11.01.2024, 11:13
Schneemann:
Die Masse des in den Depots eingelagerten Gerätes waren aber ebenso keine T-62 und BMP-1. Die haben auch alles mögliche „modernere“ Material eingelagert. Zudem siehst du mir meiner Meinung nach zu stark auf die Kampfpanzer und Schützenpanzer. Viel relevanter waren und sind beispielsweise Artilleriegeschütze und eingelagerte Rohre für diese, eingelagerte Lastkraftwagen, eingelagerte Schlepper, Pioniermaschinene etc etc Du musst dir mal ansehen was da alles in der Ukraine an „Antiken“ Systemen aufgetaucht ist. Das reicht doch weit über die bloße Betrachtung der Zusammensetzung der Kampfpanzer hinaus.
Das man nun darüber hinaus auch noch angefangen hat viel zu produzieren ist davon völlig unabhängig. Und auch die Neuproduktion verwertet vieles von dem Material aus den Depots und gerade eben deshalb produziert man mehrheitlich nicht die neuesten Systeme.
Ich hatte bewusst keine Zahl genannt. Aber gehen wir mal auf genaue Zahlen ein: Wieviele Mörser hat die Bundeswehr denn? Und von dort zu den genannten 2000 sind es Welten. Mit Massen meinte ich also durchaus etwas im Bereich dessen was die Finnen so haben. Rein theoretisch könnte ich übrigens auch locker 10.000 Mörser beschaffen oder mehr, für den Preis eines einzigen größeren Kriegsschiffes. Was aber nun in einem Krieg mehr bringen wird sei mal dahingestellt. 1 Kriegsschiff oder 10.000 Mörser plus Munition. Egal ob nun zur Unterstützung von Verbündeten oder für den Eigenbedarf, die viel größere Zahl von „Kleinsystemen“ wäre meiner Meinung nach besser und würde insgesamt mehr zur Kampfkraft beitragen.
In der reinen Theorie. Denn auch wenn man selbst eine größere industrielle Kapazität hat und mehr Reichtum, so ist diese wie der Reichtum auch in anderen gesellschaftlichen Anforderungen gebunden. Solange der Sozialstaat um die 1200 Milliarden Euro pro Jahr benötigt, kann ich nicht nach Belieben rasch „Kleinsysteme“ produzieren. Noch darüber hinaus muss man die Produktion ja auch erst mal aufbauen und aktuell scheitert man schon daran wenn man über mehrere Jahre hinweg eine neue Fabrik für Pulver hinstellen will. Nun kannst du behaupten: das könne man ja ebenso einfach rasch ändern, aber dem ist nur in der Theorie so, in der praktischen Realität wird dies vor Ausbruch eines großen Krieges gegen unseren Staat praktisch real nicht der Fall sein.
Und du räumst ja selbst ein, dass die Produktionskapazitäten bei uns hier und jetzt zu gering sind. Aber den wesentlichsten Punkt übersiehst du hierbei: dass sich das nicht ändern wird.
Doch, gerade eben. Die Bundeswehr verfolgte sehr lange Zeit ein grundsätzliches Konzept der Breite vor der Tiefe. Man verzichtete insgesamt auf eine ausreichende Tiefe gerade eben um eine möglichst große Breite an Fähigkeiten vorhalten zu können. Intentional um damit diese Fähigkeiten weiter zu haben und damit man dann auf diesen falls notwendig aufbauen kann. Und gerade weil man trotz der Spezialisierung auf Afghanistan diese Konzeption beibehalten hat, gerade eben deshalb ist die Tiefe in der gesamten Breite noch weiter degeneriert.
Man hat Teile der Armee spezialisiert, aber trotzdem versucht eine möglichst große Breite an Fähigkeiten vorzuhalten und damit wie nicht unüblich in der real existierenden Bundesrepublik lauter verschwiemelte Kompromisse erzeugt - vor allem aber die Tiefe in den Fähigkeiten zu weit vermindert. Das umsteuern ist nun heute vor allem deshalb ein Problem, weil die Tiefe verloren gegangen ist, nicht weil die Breite verloren gegangen ist.
