Luftmobilität
#10
(30.11.2020, 20:32)Quintus Fabius schrieb: So wie Rommel als Infanterist die von ihm durch Erfahrung gewonnenen Infanterietaktiken auf die Panzertruppe übertrug, ist es auch heute durchaus denkbar die Kenntnisse ganz anderer Bereiche im Heer zu verwenden und umgekehrt.

Mit dem Vergleich mit Rommel kann ich gut leben Wink

Zitat:Die Vulnerabilität schwerer Transporthubschrauber ist immens viel höher als die von Kampfhubschraubern. Dazu tritt noch die Vulnerabilität der leichten Panzer selbst welche diese einsetzen. Auch diese leichten mechanisierten Verbände sind extrem gefährdet und viel mehr gefährdet als ein Kampfhubschrauber.

Wie hoch die Vulnerabilität leichter Panzerfahrzeuge in welchen Gefechtsumgebungen ist kann ich wirklich nicht beurteilen, dafür fehlt mir dann tatsächlich die Erfahrung auf dem Gebiet. Der Wunsch, unterhalb des Boxer ein kleineres Fahrzeug mit ähnlichem Schutzniveau einzuführen ist allerdings schon bezeichnend.
Zur Verwundbarkeit der Luftfahrzeuge kann ich mehr sagen, und auch wenn du absolut betrachtet durchaus recht hast, so ist ein direkter Vergleich in meinen Augen trotzdem schwierig, ein genereller Vorteil sowieso. Das fängt zum einen damit an, dass der Kampfhubschrauber taktisch das Gefecht sucht, während es der Transporthubschrauber dieses vermeidet. Dies führt zum anderen zu einer grundsätzlich unterschiedlichen Verweildauer im Gefährdungsbereich, denn das erste Ziel der Transportmission ist mit dem Absetzen der Truppen erreicht, während die Mission für den Kampfhubschrauber vor Ort erst beginnt. Ohne zusätzlichen Schutz würde man Transporthubschrauber nicht in einen Raum mit starker Bedrohung von Luftzielen einsetzen. Hier kommt meines Erachtens die Relevanz des Einsatzverbundes für das von Pogu bereits angerissene Szenario ins Spiel.

Zitat:Die Kosten von schweren Transporthubschraubern zuzüglich der leichten Panzer sind immens viel höher als die von Kampfhubschraubern / Multifunktionshubschraubern in Kombination mit Drohnen oder auch ohne solche. Die Voll-Kosten eines solchen Kombi-Verbandes sind zwei bis dreimal so groß in der Beschaffung wie die eines reinen Kampfhubschrauber-Verbandes. Der Treibstoffverbrauch ist viermal größer. Die Unterhaltskosten ebenfalls höher. Insgesamt kann man von einem mindestens 3 mal höheren Kostensatz ausgehen, und das ist nicht mal extrem gerechnet, sondern eher konservativ und zurück haltend.

Für mich ist die Rechnung so nicht nachvollziehbar, weil ich beide System unterschiedlich einsetzen würde. Ganz generell, die Einsatzkosten der CH-53G sind aktuell extrem hoch, gleiches gilt im übrigen auch für die CH-53E des USMC, was ein Grund für den möglichst schnellen Ersatz durch die CH-53K ist. Allerdings sind diese Kosten nicht repräsentativ für schwere Transporthubschrauber im Allgemeinen, sondern unmittelbar mit dem Muster verknüpft. Die Anschaffungskosten eines schweren Transporthubschraubers sind deutlich höher als die eines Kampfhubschraubers der gleichen Generation, allerdings dient der Transporthubschrauber ja auch als Force Multiplier. Die Gleichsetzung von 40 Transporthubschrauber = 40 geschützte Fahrzeuge ergibt unter dem Aspekt für mich keinen Sinn, weil das primäre Ziel solcher Einsätze nicht das unmittelbare Führen des Gefechts ist, sondern die Verlegung in der Gefechtsvorbereitung oder die anschließende Geländesicherung nach dem Gefecht. In ersterem Fall erzielst du mit einem einzelnen Transporthubschrauber eine deutlich größere Transportleistung, in letzterem Fall ist der Kampfhubschrauber dafür gar nicht in der Lage. Die Flugstundenkosten (Treibstoff, Wartung, etc.) einer CH-47F liegen übrigens in etwa auf dem gleichen Niveau wie jene eines AH-64D (nach Angaben des DoD), die Einsatzkosten der Fahrzeuge werden hier im Vergleich nicht den Ausschlag geben.

Ich betrachte den Einsatz von schweren Transporthubschrauber und geschützten Einheiten als komplementär zu dem Einsatz von Kampfhubschraubern in der modernisierten Doktrin der britischen Armee, wobei ich der Meinung bin, dass deren Paarung von Kampf- und Aufklärungshubschraubern besser in Form von "mehr Kampfhubschraubern" bzw. stärker bewaffneten Aufklärern umgesetzt wäre, ähnlich wie die Amerikaner das mit FARA vorhaben (aber die britischen Streitkräfte sitzen ja ebenso in der Kostenfalle).

