Luftmobilität
#33
Helios:

Zitat:Nein, aber ich halte es vom Gesamtaufwand her für unproblematischer und einfacher als ein Vorhalten gleicher Dimensionen in den Verbänden

Dem kann ich nicht so ganz folgen und es erscheint mir als eine Milchmädchenrechnung (bitte sieh mir die Wortwahl nach). Es ist doch eigentlich egal wo die zusätzlichen Hubschrauber sind, ob in einer eigenen Brigade (erzeugt nur weiter überflüssige Führungsstrukturen, Stäbe, hochrangige Offiziere) oder direkt in den Verbänden verteilt (geringerer Wasserkopf) - die Zahl der Helis ändert sich dadurch ja nicht. Eine eigene Reserve innerhalb des Verbandes halte ich aus diversen Erfahrungen von mir für überlegen bzw. für effektiver.

Das ist ja wieder der Wiederspruch zwischen Effektivität und Effizienz im militärischen Bereich, den ich als wesentlich einstufe, während du ihn offenkundig für weniger problematisch hältst:

Zitat:Das Problem von Effizienz und Effektivität ist ja die jeweilige Wechselwirkung, primär wäre das eine Effizienzsteigerung, die sich aber durch die so deutlich größeren Reserven und den geringeren nichtkämpfenden Personalbedarf auch in der Effektivität niederschlagen.

Meiner rein persönlichen Meinung nach sollte es im Militärischen ein Primat der Effektivität vor der Effizienz geben. Zumindest hat sich das militärischt oft ausgezahlt. Da du den von mir als wesentlich empfundenen Widerspruch aber gar nicht so wahrnimmst wie ich, erklärt sich hieraus auch vollständig die Differenz in den Schlußfolgerungen bezüglich redundanter Systeme und Strukturen.

Zitat:Soll heißen, ich habe lieber drei Kampfverbände mit einem Klarstand von 95% und einen nichtkämpfenden Rotationsverband (also "ohne Klarstand", der spezialisiert darauf ist die entsprechenden Arbeiten durchzuführen oder zu delegieren), als vier Kampfverbände jeweils mit einem Klarstand von 70%. Nominell läuft es auf die gleichen zur Verfügung stehenden Stückzahlen hinaus, real sollte die Kampfkraft aber höher sein.

In Wahrheit ist die Kampfkraft meiner Einschätzung nach eher gleich, man kann aber gleichzeitig einen Auftrag mehr übernehmen. Nehmen wir einen fiktiven Wert von 100 Einheiten pro Verband in deiner Struktur. Dann hast du drei Verbände mit jeweils 95 einsetzbaren Einheiten - insgesamt also 285 Einheiten. Demgegenüber habe ich vier Verbände mit jeweils 70 einsetzbaren Einheiten - also insgesamt 280 Einheiten. Praktisch also gleich viele verfügbare Einheiten wie du es ja auch schreibst. Aber, du setzt hier die Kampfkraft des Einzelverbandes jeweils vor allem mit der bloßen Zahl der in diesem Verband für sich allein verfügbaren Einheiten gleich. Deine Rechnung ist also: 95 ist besser als 70. Dass lässt aber eben außer Acht, dass ich immer einen Verband mehr habe. Diese zusätzlichen 70 Einheiten können einen weiteren Auftrag übernehmen - oder sie können auch jeweils einen anderen Verband unterstützen (95 ist nicht besser als 140). Darüber hinaus kämpfen ja nicht alle Untereinheiten eines solchen Verbandes.

Untersuchungen bei Boden-Einheiten haben ergeben, dass bei Großkampfverbänden meist nur 1 oder 2 der Untereinheiten tatsächlich kämpften, also tatsächlich gleichzeitig eingesetzt waren. Nehmen wir an, die 100 Systeme teilen sich in 4 Untereinheiten auf. Dann sind bei dir wie bei mir 25 bis 50 Systeme gleichzeitig im Einsatz, während der Rest nichts zur Kampfkraft beiträgt.

Damit wird deine Lösung eines maximalen Klarstandes folglich nicht effizienter sein, den während bei mir (Annahme 2 Untereinheiten werden eingesetzt) nur 20 einsetzbare Maschinen zu viel sind, wären es bei dir 45 welche nicht zum Zug kommen würden.