Greifen wir mal als theoretisches Beispiel die Aufklärung auf, da du sie explizit in diesem Kontext genannt hast und postulieren eine vollkommen technische Aufklärung in welcher Maschinen aller Art die Aufklärung betreiben und herrausragende Aufklärungsergebnisse erzielen. Dann benötigt man immer noch die Fähigkeit diese zu verwenden, zu interpretieren, einzusetzen, und dies unter Zeitdruck - sehr oft wird im Krieg durch die Aufklärung die richtige Information geliefert, aber seitens der Führung einfach ignoriert oder falsch verwendet, was ebenso regelmässig scheinbar unverständliche Niederlagen und militärische Katastrophen verursacht: denn: alles war doch bekannt und aufgeklärt!
Je mehr ich aber Fähigkeiten durch Ausrüstung und Technologie kompensieren will, desto teurer wird der Krieg - bis hin zur Unbezahlbarkeit - und desto abhängiger werde ich von dieser Ausrüstung und dieser Technologie und im Krieg kommt es sehr leicht dazu, dass Ausrüstung und Technik gekontert werden, und dann fehlt mir jedwede Befähigung etwas neu und anders zu tun oder auch nur handlungsfähig zu bleiben.
Die Fixierung auf die Ausrüstung, dass ausrüstungszentrische Denken ist daher ein schwerwiegendes militärisches Problem, weil es in der praktischen Realität immer dazu führt, dass sich zu viele zu weitgehend von der Technik abhängig machen und damit von ihren Fähigkeiten noch weiter degenerieren als sie es ohnehin schon sind.
Überlegene Technik plus Überlegene Fähigkeiten wäre natürlich insgesamt am besten. Aber die praktische Realität bleibt immer weit unter diesem Ideal und man kann es meiner Meinung nach auch gar nicht erreichen, weil dies sowohl der menschlichen Natur als auch dem Wesen des Krieges an sich zuwider läuft.
Deshalb ist das Ausrüstungszentrische Denken gefährlich und führt durch die Umstände und seine Wechselwirkungen eher zu größerer militärischer Schwäche, als dass es die Kampfkraft stärkt. Und wir haben in der Realität einfach nicht die finanziellen und wirtschaftlichen Mittel um diesen Verlust an Kampfkraft dann einfach durch noch mehr Quantität zu kompensieren, denn es ist gerade eben dies: der Mangel an Quantität welcher bei uns das Problem darstellt und die Idee diesen Mangel an Quantität durch noch mehr Technologie kompensieren zu wollen funktioniert meiner Ansicht nach nicht oder nur sehr bedingt, entgegen den Heilsversprechungen der Rüstungsindustrie, welcher in einer hochtechnologisierten Gesellschaft wie der unseren natürlich auf fruchtbaren Boden fallen.
Meiner Einschätzung nach überschätzen wir gerade eben aufgrund unserer Lebensumstände hier und heute und der daraus resultierenden Sozialkultur welche wir haben, wie die Verhältnisse der einzelnen Faktoren zueinander im Krieg sind und gewichten daher die Ausrüstung und die Frage der Hochtechnologie falsch, zu unserem Schaden.
Zitat:wir sind uns doch einig, dass die Masse des zerstörten russischen Gerätes nicht aus T-62 oder BMP-1ern besteht, sondern zum überwältigenden Teil aus neuerem Gerät. Wobei natürlich "neuer" auch immer relativ ist, manche T-72 stammen wohl aus den 1980ern.
Die Masse des in den Depots eingelagerten Gerätes waren aber ebenso keine T-62 und BMP-1. Die haben auch alles mögliche „modernere“ Material eingelagert. Zudem siehst du mir meiner Meinung nach zu stark auf die Kampfpanzer und Schützenpanzer. Viel relevanter waren und sind beispielsweise Artilleriegeschütze und eingelagerte Rohre für diese, eingelagerte Lastkraftwagen, eingelagerte Schlepper, Pioniermaschinene etc etc Du musst dir mal ansehen was da alles in der Ukraine an „Antiken“ Systemen aufgetaucht ist. Das reicht doch weit über die bloße Betrachtung der Zusammensetzung der Kampfpanzer hinaus.
Das man nun darüber hinaus auch noch angefangen hat viel zu produzieren ist davon völlig unabhängig. Und auch die Neuproduktion verwertet vieles von dem Material aus den Depots und gerade eben deshalb produziert man mehrheitlich nicht die neuesten Systeme.
