23.12.2022, 12:22
Machen wir eine kleine Abschweifung, vor allem weil dies meiner Meinung nach weiterhin klar aufzeigt, wo das eigentliche Problem ist, nämlich in der Strukturextrapolierung:
Meine Frage war aber nicht die, wo man das höhere Risiko hat ums Leben zu kommen (übrigens im Orts- und Häuserkampf in Großstädten, da hält kein Gebirgskampf der Welt mit), oder was für Faktoren einen umbringen können, sondern die Frage war die nach der Komplexität des Gesamtgeschehens. Die Frage was einen alles töten kann ist dabei nur ein geringer Anteil des ganzen.
Beispielsweise wäre es meiner Meinung nach wesentlich besser gewesen, hättest du auf die logistischen Schwierigkeiten im Gebirge hingewiesen im Vergleich zur Versorgung der Truppen in einer Schlacht in einer Millionenstadt.
Der wesentlichste Punkt aber ist der: man geht von einem Kampf in einem Gebirge aus - also meint man Gebirgsjäger dafür zu benötigen - also müssen diese Ski fahren können weil dies vermeintlich vorteilhaft ist etc Das ist eine Kausalkette die auf Annahmen basiert die aus gewissen Erfahrungswerten resultieren (du nanntest selbst bspw. die Länge der Front im Gebirge im 1WK)
Diese Annahmen, diese Kausalkette sind aber vor allem anderen eine Strukturextrapolierung. Was aber wenn schon der Anfang dieser ganzen logischen Reihenfolge falsch ist und dann ein Falsches auf dem anderen aufgebaut wird? Was wenn die Annahmen durch technologische Möglichkeiten überholt sind? Was wenn es andere Wege gibt die vorteilhafter sind, die man aber gerade eben nicht beschreitet, nur weil man es halt schon immer so gemacht hat? Gerade im Krieg ist das, wie ich es schon versucht habe auszuführen, seit jeher, seit Beginn der Kriegsgeschichte einer der wesentlichsten Faktoren: der Krieg wandelt sich, aber die Menschen halten an ihren tradierten Wegen fest und verlieren deshalb im Krieg gegen einen Feind der diese Wege verlassen hat.
Dennoch ist diese Front trotz ihrer Länge, oder vielmehr gerade eben in Bezug, also im Verhältnis auf ihre Gesamtlänge gesehen sehr kleinräumig gewesen. Überall gibt das Gelände starke Beschränkungen vor.
Ich schreie auch nicht immer unbedingt nach Traditionen, aber unter bestimmten Bedingungen komme ich mit Skiern durchaus schneller und besser voran als mit Schneeschuhen.
Und unter anderen Bedingungen - und gerade eben dort wo heute, im heutigen realen Krieg - Infanterie im Gebirge überhaupt kämpfen würde und überhaupt kämpfen kann, komme ich mit Schneeschuhen besser und schneller voran als mit Ski. Denn im dichten Gebirgswald in sehr steilen Hängen sind die Ski den Schneeschuhen unterlegen und in dem Gelände in welchem Ski von der bloßen Geschwindigkeit (jedoch nicht von der Beweglichkeit her!) überlegen wären, kann und sollte Infanterie ohnehin nicht in größerer Mannzahl kämpfen. Der Kampf dort würde eine ganz andere Form haben. Die dafür notwendigen sehr kleinen mit Ski ausgerüsteten Einheiten gäbe es ja zudem immer noch, in der dezidierten Hochgebirgskompanie der SOF-Brigade.
Das ist aber gar kein schlechter Aufhänger um das eigentliche Thema zu illustrieren: denn es kommt wie du es so richtig beschreibst eben sehr stark auf das Szenario an. Der heutige moderne Krieg hat eine ganz Reihe von Szenarien. In keinem dieser Szenarien sind in Bezug auf den Gebirgskampf Ski besser als Schneeschuhe, sondern umgekehrt, mit ganz wenigen Ausnahmen dezidierter Spezialeinsätze entsprechend kleiner hochspezialisierter Einheiten.
Aber man hält trotzdem weiter am tradierten Weg fest und mein man müsse das Skifahren hochhalten. Dazu kommt noch die erwähnte Versportlichung der Gebirgstruppe, wo Fähigkeiten die lediglich früher aufgrund damals anderer Umstände noch eine gewisse Bedeutung hatten einfach krampfhaft aufrecht erhalten werden, obwohl sie sich überlebt haben.
