dessen was für eine Kriegsfähige EU Armee notwendig wäre.
Zitat:Einen langen Krieg ertragen wenige, ohne seelisch zu verderben; einen langen Frieden erträgt niemand."
Bellizismus ist heute die Position einer absoluten Minderheit in dieser Gesellschaft, vermutlich der kleinsten Minderheit überhaupt.
Helios:
Zitat:Wie schätzt ihr die Relevanz einer äußeren Bedrohung auf die hier von euch dargelegten Entwicklungen ein?
Meiner Einschätzung nach haben Gesellschaften eine gewisse Trägheit. Keineswegs werden Werte so schnell und leicht aufgegeben wie Pogu beispielsweise ausgeführt hat. Natürlich kann es einzelfallweise durchaus zu extremen Änderungen von Werten kommen, relevant aber ist der Schnitt, wie sich also die Mehrheit verhält. Und diese ist erstaunlich Träge. Was erst einmal richtig verankert ist, kann daher nicht so schnell geändert werden. Eine ernsthafte äußere Bedrohung würde in der heutigen Zeit meiner Ansicht nach schneller da sein als die Gesellschaft sich auf diese sozialkulturell einstellen könnte.
Irgendwelche politische Rethorik oder die mediale Gestaltung dürfen dann nicht darüber hinweg täuschen, dass die Kriegsunfähigkeit der Gesellschaft dennoch größtenteils weiter besteht. Auf dem Papier wäre man zahlenmässig, technisch wie qualitativ sogar vielleicht überlegen, aber dennoch in der praktischen Realität nicht in der Lage sich militärisch durchzusetzen. Gerade die scheinbare eigene Überlegenheit in Europa im Gesamtverbund beispielsweise täuscht darüber hinweg, dass diese Überlegenheit nicht real einsetzbar ist. Die Nicht-Einsetzbarkeit der Streitkräfte und die Unfähigkeit der Gesellschaft organisierte massive Gewalt auszuüben machen damit die Streitkräfte wertlos, und es ist im Endeffekt so als ob sie nicht wären.
Die derzeitige militärische Schlagkraft Westeuropas ist daher eine Illusion. Sie ändert sich auch dann nicht wenn eine äußere Bedrohung entsteht, dafür ist die Trägheit der sozialkulturellen Grundströmung zu groß und die Geschwindigkeit der heutigen politischen und strategischen Prozesse im Gegensatz zu schnell.
Zitat:Könnte dem nicht eine sehr viel stärker europäisch ausgerichtete Verteidigungspolitik (mit Blick auf das Thema EU-Armee) helfen?
Den Gedanken hat Nelson hier auch schon angeführt. Rein theoretisch ja. Man könnte im Prinzip sogar auf diese Weise eine Menge der Probleme die wir militärisch haben von Grund auf lösen, indem man die entsprechenden EU Strukturen völlig neu aufbaut, unabhängig von den bisher bestehenden nationalen Armeen. Nur: an den letztgenannten hängen sehr viele Interessen in deren jeweiligen Ländern und ich halte daher grundsätzlich eine ernsthafte EU Armee leider für ausgeschlossen. Dafür fehlt in der EU die Einigkeit (nicht alle Europäer teilen unsere Ansichten zur EU), wir haben nicht genügend eigenen Ehrgeiz und Führungsanspruch und wo wir diesen haben wird er von anderen kritisch gesehen, und die wirtschaftlichen und persönlichen ökonomischen Interessen viel zu vieler Personen stehen der Abgabe dieser Pfründe an eine EU Armee entgegen (und genau darauf würde es hinaus laufen, dass viele hochrangige Personen ihre Pfründe einbüßen würden). Diese hochrangigen Offiziere, Beamten und Politiker aber in die EU Armee alle einzubinden löst unser primärstes Problem nicht, sondern verlagert dieses nur von der Bundeswehr in die EU Armee.
Eine EU Armee macht nur dann Sinn (und dann wäre sie das Mittel an sich überhaupt wieder zu ernsthafter militärischer Stärke zu gelangen) wenn diese völlig neu aufgestellt wird und sich von den nationalen Armeen tatsächlich vollständig abkoppeln kann. Das bedeutet zuvorderst keine Übernahme der falschen / fehlerhaften Führungsstrukturen in die neue Armee.
Was wir aber bereits hier und heute an einer möglichen EU Armee verbrechen ist, dass wir gerade weniger fähige "nach Brüsssel" abschieben und dass wir ein Übermaß an Führungsstellen / Stäben schaffen wo hochrangige Führungskräfte gesammelt werden. Also das exakte Gegenteil dessen was für eine Kriegsfähige EU Armee notwendig wäre.