Zitat:Das Beispiel des GTK CRV hatte ich ja beispielsweise schon explizit angeführt. Ich würde in jedem Krieg GTK CRV einer Kombination aus einem schweren Transporthubschrauber und einem leichten Panzer bspw. Wiesel vorziehen.

Für die gleiche Aufgabe, wenn sie mit dem GTK lösbar ist, dann kann ich das nachvollziehen. Für mich sind dies aber halt komplementäre Systeme, die nicht die gleichen Aufgaben lösen können. Um das ganze einfach mal umzudrehen, welche Aufgaben können deiner Meinung nach nur von schweren Transporthubschraubern gelöst werden (unabhängig davon, ob leichte Panzer im Spiel sind oder nicht)?

Zitat:Gerade dies ist beispielsweise einer der Gründe warum ich seit jeher schon die maximale Querfeldeinbeweglichkeit über vieles andere stelle (...) Aus dem gleichen Grund bin ich beispielsweise auch gegen jede Art von gepanzerten Fahrzeugen bei leichten Infanterieverbänden und einer Maximierung der Reichweite von allen Systemen - insbesondere beim Steilfeuer.

Der Hubschrauber ermöglicht der Armee eine weitere Form der Querfeldeinbeweglichkeit, die von der Infanterie alleine so gar nicht erreichbar ist, weil er jedes geographische Hindernis vertikal umgehen kann. Mit der Beherrschung des Luftraums (zumindest im jeweiligen Einsatzgebiet) wird damit eine Flexibilität der Bewegung erreicht, die der Feind so nicht erzielen kann, während gleichzeitig schwerere Waffen ins Feld geführt werden können, auf die der Feind verzichten muss. Dies müssen nicht zwingend leichte Panzer sein (zumal auch dort mit Systemen wie dem Panzermörser oder dem Ozelot interessante Varianten verfügbar sind), die Briten üben regelmäßig die Verlegung gezogener Artillerie mit dem Hubschrauber (ggf. Geschütz und Zugfahrzeug).

Zitat:Nun spricht das scheinbar auch für die genannte Form der Luftmechanisierung und gerade aus diesem Komplex heraus habe ich mich ja so lange durchaus positiv damit beschäftigt. Aber: die real erzielbare Kampfkraft ist einfach ein Nichts ! im Vergleich dazu was man an barocker Masse dafür ansonsten bereit stellen könnte.

Für mich ist das aber der Zirkelschluss, denn damit überhaupt die Bewegung durch die Luft eine geringere Kampfkraft darstellen kann, muss die Bewegungsmöglichkeit am Boden gegeben sein. In dem Fall wäre aber die Luftverlegung eh die schlechtere Variante, auch ganz unabhängig von der Kampfkraft. Auch die Zahlen sprechen ja eine deutliche Sprache, es geht nicht um das Führen größerer Gefechte, sondern um die Erfüllung spezieller Aufgaben. Sind diese Aufgaben den Aufwand wert? Das ist eine durchaus berechtigte Frage, aber dafür müsste man klären, bei welchen Aufgaben die schweren Transporthubschrauber im Vorteil bzw. notwendig sind. Deshalb habe ich ja bereits erwähnt, dass wir nicht mit unseren Projektionen der Verwendung auf die tatsächliche Verwendung schließen sollten.

Zitat:Und die Frage der Kampfkraft von Verbänden ist für mich heute höher priorisiert als andere Aspekte, da der nächste ernsthafte Krieg kurz sein wird, in der Auftakphase entschieden werden wird und daher der erste Schlag sitzen muss.

Damit schließt du aber den gesamten Komplex "Auslandseinsätze" bzw. internationale Interventionen aus, was aus deiner persönlichen Sicht natürlich legitim ist, aber (das wirst auch du einräumen müssen) nicht die Einsatzrealität der nächsten Jahrzehnte entsprechen wird. Damit landen wir aber bei dem Problem, dass ich schon im STH-Thema angesprochen habe: wir können uns hier eine Fiktion konstruieren, aber wie sinnvoll ist es die Realität daran zu messen? Wenn es um die Fiktion geht, dann verschiebe ich das Thema in Spekulationen. Geht es um die Beurteilung der Entwicklungen im realistischen Kontext, dann muss dieser auch vollumfänglich betrachtet werden. Irgendwas dazwischen lohnt sich für Aufsätze und Essays. Wink

Daher kommt alles darauf an, die Kampfkraft der bestehenden Verbände auf ein Maximum zu entwickeln.
Und die genannte Form schwere Transporthubschrauber und leichte Panzer ist das Gegenteil davon.

Zitat:Wir benötigen daher viel mehr echte Infanterie, und diese können wir nicht aufstellen und nicht bezahlen, wenn wir ungeheure Mittel in die Aufstellung von extrem spezialisierten und weitgehend nutzlosen Sonderfähigkeiten verschwenden.