Man führt etwas zu einem früheren Zeitpunkt ein, weil es damals aufgrund der damaligen Umstände sinnvoll war, und dann hält man krampfhaft daran fest, auch wenn die Umstände ganz andere geworden sind, dann wird es zum Selbstläufer, dann wird es versportlicht und schließlich hält man auch dann noch daran fest, wenn es nur noch ein Nachteil ist und andere Möglichkeiten für die aktuellen Umstände besser wären.
Man besteht auf Ski weil man selbst das Skifahren liebt, so ausgebildet wurde, und die Ausbilder selbst ebenfalls so ausgebildet wurden und stellt es nicht in Frage. Man fragt sich nicht einmal wie in einem heutigen modernen Krieg Infanterie auf Ski im offenen deckungsarmen Hochgebirge oberhalb der Baumgrenze überhaupt überleben will, da die Aufklärungs- und Wirkmöglichkeiten so dermaßen gesteigert wurden.
Man stellt sich gar nicht die Frage, was für den Kampf im dichten Bergwald in steilen Hängen im Schnee besser wäre, sondern man geht wie von selbst davon aus, dass die Ski immer und überall querschnittlich besser sind. Weil sie sind ja schneller (sind sie nicht), kraftsparender (nur auf Distanzen die wir nicht haben und nicht haben werden) und überhaupt, Nordnorwegen wird umkämpft sein (werden wir in Nordnorwegen anstelle der Norweger kämpfen? Und falls ja warum, und falls ja, wo und wie konkret?)
Das gleiche Funktionsprinzip hat schon früher dazu geführt, dass Kavallerie dann frontal ins MG Feuer galoppiert ist um es überspitzt auszudrücken. Man baute scheinbar logische Kausalketten auf falschen Grundannahmen auf und führte diese selbst dann noch weiter, wenn sie längst komplett falsch waren und sich überholt hatten.
Natürlich können neue Wege der Kriegsführung Lücken reißen und gibt es dann in Übergangsphasen dadurch auch Probleme, aber Probleme hat man immer und hält man an den tradierten Wegen fest, werden die daraus resultierenden Probleme und Lücken nur immer größer, während sie in Bezug auf die neuen Wege immer weiter abnehmen.
Zitat:Im Orts- oder Häuserkampf tötet dich im schlimmsten Fall der Gegner. Im Gebirge tötet dich entweder der Gegner oder die Natur.
Meine Frage war aber nicht die, wo man das höhere Risiko hat ums Leben zu kommen (übrigens im Orts- und Häuserkampf in Großstädten, da hält kein Gebirgskampf der Welt mit), oder was für Faktoren einen umbringen können, sondern die Frage war die nach der Komplexität des Gesamtgeschehens. Die Frage was einen alles töten kann ist dabei nur ein geringer Anteil des ganzen.
Beispielsweise wäre es meiner Meinung nach wesentlich besser gewesen, hättest du auf die logistischen Schwierigkeiten im Gebirge hingewiesen im Vergleich zur Versorgung der Truppen in einer Schlacht in einer Millionenstadt.
Der wesentlichste Punkt aber ist der: man geht von einem Kampf in einem Gebirge aus - also meint man Gebirgsjäger dafür zu benötigen - also müssen diese Ski fahren können weil dies vermeintlich vorteilhaft ist etc Das ist eine Kausalkette die auf Annahmen basiert die aus gewissen Erfahrungswerten resultieren (du nanntest selbst bspw. die Länge der Front im Gebirge im 1WK)
Diese Annahmen, diese Kausalkette sind aber vor allem anderen eine Strukturextrapolierung. Was aber wenn schon der Anfang dieser ganzen logischen Reihenfolge falsch ist und dann ein Falsches auf dem anderen aufgebaut wird? Was wenn die Annahmen durch technologische Möglichkeiten überholt sind? Was wenn es andere Wege gibt die vorteilhafter sind, die man aber gerade eben nicht beschreitet, nur weil man es halt schon immer so gemacht hat? Gerade im Krieg ist das, wie ich es schon versucht habe auszuführen, seit jeher, seit Beginn der Kriegsgeschichte einer der wesentlichsten Faktoren: der Krieg wandelt sich, aber die Menschen halten an ihren tradierten Wegen fest und verlieren deshalb im Krieg gegen einen Feind der diese Wege verlassen hat.
Zitat:Kleinräumig ist immer relativ, im Ersten Weltkrieg, auch wenn ein solches Szenario im heutigen Europa unwahrscheinlich ist, spannte sich die Alpenfront über mehr als 300 Kilometer.
Dennoch ist diese Front trotz ihrer Länge, oder vielmehr gerade eben in Bezug, also im Verhältnis auf ihre Gesamtlänge gesehen sehr kleinräumig gewesen. Überall gibt das Gelände starke Beschränkungen vor.
