Luftmobilität
Ich wusste es, ich hätte mich zurückhalten sollen… Spannende Diskussion aber wir kommen vom Hundertsten ins Tausenste.

Jäger mit Spike NLOS:

Danke für die genauere Erklärung deines Ansatzes.
Meine Behauptung diesbezüglich war nicht, dass es derartige, Raketensysteme mit zielsuchender Munition nicht gibt, sondern spezifisch, dass es keine ‚25kg System mit 25km Reichweite‘ existieren. Sprich, es gibt kein System, dass leicht genug ist um ähnlich den tragbaren Panzerabwehrwaffen durch den Infanteristen bewegt zu werden. Das System Tamuz / Spike NLOS wiegt mit Stargerät 70kg wird mindestens von leichten taktischen Fahrzeugen zum Einsatz gebracht.
Insofern war mein Punkt schlicht, dass die jagenden Raketenartilleristen nicht nur Wirkmittel eingeflogen bekommen müssen, sondern auch geeignete Startfahrzeuge, was den Fußabdruck der ganzen Aktion und damit Aufwand und Risiko deutlich erhöht.
Um es klarzustellen: Ich grundsätzlich kein Problem mit solchen Systemen. Die können schon Sinn machen, aber halt weniger für irgendwelche Luftverlegbaren Notnagel-Jäger sondern auf Rad für die mittleren Kräfte. Panzerjägerkompanien mit Spike NLOS auf GTK Boxer – warum nicht. Mach am besten eine gemischte Truppe daraus und nimm M-SHORAD dazu.

Helis mit Raketen:

Anstatt eine Luftlanderaketenartilleriebatterie mit mindestens mittleren Transporthubschraubern nach vorne zu verlegen ist der Einsatz von leichtem Kampfhubschrauber mit 25km+ Raketen gesamtheitlich betrachtet
- mit wesentlich geringerem Risiko verbunden. Leichte Kampfhubschrauber sind überlebensfähiger als mittlere Transporthubschrauber die Fahrzeuge durch die gegen karren. Zudem riskiert man damit nicht auch noch irgendwelche Infanteristen am Boden.

- mit deutlich geringerem Aufwand realisierbar. Warum ein halbes Jägerbataillon ins Feld luftverlegen, wenn die gleiche Wirkung durch eine Halbstaffel leichter Kampfhubschrauber gewährleistet wird? Aufwand, Risiko und Nutzen stehen hier in einem krassen Missverhältnis.

- Wesentlich flexibler umzusetzen. Gerade wenn es darum geht möglichst rasch irgendwelche Durchbrüche abzuriegeln empfiehlt sich eine Plattform die auch möglichst prompt Wirkung entfalten kann. Bis die Infanterie verladen und ordentlich im Gelände verteilt ist… meinetwegen ist man schneller als wenn das Panzerbataillon auf Kette selbst heranrollt, aber wirkliche Mobilität verglichen mit Kampfhubschraubern oder Kampfjets ist das auch nicht.

Um es klarzustellen: Ich würde natürlich auch nicht auf Kampfhubschrauber zurückgreifen wollen, sondern durchbrechende / vorbeifahrende Panzerverbände halt mit Kampfjets und Abstandslenkwaffen bekämpfen. Kampfhubschrauber sind ganz grundsätzlich ein Waffensystem, dass man sich sparen kann.

Strategische Ebene:

1. Ich halte die USA eben für einen dahingehend zuverlässigen Verbündeten, dass sie uns allermindestens in einem direkten Bedrohungsszenario (=russischer Angriff auf die Nato / EU) nicht hängen lassen werden. Natürlich werden sie isolationistischer werden, außenpolitisch eher auf den pazifischen Raum schauen (müssen) und am liebsten wäre es ihnen, wenn wir Russland alleine in Schach halten können (was perspektivisch btw möglich sein wird!). Aber die Idee, dass effektiv das V Corps von den heranrollenden Russen von Polen zur Atlantikküste zurückverlegt um möglichst unbeschadet zu verschwinden, ist einfach hanebüchen. Die USA sind hier in Europa präsenter als vor 10, 20 Jahren und nichts - auch kein Trump der Welt - deutet darauf hin, dass sie bis 2040 ganz verschwunden sein werden. Der Zyniker mag hinzufügen: Allein schon, weil die US Army auch irgendeinen Rechtfertigungsgrund für ihr Funding braucht und der Pazifik das nicht hergibt.

Und wie du mir richtigerweise zuschreibst, ich will dezidiert auch nichts anderes. Europa kann gemeinsam mit den USA und darüber hinaus mit anderen westlich geprägten Nationen bis in den Pazifischen Raum hinein sicherheitspolitisch so unglaublich viel mehr erreichen als mit irgendeiner geradezu provinziellen Eigenständigkeit. Ich brauche kein eigenständiges militärisch souveränes Europa, ich möchte eine Abendländische Allianz / ‚Alliance of the West‘ die unsere gemeinsamen Werte der Freiheit, Selbstbestimmung und Demokratie gegen zivilisatorisch zunehmend wieder zurückfallende, reaktionäre Autokratien Asiens verteidigt.
Leider haben wir nicht die Macht und den Willen unsere Vorstellungen offensiv nach außen zu vertreten, aber um ‚die Stadt auf dem Hügel vor den Barbaren zu verteidigen‘ sollte es wenigstens in diesem Jahrhundert noch ausreichen. Darüber hinaus wird der technische Fortschritt eh alle geopolitischen Grundstrukturen über den Haufen werfen.

Egal… heißt bezogen auf hier jetzt jedenfalls nicht, dass wir als Europäer im eigenen Haus und gerade im Osteuropäischen Raum nicht die Hauptrolle übernehmen sollten. Aber es gehört auch dazu, dass wir uns in anderen Fragen, Räumen und Konflikten hinter den USA einordnen.


2. Mögliche Symmetrische Kriege im internationalen Raum sind für die große Mehrheit der Streitkräfte der europäischen Nato kein relevanter Fokus. Die politischen Voraussetzungen geben das schlicht nicht her. Von den dezidierten Expeditionsstreitkräften der Briten und Franzosen abgesehen gibt es keine Ambitionen, irgendwo außerhalb des Europäischen Raumes groß und symmetrisch mit welchen Bodentruppen auch immer aufzuschlagen. Das mag man bedauern oder für unklug halten, aber es ist so. Es gibt da keine wirklich dringende Notwendigkeit und erst recht keinen politischen Spielraum in diese Richtung zu rüsten oder unsere Streitkräfte auf derartige Eventualitäten hin auszurichten und zu spezialisieren. Oder anders gesagt: Deutsche Fallschirmjäger in Westtaiwan sind ziemlich genau so wahrscheinlich wie die kolportierte Interstellare Invasion von Sirius Beta.


3. Der Einwand, den Schwerpunkt der mechanisierten Verbände doch besser bei den frontnahen Nato-Staaten zu verorten ist durchaus berechtigt. Ein Grund warum ich mich nach dem Krieg in der Ukraine und den Nato-Beitritt Finnlands und als bald Schwedens dezidiert nicht gegen mittlere Kräfte in der Bundeswehr und damit einhergehen leichtere Gefechtsfahrzeuge ausspreche. Nur sind wird dann halt beim Boxer, nicht beim Eagle und die Panzertruppe bleibt eine Panzertruppe.

Bezogen rein auf Deutschland ist dabei auch anzumerken, dass ‚hinter uns‘ noch die ein oder andere Europäische Nation steht, die den Expeditionsgedanken seit jeher viel eher nachgehen (muss) als es für Deutschland geboten ist. Will heißen, Deutschland ist gut beraten sich in seiner Militärpolitischen Ausrichtung eher an den Anforderungen der Bündnisverteidigung im Osten mit tendenziell schweren Verbänden zu orientieren, als mit leichteren Expeditionsstreitkräften den Westeuropäischen Verbündeten hinterherzutingeln.