Ist diese Entwicklung nicht aber auch der hier im Forum bereits diskutierten gesamtgesellschaftlichen Entwicklung und damit auch der Personalsituation geschuldet? Ernstgemeinte Frage, weil in meinen Augen die gesamte Form der Mechanisierung in den letzten Jahren das Primärziel hatte, den Personalbedarf so weit dies möglich ist zu reduzieren.
Zitieren


Nachrichten in diesem Thema
Luftmobilität - von Quintus Fabius - 29.11.2020, 22:13
RE: Luftmechanisierung - von Quintus Fabius - 29.11.2020, 22:23
RE: Luftmechanisierung - von Nelson - 29.11.2020, 23:19
RE: Luftmechanisierung - von Helios - 30.11.2020, 09:35
RE: Luftmechanisierung - von Pogu - 30.11.2020, 11:15
RE: Luftmechanisierung - von Quintus Fabius - 30.11.2020, 20:32
RE: Luftmechanisierung - von Quintus Fabius - 30.11.2020, 20:43
RE: Luftmechanisierung - von Quintus Fabius - 30.11.2020, 20:46
RE: Luftmechanisierung - von Pogu - 30.11.2020, 21:26
RE: Luftmechanisierung - von Helios - 01.12.2020, 14:35
RE: Luftmechanisierung - von Quintus Fabius - 02.12.2020, 11:02
RE: Luftmechanisierung - von Helios - 02.12.2020, 14:37
RE: Luftmechanisierung - von Quintus Fabius - 02.12.2020, 22:31
RE: Luftmechanisierung - von Helios - 03.12.2020, 11:03
RE: Luftmechanisierung - von Quintus Fabius - 03.12.2020, 22:53
RE: Luftmechanisierung - von Helios - 05.12.2020, 12:56
RE: Luftmechanisierung - von Pogu - 04.12.2020, 20:07
RE: Luftmechanisierung - von Quintus Fabius - 07.12.2020, 22:43
RE: Luftmechanisierung - von Helios - 08.12.2020, 11:14
RE: Luftmechanisierung - von Quintus Fabius - 08.12.2020, 22:47
RE: Luftmechanisierung - von Quintus Fabius - 24.02.2021, 20:58
RE: Luftmechanisierung - von Quintus Fabius - 12.04.2021, 08:51
RE: Luftmechanisierung - von Helios - 12.04.2021, 11:39
RE: Luftmechanisierung - von Quintus Fabius - 14.04.2021, 15:47
RE: Luftmechanisierung - von Helios - 15.04.2021, 11:44
RE: Luftmechanisierung - von Quintus Fabius - 18.04.2021, 10:56
RE: Luftmechanisierung - von Helios - 19.04.2021, 09:54
RE: Luftmechanisierung - von Broensen - 17.05.2021, 15:01
RE: Luftmechanisierung - von Quintus Fabius - 17.05.2021, 21:33
RE: Luftmechanisierung - von Broensen - 17.05.2021, 22:11
RE: Luftmechanisierung - von Quintus Fabius - 17.05.2021, 22:26
RE: Luftmechanisierung - von Helios - 18.05.2021, 10:36
RE: Luftmechanisierung - von Quintus Fabius - 18.05.2021, 14:57
RE: Luftmechanisierung - von Helios - 18.05.2021, 17:47
RE: Luftmechanisierung - von Quintus Fabius - 18.05.2021, 22:07
RE: Luftmechanisierung - von Quintus Fabius - 14.11.2022, 23:37
RE: Luftmechanisierung - von Broensen - 15.11.2022, 01:37
RE: Luftmechanisierung - von Quintus Fabius - 15.11.2022, 09:16
RE: Luftmechanisierung - von Broensen - 15.11.2022, 19:11
RE: Luftmechanisierung - von Quintus Fabius - 19.11.2022, 20:42
RE: Luftmechanisierung - von Broensen - 20.11.2022, 00:34
RE: Luftmechanisierung - von Quintus Fabius - 21.11.2022, 00:57
RE: Luftmechanisierung - von Broensen - 21.11.2022, 14:48
RE: Luftmechanisierung - von Quintus Fabius - 22.11.2022, 10:12
RE: Luftmobilität - von Quintus Fabius - 20.02.2024, 23:04
RE: Raketenartillerie - von Quintus Fabius - 08.04.2021, 21:42
RE: Raketenartillerie - von Nelson - 09.04.2021, 17:32
RE: Raketenartillerie - von Quintus Fabius - 10.04.2021, 19:28
RE: Raketenartillerie - von lime - 10.04.2021, 21:29
RE: Raketenartillerie - von Quintus Fabius - 10.04.2021, 23:14
RE: Raketenartillerie - von Quintus Fabius - 10.04.2021, 23:56
RE: Raketenartillerie - von OG Bär - 11.04.2021, 00:27
RE: Raketenartillerie - von lime - 11.04.2021, 09:35
RE: Raketenartillerie - von Quintus Fabius - 11.04.2021, 11:56
RE: Raketenartillerie - von Helios - 11.04.2021, 14:29

Gehe zu: