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Militärische Lehren aus dem Ukraine-Krieg - Druckversion +- Forum-Sicherheitspolitik (https://www.forum-sicherheitspolitik.org) +-- Forum: Hintergründe (https://www.forum-sicherheitspolitik.org/forumdisplay.php?fid=97) +--- Forum: Allgemeine fachbezogene Diskussionen (https://www.forum-sicherheitspolitik.org/forumdisplay.php?fid=98) +--- Thema: Militärische Lehren aus dem Ukraine-Krieg (/showthread.php?tid=6333) |
RE: Militärische Lehren aus dem Ukraine-Krieg - muck - 11.04.2025 (11.04.2025, 16:23)Quintus Fabius schrieb: Meiner Meinung nach beschränkst du die Interpretation des Geschehens zu sehr auf die dort real vorhandene Technologie. Diese kann aber von ihren Mechanismen und ihrer Funktion extrapoliert werden. Entsprechend werden die Drohnen welche den nächsten Krieg dominieren sowohl eine viel höhere Reichweite, als auch viel größere Fähigkeiten haben.Das ist richtig, aber ich halte diese Beschränkung trotzdem für angemessen, jedenfalls im Grundsatz. Und zwar aus dem Grund, dass wir uns auf die ersten zwei Wochen eines künftigen Krieges vorbereiten müssen. Und ich bin nicht sicher, ob man aus den gegenwärtigen Geschehnissen, die einen drei Jahre alten Stellungskrieg abbilden, auf die nahe Zukunft schließen kann, in der das wahrscheinlichste Szenar ein Bewegungskrieg wäre. Denn auch die 2030 vorstellbaren UAS würden, selbst wenn der potentielle Gegner sie millionenfach einsetzen könnte, noch nichts an den grundsätzlichen operativen Problemstellungen ändern. Der von Dir skizzierte technische Wandel findet natürlich statt, und vermutlich kommt Deine Schilderung künftigen Szenaren nahe. Nur würde ich diese Szenare später verorten, als Du das tust. Das technisch Mögliche ist nicht gleichbedeutend mit dem militärisch Möglichen. RE: Militärische Lehren aus dem Ukraine-Krieg - Quintus Fabius - 12.04.2025 Ich behaupte aber ja gar nicht, dass der zukünftige Krieg ein Stellungskrieg wäre, und insbesondere nicht, dass er dies gleich zu anfang wäre. Ganz im Gegenteil: die Drohnen werden im zukünftigen Krieg die Bewegung überhaupt erst wieder möglich machen, sie werden ein Mittel des Bewegungskrieges sein. Auch Durchbrüche kann und wird man mit Drohnen erzielen. Im Strang Bundeswehr Wunschkonzert 2025 habe ich erst vor kurzem ausführlicher dargelegt, wie ein solcher Krieg vom Kriegsbild her ablaufen könnte, was für Systeme und was für Kräfte man hierfür benötigt und wie man diesen für sich entscheiden kann. In diesem Kontext haben wir aber ein strategisches Problem: wir können und werden den immensen Vorteil des Erstschlags (konventionell) nicht für uns nutzen können. Der Gegner wird den Krieg eröffnen, also der Angreifer sein, also den Erstschlag führen. Im modernen Krieg der Zukunft ist dies aber zunächst ein immenser Vorteil. Konträr dazu ist die Defensive was die Kampfkraft angeht dann im weiteren stärker (weil die Drohnen in der Defensive stärker sind, und zugleich die Defensive herbei zwingen). Und zugleich kann ein Krieg natürlich nicht (!) in der reinen Defensive gewonnen werden. Exakt diese Widersprüche beherrschen den zukünftigen modernen Krieg. 1. Erstschlagsvorteil (was nur im Angriff geht, womit der Angreifer im Erstschlag einen immensen Vorteil generiert). 2. Primat der Defensive (verstärkt durch die Drohnen, KI und das Kaleidoskop des Kampfraumes) 3. Kriege können aber nicht rein defensiv gewonnen werden. Wir werden aber keinen Erstschlag führen, und damit stehen wir vor einem strategischen Dilemma welches wir nicht auflösen können. Daher müssen Formen, Strategie und eine Doktrin entwickelt werden, welche uns den feindlichen Erstschlag möglichst gut überstehen lässt (Netzverteidigung, tiefe Verteidigung, Dislozierung bei gleichzeitiger Möglichkeit der Konzentration der Feuerkraft über große Distanzen) - und es uns dann ermöglicht die Wehrkraft des Feindes möglichst schnell zu vernichten und wiederum selbst in die Gegenoffensive gehen zu können, obwohl der Feind dann in der Defensive den Vorteil hat. Eventuell interessieren dich ja meine Annahmen um Kriegsbild: https://www.forum-sicherheitspolitik.org/showthread.php?tid=7551&pid=259533#pid259533 https://www.forum-sicherheitspolitik.org/showthread.php?tid=7551&pid=259542#pid259542 Im übrigen möchte ich daraus verweisen, dass Bewegungskrieg nicht nur offensiv geführt werden kann, sondern ganz genau so auch defensiv. Und dass auch der defensive (!) Einsatz von Drohnen hochmobil und im Bewegungskrieg erfolgen kann. Gerade das schlagen aus der Nachhand mit zu diesem Zweck aus vorher stark dislozierten Stellungen rasend schnell zusammen gezogenen Drohnenverbänden wird eines der wesentlichen Kennzeichen zukünftigen Bewegungskrieges sein. Schwarmtaktiken welche mit KI koordiniert werden, weil welchen Schwärme (nicht nur Drohnen, sondern der Schwarm beinhaltet alles, von Infanterie bis hin zu Kampfpanzern) sich fortwährend schnell zusammenziehen oder umgekehrt dislozieren werden dominierend werden. Diese Schwärme agieren im weiteren dann auch von gesicherten Räumen aus, wo Großkampfverbände mit starker Defensivkraft ein Gebiet tatsächlich gegen feindliche Angriffe sichern können. Von dort aus stößt man vor - und zieht sich sofort wieder in die Sicherheit des Großkampfverbandes zurück. In den Räumen mit geringer Truppendichte dazwischen hingegen ist die primäre Fähigkeit das Verbergen und Dislozieren - gerade in letztgenanntem liegt dann auch der Grund für die geringe Truppendichte pro Raumeinheit. Damit entsteht ein Vierklang aus folgenden Fähigkeiten: Finden (C4ISTAR) - Verbergen (Tarnen, Täuschen, Dislozieren) (Masking (Stealth, Deception, Dislocation) - Fernkampf (Strike) - Gegenfernkampf (Shield). Beide Seiten versuchen nun in diesen vier Bereichen zu agieren und die Gegenseite jeweils darin zu schlagen. Und Drohnen sind nun in diesem Vierklang querschnittlich einfacher einsetzbar als andere Systeme, weil man sie das Finden befördern, sich selbst leichter verbergen lasen, weil sie selbst Mittel des Fernkampfes sind und ebenso auch Mittel des Gegenfernkampfes. Und genau das ist der Grund, warum Drohnen heute so dominierend geworden sind, und nicht die Abnutzung der Artillerie oder weil es sonst keine anderen Wirkmittel mehr gäbe oder weil beide Seiten völlig fertig sind usw. Letztgenanntes hat lediglich zur Folge, dass beide Seiten nicht die Drohnen einsetzen, welche heute bereits möglich wären. Man setzt also technologisch rückständige, primitive, improvisierte Drohnen ein. Aber gerade aufgrund der Dominanz von Drohnen im allgemeinen in diesem Vierklang setzen sich selbst diese schlechteren Drohnen fortwährend durch. Verbleibt noch die Frage der Kosten. Aufwendigere Drohnen kosten natürlich auch mehr. Dennoch kann man sie großindustriell in Serie auf Fließbändern in Massen fertigen und käme dann damit immer noch auf Preise, welche rein kriegswirtschaftlich im Vergleich zu anderen ebenfalls ständig teureren Systemen (Kampfpanzer als plakatives Beispiel) immer noch vorteilhaft sind. RE: Militärische Lehren aus dem Ukraine-Krieg - Quintus Fabius - 22.04.2025 Über die verschiedenen Schichten des Frontraumes: https://www.youtube.com/watch?v=uboIsArlC2U Zitat:Timestamps |