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Westliche Unterstützung für die Ukraine (Sanktionen/Waffenlieferungen/Sonstiges) - Druckversion

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RE: Russland vs. Ukraine - Pmichael - 01.06.2022

Das fundamentale Problem der nicht eskalierende Rhetorik oder einer gesichtswahrender Exit Strategie geht von einer falschen Prämissen aus, dass Ukraine ein Teil einer größeren geopolitischen Ambition ist, sondern Ukraine ist für Putin reiner Selbstzweck. Es ist keine Tik for Tak Kubakrise, die man für beide Seiten auflösen kann sondern die Russische Variante der alten Lebensraumfrage.


RE: Russland vs. Ukraine - Quintus Fabius - 01.06.2022

Werter Nightwatch:

naturgemäß kann man meine Aussage hier nur missverstehen, ist sie doch zu kurz und es fehlt der ganze gedankliche Hinterbau dazu.

Ich gehe völlig mir dir im Gleichschritt, dass es jetzt das Ziel sein muss, Russland so weit wie möglich zu schwächen, seine Streitkräfte abzunutzen und die dass es das absolut primäre Ziel dieses Krieges (für uns) sein muss, dass die russische Armee maximal geschwächt wird. Das schreibe ich schon seit mehr als 40 Seiten in diesem Strang keinen Tag anders.

Exakt wegen der geopolitischen Chancen aber, gerade eben um erhebliche Teile der russischen Streitkräfte zu vernichten, darf man jetzt nicht ein Übermaß an Hilfe schicken. Warum?! Weil ansonsten die Verluste für die Russen in zu kurzer Zeit zu hoch wären, und dem folgend ein Ende des Krieges dadurch wahrscheinlicher wird. Die Ukraine ist groß, und die Russen stehen gerade mal erst ganz im Osten. Je mehr Russland davon einnimmt, desto mehr werden seine Streitkräfte in diesem Konflikt gebunden, desto mehr Hoffnung hat die russische Führung doch noch einen kompletten Sieg zu erringen, desto länger wird in Wahrheit der Krieg andauern und desto größer werden langfristig die russischen Verluste ausfallen.

Die Ukraine sollte (hinter den Kulissen und dem notwendigen üblichen Friedensbekundungen) nur ein Mittel zum Zweck sein, oder wie ich es schon mehrfach geschrieben habe: die Kunst in diesem Krieg wäre es, diesen genau auf der richtigen Temperatur vor sich hin köcheln zu lassen. Wenn wir die Temperatur zu weit aufdrehen eskaliert der Konflikt entweder unkontrollierbar (und hinterher wird jeder wieder überrascht tun, ODER: der Konflikt endet zu frühzeitig und mit für unsere Zielsetzung unzureichenden Ergebnissen.

Gerade die Zielsetzung der Vernichtung erheblicher Teile der russischen Streitkräfte gebietet es die Waffenlieferungen zu strecken und das ganze über einen größeren Zeitraum hinweg zu betrachten. Hierzu ist es notwendig die Ukraine genau mit dem zu versorgen was gerade so notwendig ist, nicht mehr und nicht weniger. Nur so können auf einen längeren Zeitraum hin gerichtet größere russische Verluste erzeugt werden. Keinesfalls geht es mir also um eine Einstellung der Kampfhandlungen, sondern ganz im Gegenteil. Ich befürchte einen Verhandlungsfrieden, sollte man seitens des Westens noch mehr Waffenlieferungen senden und sollten diese Waffen dann in zunehmenden Maße eingesetzt werden. Gerade dies würde den Konflikt langfristig verfestigen.

Ich bin daher auch ganz klar für Waffenlieferungen für die Ukraine, aber nicht in dieser Form, diesem Ausmaß und mit dieser Geschwindigkeit. Keineswegs darf man (um dich zu zitieren) einfach alles in die Ukraine werfen, dafür besteht aktuell überhaupt gar keine Veranlassung.

Dann ist langfristig noch zu bedenken, dass eine vollständige Freikämpfung der Ukraine, also eine Niederlage Russlands uns extrem große Folgekosten aufbürdet, während es für uns wesentlich vorteilhafter wäre, wenn Russland diese Folgekosten (vor allem in der Ostukraine) selbst tragen muss. Dazu noch der Partisanenkrieg der dort leicht schürbar wäre.

Und gerade deshalb ist es ein Fehler zuviel zu schnell zu liefern. Die Ukraine sollte eben nicht vollständig gewinnen, weil dies immens nachteilig im Sinne deiner Zielsetzung wäre (die ich selbst vollauf teile). Russland kann und wird nur dann wirklich bluten, wenn es tiefer (!) in den ukrainischen Raum hinein gezogen wird, wenn es die völlig zerstörten Gebiete der Ostukraine selbst kümmern muss, wenn es mit einem vollumfänglichen Partisanenkrieg in einem größeren Gebiet hinter seinen Linien konfrontiert ist, wenn er Krieg im Idealfall noch viele Monate lang andauert und wenn schlußendlich der Krieg nicht eskaliert, nicht beendet und nicht herunter gefahren wird. Und insbesondere darf die Lage nicht dazu führen, dass das System Putin stürzt.