Und grundsätzlich müsste hier im Bündnis sowieso eine viel engere Abstimmung erfolgen, welche Fähigkeiten von welchen Nationen tatsächlich und real abgedeckt werden müssen und welche nicht. Aber gut, dass sind billige Sonntagsreden.


4. Zur Luftwaffe, sicherlich, die heute real existierenden Europäischen Luftwaffen reichen für eine totale Luftüberlegenheit nicht aus. Was hauptsächlich am eigenen Unvermögen liegt und weniger am russischen Potential. Wir befinden uns aktuell aber auch mitten in der Umrüstung zur F-35 und werden eingedenk der laufenden Nachrüstungen perspektivisch bis zum Ende des Jahrzehnts substantiell mehr zu Stande bringen können als aktuell.
Entsprechend habe ich das auch als Ausblick formuliert, heute wäre Dominanz nur unter Einbeziehung der US-Luftwaffen möglich, keine Frage.

Aber gleichzeitig, Dominanz ist ein großes Wort, von dem sich viele Abstriche machen lassen bevor es nicht mehr zum (auch komfortablen) Sieg reicht. Gegen Russland ganz aktuell in der jetzigen Situation in der Ukraine oder mittelbar danach? Platt gesagt, wir würden die Polen bis Moskau nicht einholen.


5. Asymmetrien neigen zu ausgleichenden Gegenreaktionen – absolute Zustimmung. Jedoch ist Russland hierbei in meinen Augen nicht mehr der entscheidende Gegenspieler. Russland hat nicht mehr das technologische Knowhow, die technischen Kapazitäten, die finanziellen Mittel und festen militärpolitischen Strukturen um bahnbrechende Waffensysteme auf breiter Ebene einzuführen. Die werden weiterhin irgendeinen Bulls*t zu irgendwelchen Wunderwaffen erzählen und dabei wird nicht mehr rumkommen als die letzten 20 Jahre auch.
Echte (und große!) Gefahr diesbezüglich droht uns aus der chinesischen Ecke, aber die werden einen Teufel tun und ihre Gamechanger nach Russland zu verscherbeln. Erst recht nicht in relevanten Stückzahlen. Bezogen auf Russland müssen wir uns einfach von der Vorstellung lösen, dass Russland im weiteren Verlauf des 21. Jahrhunderts ein ebenbürtiger Gegenspieler sein wird. Die sind auf allen Eben im freien Fall, brauchen im Ukrainekrieg ihr militärisches Potential schlicht auf und werden nicht in der Lage sein militärisch wieder mit uns aufzuschließen.

Gleichwohl: Natürlich benötigt es eine gewisse militärische Bandbreite um unvorhersehbaren Entwicklungen zu begegnen. Entsprechend trete ich eben auch dezidiert für die Beibehaltung der Panzerwaffe mit all ihren beschrieben Vorteilen in Punkto Flexibilität und Variabilität ein und lehne das spezialisierte Nischenprojekt Notnagel-Jäger ab.


6. Die Kostenfrage: Wir haben grundsätzlich Geld, auch mehr als genügend im Verteidigungshaushalt. Was wir nicht haben sind überflüssige dritte und vierte Söhne, die wir im infanteristischen Kampf opfern können ohne das es irgendwen groß juckt. Entsprechend muss unser Kriegsansatz zwingend einen technischen Schwerpunkt haben und alles dafür getan werden, dass unser technologischer Vorteil voll zur Geltung kommt. Auch wenn es vordergründig den ein oder anderen Euro mehr kosten mag.

Weiterhin, was ist denn teurer das Panzerbataillon oder das Jägerbataillon mit – Achtung – dem Transporthubschrauberregiment dahinter? Kosten die 900 Mann im Jägerbataillon weniger als die 500 im generischen Panzerbataillon? Brauchen Jäger weniger Betreuung als Panzerfahrer? Wie war das gerade mit den Personalproblemen und sprengen die Personalkosten nicht sowieso schon den Wehretat? Unsere Jägerbataillone sind vollmotorisiert – benötigt dieser Fuhrpark denn nicht genauso Betreuungsaufwand? Und dahinter dann H145, NH90, CH-47?

Sprich, ich hätte grundsätzlich Zweifel, dass der luftverlegbare Panzerjäger so arg viel günstiger als das Panzerbataillon kommt.


7. Die genaue Auslegung der Begrifflichkeit Abnutzungskrieg – im Sinne der Verkürzung der Debatte geschenkt. VMA beinhaltet jede militärische Auseinandersetzung Abnutzung im erweiterten Sinne.
Die in diesem Zusammenhang geäußerte Kritik bezüglich mangelnder Sortiedichte (Abnutzungsdichte?) erschließt sich mir jedoch nicht. Ja, unbestritten, „10.000 Einzelangriffe“ (nicht Sorties) pro Tag sind ohne die USA aktuell (und auch in Zukunft) nicht realisierbar. Meine Überlegungen finden im Rahmen des Erwartbaren statt, Rüstung gegen Eventualitäten in dritter Ableitung ist ein Fass ohne Boden.
Genauso, zweifellos wären „10.000 Einzelangriffe“ pro Tag nicht über Jahre aufrechthaltbar, ja nicht mal über einen Monat. Die Munition dafür existiert schlicht nicht und unsere Targeting-Kapazitäten sind sowieso nochmal ein Flaschenhals für sich. Und meinetwegen wäre es auch nur ein Sortie alle 100 bis 200 Quadratkilometer (ich habe es nicht nachgeprüft).

Ich verstehe bloß die Stoßrichtung dieses Einwandes nicht? 10.000 Einzelangriffe pro Tag heißt 10.000 Präzisionsgriffe gegen Punktziele. Wir sind doch nicht mehr beim Planquadratschießen und wir laden auch keine Freifallbomben mit B-52 über eingegrabenen Panzern ab wie anno 1991.
Wir bombardieren nicht sinnlos irgendwie Gelände an der Front, sondern wir greifen zielgenau dort an wo der Gegner agiert oder wir agieren wollen. Wir sind dank unseres enormen Sortie-Potentials jederzeit in der Lage, im eigenen oder gegnerischen Schwerpunkt dominierend aus der Luft zu wirken.

Gegen einen Gegner, der im Zweifelsfall nicht einmal „10.000 Einzelziele“ hergibt um seine angreifenden Verbände aus der Luft zu zerschlagen.
Nur um das im Groben zu verdeutlichen: die russischen BTGs vor dem Ukrainekrieg hatten so 50 Panzerfahrzeuge. Im absoluten Maximum hätte man vielleicht mit 250 BTG Äquivalenten gegen die Nato losschlagen können. Das sind dann in etwa „10.000 Einzelziele“ um diese Verbände effektiv zu zerschlagen. Natürlich heißt das nicht, dass man das ‚an einem Nachtmittag‘ erreichen könnte, aber worauf ich hinaus will: Das Zerstörungspotential moderner Luftwaffen ist so unfassbar groß, dass Bodenstreitkräfte im symmetrischen Gefecht schlicht nicht offen und massiert dagegen anoperieren können.
Und zwar völlig gleicht ob man da jetzt dann mit BTGs, Regimenter, Divisionen oder Armeen gegen welche Nato-Verbände auch immer antritt.

Letztlich sind wir damit heute endlich dort angelangt wo wir mit FOFA und Assault Breaker schon in den Achtzigern mal hinwollten.


