06.07.2022, 13:34
Zitat:Zur immer drängenderen Frage der Personalgewinnung: ich kenne keine Studie die genau untersucht warum junge Deutsche nicht zur Bundeswehr gehen, von daher kann ich diesbezüglich nur eigene Ansichten als anekdotische Evidenz benennen: ich kenne etliche junge Männer (und eine junge Frau) welche gerade eben deshalb nicht zur Bundeswehr gehen, weil diese ihrer Ansicht nach nicht Soldatisch genug ist, nicht ernsthaft genug ist und als unmilitärischer Versagerverein wahrgenommen wird.Meine Erfahrung ist nicht unbedingt die, dass wir hier einen "Versagerverein" vor uns hätten, was die Leute abschreckt, eher ist es so, dass die jungen Leute andere Ziele haben. Ich denke zwar, dass genau das sich derzeit ändert, was die Einstellung zur Armee angeht, gerade im Kontext des Ukrainekriegs, aber zuvor war es eher so, dass schlicht andere Ziele oder Überzeugungen vorlagen (ein Teil dieser Aussagen habe ich im privaten Bereich vor einigen Jahren durchaus selbst zu hören bekommen).
Und diese Einstellungen waren im Schwerpunkt: Ggf. ein Studium, eine Familiengründung, vielleicht auch nur der bessere Verdienst in der freien Wirtschaft. Hinzu kamen auch noch andere Themen, z. B. eine pazifistische Grundeinstellung (jemand wollte lieber Zivildienst machen). Vielleicht auch manchmal Desinteresse (nach dem Motto: "Wir brauchen doch heute keine Armee mehr, wer sollte uns denn angreifen?"). Aber die Aussage, die Bundeswehr sei nicht "soldatisch" genug, dies als Ablehnungsgrund habe ich nie gehört.
Ich sehe mich da subjektiv, wenn ich mich spiegeln würde, wohl auch irgendwo mitten drin in dieser Art Empfinden/Denken. Nach dem Abitur bin ich zur Bundeswehr - übrigens aus Überzeugung (bei mir in der Familie war es mehr oder minder auch Tradition, dass der älteste Sohn immer bei der Armee war, seit dem Urgroßvater, der 1879 geboren wurde - und es haben glücklicherweise sie alle die "stürmischen Zeiten" in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts überlebt; allerdings wäre ich wohl zur Bundeswehr gegangen, egal wie die Familienansichten sind).
Und ich dachte zudem - vom Interesse an sich abgesehen -, es könne auch nicht schlecht sein, zur Not das Land und sich selbst verteidigen zu können (und ja, ich sehe diese freiheitlich-demokratische Bundesrepublik als verteidigungswürdig an, trotz aller inneren Diskurse und Streitereien, da es das beste und freieste Land ist, das wir je hatten). Danach habe ich mich aber dennoch auch für das zivile Studium entschieden. Und wenn ich mir nun überlege, dass vielleicht diese Art "Familientradition" bei manchen Leuten gar nicht vorliegt, sie aber ein eher friedlich-pazifistisches Umfeld erleben und andere Chancen in der freien Wirtschaft oder im Zivilleben sehen, so denke ich, dass die jungen Leute sich eben auch anders entscheiden. Das ist völlig normal und zutiefst menschlich - und es hat weniger was mit dem ungerechten Ruf der "Gurkentruppe" etc. zu tun.
Schneemann