Es ist ja ein völliger Irrglaube anzunehmen, wenn Russland jetzt innerhalb der nächsten 3 Monate oder so aufgibt / aufgeben muss, dass dann die Lage damit dauerhaft stabilisiert sei. Nehmen wir einmal an, die Ukraine würde bis zum Winter dieses Jahres vollständig siegen, den ganzen Donbass komplett zurück erobern einschließlich der Seperatistengebiete, man würde auf die Krim verzichten (alles reine Theorie!) und damit hätte man einen Sieg im sagen wir November 2022 erreicht und sogar den Donbass komplett zurück gewonnen. Dies führt dann eben nicht zur dauerhaften Stabilisierung Osteuropas, sondern ganz im Gegenteil. Russland wird nach Revanche schreien, man wird zwingend einen weiteren Krieg anfangen, noch bevor die Ukraine in die NATO und EU aufgenommen werden kann, und die ganze Sache wird insgesamt nur noch wesentlich schlimmer werden. Am schlimmsten wäre es, wenn Russland zeitnah aus dem Krieg ausscheiden kann, dann wären nämlich die bis dahin erlittenen Verluste unzureichend, wäre es möglich innerhalb weniger Jahre wieder ein erhebliches militärisches Problem zu werden (ich weiß du leugnest das) und wäre damit die Gefahr eines noch wesentlich größeren Krieges in Wahrheit höher.

Wir gewinnen rein gar nichts aus einem "Sieg" der Ukraine, und auch die Ukraine in Wahrheit nicht. Viel relevanter als ein Sieg der Ukraine ist ein möglichst weitgehendes Ausbluten Russlands und dass ist durch zu große Waffenlieferungen in zu kurzer Zeit gefährdet.


RE: Russland vs. Ukraine - Broensen - 01.06.2022

(29.05.2022, 21:12)Broensen schrieb: Zumal kaum zu erwarten ist, dass die Polen großartig etwas nachliefern werden, wenn diese Geschütze aufgebraucht sind.

Da hatte ich wirklich nicht mit gerechnet:

Zitat:Poland will sell 3 squadrons of AHS 155 Krab self-propelled howitzers to Ukraine, including 54 AHS-155 #KRAB systems, in addition to the recently shipped 18. These are newly manufactured vehicles, and Korea will help speed up delivery by sending ready-made K9 chassis from stock.
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Hut ab!


RE: Russland vs. Ukraine - Schneemann - 02.06.2022

@Broensen
Zitat:Seit wann haben wir IRIS-T SL in der Bundeswehr oder wie meinst du das?
Das war vielleicht etwas doppeldeutig und unzureichend formuliert gewesen von mir. Die Formulierung "haben" ist hier relativ - meines Wissens gibt es zwei (!) Erprobungsträger und irgendwo noch ein Demonstrationsobjekt. Mehr allerdings nicht. Insofern: Nein, also im eigentlichen Sinne "haben" wir es nicht wirklich.
Zitat:
Zitat:Da hatte ich wirklich nicht mit gerechnet:
Poland will sell 3 squadrons of AHS 155 Krab self-propelled howitzers to Ukraine, including 54 AHS-155 #KRAB systems, in addition to the recently shipped 18. These are newly manufactured vehicles, and Korea will help speed up delivery by sending ready-made K9 chassis from stock.
Wenn das stimmt, so ist es sicherlich ein bemerkenswerter Zug, aber auch ein relativ riskanter Vorgang, denn er entblößt selbst den polnischen Artilleriefuhrpark nicht unerheblich. Zumal das - also insgesamt 72 Systeme - beinahe alles ist, was man von diesem neuesten und modernsten SPA-Modell im Lager hat (insg. 80?). Es wäre ggf. besser gewesen, wenngleich auch nicht so medienwirksam, wenn man stattdessen 150 von den alten 2S1-SPAs (da hat man über 350 im Bestand) oder mehrere Dutzend WR-40-Werfer gesendet hätte. Ich hoffe nur, dass es nicht in ein, zwei Wochen aus Warschau heißt, dass es ja eine Ringtauschvereinbarung mit den Deutschen gegen PzH 2000 gibt...

@Quintus
Zitat:Und gerade deshalb ist es ein Fehler zuviel zu schnell zu liefern. Die Ukraine sollte eben nicht vollständig gewinnen, weil dies immens nachteilig im Sinne deiner Zielsetzung wäre (die ich selbst vollauf teile). Russland kann und wird nur dann wirklich bluten, wenn es tiefer (!) in den ukrainischen Raum hinein gezogen wird, wenn es die völlig zerstörten Gebiete der Ostukraine selbst kümmern muss, [...]
Das sehe ich im Grunde ähnlich. Es ist natürlich in gewisser Weise ein wenig zynisch, wenn man somit die Ukraine als Mittel zum Zweck ansieht, die Russen zu schwächen, da dies natürlich auf ukrainischem Boden stattfinden wird und wir indirekt mit ukrainischen Leben jonglieren. Aber so ist es nun mal in der Realpolitik - auch da die Folgen eines Nichtstuns noch inakzeptabler wären -, zumal es die russische Führung war, die anderen diesen Konflikt aufgezwungen hat. Wie ich also schon mal hier schrieb: Rücksichtnahme dürfte keine Option mehr sein.

Ansonsten denke ich auch, dass man in diesem Krieg eine Gratwanderung vollführen muss, wo die Intensität der Lieferungen relativ gut abgewogen sein sollte. (Dieses blindwütige Zuschütten der Ukraine mit Waffen wird uns so oder so später noch Sorgen bereiten; abgesehen davon ist die Frage, ob die Ukrainer alles derart rasch nutzen und auch "nach vorne" bringen könnten - so enorm ist ihr Ausbildungs- und Mannschaftspolster nämlich auch nicht.) Zwar glaube ich nicht, dass Russland per se einen Atomkrieg beginnen würde, selbst wenn es schlecht läuft, allerdings habe ich manchmal Zweifel, ob dieses schrille Getöse in russischen Medien, wo offen davon gesprochen wird Atomwaffen zu nutzen bzw. zumindest damit zu drohen (oft in Kombination mit Lautstärke und spätpubertären Beleidigungen wie auf einem Schulhof), nun alles nur eine abgekartete Show ist oder ob die nationalistischen Protagonisten und Hitzköpfe, die sich so äußern, daran wirklich glauben oder so weit gehen würden (selbst wenn Russland nicht direkt angegriffen würde)?

Letztlich - um beim Zynismus zu bleiben - schießt sich Russland vielleicht sogar mit jedem Meter, den es sich weiter vorkämpft, ein Eigentor. Wie du es schon geschrieben hattest in irgendeinem Beitrag auf den vorangegangenen Seiten: Im schlimmsten Fall siegen die Ukrainer und der Westen wird auf Jahre hinaus die verwüsteten Gebiete subventionieren und wieder aufbauen müssen.

Aber: Je mehr Land die Russen verwüsten und den Ukrainern abnehmen, desto mehr verwüstetes und mit Munitionsresten verseuchtes Land haben sie nach einem Kriegsende selbst wieder aufzubauen bzw. zu versorgen. D. h. diese Bürde ginge dann auf sie über statt auf die Europäer. Alleine die Gebiete, die sie aktuell schon erobert haben, spotten so ziemlich der Beschreibung - zerschossen, entvölkert, vergiftete Böden, Ruinenfelder, Munitionsreste etc. Insofern: Wenn ich nun den Zynismus toppen wollte, sollte ich sagen: Lasst die Russen sich bis zum Herbstschlamm noch ein wenig vorwühlen, lasst sie massive Verluste erleiden, liefert den Ukrainern aber bitte nur so viel, dass diese die Russen weitgehend bremsen können, aber selbst nicht auf dumme Gedanken kommen; also so, dass die Russen vielleicht noch 30 oder 50 Kilometer vorankommen unter schwersten Opfern - und lasst ihnen dann ein versumpftes und menschenleeres Niemandsland, das sie auf Jahre hinaus aufbauen und versorgen müssen.

Gleichwohl hat sich Zynismus im Krieg (bzw. besonders danach) nie sonderlich ausgezahlt, es ist nur dem einen mehr auf die Füße gefallen als dem anderen. Die Frage wäre also, ob wir uns auf diese Rechnung einlassen sollen oder nicht? Aber die Frage wäre zugleich, welche Alternativen wir hätten? Ein Nichtstun und ein Sieg der Russen ist nicht akzeptabel. Ein Herbeiführen einer sinnlosen Eskalation ist aber ebenso wenig zielführend wie sinnvoll für uns. Also bleibt wohl nur die Flucht in die zynische Kosten-Nutzen-Rechnung - auch wenn ich da irgendwie eine gewisse Frustration gepaart mit einem beschämendem Gefühl verspüre...

Schneemann


RE: Russland vs. Ukraine - lime - 02.06.2022

(02.06.2022, 09:34)Schneemann schrieb: Letztlich - um beim Zynismus zu bleiben - schießt sich Russland vielleicht sogar mit jedem Meter, den es sich weiter vorkämpft, ein Eigentor. Wie du es schon geschrieben hattest in irgendeinem Beitrag auf den vorangegangenen Seiten: Im schlimmsten Fall siegen die Ukrainer und der Westen wird auf Jahre hinaus die verwüsteten Gebiete subventionieren und wieder aufbauen müssen.

Aber: Je mehr Land die Russen verwüsten und den Ukrainern abnehmen, desto mehr verwüstetes und mit Munitionsresten verseuchtes Land haben sie nach einem Kriegsende selbst wieder aufzubauen bzw. zu versorgen. D. h. diese Bürde ginge dann auf sie über statt auf die Europäer. Alleine die Gebiete, die sie aktuell schon erobert haben, spotten so ziemlich der Beschreibung - zerschossen, entvölkert, vergiftete Böden, Ruinenfelder, Munitionsreste etc. Insofern: Wenn ich nun den Zynismus toppen wollte, sollte ich sagen: Lasst die Russen sich bis zum Herbstschlamm noch ein wenig vorwühlen, lasst sie massive Verluste erleiden, liefert den Ukrainern aber bitte nur so viel, dass diese die Russen weitgehend bremsen können, aber selbst nicht auf dumme Gedanken kommen; also so, dass die Russen vielleicht noch 30 oder 50 Kilometer vorankommen unter schwersten Opfern - und lasst ihnen dann ein versumpftes und menschenleeres Niemandsland, das sie auf Jahre hinaus aufbauen und versorgen müssen.
Schneemann

Historisch betrachtet gab es nach großen Kriegen immer große Wirtschaftsaufschwünge. Deshalb ist die Annahme dass diese Gebiete sozusagen ein Ballast für den Sieger darstellen ökonomisch betrachtet unsinnig. Im Gegenteil legen diese den Grundstein für ein zukünftig starkes Wirtschaftswachstum.