8. Ein russischer Angriff auf die Nato wäre keine Frage von Jahren, industriellen Kapazitäten oder Durchhaltefähigkeiten geworden. Sondern wäre allein an der Frage entschieden worden, ob sich die Nato entscheidet vollumfänglich in einen Krieg mit Russland einzutreten. Wäre diese Entscheidung so gefallen und der Krieg aus der Luft mit dem vollen Potential der Nato geführt worden, wären die angreifenden russischen Armeen spätestens binnen Wochen östlich der Weichsel und vor den baltischen Bevölkerungszentren gestoppt und vollumfänglich vernichtet worden.
Die Idee, dass ein Krieg gegen uns auch nur in Ansätzen so aussehen könnte, wie dieses ‚Not gegen Elend‘ in der Ukraine ist in meinen Augen ist schlicht nicht valide. Die Einzige Chance Russlands irgendetwas gegen uns zu erreichen wäre der Ansatz in wirklicher strategischer Überraschung Einzelziele zu nehmen und dann mit nuklearen Erpressung zu versuchen den Krieg einzufrieren. Setzt man die strategische Überraschung voraus (gewagt wie das Vorspiel zum Ukraine-Krieg gezeigt hat) ist das aber eine politische Fragestellung und nichts was man durch welche Rüstungsschwerpunkte auch immer negieren könnte.


Weitergehende Operative und Taktische Gedanken:


1. Ja wir auch schon angeteasert, es ist in der Tat von nachrangiger Bedeutung, ob jetzt Panzergrenadiere oder Panzerjäger am Boden dabei zusehen, wie die Luftwaffe anrollende Panzerkolonnen zerschlägt.
Ich lies ja auch bereits nicht unerwähnt, dass leichtere Infanterie den Job in bestimmten spezifischen Gefechtssituationen genauso gut oder gar besser/schöner/effizienter erledigen kann als schwere Verbände.
Das ist alles gut und schön, aber wie schon mehrere Male erwähnt – die leichte Infanterie fällt gesamtheitlich betrachtet in Punkto Flexibilität und Vielseitigkeit bei größtmöglichen Eigenschutz und möglichst maximierter Ausnutzung der eigenen technischen Überlegenheit gegenüber den Panzertruppen halt massiv zurück.

Mit der Panzerbrigade (über die optimale Zusammenstellung lässt sich trefflich diskutieren, vma gerne auch mit einer panzerjagenden Raketenartilleriekomponente) habe ich in der symmetrischen Auseinandersetzung hoher Intensität für jede denkbare Gefechtssituation in Angriff und Verteidigung, in offensiver oder defensiver Ausrichtung erst mal eine Antwort und kann selbst unter ungünstigen Bedingungen gegen überlegene Gegner bestehen oder wenigstens überleben.
Und verglichen mit irgendwelchen Jägern, die das so in meinen Augen definitiv nicht können, bin ich dabei noch viel besser geschützt, decke weitere Räume ab (vor allem im operativen Kontext) und kann dabei noch ein Vielfaches an Feuerkraft zur Geltung bringen.
What’s not to like? Ja, die Truppe hat im Feld einen größeren logistischen Fußabdruck und ist meinetwegen auch teurer im Unterhalt, zumindest wenn man die Heeresflieger hinter den Luftlandenden Panzerjägern wegdenkt. Aber das können wir uns a) leisten, b) kostet weniger Menschenleben und c) ist jetzt verglichen mit den Summen, die insbesondere die Luftwaffe verschlingt kein Drama.


2. Warum zuerst und im Schwerpunkt der Generalist?
Schlicht weil es schwierig bis letztlich unmöglich ist, spezifische Gefechtssituationen auch nur mittelbar vor Beginn eines Krieges zu antizipieren. Es wäre vermessen und gegenüber den eigenen Soldaten unverantwortlich, ihnen nicht die Ausbildung und das Material angedeihen zu lassen, dass ihnen gleich was alles schief gehen mag und dem Gegner doch einfallen wird, die größte Flexibilität im Gefecht und den bestmöglichen Schutz mitgibt.

Bodenkrieg ist auch bzw. gerade im 21. Jahrhundert mit allen technologischen Fortschritten und Möglichkeiten zu chaotisch als das sich darauf verzichten und nach irgendwelchen leichteren/effizienteren/schöneren/soldatischeren/heroischeren Lösungen suchen ließe.
Dazu nur mal als random Gedankenansatz: Was machst du denn, wenn der Russe den Battlespace mit den Panzerjägern schlicht durch Drohnenschwärme flutet?
Der Panzereinheit kann ich nach belieben Luftabwehr zuordnen (und wie schon mal angerissen, jedem Panzer einen MK-Waffenstation anflanschen) und im Zweifelsfall hilft auch immer noch der schnöde Panzerstahl, der Infanterist dagegen hat sehr schnell ein gewaltiges Problem.

Deswegen Generalist und eine Einheit, der ich fast schon nach Belieben je nach doktrineller Lesart und Fortschreitung der Technik und Möglichkeiten des Gegners verschiedene Fähigkeiten, ja nach Gefechtssituation zusätzliche Fähigkeiten beiordnen kann.
Wir sind da doch wohl über die Stockkonservative Lesart hinaus, dass die Panzerbrigade Kampftruppenseitig aus je zwei Panzer- und Panzergrenadierbataillonen plus Panzerartilleriebataillon zu bestehen hat und wir können lang und breit diskutieren, wie jetzt genau die ideale schwere oder mittlere Panzer(grenadier)brigade auszusehen hat.
Wie da ganz zu Anfang schon gesagt, kann es auch durchaus ein spannender Ansatz sein, motorisierte Panzerjäger auf welcher Ebene auch immer einzugliedern.

Der Punkt ist jedenfalls – die leichtere Integration von zusätzlichen Fähigkeiten ist bei den Luftlandetruppen so eben nicht möglich, weil sich die zwingende Luftverlegbarkeit im Gegensatz zur schlichten Motorisierung nicht als gegeben vorausgesetzt werden kann.


3. Du führst an, dass Jäger doch die besseren Aufklärer seien und die Luftwaffe so doch besser unterstützen könnten. Mal abgesehen davon, dass ich das so nicht zwingend unterschreiben wollen würde – eine Panzerbrigade können eben genauso Aufklärungskomponenten unterstellt oder beigeordnet werden (Stichwort RSTA Squadron der Freunde aus Übersee) – mir scheint aber dein Verständnis von Aufklärung grundsätzlich irgendwie sehr vom Denken und den Möglichkeiten der Zeit des Kalten Krieges belastet sein. Dabei sind wir doch soviel weiter.

Aufklärung im operativen Kontext und in der Zusammenwirkung mit der Teilstreitkraft Luftwaffe steht und fällt nicht mehr mit den Kapazitäten und Fähigkeiten der unmittelbar am Boden involvieren Verbände, vielmehr leistet die Luftwaffe die Gefechtsfeldüberwachung mit eigenen Fähigkeiten.
Das ist keine besonders neue Entwicklung, vor dieser Frage stand man bereits in den Achtzigern und die Antwort hieß damals, zumindest jenseits des Deutsches Heeres, nicht mehr und mehr Panzeraufklärer sondern JSTARS. Heutzutage sind wir diesbezüglich natürlich schon technisch nochmals weiter und bilden die relevanten Fähigkeiten mit neueren Radargeräten (Stichwort GMTI) moderner Kampfjets direkt und ansonsten über vernetze Sensorplattformen (bis Russland wieder auf Höhe kommt auch: Spaceborne Tactical ISR) ab.
Auf den Infanteristen der da irgendwo freudlos im Gelände irgendwelche Panzerbewegungen zurückfunkt wartet da niemand mehr.


4. In einem wesentlichen Punkt ist wohl Klärungsbedarf: Ich schreibe keinesfalls singulär vom MBT in der Form des Leopard 2 als jetzt einzig und allein Seelig machenden Panzerfahrzeug. Ich glaube auch, dass ich Kampfpanzer oder MBT überhaupt nicht erwähnt habe bislang.