Zitat:Ob wir aber die Massen an Mörsern benötigen, sei dahingestellt. Bzw. es käme darauf an, was wir unter Massen definieren? Wenn ich etwa an die finnische Armee denke, die ca. 1.500 bis 2.000 Mörsersysteme bis einschl. Kaliber 120 mm hat, dann ist das ein noch sinnvoller Rahmen. Aber ich lagere keine 10.000 Systeme ein.
Ich hatte bewusst keine Zahl genannt. Aber gehen wir mal auf genaue Zahlen ein: Wieviele Mörser hat die Bundeswehr denn? Und von dort zu den genannten 2000 sind es Welten. Mit Massen meinte ich also durchaus etwas im Bereich dessen was die Finnen so haben. Rein theoretisch könnte ich übrigens auch locker 10.000 Mörser beschaffen oder mehr, für den Preis eines einzigen größeren Kriegsschiffes. Was aber nun in einem Krieg mehr bringen wird sei mal dahingestellt. 1 Kriegsschiff oder 10.000 Mörser plus Munition. Egal ob nun zur Unterstützung von Verbündeten oder für den Eigenbedarf, die viel größere Zahl von „Kleinsystemen“ wäre meiner Meinung nach besser und würde insgesamt mehr zur Kampfkraft beitragen.
Zitat:Wenn die Produktion wieder angelaufen ist, dann ist es im Grunde kein Problem, kleinere Systeme rasch zu produzieren.
In der reinen Theorie. Denn auch wenn man selbst eine größere industrielle Kapazität hat und mehr Reichtum, so ist diese wie der Reichtum auch in anderen gesellschaftlichen Anforderungen gebunden. Solange der Sozialstaat um die 1200 Milliarden Euro pro Jahr benötigt, kann ich nicht nach Belieben rasch „Kleinsysteme“ produzieren. Noch darüber hinaus muss man die Produktion ja auch erst mal aufbauen und aktuell scheitert man schon daran wenn man über mehrere Jahre hinweg eine neue Fabrik für Pulver hinstellen will. Nun kannst du behaupten: das könne man ja ebenso einfach rasch ändern, aber dem ist nur in der Theorie so, in der praktischen Realität wird dies vor Ausbruch eines großen Krieges gegen unseren Staat praktisch real nicht der Fall sein.
Und du räumst ja selbst ein, dass die Produktionskapazitäten bei uns hier und jetzt zu gering sind. Aber den wesentlichsten Punkt übersiehst du hierbei: dass sich das nicht ändern wird.
Zitat:Ansonsten denke ich aber, dass das Problem bei der Bundeswehr nun nicht unbedingt daher rührt, dass man alles abdecken wollte.
Doch, gerade eben. Die Bundeswehr verfolgte sehr lange Zeit ein grundsätzliches Konzept der Breite vor der Tiefe. Man verzichtete insgesamt auf eine ausreichende Tiefe gerade eben um eine möglichst große Breite an Fähigkeiten vorhalten zu können. Intentional um damit diese Fähigkeiten weiter zu haben und damit man dann auf diesen falls notwendig aufbauen kann. Und gerade weil man trotz der Spezialisierung auf Afghanistan diese Konzeption beibehalten hat, gerade eben deshalb ist die Tiefe in der gesamten Breite noch weiter degeneriert.
Zitat:Eher sehe ich es so, dass man sich vor 20 oder 25 Jahren spezialisieren wollte/sollte/musste auf Krisen- und Stabilisierungseinsätze und heute bemerkt, dass diese seinerzeit unter gewissen Sparzwängen umgesetzte Doktrin bzw. Orientierung sich einer neuen, andersgearteten Bedrohungslage gegenübersieht und man nun wieder umsteuern muss.
Man hat Teile der Armee spezialisiert, aber trotzdem versucht eine möglichst große Breite an Fähigkeiten vorzuhalten und damit wie nicht unüblich in der real existierenden Bundesrepublik lauter verschwiemelte Kompromisse erzeugt - vor allem aber die Tiefe in den Fähigkeiten zu weit vermindert. Das umsteuern ist nun heute vor allem deshalb ein Problem, weil die Tiefe verloren gegangen ist, nicht weil die Breite verloren gegangen ist.