RE: Russland vs. Ukraine - Schneemann - 02.06.2022

@lime
Zitat:Historisch betrachtet gab es nach großen Kriegen immer große Wirtschaftsaufschwünge. Deshalb ist die Annahme dass diese Gebiete sozusagen ein Ballast für den Sieger darstellen ökonomisch betrachtet unsinnig. Im Gegenteil legen diese den Grundstein für ein zukünftig starkes Wirtschaftswachstum.
Das hängt aber stark vom Kriegsschauplatz ab und den Bedingungen, die vorherrschten bevor ein Land vom Krieg überzogen wurde. Der Irak etwa hat die Amerikaner mehr gekostet als er "einbrachte" (trotz des gerne kolportierten Vorurteils gerade der deutschen Linken, es ginge "nur ums Öl"; tatsächlich kamen alle möglichen Konzerne zum Zug - Lukoil, Total, CNPC etc. - nur nicht US-Konzerne, die mittlerweile keinen namhaften Öl-Vertrag mehr dort haben), gleiches gilt für Bosnien, Afghanistan, Syrien. Allerdings gibt es auch Gegenbeispiele - Deutschland etwa nach dem Krieg, oder auch Südkorea nach dem Koreakrieg (wobei es hier aber in beiden Fällen eines finanziellen Anstoßes bedurfte durch die USA, und dieser Aufschwung trat auch erst grob fünf bis zehn Jahre nach dem Kriegsende ein).

Nur sage ich es ganz offen: Die Ukraine ist meiner Meinung nach nicht mit Deutschland oder Südkorea vergleichbar, eher mit dem Irak...

Schneemann


RE: Russland vs. Ukraine - Quintus Fabius - 02.06.2022

Südkorea war nach dem Koreakrieg auf viele Jahre hinaus ruiniert, weshalb Nordkorea nach dem Krieg sogar besser dastand, wohlhabender wahr und besser entwickelt. Erst nach geraumer Zeit begann dann Südkorea seinen Aufstieg, der resultierte aber nicht aus dem Krieg.

Krieg ist ein großer Gleichmacher, er verteilt also Vermögen um, und verteilt dieses gerechter, eröffnet Chancen und Möglichkeiten statt erstarrter Strukturen und kann zu einem Wirtschaftsaufschwung führen. Dies aber nur und wirklich nur dann, wenn die Gesellschaft und der Staat in welchem dies stattfinden soll bestimmte Rahmenbedingungen und Umstände mitbringen, als da wären: Rechtsstaatlichkeit, die weitgehende Abwesenheit von Korruption, technische und wissenschaftliche Kompetenz, ausreichend Ingenieure und Techniker (das Wissen geht ja durch die materiellen Verluste nicht verloren) und eine gewisse Anschubfinanzierung von außen (welche nicht einmal so hoch sein muss, siehe Marshall Plan).

All das wäre in der Ostukraine nicht gegeben, wenn Russland diese Gebiete kontrolliert. Und genau so nicht wenn die Ukraine diese Gebiete wieder kontrolliert. Von daher würde es in den zerstörten Gebieten in der Ukraine eben keinen Wirtschaftsaufschwung geben, sondern müssten diese sehr viel weitgehender von außen substituiert werden.

Gleichgültig ob Ukrainer oder Russen, die Faktoren welche dazu führen, dass ein Krieg positive Folgen nach sich zieht fehlen hier einfach. Die negativen Auswirkungen wären im weiteren noch deutlich größer wenn Russland diese Gebiete kontrolliert, die Rechnung wäre also für Russland nochmal deutlich größer als im anderen Fall, aber sie wäre auch für uns erheblich.

Ein gutes praktisches Beispiel sind die Seperatistengebiete, in welchen seit 2014 und den Zerstörungen dort folgend eben nicht nur keinerlei Aufschwung stattfand, sondern nur eine immer noch weiter fortschreitende Agonie, in welcher diese ehemals gar nicht so schlecht aufgestellten Gebiete einfach nur nachhaltig zugrunde gerichtet wurden. So würde dass dann auch in der Ostukraine ansonsten laufen.

Von daher ist die Frage lediglich, ob wir den Schaden haben werden, oder die Russen einen noch größeren Schaden haben werden.


RE: Russland vs. Ukraine - lime - 02.06.2022

(02.06.2022, 10:14)Quintus Fabius schrieb: Ein gutes praktisches Beispiel sind die Seperatistengebiete, in welchen seit 2014 und den Zerstörungen dort folgend eben nicht nur keinerlei Aufschwung stattfand, sondern nur eine immer noch weiter fortschreitende Agonie, in welcher diese ehemals gar nicht so schlecht aufgestellten Gebiete einfach nur nachhaltig zugrunde gerichtet wurden. So würde dass dann auch in der Ostukraine ansonsten laufen.

Von daher ist die Frage lediglich, ob wir den Schaden haben werden, oder die Russen einen noch größeren Schaden haben werden.