Freilich stimmt es schon, beim MBT liegt ein gedanklicher Schwerpunkt in meinen Überlegungen. Und ich sehe auch keinerlei Bedarf für das Deutsche Heer, auf einen leichteren dezidierten MBT zu setzen.
Aber ich schrieb schon sehr bewusst von mechanisierten Kräften, Schweren und Mittleren Einheiten und habe ausdrücklich betont, dass ich mittlere mechanisierte Kräfte auch im Deutschen Heer nicht ablehne. Schon gar nicht nach dem Untergang der sowjetischen Panzerarmeen in der Ukraine.

Schließlich, ja, der Einwand, dass es wenigstens für den ‚schweren‘ MBT Szenarien gibt, in dem er aufgrund seines logistischen Rattenschwanzes oder seines Gefechtsgewichtes nicht eingesetzt werden kann ist berechtigt. Zumindest ein Stück weit, naturgemäß sehe ich das an dieser Stelle nicht so verkrampft als du es ausführst. Wo hätten man denn im aktuellen Krieg aufgrund der Gegebenheiten keine westlichen Panzerfahrzeuge und stattdessen nur Jäger einsetzen können? Fehlt mir wohl die Fantasie. Egal.
Der Punkt jedenfalls ist a) ich rede nicht nur vom MBT sondern von Panzerfahrzeugen von mittleren und schweren Panzer- und Panzergrenadierbataillonen insgesamt und b) während es Situationen geben mag in denen der MBT nicht eingesetzt werden kann, warum verfällst du gedanklich ins gegenteilige Extrem und forderst dann den Einsatz von den leichtesten denkbaren Verbänden überhaupt?

Die Lösung die sich anbietet, wenn MBTs nicht herangeschafft werden oder operieren können sind doch nicht zwangsläufig irgendwelche Jäger auf Wolf und Mungo; wir haben unter dem MBT (erst recht, wenn wir die Nato insgesamt betrachten) sehr leistungsfähige Panzerfahrzeugen in mittleren Gewichtsklassen, die in herausfordernden Situationen operieren können wo der MBT (oder der überschwere Puma) scheitert. Genau dafür sind diese Kräfte doch da!

Der Wechsel ins andere Extrem ist damit nicht nötig und erschließt sich mir nach wie vor nicht.
Wenn du dich dagegen auf den Standpunkt stellst, dass irgendwelche Mittleren Kräfte auf Rad (die Bundeswehr nennt sie Jäger, Hurra wir haben sie endlich untergebracht) stärker betont werden müssen – solange die ein APS auf die Fahrzeuge schnallst kann ich da sehr weit mitgehen, auch wenn ich wohl eine andere Gewichtung zwischen mittleren und schweren mechanisierten Kräften als du favorisieren würde.
Aber Hauptsache wir kommen von diesem Stuss weg Infanteristen mit gerade noch irgendwelchen Tacticals gegen Panzer zu stellen.


5. Selbstverständlich ist die Bewegung, das Ausmanövrieren und der kühne Vorstoß in den Rücken des Feindes einer Abnutzung im Kampf Panzer vs. Panzer zu präferieren. Ich wüsste nicht inwieweit ich das je in Abrede gestellt hätte??
Ich favorisiere den Panzerverband gerade auch, weil dieser zu derartigen Operationen im Gegensatz zum Infanteristen auf Mungo vollumfänglich befähigt ist. Aber eben auch: In der Lage ist im direkten Kampf Panzer gegen Panzer zu bestehen und (dank unserer technologischen Überlegenheit) zu dominieren. Und wenn das vermieden werden und der Gegner durch Mobilität und taktischen Geschick geschlagen werden kann: Sehr gerne.

Der Ansatz, dass die Verwendung eines Jägerverbandes ja dann wohl einen Panzerverband für irgendwelche Operationen freimachen würde (die der Jäger garnicht leisten kann…) ist recht billig in meinen Augen. Freilich, wenn ich die Möglichkeit habe mit einem Panzerverband ins Gefecht zu ziehen, oder daneben, davor oder dahinter noch mit einem Jägerverband operieren zu können wähle ich selbstverständliche die zweite Option.