Da ich aber insgesamt einen kompletten Verband mehr habe, ergibt dass zumindest zwei weitere Untereinheiten dieses Verbandes dies ebenfalls Aufträgen übernehmen und wirken können. Insgesamt ergibt sich daraus für mein Modell eine größere Kampfkraft, weil mehr Untereinheiten insgesamt mit 100% ihres Bestandes gleichzeitig eingesetzt sind.

Zitat:Entweder ganz auf mittlere Transporthubschrauber setzen (was ich allerdings nicht bevorzugen würde), oder deutlich stärker die schweren Transporthubschrauber nutzen,

Da hast du recht, und folgerichtig würde ich im weiteren nur auf mittlere Mehrzweck-Hubschrauber setzen.

Zitat:Zum einen potenziert sich der Koordinationsaufwand, die dreifache Zahl an Hubschraubern zu führen ist deutlich komplizierter

Das scheinbare Problem der Führung solcher umfangreicherer Verbände ist meiner Meinung nach vor allem eine Frage der Struktur der Führung und der militärischen Kultur. Umgekehrt erzeugt eine deutlich größere Zahl von Hubschraubern aber auch mehr Möglichkeiten. Wenn man mehr gleichzeitig tun kann (Simultanität) dann überfordert man damit eher den Gegner und kann diesen deshalb eher tatsächlich ausmanövrieren, ihn regelrecht lähmen, ihm den eigenen Willen aufzwingen.

Zitat:der Fußabdruck von drei mittleren Transporthubschraubern ist größer als der eines schweren Transporthubschraubers, sowohl was den Personal- als auch den Materialbedarf angeht.

Da ich die Effektivität vor die Effizienz stelle, sehe ich naturgemäß darin weniger ein Problem. Aber selbst wenn man von deiner Warte ausgeht sollte man dann nicht außer Acht lassen, dass man für diesen größeren Aufwand ja auch eine größere Leistung erhält - nämlich eine größere Kampfkraft. 3 (beweglichere) Plattformen für Waffen sind besser als 1 (weniger bewegliche) Plattform.

Zitat:Die Fähigkeiten und Möglichkeiten sind gegenüber den eigenen Unterstützungs- und gegebenenfalls echten Kampfhubschraubern an sich bereits deutlich eingeschränkt (höheres Risiko, geringerer Nutzen),

So wie auch ein Schützenpanzer gegenüber einem Kampfpanzer eingeschränkter ist, dennoch bezweifelt niemand seinen Nutzen und seinen Beitrag zur Kampfkraft. In deinem Modell in dem die Feuerkraft vor allem von den Unterstützungs- und Kampfhubschraubern her rührt (die es bei mir ja auch noch explizit gibt), verstärken bei mir die Mehrzweck-Hubschrauber diese Feuerkraft noch, so dass insgesamt die Feuerkraft des gesamten Verbandes dadurch erheblich ansteigt und bei Verlusten weniger absinkt, da die Gesamtfeuerkraft sich so insgesamt mehr verteilt. Der Vergleich eines Kampfhubschraubers mit einem bewaffneten Mehrzweck(Transport) Hubschrauber geht natürlich immer zuungunsten des letzteren aus, aber wieder ist es hier vor allem die Gesamtzahl, welche insgesamt dann doch eine erhebliche Feuerkraft bereit stellt. Viel Kleinvieh macht dann halt auch viel Mist.

Zitat:hinzu kommt, dass die jeweiligen Zahlen die Operationsfreiheit weiter einschränken.

Meiner Ansicht nach verbessern sie die Operationsfreiheit, da man in dem Fall dass die Einheiten mit einer Sache gebunden sind noch direkt eigene Reserven hat welche weitere Sachen übernehmen können. Die Frage der schnell und unter eigener Ägide verfügbaren Reserve ist auch ein primärer Grund für meine Ansichten dazu. In deiner Struktur fehlt mir rein persönlich eine ausreichende Reserve und eine solche auszuscheiden und vorzuhalten ist wesentlich für eine möglichst große Effektivität des Gesamtverbandes, unabhängig von der Frage der Effizienz.

Zitat:vielmehr sollte die Infanterie dann zusammen mit Unterstützungs- und Kampfhubschraubern agieren. Hier wiederum kann ich dann auch die von dir skizzierten Vorteile abseits von Aufklärungsunterstützung nachvollziehen.

Es ist ja nicht so, dass ich keine Kampfhubschrauber vorsehen würde. Im Gegenteil wären sie bei mir ja zwingend auch ein organischer Teil des Großkampfverbandes, also der Luftsturm-Brigade, während du sie ja explizit extern in selbstständigen Einheiten zusammen ziehen würdest.

Das primäre Problem was ich dabei habe ist, dass gerade die Zusammenarbeit zwischen Helis und Infanterie entscheidend von der Vertrautheit beider Seiten miteinander abhängt und davon ob sie organisch zusammen gehören. Gerade deshalb hat man beispielsweise in Vietnam aus den Reihen der eingesetzten Infanterie, insbesondere aber aus den Reihen der eingesetzten Sondereinheiten direkt Verbindungsleute heraus rekrutiert um diese in den Hubschraubern einzusetzen - damit die Zusammenarbeit, die Koordination also besser läuft. Das wurde selbst mit Flugzeugen so praktiziert. Gerade bei dir sehe ich aufgrund dieser Trennung Probleme mit der gegenseitigen Koordination, mit der Führung eines solchen Verbandes und vor alle mit der Frage der Geschwindigkeit aller Entscheidungs-, Handlungs- und Informationsgewinnungsprozesse. Und gerade die Frage der Geschwindigkeit ist die für einen solchen Verband ausschlaggebende den für höchste Geschwindigkeiten ist er eigentlich konzipiert und ist die Geschwindigkeit selbst doch einer der primären Faktoren seiner Kampfkraft.

Zitat:weil die ganze Kooperation zwischen Infanterie und einem "fliegenden Schützenpanzer" umweltbedingt mittelbarer verläuft als ich mir dies am Boden vorstellen kann, während die jeweiligen Stand- und damit auch Einsatzzeiten kürzer ausfallen (denn der Grundvorteil der Luftsturm-Infanterie gegenüber Hubschrauberunterstützten Bodeneinheiten ergibt sich ja primär über die Einsatzfähigkeit in der Distanz, und die wiederum reduziert die jeweilige Unterstützungszeit).


Da die Geschwindigkeit in allen Prozessen aber gerade eben der wesentliche Wert ist, welcher die Kampfkraft eines solchen Verbandes mehr als die meisten anderen Faktoren erhöht ist die Kürze der jeweiligen Zeiten meiner Einschätzung nach weniger ein Problem als vielmehr ohnehin geboten, um den Geschwindigkeitsvorteil nicht wieder einzubüßen.

Im Archer-Jones Modell sind solche Verbände ja Raider - Raiding Einheiten und ihrem Charakter nach daher schon auf solche Hit-and-Run (Zuschlagen und Verschwinden) Szenarien hin konzipiert. Alles andere wäre gegen ihre Natur.

Zitat: das ist fiktiv, weil ich der Struktur noch NH90 für Verbindungsaufgaben und UAV-Einsätze beigestellt habe. Je nachdem wie diese Aussehen können die Aufgaben auch von H145 (oder CH-53K) übernommen werden.

Da hast du recht, dieses Argument von mir war falsch.

Zitat:Das Problem bei den Zahlen ist aber, dass sie davon ausgehen, dass die Transporthubschrauber auch tatsächlich nur Transportaufgaben übernehmen. Die reine Transportleistung liegt ja "nur" bei etwa 600 Mann, also einem Luftsturm-Grenadier-Bataillon. Wenn du die Transporthubschrauber als weitere Waffenträger nutzt, reduzierst du damit die tatsächlichen Einsatzmöglichkeiten für die Infanterie, oder musst die Zahl dieser Hubschrauber deutlich erhöhen.

Exakt. Genau deshalb sind die Zahlen bei mir ja auch so deutlich höher. Ich gehe de facto von einer Art Schützenpanzer aus, welchen ich für Raids verwende, du von einer Art Transportpanzer, welcher auch am Boden für die Luftsturm-Infanterie dann eine ganz andere Natur des Kampfes zur Folge hätte.

Zitat:Das ist für mich allerdings kein Kriterium, vor allem weil realistisch FLRAA bei uns nur eine Chance hätte, wenn der neue mittlere Hubschrauber scheitert, was ich wiederum nicht hoffe.

Erstaunlich dass jemand mit deiner profunden Kenntnis in diesem Bereich da noch überhaupt noch Hoffnungen hat. Das macht ja glattwegs mir wieder Hoffnung.
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Luftmobilität - von Quintus Fabius - 29.11.2020, 22:13
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