Ich schreie auch nicht immer unbedingt nach Traditionen, aber unter bestimmten Bedingungen komme ich mit Skiern durchaus schneller und besser voran als mit Schneeschuhen.
Und unter anderen Bedingungen - und gerade eben dort wo heute, im heutigen realen Krieg - Infanterie im Gebirge überhaupt kämpfen würde und überhaupt kämpfen kann, komme ich mit Schneeschuhen besser und schneller voran als mit Ski. Denn im dichten Gebirgswald in sehr steilen Hängen sind die Ski den Schneeschuhen unterlegen und in dem Gelände in welchem Ski von der bloßen Geschwindigkeit (jedoch nicht von der Beweglichkeit her!) überlegen wären, kann und sollte Infanterie ohnehin nicht in größerer Mannzahl kämpfen. Der Kampf dort würde eine ganz andere Form haben. Die dafür notwendigen sehr kleinen mit Ski ausgerüsteten Einheiten gäbe es ja zudem immer noch, in der dezidierten Hochgebirgskompanie der SOF-Brigade.
Zitat:Über längere Distanzen ist die Nutzung von Skiern sogar weniger kraftraubend als das Gehen mit Schneeschuhen. Aber wie gesagt: Es ist sehr stark szenarioabhängig und würde hier auch zu weit vom Thema wegführen.
Das ist aber gar kein schlechter Aufhänger um das eigentliche Thema zu illustrieren: denn es kommt wie du es so richtig beschreibst eben sehr stark auf das Szenario an. Der heutige moderne Krieg hat eine ganz Reihe von Szenarien. In keinem dieser Szenarien sind in Bezug auf den Gebirgskampf Ski besser als Schneeschuhe, sondern umgekehrt, mit ganz wenigen Ausnahmen dezidierter Spezialeinsätze entsprechend kleiner hochspezialisierter Einheiten.
Aber man hält trotzdem weiter am tradierten Weg fest und mein man müsse das Skifahren hochhalten. Dazu kommt noch die erwähnte Versportlichung der Gebirgstruppe, wo Fähigkeiten die lediglich früher aufgrund damals anderer Umstände noch eine gewisse Bedeutung hatten einfach krampfhaft aufrecht erhalten werden, obwohl sie sich überlebt haben.
Man führt etwas zu einem früheren Zeitpunkt ein, weil es damals aufgrund der damaligen Umstände sinnvoll war, und dann hält man krampfhaft daran fest, auch wenn die Umstände ganz andere geworden sind, dann wird es zum Selbstläufer, dann wird es versportlicht und schließlich hält man auch dann noch daran fest, wenn es nur noch ein Nachteil ist und andere Möglichkeiten für die aktuellen Umstände besser wären.
Man besteht auf Ski weil man selbst das Skifahren liebt, so ausgebildet wurde, und die Ausbilder selbst ebenfalls so ausgebildet wurden und stellt es nicht in Frage. Man fragt sich nicht einmal wie in einem heutigen modernen Krieg Infanterie auf Ski im offenen deckungsarmen Hochgebirge oberhalb der Baumgrenze überhaupt überleben will, da die Aufklärungs- und Wirkmöglichkeiten so dermaßen gesteigert wurden.
Man stellt sich gar nicht die Frage, was für den Kampf im dichten Bergwald in steilen Hängen im Schnee besser wäre, sondern man geht wie von selbst davon aus, dass die Ski immer und überall querschnittlich besser sind. Weil sie sind ja schneller (sind sie nicht), kraftsparender (nur auf Distanzen die wir nicht haben und nicht haben werden) und überhaupt, Nordnorwegen wird umkämpft sein (werden wir in Nordnorwegen anstelle der Norweger kämpfen? Und falls ja warum, und falls ja, wo und wie konkret?)
Das gleiche Funktionsprinzip hat schon früher dazu geführt, dass Kavallerie dann frontal ins MG Feuer galoppiert ist um es überspitzt auszudrücken. Man baute scheinbar logische Kausalketten auf falschen Grundannahmen auf und führte diese selbst dann noch weiter, wenn sie längst komplett falsch waren und sich überholt hatten.
Natürlich können neue Wege der Kriegsführung Lücken reißen und gibt es dann in Übergangsphasen dadurch auch Probleme, aber Probleme hat man immer und hält man an den tradierten Wegen fest, werden die daraus resultierenden Probleme und Lücken nur immer größer, während sie in Bezug auf die neuen Wege immer weiter abnehmen.