Aber wir sind eher nicht in der glücklichen Situation, Einheiten aus dem Boden zu stampfen. Unsere Personellen Ressourcen geben das nicht her. Entsprechend muss doch gelten die (zu) wenigen Bodentruppen mit einem möglichst potenten Fuhrpark auszustatten, anstatt diese Schwäche noch extra hervorzuheben und dezidiert infanteristisch agieren zu wollen!

Ich mein, die Russen hatten in der Ukraine sicherlich viel zu wenige Grenadiere bei, aber ihr Ansatz in der Not Infanterie durch Fahrzeuge zu ersetzen ist im Grundsatz korrekt. Zumindest kann mir keiner Erzählen, dass sie irgendwie besser abgeschnitten hätten, wenn man dem armen Haufen noch alle Schweren Panzer und Schützenpanzer weggenommen hätte.


6. Bezüglich der Gefährdung der Luftwaffe am Boden. Ich verweise ganz schnöde auf die Nichtleistung der Russen im Ukrainekrieg. Wir haben jetzt 15 Monate Krieg, die ukrainische Luftwaffe existiert immernoch und die Russen haben sich als total unfähig erwiesen, diese wenigen Jets und Flugplätze auszuschalten. Wie bitte um alles in der Welt wollen die die Kapazitäten für ein ‚Pearl Harbor aus der Luft‘ gegen die Nato herstellen? Wie um alles in der Welt wollen die einen solchen Schlag vorbereiten und durchführen ohne das westliche Dienste davon nicht sehr genau Kenntnis haben werden?
Welche Kapazitäten werden perspektivisch nötig sein um den Europäischen Luftabwehrschirm zu durchdringen, was wäre nötig, wenn die USA im Zuge einer Krise zig Patriot und THAAD Batterien sowie Aegis BMD Verbände nach Europa verlegt hätte?!
Solche Szenarien müssen in Bezug auf die Chinesen und die besonderen Herausforderungen des Pazifischen Raumes besprochen werden, aber doch nicht in Bezug auf Europa und das Russland nach der Ukraine.

Und nochmal sehr spezifisch: Wir brauchen doch keine vorgeschobenen Feldflugplätze die irgendwie durch Feindliche Bodentruppen bedroht werden würden?! Noch jedes Westliche Kampflugzeug hat Einsatzreichweiten, die sich in hunderten und Wirkreichweiten die sich in dutzenden von Kilometern bemessen lassen. Da wird es keine Flugplätze innerhalb von auch nur 100km hinter der Front geben, schlicht weil unnötig.

7. Zu guter Letzt ein kurzes Wort zu APS. Es ging ja dezidiert um deine Panzerjäger mit leichter Raketenartillerie, nicht um Ansätze dagegen im Allgemeinen.
Die Idee wäre also Clustergefechtskopf für die Spike NLOS. Mal abgesehen davon, dass das so nicht existiert - die Lösung dagegen wäre einfach ein APS im Schrotflintenprinzip mit größerem Vernichtungskegel. Ein anderer Ansatz wäre, einfach die Abfangreichweite zu erhöhen und die Rakete zu vernichten bevor die Clustermunition gestreut wird. Ist ja nicht so, dass man das Ding dann nicht aus zig Kilometern kommen sieht.


An dieser Stelle ein Punkt. Im Wesentlichen bezieht sich mein Widerspruch in dieser Debatte auf die Idee, die Raketenartillerie ausgerechnet irgendwelchen leichten, luftverlegenden Jägern angedeihen zu lassen. Wenn du die mechanisierte Truppe mit motorisierten Panzerjägern verstärken willst habe ich da kein grundsätzliches Problem mit.
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Luftmobilität - von Quintus Fabius - 29.11.2020, 22:13
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