Zitat:Das ich (auch) ausrüstungsfixiert denke, das mag teils durchaus stimmen. Aber es ist meiner Meinung nach eben enorm wichtig. Eine Anpassungsgabe, so wie du es nennst, ist zwar auch wichtig. Aber entscheidend in einem Krieg sind Ausrüstung, Aufklärung und Logistik - zumindest im direkten Kontext. Weitergefasst könnte man auch sagen Stahl, Öl, Technologie und Geld bzw. Produktionsbefähigungen, die die Technologie einbinden können.Exakt das was ich meinte: eine zu starke Fixierung auf die materielle Seite des ganzen. Keine Ausrüstung der Welt nützt etwas, wenn diejenigen welche sie verwenden unfähig sind. Gerade eben Russland sollte hier als mahnendes Beispiel dienen. Natürlich sind Rohstoffe, Industriekapazität, Technologie, Geld usw. immens wichtig, aber sie sind nur ein Faktor und es gibt andere Faktoren die genau so wichtig sind oder sogar noch wesentlicher.
Greifen wir mal als theoretisches Beispiel die Aufklärung auf, da du sie explizit in diesem Kontext genannt hast und postulieren eine vollkommen technische Aufklärung in welcher Maschinen aller Art die Aufklärung betreiben und herrausragende Aufklärungsergebnisse erzielen. Dann benötigt man immer noch die Fähigkeit diese zu verwenden, zu interpretieren, einzusetzen, und dies unter Zeitdruck - sehr oft wird im Krieg durch die Aufklärung die richtige Information geliefert, aber seitens der Führung einfach ignoriert oder falsch verwendet, was ebenso regelmässig scheinbar unverständliche Niederlagen und militärische Katastrophen verursacht: denn: alles war doch bekannt und aufgeklärt!
Je mehr ich aber Fähigkeiten durch Ausrüstung und Technologie kompensieren will, desto teurer wird der Krieg - bis hin zur Unbezahlbarkeit - und desto abhängiger werde ich von dieser Ausrüstung und dieser Technologie und im Krieg kommt es sehr leicht dazu, dass Ausrüstung und Technik gekontert werden, und dann fehlt mir jedwede Befähigung etwas neu und anders zu tun oder auch nur handlungsfähig zu bleiben.
Die Fixierung auf die Ausrüstung, dass ausrüstungszentrische Denken ist daher ein schwerwiegendes militärisches Problem, weil es in der praktischen Realität immer dazu führt, dass sich zu viele zu weitgehend von der Technik abhängig machen und damit von ihren Fähigkeiten noch weiter degenerieren als sie es ohnehin schon sind.
Überlegene Technik plus Überlegene Fähigkeiten wäre natürlich insgesamt am besten. Aber die praktische Realität bleibt immer weit unter diesem Ideal und man kann es meiner Meinung nach auch gar nicht erreichen, weil dies sowohl der menschlichen Natur als auch dem Wesen des Krieges an sich zuwider läuft.
Deshalb ist das Ausrüstungszentrische Denken gefährlich und führt durch die Umstände und seine Wechselwirkungen eher zu größerer militärischer Schwäche, als dass es die Kampfkraft stärkt. Und wir haben in der Realität einfach nicht die finanziellen und wirtschaftlichen Mittel um diesen Verlust an Kampfkraft dann einfach durch noch mehr Quantität zu kompensieren, denn es ist gerade eben dies: der Mangel an Quantität welcher bei uns das Problem darstellt und die Idee diesen Mangel an Quantität durch noch mehr Technologie kompensieren zu wollen funktioniert meiner Ansicht nach nicht oder nur sehr bedingt, entgegen den Heilsversprechungen der Rüstungsindustrie, welcher in einer hochtechnologisierten Gesellschaft wie der unseren natürlich auf fruchtbaren Boden fallen.
Meiner Einschätzung nach überschätzen wir gerade eben aufgrund unserer Lebensumstände hier und heute und der daraus resultierenden Sozialkultur welche wir haben, wie die Verhältnisse der einzelnen Faktoren zueinander im Krieg sind und gewichten daher die Ausrüstung und die Frage der Hochtechnologie falsch, zu unserem Schaden.