Luftmobilität
#24
(18.12.2020, 19:23)Quintus Fabius schrieb: Nur weil eine bestimmte Entwicklung in vielen Ländern paralell abläuft bedeutet nicht, dass diese wirklich sinnvoll ist. (...) Das ist eine Henne / Ei Frage.

Das ist selbstverständlich (und schon fast beleidigend, dass du das noch explizit erwähnst Wink ), es geht mir aber nicht um die schlicht Existenz, sondern um die jeweilige Entwicklung, Umsetzung und Bewertung. Mehr steht aus der Praxis schließlich nicht zur Verfügung. Jede hier oder anderswo aufgestellte Theorie ist letztlich praktisch nicht beweisbar, wie hoch ist deren Argumentationswert dann tatsächlich?

Nehmen wir die von dir erwähnte punktgenaue Versorgung mittels automatisch gelenktem Lastenfallschirm. Wir können hier sehr lange über die tatsächliche Umsetzung, die erzielbare Genauigkeit, den dafür notwendigen Aufwand und damit auch den Einsatzmöglichkeiten diskutieren, kein einziges Fazit aber praktisch verifizieren. Das bedeutet nicht nur, dass jede Aussage auf einer theoretischen Betrachtung basiert, sondern auch jede Gegenargumention willkürlich erfolgen kann Umgekehrt gibt es praktische Ergebnisse, die aber nicht mit den Schlussfolgerungen der theoretischen Diskussion übereinstimmen. Natürlich kann das daran liegen, dass andere Faktoren (bspw. entsprechende militärische, industrielle oder politische Lobbyarbeit) diese Ergebnisse so beeinflusst haben, dass eine sachlich neutrale Bewertung gar nicht stattfinden konnte. Umgekehrt können aber auch einfach die theoretischen Betrachtungen falsch sein.

Mangels praktischer Erfahrung kann ich bei dem Thema nur auf die stattgefundenen Versuche verweisen, die vor allem drei wesentliche Nachteile festgestellt haben:
- das Entdeckungsrisiko solcher Abwürfe ist gegenüber dem Hubschraubereinsatz deutlich größer (die Signatur von Flugzeug und Fracht ist höher, es gibt quasi keine praktischen Gegenmaßnahmen;
- die notwendige Landezone muss größer und gleichmäßiger sein, weil die genaue Steuerung großer Lastenfallschirme ungenau und träge ist und Korrekturen unmöglich sind;
- die Lastvielfache sind in der Praxis deutlich höher, weshalb empfindliche Güter deutlich stärker geschützt werden müssen oder gar nicht entsprechend transportiert werden können;

Natürlich kann das sein, dass diese Punkte durch fortschreitende Technik obsolet werden, dass die erhobenen Daten bewusst fälschlich interpretiert worden sind oder dass die entsprechenden Anwendungsfälle nur eine geringe oder gar keine Praxisrelevanz besitzen. Zumindest letzteres kann ich einschränken, da die Luftverladung von empfindlichen Gütern (bspw. montierte Triebwerke) mir bekannt immer schwierig ist. Grundsätzlich aber könnte alles davon zutreffen. Wie soll diese Diskussion argumentativ weitergehen?

Mehr als diese praktischen Fremderfahrungen und meine eigene Interpretation kann ich nicht anbieten, du eventuell entsprechend gegenteilige Erfahrungen und deine eigene Interpretation. Ein Fazit lässt sich aus dieser Situation nicht ziehen, daran hängt aber ein wesentlicher Teil der Argumentation Pro oder Kontra.

Zitat:Henne und Ei. Die tatsächlich angewendete Doktrin resultiert nicht zuletzt und vor allem anderen aus der Beschaffung dieser Hubschrauber an sich. Den als diese beschafft wurden gab es diese Auslandseinsätze so nicht. Gerade in der Bundeswehr hat man die Luftmechanisierung in den 90er Jahren bewusst als Vorwand genutzt um diese Fähigkeiten zu erhalten, obwohl es damals gar keinen logischen Grund mehr dafür gab.

Die Zahl ist ja durchaus deutlich reduziert worden, was verblieb war für die Politik günstig, weil man sich durchaus international engagieren konnte ohne tatsächlich vor Ort präsent sein zu müssen (wie das beispielsweise bei einer Landversorgung notwendig wäre). Die schweren Transporthubschrauber sind mangels (Hubschrauber-)Alternative dementsprechend auch in den neunziger Jahren bereits für Logistikeinsätze im Ausland verwendet worden, bspw. in den Kurdengebieten oder dem Balkan. Auch für andere Einsätze wurden diese vorgehalten (bspw. Somalia). Hier hat man sich abgestützt auf den Erfahrungen der US-Amerikaner beim Einsatz schwerer Transporthubschrauber.

Natürlich ist das in gewisser Hinsicht "Henne und Ei", und nach deinen Ausführungen fällt es mir auch schwer das Festhalten am Prinzip der nur leicht geschützten Waffenträger (Panzer nennt sie ja nicht nur aus historischen Gründen nicht mal die Bundeswehr selbst) nachvollziehen zu können. Umgekehrt fehlten aber auch tatsächlich die politisch konformen Alternativen, die letztlich zu diesen Einsätzen und dem Festhalten bis heute geführt haben. Das will ich nicht pauschal gutheißen, aber es ist nachvollziehbar und dementsprechend festzuhalten.

Zitat:Zugegeben ein Extrembeispiel und für größere Infrastruktur benötigt man natürlich deutlich mehr - aber das ist nicht die Aufgabe der Luftsturm-Infanterie und damit auch nicht die Aufgabe der Sturmpioniere als organischer Bestandteil derselben.

Dann habe ich dich in dem Punkt falsch verstanden.

Zitat:Das ist mir etwas zu allgemein. Bleiben wir mal in Einsatzgebieten: Warum konkret sollten bestimmte Einsatzgebiete (nehmen wir konkret dichter Dschungel mit hohem Baumbewuchs) nicht mehr genutzt werden können, nur weil wir keine schweren Transporthubschrauber für logistische Aufgaben in diesem Bereich haben?

Wenn in Gebieten eh kein schwereres Gerät und keine größeren Einheiten eingesetzt werden können und keine längerfristige oder dauerhafte Präsenz zu erwarten ist reduziert sich der Bedarf und die Abhängigkeit an und von schweren Transporthubschraubern natürlich gegen Null. Mir geht es um Einsätze in Regionen, in denen temporäre oder dauerhafte Feldlager, größere und/oder mechanisierte Einheiten versorgt werden müssen. In den europäischen und eurasischen Wäldern ist das der Fall, auch in den teilweise schroffen Hügel- und Gebirgslandschaften Süd- und Nordeuropas. Es geht mir nicht um dichten Dschungel oder das Hochgebirge. Unser Einsatzlager in Afghanistan hätte man vermutlich tatsächlich per Fallschirm versorgen können, bei den Amerikanischen Lagern, die teilweise in gebirgigem Gebiet lagen, wäre das schwieriger geworden. Auch auf dem Balkan stelle ich mir das anhand der Versuche schwierig vor.

Falls in den Gebieten keine Versorgung per Fallschirm möglich wird, fallen alle sperrigen Güter weg. Das können Austauschmotoren/Triebwerke sein, Ersatz für leichte Fahrzeuge, auch größere Munitionsmengen (bspw. Artillerie), usw. Auch größere Truppenbewegungen, Personalaustausch, usw. wären unter diesen Umständen schwierig.

Wie gesagt, dass alles unter der Voraussetzung, dass der von dir vorgeschlagene Lastenabwurf wie von mir erwartet nicht sinnvoll möglich ist.

Zitat:Beschließend noch eine mögliche Struktur für einen Verband von Brigade-Größe, wie ich mir so ungefähr eine Luftsturm-Einheit vorstelle

Danke, welche Zahlen schweben dir für die Hubschrauberbataillone innerhalb dieser Brigaden vor? Oder für die Transporthubschrauberbataillone, welches Transportvermögen?
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