(Luft) Eigene AWACS für die Bundeswehr?
#1
Haltet ihr es für sinnvoll, wenn die Bundeswehr hinausgehend über die via NATO verfügbaren AWACS-Kapazitäten eigene erhält?

Also so wie z. B. die Türkei und das Vereinigte Königreich mit der Boeing E-7 Wedgetail, welche zudem gerade als Nachfolger für die E-3-Flotte der NATO ausgewählt wurde.

Oder auch, wenn es etwas kleiner/günstiger sein muss, Saabs GlobalEye? Würde es hier helfen, dass wir mit Pegasus demnächst drei Sigint-Flugzeuge ebenfalls auf Basis der Bombardier Global 6000 erhalten, z. B. mit Blick auf Ersatzteile, Wartung, Hangars etc.? Also ein Standort für z. B. 3 Pegasus + 3 GlobalEye?

Oder ist das für uns zu sehr Wunschkonzert, und das Geld wäre besser woanders investiert?
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#2
Meiner persönlichen Meinung nach sollte es ein Ziel sein, langfristig derartige Kapazitäten selbst vorzuhalten, idealerweise im Rahmen von FCAS oder einem entsprechenden Nachfolgeprogramm. Das ist aber eher eine Zukunftsperspektive, gerade mit Blick auf eine Rüstungssouveränität. Also sicher nicht als Kauf eigener Wedgetails.
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#3
(21.11.2023, 21:09)emjay schrieb: Haltet ihr es für sinnvoll, wenn die Bundeswehr hinausgehend über die via NATO verfügbaren AWACS-Kapazitäten eigene erhält?
... z. B. mit Blick auf Ersatzteile, Wartung, Hangars etc.? Also ein Standort für z. B. 3 Pegasus + 3 GlobalEye?

Oder ist das für uns zu sehr Wunschkonzert, und das Geld wäre besser woanders investiert?

Da AWACS vorgeschobene Luftraumüberwachung sind und damit praktisch nur im Angriff benötigt werden, da für die Defensive, Stationäre Anlagen möglich sind. Ist da der "Angriffskrieg"-Passus im GG schon in hab acht Stellung.

Ansonsten ist die Zeit in der diese Fähigkeit mit bemannten Flugzeugen ausgeführt wird vorbei. Drohnen können die Daten genauso aufnehmen und weiterleiten und das bei höheren Missionszeiten am Himmel.
Das wäre ganz simpel, gleich die erste nutzbringende Aufgabe für https://de.wikipedia.org/wiki/Cassidian_Barracuda

Bei FCAS sehe ich die Fähigkeit nicht, einfach weil es eine stand alone, 3. Reihe, Drohnenaufgabe ist für die man keinen bemannten "Wing Leader" abstellen sollte.
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#4
Die NATO führt seit dem Beginn der umfassenden russischen Invasion in der Ukraine Überwachungsmissionen in Osteuropa durch.

Dabei kommen u. a. E-3 Sentry zum Einsatz, von denen Anfang dieses Jahres auch drei nach Rumänien verlegt wurden (https://www.nato.int/cps/en/natohq/news_...dLocale=en).

Würde dies bedeuten, dass die bodengebundene Luftraumüberwachung hier zu schwach ausgeprägt ist?
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#5
Sowohl luftgestützte AEW&C als auch bodengestützte Anlagen können in offensiven wie defensiven Operationen Verwendung finden.

Die These, AEW&C sei grundsätzlich offensiv zu verstehen ist nicht haltbar. Tatsächlich AEW&C ist schon in der konzeptionellen Grundausrichtung defensiv, zielt es doch darauf ab, Aktivitäten des Gegenübers erkennen und begegnen zu können.

Der Verweis auf juristische Hürden ist geradezu hanebüchen, das Verbot der Führung eines Angriffskrieg schließt nicht offensive Aktionen grundsätzlich aus, sondern setzt sie lediglich in den Rahmen eines Systems der Kollektiven Sicherheit.

Eine Drohne wie die Barracuda wäre für AEW&C völlig ungeeignet. Die Plattform könnte nicht genügend Energie für das Radarsystem zu Verfügung stellen und wäre überhaupt zu klein, eine Array in relevanter Größe zu tragen. Wenn man sich hier entwickeln und als Deutsche Luftwaffe im 21. Jahrhundert ankommen will wäre n Plattformen für ein Relassystem wie BACN sinnvoller.

Ansonsten, eine eigene AEW&C Fähigkeitfür die Luftwaffe würde nur völlig überflüssige Doppelstrukturen schaffen. Wenn Deutschland hier gesteigerten Bedarf sieht sollte es darauf hinwirken, die Nato-Staffel zu vergrößern.
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#6
(22.11.2023, 08:13)Nightwatch schrieb: ... Die These, AEW&C sei grundsätzlich offensiv zu verstehen ist nicht haltbar. Tatsächlich AEW&C ist schon in der konzeptionellen Grundausrichtung defensiv, zielt es doch darauf ab, Aktivitäten des Gegenübers erkennen und begegnen zu können.

Der Verweis auf juristische Hürden ist geradezu hanebüchen, das Verbot der Führung eines Angriffskrieg schließt nicht offensive Aktionen grundsätzlich aus, sondern setzt sie lediglich in den Rahmen eines Systems der Kollektiven Sicherheit.

... Die Plattform könnte nicht genügend Energie für das Radarsystem zu Verfügung stellen und wäre überhaupt zu klein, ...

Die These bei AWACS ist ein Radar höher zu positionieren um die Erdkrümmung als Reichweitenlimitierung zu reduzieren. Das kann man auch an einen Ballon hängen und mit Versorgungskabel vom Bodenaufsteigen lassen (siehe Artilleriebeobachter WW1).
Der einzige und absolut sinnvolle Benefit den es bringt das in eine Flugzeug zu stecken ist, das bei einem Angriff auf feindlichen Luftraum und den entsprechenden Siegen also Luftraumgewinnen die Luftraumüberwachung mittels AWACS direkt mit vorrücken kann und die Luftwaffe operational nicht auf die Fertigstellung von entsprechenden Gebäuden am Boden (im Frieden ist ja ausreichend Zeit das auf eigenem Territorium hin zu betonieren) warten muss.
Logischerweise ergibt sich aus der damit verbunden Mobilität auch die Möglichkeit schwach ausgeprägte Luftraumüberwachung von neuen Bündnismitgliedern kurzfristig zu verstärken bis die eben mit dem "hin betonieren" soweit sind.

Und diese selbst Kastration mit "Angriffskrieg vorbereiten" hab ich nicht ins GG gepinselt, ich muss sie nur kennen und mich dran halten. Frag da lieber bei der SPD mal nach, wie die sich "Kriegstüchtig" ohne Angriff vorstellen.

Man kann dem Barracuda ja wohl auch einen größeren Rumpf geben, dass die gewünschte Ausrüstung reinpasst und versorgt werden kann. Der Kernpunkt ist die funktionierende Drohnensteuerung, welche er hat, das bisschen Kohlefaser drum rum macht den Bock nicht fett.
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#7
Vor allen Dingen kann sich die andere Seite an eine mobile Luftraumüberwachung wesentlich schwerer anpassen als gegen welche bodengebundene Anlage auch immer. Auf allen Ebenen der militärischen Führung.Bodengebundene Anlagen sind in einer größeren Auseinandersetzung schlicht nicht überlebensfähig und werden so aus gutem Grund nirgendwo als Alternative zum luftgestützten AEW&C vorgehalten.

Ansonsten um mich zu wiederholen, aus Art. 26 Abs. 1 GG ergibt sich keine "Kastration" in Form irgendwelcher Rüstungspolitischen Beschränkungen. Deutschland kann sich nach dem GG alle Offensivwaffen zulegen die es möchte, es kann damit lediglich keinen völkerrechtswidrigen Offensivkrieg führen. Das hier der linke SPD Flügel anderen Vorstellungen nachhängt ist Parteipolitik und hat keinen Einfluss auf eine juristische Bewertung der Sachlage.

Die ausreichende Vergrößerung der Barracuda käme einer Neuentwicklung gleich. Mal ganz davon abgesehen, dass sie mit ihren Flugprofil (schnell auf mittlerer Höhe bei minimaler Reichweite) für AEW&C gänzlich ungeeignet ist.
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#8
OK, also technisch sinnvoll und rechtlich unkritisch.

Es wurde der Punkt der Doppelstrukturen angesprochen.

Mich interessiert eure Einschätzung, warum z. B. das Vereinigte Königreich und die Türkei, aber auch Polen (hier mit Saab GlobalEye) trotz NATO-Mitgliedschaft auf eigenes Gerät Wert legt. Ist es der schnellere Zugriff, ohne erst auf eine NATO-Aufklärungsmission warten zu müssen? Ist es die Entfernung von Geilenkirchen (z. B. aus Sicht der Türkei)?

Ansatzweise Doppelstrukturen gibt es doch auch beim Lufttransport. "Ansatzweise", weil die deutsche Kapazität auf Airbus A400M und Lockheed Martin C-130J Super Hercules basisert, die (teil-)europäische auf A330 MRTT (der Multinational MRTT Unit in Eindhoven und Köln-Wahn). Die Modelle haben unterschiedliche Merkmale und Einsatzprofile (Größe/Laderaum, Antrieb, Geschwindigkeit, benötigte Infrastruktur).
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#9
Großbritannien und Türkei haben den Anspruch unabhängig von Nato-Stukturen agieren und alleine umfangreiche Luftoperattionen durchführen zu können. Diesen Anspruch haben wir in Deutschland nicht, wir werden stets nur im Bündnis militärisch handeln.
Polen rüstet sowieso als gäbe es kein morgen und keine Verbündeten im Krieg gegen Russland. Mithin nicht vollständig rational. Was davon übrig bleibt wenn die neue Regierung einen Kassensturz macht wird man auch erst einmal sehen müssen.

Luftransport grenzt sich in dieser Beziehung von AEW&C dahingehend ab, dass es eine sehr niedrigschwellige Fähigkeit ist, die auch ein Land wie Deutschland gerne in nationaler Eigenverantwortung einsetzt. Zweifellos wäre es aber auch hier sinnvoll, die Fähigkeiten im Bündnis auszubauen und die Flotte auch in Hinblick auf den transatlantischen Partner zu standartisieren.
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#10
(22.11.2023, 15:21)Nightwatch schrieb: Vor allen Dingen kann sich die andere Seite an eine mobile Luftraumüberwachung wesentlich schwerer anpassen ... größeren Auseinandersetzung schlicht nicht überlebensfähig und werden so aus gutem Grund nirgendwo als Alternative ...

AWACS haben eine sehr festes Flugmuster, das ist der Aufgabe geschuldet, lässt sich aktuell sehr schön bei Flightradar verfolgen. Entsprechend leicht lassen sie sich bekämpfen wen mal aufgeklärt.
Auch deren reguläre Flugplätze/Stationierungsorte sind bekannt da die Maschinen via Satellit optisch aufgeklärt wurden/werden, man kann sie also auch am Boden "präventiv" zerstören.
Bei entsprechenden Bunkeranlagen kann (muss aber nicht) die Geheimhaltung einfacher sein, weil unspektakuläre bis langweilige Bauten, siehe ExMinisterin Lambrecht und ihr Sylt Urlaub.

(22.11.2023, 15:21)Nightwatch schrieb: ... es kann damit lediglich keinen völkerrechtswidrigen Offensivkrieg führen. ...

Es darf lediglich "kein Angriffskrieg vorbereiten" also z.B. keine Bajonette ausgeben, selbst wen die in den Depots liegen und am Sturmgewehr der nötige Verschluss bereits dran ist. Wink

(22.11.2023, 16:04)emjay schrieb: ... Ist es der schnellere Zugriff, ohne erst auf eine NATO-Aufklärungsmission warten zu müssen? ...

je nach länge des Grenzabschnittes der überwacht werden soll kann es auch einfach die günstigere Gesamtstrategie sein. Gerade wen dünne Besiedlung gar nicht genug potenzielles Personal für stationäre Anlagen ermöglicht. Die GlobalEye zielt auf diese Infrastruktur Lücke ab, zu klein für 24-48h Einsätze aber genug Reichweite um im 12h Schichten Streife zu fliegen in Nord Schweden.
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#11
(22.11.2023, 16:04)emjay schrieb: Ansatzweise Doppelstrukturen gibt es doch auch beim Lufttransport. "Ansatzweise", weil die deutsche Kapazität auf Airbus A400M und Lockheed Martin C-130J Super Hercules basisert, die (teil-)europäische auf A330 MRTT (der Multinational MRTT Unit in Eindhoven und Köln-Wahn). Die Modelle haben unterschiedliche Merkmale und Einsatzprofile (Größe/Laderaum, Antrieb, Geschwindigkeit, benötigte Infrastruktur).
Da ist keinerlei Doppelstruktur. Die Flugzeuge ergänzen sich dadurch, dass es da nur wenig "Überlappung" in dem gibt, wofür sie da sind. Gut, die C-130J zu den A400M weniger, aber man wollte ja unbedingt hinterher noch was kleineres für die "speziellen" Fluggäste aus Calw. Sobald "Spezialkräfte" dran steht ist eine Sinnsuche hinter einer Beschaffung eh eher aussichtslos.

Dazu sind de Flugzeuge im übrigen dem multinationalen European Air Transport Command unterstellt, das für seine 7 Mitgliedsländer* sämtliche Lufttransport-Leistungen koordiniert und diesen als Kontingent zur Verfügung stellt, bei denen unabhängig der jeweiligen Nation geflogen wird. Und das wird auch genutzt, das EATC fliegt dabei täglich im Schnitt 60 Missionen.

Dem EATC assigniert sind momentan fest 150 Flugzeuge, darunter als Lufttransport-Schwerpunkt ca 80 A400M sowie um die 50 leichtere Transportflugzeuge (C-130, C-27,C-295 und so was).

* Mitgliedsländer sind Deutschland, Frankreich, Italien, Spanien, Niederlande, Belgien, Luxembourg.

(22.11.2023, 16:22)Nightwatch schrieb: Großbritannien und Türkei haben den Anspruch unabhängig von Nato-Stukturen agieren und alleine umfangreiche Luftoperattionen durchführen zu können.
Was natürlich auch genauso für Frankreich gilt, das auch entsprechende Mittel separat vorhält.

(22.11.2023, 16:22)Nightwatch schrieb: Polen rüstet sowieso als gäbe es kein morgen.
Und das alles auf Kredit wohlgemerkt. Von vornherein nach dem Prinzip dass die PiS ja nicht die Mittel dafür finden werden muss...
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#12
(22.11.2023, 09:42)Schaddedanz schrieb: Der einzige und absolut sinnvolle Benefit den es bringt das in eine Flugzeug zu stecken ist, das bei einem Angriff auf feindlichen Luftraum und den entsprechenden Siegen also Luftraumgewinnen die Luftraumüberwachung mittels AWACS direkt mit vorrücken kann und die Luftwaffe operational nicht auf die Fertigstellung von entsprechenden Gebäuden am Boden (im Frieden ist ja ausreichend Zeit das auf eigenem Territorium hin zu betonieren) warten muss.
Sorry, das sehe ich komplett anders. Wichtigste Eigenschaften eines AWACS sind
- weiter Erfassungshorizont durch große Flughöhe
- genug Energiezufuhr für ein leistungsstarkes Radar
- direkte Auswertungsmöglichkeit an Bord
- daraus folgend die Möglichkeit zur Koordination eigener Aktivitäten praktisch in Echtzeit.
Das ist für viele Aktivitäten nützlich, die bei bodengebundener Infrastruktur so nicht möglich wären. Auch ist ortsfeste Infrastruktur leicht angreifbar; ein AWACS kann dagegen seine Routen flexibel anpassen und zur Not auch ganz woanders landen als geplant. Und glaubst Du ernsthaft, im V-Fall würden die Dinger so stur ihre Achten ziehen wie jetzt über Rumänien, am besten noch mit aktiviertem Transponder?
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#13
Um zur Ausgangsfrage zurückzukehren:
Eigene AWACS machen für die Türkei und UK daher Sinn, weil sie auch in der Lage sein wollen, eigene Operationen außerhalb der NATO zu betreiben. Von daher wäre das für DE nur bedingt plausibel.
Am ehesten würde es für mich noch Sinn machen, einige GlobalEye anzuschaffen; die sind wesentlich unauffälliger als die großen Boeing-Vögel und sollten für Standard-Luftraumüberwachung ausreichen.
Deren Kapazitäten könnte man dann -analog zu EATC- anderen EU-Staaten zur Verfügung stellen. Vielleicht hätten auch FRONTEX etc. zumindest zeitweise Interesse.
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#14
Weil Deutschland bei der erstbeschaffung damals schon klar war das man das Personal nicht stellen könnte was man benötigte . Das hat sich bis heute ja nicht gebessert. Während ISAF wurden im Schnitt bis zu 300 DP nur durch AWACS Personal vom Bundestagsmandat blockiert . Noch dazu ist es für Deutschland überhaupt nicht notwendig , für die Landesverteidigung muss man weder riesige Meeresflächen noch riesige Flächen Land überwachen .
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