Dort war der Krieg aber auch faktisch nie beendet, was schon allein genommen Grund genug ist dort nicht zu investieren.


RE: Russland vs. Ukraine - Quintus Fabius - 02.06.2022

lime:

Das war und ist aber nicht der Grund für den extremen Niedergang in diesen Gebieten gewesen, sondern diese wurden regelrecht ausgeplündert, der Mafia ausgeliefert und versanken in Korruption und Kriminalität. Die Umstände dort verhinderten Investitionen noch mehr als der sporadische Austausch von irgendwelchem Artilleriefeuer, und zwar wesentlich mehr. Die Bevölkerung dort wurde einem zutiefst kriminellen Regime ausgeliefert, welches absolut alles veruntreute was auch nur irgendwie dorthin investiert wurde.

Allgemein:

Der Grund warum die Polen nicht ihre veralteten Systeme liefern liegt meiner Meinung nach auch darin, dass den Ukrainern für die Ost-Kaliber zunehmend die Munition ausgeht. So weit man es aus OSINT sagen kann, geht den Ukrainern zunehmend ihre "einheimische" Munition aus. Systeme in 155mm haben hier den Vorteil jetzt neu eintreffende westliche Munition nutzen zu können.

Noch allgemeiner:

Meiner Meinung nach sollte man diesen Krieg von westlicher TM Seite aus wie ein Niedrig-Temperatur Schmoren sehen / führen. Also möglichst lange mit möglichst niedriger Temperatur laufen lassen. Beides bedingt einander, gerade wenn man ihn so weiterführt, dauert er länger, wird Russland tiefer in die Ukraine hinein gezogen, steigen die Kosten für Russland maximal - zugleich wird die Eskalation oder (genau so schlecht) ein vorzeitiges Ende vermieden und es wird vermieden dass das System Putin stürzt, was auch nicht in unserem Interesse ist (Inkompetenz und extremste Korruption beim Feind sind für uns nur vorteilhaft).


RE: Russland vs. Ukraine - Schneemann - 03.06.2022

Einmal ein recht interessantes Stimmungsbild, wie das Empfinden bei uns im Land ist hinsichtlich des Ukrainekrieges und der deutschen Politik:
Zitat:ARD-DeutschlandTrend [...]

Dass die Preisentwicklung eines der wichtigsten Probleme ist, um das sich die deutsche Politik vorrangig kümmern muss, sagt aktuell knapp jeder vierte Deutsche (23 Prozent). Damit landet das Thema Inflation bei dieser offenen Frage, auf die maximal zwei Probleme genannt werden konnten, noch vor Umweltschutz und Klimawandel (22 Prozent) sowie der sozialen Ungerechtigkeit (16 Prozent) auf dem zweiten Rang. Nur ein Thema wurde noch häufiger genannt: der Ukraine-Krieg (37 Prozent). [...]

Der deutsche Kurs im Umgang mit diesem Krieg wird in der Bevölkerung sehr unterschiedlich bewertet. Jeder Zweite (50 Prozent) vertritt die Haltung, Deutschland solle dabei entschlossen agieren und Härte gegenüber Russland zeigen. 43 Prozent indes sagen, die Bundesregierung sollte eher zurückhaltend sein, um Russland nicht zu provozieren. Während die Mehrheit der Anhänger von Grünen (74 Prozent), FDP (60 Prozent) und Union (59 Prozent) ein entschlossenes Auftreten Deutschlands unterstützen und in den AfD-Reihen ein zurückhaltendes Agieren (71 Prozent) favorisiert wird, sind die Anhänger der SPD in dieser Frage gespalten. Darüber hinaus bestehen massive Unterschiede zwischen West und Ost.

53 Prozent der Westdeutschen halten ein entschlossenes Handeln und Härte gegenüber Russland für angebracht, im Osten sagen das jedoch lediglich 35 Prozent. [...]

Die bestehende Unterstützung der Ukraine mit Waffen halten vier von zehn Befragten (42 Prozent) für angemessen (+7 im Vgl. zu Ende April). 29 Prozent geht sie nicht weit genug (-2), knapp jedem Vierten (23 Prozent) geht sie zu weit (-4). Hierbei ist wichtig zu wissen: Am Mittwoch, dem letzten Tag der Befragung, hatte die Bundesregierung weitere Waffenlieferungen an die Ukraine angekündigt, darunter unter anderem ein modernes Flugabwehrsystem.

Die deutschen Sanktionsmaßnahmen gegen Russland halten derzeit 37 Prozent für angemessen (+3). Einer relativen Mehrheit von 41 Prozent gehen sie nicht weit genug (-4). Für 15 Prozent gehen sie zu weit (+1). Die diplomatischen Anstrengungen Deutschlands zur Beilegung des Krieges halten 43 Prozent für angemessen (+2); fast ebenso vielen Befragten gehen sie allerdings nicht weit genug (-1). Für 8 Prozent gehen sie zu weit (+2).
https://www.tagesschau.de/inland/deutschlandtrend/deutschlandtrend-3037.html

Das ist sicherlich nur eine Momentaufnahme und man muss bedenken, dass es auch in Umfragen immer Schwankungen gibt. Grob kann man aber sagen:

a) Rund 70% (42% plus 29%) sind mit dem Umfang der Waffenlieferungen zufrieden oder wollen gar noch mehr liefern. Gleichwohl allerdings ist es in der Tendenz so, dass der Anteil von denjenigen, die meinen, dass mehr geliefert werden sollte, leicht sinkend ist.

b) Mehr als 75% (37% plus 41%) halten die Sanktionen für angemessen, ein Teil davon wünscht sogar noch schärfere Sanktionen. Der Anteil von denjenigen, die noch härtere Sanktionen gutheißen würden, ist leicht abgesunken, liegt aber bei immer noch rund 40%.

c) Interessanterweise sagen aber nur 37%, dass sie der Krieg erheblich beschäftigt bzw. dass sie diesen als gewichtigstes Thema derzeit ansehen. Das ist zwar der höchstbewertete Punkt von allen abgefragten, dennoch ist der Wert m. M. n. erstaunlich niedrig (ich hätte hier deutlich über 50% geschätzt). Offenbar ist also die Sorge vor weiterführenden Entwicklungen doch nicht so eminent ausgeprägt wie vermutet. Die Frage wäre dann aber, ob wir einfach nur abgebrüht sind oder aber oftmals die Tragweite der Entwicklungen und Risiken nicht richtig erkannt wird?

Weiterhin: 100 Tage nach Beginn des Krieges hat Russland laut ukrainischen Angaben etwa ein Fünftel des Landes unter Kontrolle gebracht:
Zitat:Ukraine war: Zelensky says Russia controls a fifth of Ukrainian territory

Ukraine's President Volodymyr Zelensky says that Russian forces have seized 20% of his country's territory, as Moscow's invasion nears its 100th day. Addressing lawmakers in Luxembourg, he added that the front line extended for more than 1,000km (621 miles). [...]

Severodonetsk is the easternmost city under Ukrainian control and regional governor Serhiy Haidai said Russia was trying to break through defences in the city "from all directions". [...] Intense street-to-street fighting in the city had hampered evacuations, he said, describing such efforts as "extremely dangerous".

In a video address late on Thursday evening, Mr Zelensky said the situation in Donbas had not changed significantly that day but that Ukrainians had experienced "some success" in battles in Severodonetsk. Some 15,000 civilians remain trapped in the city, with many of them taking shelter at the massive Azot chemical plant.
https://www.bbc.com/news/world-europe-61675915

Eine weitere Entwicklung, die für uns doch relativ positiv scheint:
Zitat:Statistisches Bundesamt

Deutsche Exporte legen deutlich stärker zu als erwartet

Die deutschen Exporte haben sich im April überraschend stark erholt. Auch die Importe legten zu. Die Ausfuhren nach Russland gingen erneut um zehn Prozent zurück. [...]

Demnach stiegen sie wegen gut laufender Geschäfte mit den USA und den Euroländern im Vergleich zum Vormonat um 4,4 Prozent auf 126,4 Milliarden Euro. [...] Die Importe legten diesmal mit 3,1 Prozent ebenfalls weitaus stärker zu als erwartet, nach einem Plus von 3,2 Prozent im Vormonat. [...] Die deutschen Ausfuhren nach Russland brachen im April wegen der Sanktionen als Reaktion auf den Krieg gegen die Ukraine und anderer Maßnahmen zur Exportbeschränkung um 10,0 Prozent auf nur noch 0,8 Milliarden Euro ein. Im März waren sie um mehr als 60 Prozent eingebrochen. Die Importe aus Russland gaben um 16,4 Prozent auf 3,7 Milliarden Euro nach.
https://www.zeit.de/politik/2022-06/exporte-deutsche-wirtschaft-importe-ukraine-krieg

Trotz aller Teuerungen scheint uns also die Sanktionspolitik nicht allzu sehr auf die Füße zu fallen.

Dagegen scheinen sich die Sanktionen in Russland immer stärker auszuwirken, wenngleich auch nicht so schnell wie vermutet:
Zitat:Russia braces for economic upheaval as sanctions start to bite

With billions of dollars in financial reserves and money still coming in from oil and gas exports, Russia has yet to feel the full impact of the barrage of Western sanctions imposed over its offensive in Ukraine. But Ivan sees storm clouds on the horizon. [...]

"We're running out of stock. At some point, there won't be anything left," said Ivan, who declined to give his last name when speaking to international media. "People who have foreign cars are worried, they are wondering what to do in the future," he said. [...]

But Russia is heavily reliant on imports of everything from manufacturing equipment to consumer goods, and economists believe the worst effects of the sanctions are still to come. [...] Authorities have stopped releasing key data, making it difficult to assess the impact of sanctions. But the few available economic indicators point to significant problems. [...]

Inflation meanwhile hit 17.8 percent year-on-year in April, the highest for 20 years. And revenues from domestic value-added or sales tax collapsed by more than a half in April, VAT fees on imported goods dropping by a third compared to the same month in 2021. [...]

Textile manufacturers are having trouble buying buttons, while paper producers are struggling with a shortage of bleaching agents, Nabiullina said. Prices for white paper have skyrocketed and some businesses in Moscow have started printing out receipts on unbleached beige paper. The aviation and tourism sectors have been hit especially hard. Direct air links with Europe have been severed and Russians are unable to use their bank cards abroad. [...] Russian Railways has launched additional train services to compensate for the absence of flights.

For now, the surge in oil and gas prices prompted by the Ukraine conflict is helping to keep the Russian economy afloat, despite the tens of thousands out of work or put on leave and paid a reduced salary while factories halt production for lack of foreign components.
https://www.france24.com/en/live-news/20220602-russia-braces-for-economic-upheaval-as-sanctions-start-to-bite

Schneemann


RE: Russland vs. Ukraine - Schneemann - 13.06.2022

Zitat:Russia's economic slump will wipe out 15 years of gains - IIF

LONDON, June 8 (Reuters) - Russia's economy will shrink 15% this year and 3% in 2023 as the hit from Western sanctions, an exodus of companies, a Russian "brain-drain" and collapse in exports wipe out 15 years of economic gains, a global banking industry lobby group said.

In its report on the Russian economy following Moscow's invasion of Ukraine on Feb. 24, the Institute of International Finance (IIF) said it did not expect a ceasefire in the war and that it was likely sanctions would be expanded and tightened in the coming months. [...] The United States, European countries and other allies have imposed sweeping sanctions aimed at punishing Russia and at impeding Moscow's ability to fund its war machine. While Russia's economy is slowing sharply and its people's spending power is shrinking, a surge in oil and gas prices -- major Russian exports -- have lifted the country's current account surplus to record levels in recent months. [...] Instead, the impact of sanctions would hit harder with time, especially if Europe cut oil and gas imports significantly, although she noted this would take months if not years.

The IIF forecasts that Russian gross fixed capital formation will contract 25% in 2022, imports 28% and exports 25%.
https://www.reuters.com/markets/europe/russias-economic-slump-will-wipe-out-15-years-gains-iif-2022-06-08/

Wir hatten es ja schon öfters thematisiert: Heißt, die russische Wirtschaftsleistung und der Wohlstand der Menschen wird zurückgehen, zugleich aber wird die Finanzkasse nicht schwächer, sondern derzeit noch gestärkt, was wiederum die Reichen im Land reicher machen wird und auch die Fortführung des Krieges erst einmal ermöglichen wird.

Eine Übersicht über deutsche Rüstungslieferungen:
Zitat:Deutsche Rüstungsgüter für 350 Millionen Euro in die Ukraine

Die Bundesregierung hat in den ersten gut drei Monaten des Ukraine-Kriegs die Lieferung von Waffen und anderen Rüstungsgütern im Wert von 350,1 Millionen Euro in das von Russland angegriffene Land genehmigt. [...]

Vom ersten Kriegstag, dem 24. Februar, bis zum 1. Juni gab die Regierung demnach grünes Licht für die Lieferung von Kriegswaffen für 219,8 Millionen Euro und sonstige Rüstungsgüter wie Helme und Schutzwesten für 85,2 Millionen Euro. Hinzu kommen Waffen und Ausrüstung der Bundeswehr für 45,1 Millionen Euro, die ab dem 1. April in einem vereinfachten Verfahren genehmigt wurden. Hierfür gibt es keine Aufschlüsselung in Kriegswaffen und sonstige Rüstungsgüter. [...]

Die Bundesregierung hatte sich zwei Tage nach dem russischen Angriff auf die Ukraine dafür entschieden, Waffen in das Kriegsgebiet zu liefern - ein Tabubruch. Seitdem kamen Panzerfäuste, Flugabwehrraketen, Splittergranaten und mehr als 20 Millionen Schuss Munition in der Ukraine an. Schwere Waffen wie Artilleriegeschütze und Flugabwehrpanzer wurden bisher zwar zugesagt, aber noch nicht geliefert.

Zum Vergleich: Die USA haben der Ukraine von Kriegsbeginn bis zum 1. Juni nach Regierungsangaben Waffen und Ausrüstung im Wert von 4,6 Milliarden Dollar (4,37 Milliarden Euro) zugesagt oder geliefert. Dazu gehören zahlreiche schwere Waffen, zum Beispiel Haubitzen und Mehrfach-Raketenwerfer.
https://www.faz.net/agenturmeldungen/dpa/deutsche-ruestungsgueter-fuer-350-millionen-euro-in-die-ukraine-18099023.html

Schneemann


RE: Russland vs. Ukraine - lime - 13.06.2022

Was zu erwarten war:

https://www.berliner-zeitung.de/wirtschaft-verantwortung/mega-deals-indien-kauft-russisches-oel-und-verkauft-es-teuer-nach-europa-li.235748

In der Summe braucht man eben so viel Öl wie sonst auch. Was nichts anderes bedeutet als dass man nun eben russisches Öl wesentlich teurer auf Umwegen kauft. Aber für ein gutes Gefühl zahlt man im Westen eben gerne mal drauf.


