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Bundeswehr - Wunschkonzert 2021
Auch unter der Gefahr, hier etwas weit auszugreifen, versuche ich trotzdem mal, die ausgearbeitet Struktur in den ihr mMn zugrunde liegenden Rahmen zu fassen. Man verzeihe mir, falls ich mich dabei wiederhole:

Politik

Ich bin ein Anhänger der ever-closer-union und dabei zuallererst einer tiefgreifenden und ambitionierten GASP, natürlich im Rahmen der NATO. Daher sollten diese perspektivischen Ziele in der Aufstellung der Bundeswehr abgebildet sein und durch die nationale Außen- und Sicherheitspolitik voran getrieben werden. Dazu gehört auch, dass eine Veränderung der Beiträge Deutschlands zum IKM der Bündnisse in ihrer Summe keine Verringerung darstellen darf, sondern einen spürbaren Gewinn an Gesamt-Fähigkeiten und vor allem Verlässlichkeit generieren und unsere Partner entlasten muss.
Dieser Konsens ist elementar, da ohne ihn eine Kombination der Landesverteidigung mit der militärisch hinterlegten Wahrung internationaler Interessen für Deutschland im gegebenen finanziellen und gesellschaftlichen Rahmen mMn schlicht unmöglich bzw. maximal ineffizient sein muss. Damit setze ich - anders als Quintus - zugleich als Konsens voraus, dass in der Gesamtheit ein gewisses Gleichgewicht zwischen BV und IKM angestrebt werden sollte.

Nur wenn diese Bedingungen erfüllt werden, macht es überhaupt Sinn, sich Gedanken über eine so tiefgreifende Reform wie die beschriebene zu machen.
In der Realität sehe ich dabei durchaus Möglichkeiten, diesen gesamtpolitischen Kontext im Rahmen einer Strukturreform der Bundeswehr aus dem Verteidigungsministerium heraus anzugehen, indem man z.B. - als Teil der Regierung - Einfluss auf die den Bündnissen zugesagten Mittel und Fähigkeiten nimmt, um diese mit der Reform in Einklang zu bringen, was natürlich im Vorfeld mit Partner-Streitkräften abgestimmt und letztendlich für alle von Vorteil sein muss. (Nach 16 Jahren Union im BMVg ist ein solcher Bruch des Strukturkonservatismus natürlich auf den erste Blick schwer vorstellbar.) Im Endeffekt muss dieses Ministerium eigentlich nur seine Kernaufgabe als Schnittstelle zwischen Politik und Militär erfüllen, um der Reform die notwendige politische Dimension zu verleihen, was aufgrund der damit verbundenen gesellschaftlich-medialen Dimension allerdings in hohem Maße von der Person im Ministeramt abhängt.

Bündnisverteidigung

Die bisher nur halb vollzogene europäische Einigung setzt hinsichtlich der Vereinheitlichung europäischer Verteidigungsbestrebungen Grenzen dadurch, dass jeder Partner die Wahrung der eigenen Interessen in den Vordergrund stellt, das wird sich vorerst auch nicht überwinden lassen. Mangels Mitteln (bzw. Willen) kann kein EU-Mitglied alle seine Interessen selbst militärisch hinterlegen, also fokussiert man sich auf das Wichtigste. Das ist für Frankreich IKM in Afrika, für Polen ist es die Ostfront und wir liegen bekanntlich dazwischen.
Unter Berücksichtigung aller sich daraus ergebenden real existierenden Kapazitäten der EU-Partner, ergibt sich für uns eine mehr oder weniger ausgeglichene IKM/BV-Aufstellung. Davon ausgehend, dass die vorhandenen Mittel es jedoch nicht zulassen, beides unabhängig voneinander in einem jeweils hinreichend effektiven Umfang zu leisten, muss ein diesbezüglich möglichst hoher Dual-Use-Effekt der aufgebrachten Mittel erzielt werden. Ohne das an dieser Stelle erneut ausdetaillieren zu wollen, komme ich persönlich zu dem Schluss, dass Deutschland seinen Anteil einer BV am effektivsten durch eine konzentrierte LV leisten kann. Da für eine solche über das gesamte erforderliche Fähigkeitsspektrum die Mittel - vor allem personell - fehlen, muss hier der Grundsatz Breite vor Tiefe mMn gewahrt bleiben und darf erst dort enden, wo auch die konzentrierte LV endet. Fehlende Tiefe muss durch das Rahmennationen-Prinzip ausgeglichen werden, da bei kleineren Partnern die Breite verständlicherweise deutlich früher endet. Und das setzt den Rahmen, der sich aus dem viel diskutierten Verfassungsauftrag ergibt. Darunter geht es halt nicht.

Bündnisbeiträge/IKM

Was natürlich nicht heißen darf, dass die andere erkannte Hälfte der Verpflichtungen auf der Strecke bleibt. Doch wenn der Verfassungsauftrag - bzw. die russisch getriebene Rückbesinnung auf ebendiesen - bereits nahezu alle strukturell verfügbaren Mittel erfordert, ergibt sich daraus, dass zumindest die Hälfte der Kapazitäten "Dual-Use" sein müssen, auch wenn dies die LV-Struktur weiter schwächt.
An dieser Stelle verweise ich als Beispiel auf meinen Dissens mit Quintus hinsichtlich der Anzahl A400M und des Tiger Mk.III als wichtige Mittel europäischer Bündnis-IKM sowie auch meine Anerkennung von Helios' Argumentation für AAW-Zerstörer.

