Instandsetzbarkeit abgeschossener Panzer
#1
In den Medien sieht man ja hauptsächlich ausgebrannte Panzerwracks, bei denen der Turm hochgegangen ist.

Ich gehe einfach mal davon aus, dass der inhärente Wert dieser Wracks am aktuellen Schrottpreis zu bemessen ist.
Was ist allerdings mit Wracks, welche nicht ausgebrannt sind? Kann man beispielsweise Einschusslöcher ausgießen und den Panzer anschließend wieder instandsetzen? Und als Anschlussfragen: Gibt es solche Fälle in nennenswerter Anzahl und lohnt sich der Aufwand?
Zitieren
#2
Ja man kann "angeschossene" Panzer wieder gefechtsfähig machen, wobei man die Löcher natürlich nicht "ausgießt". In der Ukraine habe ich sogar mal einen Panzer im Kampfeinsatz gesehen, der allen Ernstes ein Loch in seiner Seite hatte durch das man in den Panzer hinein schauen konnte, so verzweifelt ist dort die Lage. Ob sich der Aufwand lohnt hängt davon ab wie hoch er ist. In der Ukraine ist die Lage so verzweifelt, dass einfach alles so weit wie nur irgendwie möglich weiter verwendet wird. Da wird selbst aus Panzerwracks noch alles ausgeschlachtet und weiter verwendet was auch nur irgendwie abschraubbar und noch halbwegs verwendbar ist.

Man kann daher davon ausgehen, dass es solche Fälle (wieder Instandgesetzte Panzer / wieder Gefechtsfähig gemachte Panzer) in erheblicher Zahl gibt. Ganz allgemein ist das übrigens viel üblicher als sich das viele so vorstellen. Es ist ganz normal dass Panzer im Gefecht beschädigt werden und dann in recht kurzer Zeit wieder Gefechtsfähig gemacht und erneut eingesetzt werden. Das ist absolut üblich und etliches an einem Kampfpanzer ist sogar explizit darauf ausgelegt. Man tauscht dann entsprechende Baugruppen, zieht eine neue Kette auf, ersetzt zerschossene Teile und selbst eindeutige Mission Kills können teilweise in erstaunlich kurzer Zeit wieder gefechtsfähig gemacht werden.

Ob, wie weit und wie schnell das gelingt hängt von der Qualität und den materiellen Möglichkeiten der rückwärtigen Dienste ab und was man als Gefechtsfähig definiert. Was bei der Bundeswehr sofort an die Industrie für umfangreiche Wartungsarbeiten abgegeben würde, wird in der Ukraine unter Kriegsbedingungen nicht mal als zur Wartung vorgesehen betrachtet sondern als einsatzfähig.
Zitieren
#3
Danke für die Erklärung. Ich hatte mich immer gefragt, wie endgültig derartige Ab/Anschüsse sind. Wobei ich in dem Fall der unfreiwilligen Ventilation vielleicht zumindest etwas Pappe und Panzertape empfehlen würde.

Ich gehe also davon aus, dass der Flaschenhals als weniger Wanne und Turm sind, sondern eher die Menge an Ersatzteilen, vermutlich mit dem Motor, der wohl komplexeste Bestandteil, als Hauptproblem.

Bleibt also die Frage, wie groß und umfassend die Ersatzteilproduktion für sowjetische Muster innerhalb der neuen Nato-Staaten noch ist und vor allem, ob noch Kapazitäten frei sind.
Zitieren
#4
Die Möglichkeit der Bergung von abgeschossenen Panzern wird gemeinhin völlig unterschätzt. Quintus hat das im Bezug auf die Ukraine schon ganz gut dargelegt.
Weiter zurückgehend lohnt ein Blick auf die Panzerschlachten in den israelischen Kriegen 67 und 73.
Im Sechs Tage Krieg hatt die israelische Armee in etwa 400 Panzer verloren und die Instandsetzungskapazitäten spielten im eigentlichen Krieg keine relevante Rolle. Nach dem Krieg wurde dann allerdings die Hälfte dieser abgeschossenen Panzer geborgen, instandgesetzt und wieder der regulären Truppenverwendung zugeführt.
Im Yom Kippur Krieg waren die Instandsetzungskapazitäten auf dem Golan sogar mit entscheidend die syrischen Panzerdivisionen dort aufzuhalten. Wenn man die Gefechtsberichte von dort liest ist es geradezu absurd, wie regelmäßig erwähnt wird, dass Panzer geborgen werden und aus notdürftig reparierten Fahrzeugen wieder ad hoc Einheiten aus überlebenden Besatzungen gebildet werden und gegen die Syrer geworfen werden. Die haben da gehalten weil sie nicht nur Panzerbesatzungen hatten, denen mehrere Fahrzeuge weggeschossen wurden, sondern auch etliche Panzer, die nach Abschüssen binnen Stunden wieder ins Gefechts geworfen werden konnten.
Auch 73 lag die Reparaturquote insgesamt bei über fünfzig Prozent, beim Centurion soweit ich das im Kopf habe sogar noch deutlich höher.
Zitieren
#5
Was letztendlich die Frage nach der Ersatzteilproduktion noch weiter steigert.

Insgesamt überlege ich schon seit Monaten, was eigentlich noch in Sachen "Altmetallverwertung" möglich wäre, wenn man denn wollte. Als Beispiel, wenn auch nicht gerade attraktives, wäre da z. B. der Bestand an T-55 und TR-77-850 der Rumänen. Insgesamt sind die meisten Einheiten sicherlich nicht mehr einsatzfähig, aber durch Kannibalisierung müsste doch zumindest ein Teil wieder flottzumachen sein. Zumal beim T-55 sicherlich noch hier und da etwas bei diversen Ex-WP-Staaten an Material in den Depots liegt. Sicherlich nichts Weltbewegendes, aber den M-55s hat man ja auch aus der Versenkung geholt. Und sei es als Sturmgeschütz. Zumindest als Behelf, bis der Westen besseres Material herausrückt.
Zitieren
#6
Deine Frage ist durchaus relevant, denn auf Dauer kann die Ukraine die früheren Sowjet-Modell nicht im Einsatz erhalten. Bereits hier und heute läuft das in wachsenden Anteilen nur durch russische Beutepanzer die man ausschlachtet oder selbst weiter verwendet. Die Ukraine hatte ja bei Kriegsbeginn je nach Zählung ca. 800 bis 1000 Einsatzfähige Panzer. Davon sind meiner Einschätzung nach um die 800 zerstört worden oder gingen verloren. Umgekehrt hat die Ukraine um die 800 bis 1000 Panzer erbeutet oder sie sind ihr anderweitig zugeflossen. Entsprechend hat die Ukraine hier und heute zwischen 600 und 1000 Kampfpanzer übrig.

Für den Anteil davon der aus Sowjetmodellen besteht - besteht schon jetzt rasant zunehmend die Frage, wie man hier auf Dauer diese Einheiten weiter im Einsatz halten will, ohne fortwährende "Beute" wird das bereits deutlich schwieriger und solche "Beute" wird immer rarer, aufgrund der stehenden Fronten.

Was ist nun die zwingende Schlußfolgerung daraus? Meiner Überzeugung nach ist die zwingende Schlussfolgerung daraus, dass die ukrainische Panzerwaffe dieses Jahr untergehen wird, wenn die Ukraine nicht vom Westen in substanzieller Zahl westliche Kampfpanzer nachgeschoben bekommt. Und zwar primär aufgrund mangelnder Ersatzteile und weil die Inst irgendwann in Bezug auf die Widerherstellung der im Kampfeinsatz beschädigten / zerschossenen Panzer aushakt. Die Ukraine benötigt daher meiner Meinung nach mindestens um die 600 westliche Kampfpanzer, ansonsten wird die ukrainische Panzerwaffe rasant zunehmend zerfallen.

Aber da kommen wir erneut an die Frage von Ersatzteilen, Wartung, Inst usw. denn es nützt nichts, wenn der Westen zwar Kampfpanzer schickt, diese aber nicht nach Beschädigungen im Kampf ausreichend / ausreichend schnell wieder Gefechtsfähig gemacht werden können. Die Ukraine braucht eben nicht nur Kampfpanzer, sie braucht auch Bergepanzer und die Befähigung geborgene westliche Kampfpanzer wieder Instand zu setzen. Die ganze Debatte um Kampfpanzerlieferungen wird daher meiner Überzeugung nach viel zu verengt und nicht ganzheitlich genug führt.

Da die Widerherstellung von im Gefecht beschädigten Kampfpanzern so wesentlich für den Einsatz dieser Waffe an sich ist, muss die entspechende Befähigung dazu, westliche Kampfpanzer gleichermaßen schnell wieder einsatzbereit zu kriegen ebenfalls ein elementarer Teil dieser Panzerlieferungen sein.

Das Ex-Sowjet-Material läuft hier und heute aus. Rasant. Natürlich könnte man noch hie und da etwas in Europa zusammen kratzen, aber an einer zeitnahen Umstellung auf westliche Modelle und dann auch entsprechend an einer Umstellung der Wartung / Inst usw für westliche Modelle führt kein Weg vorbei, wenn die Ukraine sich militärisch auf Dauer behaupten will.
Zitieren
#7
Man könnte durchaus darüber nachdenken, den Ukrainern defekte Panzer einfach gegen intakte aus den eigenen Beständen zu tauschen und dann die defekten selbst wieder instand zu setzen. Dafür müsste man nur ein paar zusätzliche LEO2 auf ukrainischen Funk etc. umrüsten und bereit halten für den kontinuierlichen Austausch.
Zitieren
#8
(30.01.2023, 22:50)Quintus Fabius schrieb: Die Ukraine benötigt daher meiner Meinung nach mindestens um die 600 westliche Kampfpanzer, ansonsten wird die ukrainische Panzerwaffe rasant zunehmend zerfallen.

Ich habe ganz schön geschluckt, ob der Westen jenseits des Abrams überhaupt noch so viele Einheiten hat, ohne seinen aktiven Bestand total zu fleddern. Aber es ginge, wenn man die eingelagerten Ariete, Leclerc, Challenger 2 und M1128 Stryker zusammenwirft und die Deutschen die restlichen Leo 1A5 und 2A4 rausrücken.

Aber der fehlende politische Wille und die mangelhafte schnelle Verfügbarkeit dürften das verhindern.
Zitieren
#9
Meiner Meinung nach nur der politische Wille. Wenn es denn nur wollte, ginge dass durchaus. Man will es aber ganz offenkundig nicht (aus einer Vielzahl von Gründen, primär aber, weil die USA gar keinen schnellen Sieg der Ukraine wollen und explizit auch keinen zeitnahen Frieden wollen. Die Ukrainer sind primär nur Bauernopfer für die USA um damit den Rücken frei zu kriegen für die Konfrontation mit China).
Zitieren
#10
(01.02.2023, 20:42)Venturus schrieb: Ich habe ganz schön geschluckt, ob der Westen jenseits des Abrams überhaupt noch so viele Einheiten hat, ohne seinen aktiven Bestand total zu fleddern. Aber es ginge, wenn man die eingelagerten Ariete, Leclerc, Challenger 2 und M1128 Stryker zusammenwirft und die Deutschen die restlichen Leo 1A5 und 2A4 rausrücken.

Aber der fehlende politische Wille und die mangelhafte schnelle Verfügbarkeit dürften das verhindern.

Der generelle Wille sich auch nur selbst in Zukunft schützen zu wollen fehlt. Ergo gilt dieses natürlich auch zum Willen anderen helfen können zu wollen. Ansonsten hätte wir schon im April letzten Jahres Millionen an Munition aller Art bestellt. Im Falle der Panzer hunderte von Leos, sowohl um unsere Bestände an Kampfpanzern zumindest auf 130% zu bringen, als auch unsere Unterstützung (Brücke/Pionier/Berge) und Raum bei uns als auch bei Verbündeten , welche ebenfalls weiteren Bedarf gemeldet haben ( siehe Polen, rein wirtschaftspolitisch also einfach geboten, jetzt rüsten sie um auf Abrahams und K2) zu schaffen um ältere Modelle zumindest an schlechter ausgestattete Verbünde innerhalb der Nato liefern zu können . Zu dem Zeitpunkt war ja noch nicht klar wie gut die Ukrainische Armee sich schlägt, aber die Notwendigkeit war selbst da ja schon klar.
Zitieren
#11
Ich bitte darum bei der Eingangsthematik zu bleiben, für die Unterstützung der Ukraine oder die Entwicklung bei der Bundeswehr haben wir passende Stränge. Danke.
Zitieren


Gehe zu: