11.03.2023, 12:07
Zitat:Schließe mich dieser Fragestellung an. Zudem muß man den Kriegsraum bedenken: Mittlere Kräfte können das Baltikum nicht halten, dass halte ich für einen Fakt.
Sie machen daher für das Baltikum keinerlei Sinn. Und in Ostpolen ist ihre Querfeldeinbeweglichkeit in vielen Gebieten zu gering (fehlende Infrastruktur).
Spezifisch für das Baltikum gibt es übrigens ja noch eine Möglichkeit anstelle von Straße und/oder Schiene. Man könnte hier die Einheiten ja auch per Schiff dorthin bewegen, bevor der Konflikt ausbricht. Die Idee aber, NACH Ausbruch des Konfliktes noch schnell ad hoc mittlere Kräfte ins Baltikum verlegen zu können ist geradezu absurd. Diese kämen dort nie an (Suwalki Lücke) oder sogar schlimmer noch, sie kämen gerade noch dort an, nur um dann dort unterzugehen.
Ich sehe das angesichts der russischen Performance im Ukrainekrieg nicht so absolut.
Nur mal plakativ: Entfernung Russische Grenze zum Stadtzentrum Kharkiv keine 40km über Äcker und zwei vollwertige Straßen. Wie das Duell zwischen der 1. Garde Panzerarmee und (überspitzt) ukrainischen Volksturm endete ist bekannt.
Demegegenüber, russische Grenze nach Tallinn 200km, eine Straße durch Sümpfe, Wald und Siedlungen.
Nach Riga ist die Entfernung weiter und das Gelände schwieriger. Wilnius hat bei einem Angriff aus Weißrussland ein ähnliches Problem, liegt aber auch in relativer Nähe zu Polen und bei einer Kriegsbeteiligung Weißrusslands würde die Nato auch südlich der Suwalki Lücke über Grodono und Lida entsetzen.
Sprich, wir haben im Baltikum tatsächlich Räume die weiter sind als die Frontbewegungen im Donbas innerhalb des letzen Jahres. Eine effektive Verzögerung dort ist auch mit mittelschweren Kräften möglich, selbst wenn man in zehn Jahren einer weitgehend nachgerüsteten russischen Armee gegenübersteht, was ich für unrealistisch halte.
Inwieweit nach Kriegsausbruch eine substantielle Verstärkung des Baltikums möglich wäre - IMO wirft der Nato-Beitritt von Schweden und Finnland die bisherigen Überlegungen/Befürchtungen diesbezüglich vollkommen über den Haufen.
Russland muss sich entscheiden entweder den Großteil (!) seiner Invasionverbände einzusetzen, um seine 1.000km Grenze mit Finnland abzudecken oder würde risikieren, dass relativ sofort subtantielle Verstärkungen über Finnland und Schweden im Baltikum eintreffen.
Jeder der schon mal im Ostseeraum unterwegs gewesen ist kennt die Reedereien, die dort einen enormen Fährbetrieb zwischen den europäischen Küstenstädten betreiben. Die schwedische bzw. finnische Stena Line, Viking Line, Finnlines, Eckerö, TT-Line etc. operieren Großfähren zum Teil mit über 50.000 BRT, die in Friedenszeiten halt tagtäglich tausende Passagiere und Autos zwischen Schweden, Finnland und dem Baltikum über die Ostsee schipperen. In Kriegszeiten, eventuell vor dem Ausbruch unmittelbarer Kampfhandlungen? Mit dem Nato-Beitriff von Schweden und Finnland hat die Nato ihre RoRo Kapazitäten in der Ostsee mal eben vervielfacht und die Entfernungen auf ein Minimum geschrumpft (Helsinki-Tallinn 70km).
Und es ist auch allemal denkbar, dass deutsche/dänische/norwegische mittelere Kräfte mit diesen neu gewonnenen Kapaitäten ins Baltkium verlegt werden können - wesentlich schneller als mechanisierte Einheiten, für die diese Fähren kaum ausgelegt sein dürften.
Freilich sind diese Schiffe angreifbar und es bräuchte eine robuste Nato SAG um diese abzuschirmen, aber die stationierung von Nato-Luftstreitkräften auf finnischen und schwedischen Flughäfen würde hier ein übriges tun.