Unabhängig von den konkreten technischen Mitteln, ist es jedoch - wie anfangs ausgeführt - von elementarer Wichtigkeit, mit einer Änderung der dem Bündnis für IKM zur Verfügung gestellten Beiträge einen tatsächlichen Aufwuchs gesamteuropäischer Leistungsfähigkeit und Autonomie zu erlangen. Daher sehe ich bspw. für Einsätze in Afrika die Bundeswehr und das BMVg gefordert, sich proaktiv bei Regierung und Bundestag um den Einsatz eigener Fähigkeiten zu bemühen, die in der Summe zwar mehr Aufwand erfordern, jedoch besser auf die - sich aus der LV ergebenden - vorhandenen Kapazitäten abgestimmt sind und für unsere Partner einen echten Mehrwert darstellen. Hierzu ist auch eine breite mediale Kommunikation erforderlich, um die in Deutschland dazu äußerst relevante gesellschaftliche Wahrnehmung einzubeziehen. (Eine Aufgabe, die mMn besonders gut durch einen "linken" Verteidigungsminister erbracht werden könnte)
Trotz allem setzt uns die besonders anti-bellizistische Grundtendenz in Deutschland Grenzen, was den öffentlich wahrgenommenen Waffeneinsatz im IKM-Rahmen angeht. Da nun bereits das Rahmennationskonzept für die BV einen deutschen Schwerpunkt auf Führungs-, Unterstützungs- und Logistikkapazitäten sowie den Einsatz von nur indirekt letal wahrgenommenen Hochwert-Technologien (AAW, EloKa, ECR etc.) erfordert, sollte dies auch im Rahmen der IKM genutzt werden - was ja auch defacto schon passiert, nur halt noch in zu kleinem Maßstab, um von den Partnern nicht als reines "Wegducken" aufgefasst zu werden.

Einsatzbereitschaft

Die Erhöhung der Einsatzbereitschaft ist zentrales Ziel der angedachten Reform und soll durch eine zahlenmäßige Reduzierung der Einheiten und des Personalbedarf, sowie mittelfristige technische Vereinheitlichung unterstützt werden, während selbstverständlich auch viele andere Missstände (Beschaffungswesen, Instandhaltung, Munitionsbestände, Ersatzteilversorgung, Beamtenrecht usw. usf.) beseitigt werden müssen, die jedoch weitestgehend unabhängig von der Gliederung sind, in anderen Themensträngen bereits diskutiert wurden und somit im Rahmen dieser "sexy"-Kästchenschieberei nicht explizit wiederholt werden müssen sondern ihr bereits als angenommener Konsens zugrunde liegen.

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Natürlich schwingt bei alldem ein gewisser Optimismus mit, zugegeben. Aber ohne den wird sich halt auch nichts ändern. Und selbst wenn man bspw. auf eine Änderung im politisch-gesellschaftlichen Bewusstsein hofft, sollten von militärischer Seite dazu auch konkrete Angebote gemacht werden können.

(29.11.2021, 10:42)ObiBiber schrieb: man könnte in den einzelnen Bereichen auch komplett neue/sehr radikale Wege gehen...

Ich stimme der Analyse von Quintus hierzu weitestgehend zu.
Tatsächlich würde ich eine solche Aufstellung auch unter gewissen Umständen für praktikabel halten. Diese umfassen mindestens einen reinen Verteidigungszweck sowie eine entsprechend geeignete Gesellschaft (also definitiv nicht in Deutschland) und eine konsequente Umsetzung:

- radikaler Verzicht auf ein Berufsheer, dafür allumfassende Miliz-Strukturen
- Berufsarmee nahezu ausschließlich zur Beherrschung des Luftraumes sowie Anwendung technischer Spezialfähigkeiten
- Seekampffähigkeit über den küstengebundenen Infanteriekampf hinaus ausschließlich unbemannt bzw. aus der Luft

Bei der Milizausstattung würde ich noch weiter gehen und die spezialisierten Militärfahrzeuge auf den Einsatz der technisch anspruchsvollen Mittel der Berufsarmee sowie schwere Waffen (Mrs, MK, Hbz) der Miliz beschränken und alles weitere durch die Milizstruktur mit zivilen Mitteln abdecken. Denn dieses Konzept kann nur funktionieren, wenn man wirklich enorme Massen mobilisiert bekommt und auch im hohen Maße Verluste kompensieren kann.
Das heißt z.B. auch, dass eine Zahl von 80 H145M für eine solche Struktur inkonsequent ist. Entweder man beschafft nur diesen einen Heli und setzt ihn in wirklich großen Mengen ein, oder man lässt es ganz und greift auf andere Mittel wie Drohnen zurück - und das dann in entsprechender Menge.


Für mich ist das ein ganz-oder-garnicht-Konzept, das vom radikalen Tiefe-vor-Breite-Zuschnitt sowie hoher Verlustbereitschaft- und Kompensationsfähigkeit abhängig ist.


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