RE: Russland vs. Ukraine - lime - 14.06.2022

Rußland verdient aktuell pro Tag netto 680 Millionen Euro durch Energieexporte.

https://www.merkur.de/politik/ukraine-news-russland-oel-gas-sanktionen-deutschland-putin-energie-export-china-schwachstelle-zr-91607863.html

Noch ein interessanter Artikel zum Thema:

https://www.theguardian.com/commentisfree/2022/jun/02/russia-economic-war-ukraine-food-fuel-price-vladimir-putin?utm_term=Autofeed&CMP=twt_gu&utm_medium&utm_source=Twitter#Echobox=1654164170


RE: Russland vs. Ukraine - Schneemann - 16.06.2022

Die russischen Erdgaslieferungen nach dem Westen werden weiter reduziert:
Zitat:RUSSLAND DROSSELT LIEFERUNGEN

Deutschland muss jetzt Gas sparen

Noch werden die deutschen Speicher befüllt. Doch kommt künftig weniger als die Hälfte russisches Erdgas durch die Pipelines. Der Chef der Bundesnetzagentur hat Ideen, wie Vermieter und Unternehmen sparen könnten. [...] Dass der russische Energiekonzern Gazprom seine Erdgas-Lieferungen durch die Ostseepipeline Nord Stream 1 auf weniger als die Hälfte senkt, ist aus Sicht des Präsidenten der Bundesnetzagentur, Klaus Müller, ein Warnsignal. [...] Auf die Frage, ob er fürchte, dass Russland mit einem Gas-Lieferstopp ernst mache, sagte Müller: „Es lag bislang in der russischen Logik, Deutschland weiter Gas verkaufen zu wollen. Aber wir können nichts ausschließen.“ [...]

Von der Nacht zu diesem Donnerstag an sollen täglich nur noch maximal 67 Millionen Kubikmeter Erdgas durch die Leitung gepumpt werden, hatte Gazprom angekündigt. Diese neuerliche Reduktion bedeutet eine Drosselung um rund 60 Prozent innerhalb von zwei Tagen. [...] Bereits am Dienstag hatte Gazprom die Reduktion des bisher geplanten Tagesvolumens von 167 Millionen um rund 40 Prozent auf 100 Millionen Kubikmeter Gas pro Tag verkündet und auf Verzögerungen bei der Reparatur von Gasverdichtern verwiesen.
https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/gazprom-drosselt-lieferungen-deutsche-sollen-gas-sparen-18105973.html

Wegen des Streites über die Bezahlung der Gaslieferungen in Rubel waren schon die Lieferungen u. a. an Dänemark und die Niederlande beendet worden vor einigen Wochen (Meldung von Anfang Juni):
Zitat:Russisches Gas

Lieferstopp für Dänemark und Shell [...]

Russland weitet den Kreis der Länder, die kein Gas mehr geliefert bekommen sollen, immer weiter aus. Gazprom hat die Exporte nach Dänemark und an Shell Energy Europe gestoppt. Das teilte der russische Energiekonzern mit. Zuvor hatte der dänische Versorger Ørsted von einem russischen Lieferstopp ab 6 Uhr morgens gesprochen. Gazprom begründete den Schritt damit, dass sowohl der dänische Konzern als auch Shell für das Gas nicht wie von Russland gefordert in Rubel zahlten. [...]

Seitdem hat Russland bereits die Lieferungen nach Polen, Bulgarien und Finnland eingestellt - und zuletzt auch an die Niederlande. Nach Angaben von GasTerra, dem niederländischen Gasversorger, wird es aber nicht zu Versorgungsengpässen kommen. Bereits zuvor hatte GasTerra Gaslieferungen aus anderen Quellen eingekauft. Der Vertrag mit Gazprom lief ohnehin nur noch bis zum 1. Oktober. GasTerra ist zur Hälfte im Besitz des niederländischen Staates. Den beiden Öl-Multis ExxonMobil und Shell gehören die restlichen Anteile am Konzern.
https://www.tagesschau.de/wirtschaft/gas-lieferstopp-russland-niederlande-103.html

Irgendwie erschließt sich die Logik hinter diesem russischen Vorgehen nicht ganz (aber was ist derzeit schon logisch, was in Moskau beschlossen wird?): Die Drosselungen oder gar gänzlichen Kappungen können kaum herhalten, die Staaten in der EU zu schwächen oder zu "bestrafen" für die Unterstützung der Ukrainer, zugleich allerdings nimmt man sich selbst eine Einnahmequelle. Es ist ja schon seltsam-verquer genug: Das, was die Europäer nicht hinkriegen bzw. worauf sie sich nicht einigen können, nämlich den Boykott der russischen Energielieferungen (was die Ukrainer ja ständig fordern), nehmen die die Russen nun selbst vor, indem sie die Lieferungen kappen.

Schneemann


RE: Russland vs. Ukraine - Nightwatch - 16.06.2022

So mancher im Westen wird sich im kommenden Winter grün und blau ärgern die Ukrainer nicht schon im Frühjahr mit Waffenlieferungen überhäuft zu haben.
Wir hätten die sehr realistische Chance diesen Krieg im wesentlichen in diesem Jahr zu beenden, wenn der Ukraine genügend schweres Material zu Verfügung gestellt werden würde.

Der Kuliminationspunkt der russischen Offensivbemühungen ist bereits erreicht. Das der Krieg daraufhin nun in ein strategisch sinnbefreite Zermürbungsbemühungen übergeht ist einzig und allein der Tatsache geschuldet, dass die westlichen Waffenlieferung noch immer viel zu gering sind.
Würden wir stattdessen massiv unterstützen, würden wir nicht nur wie gestern mehrere ukrainische Gegenstöße an drei Frontabschnitten sehen sondenr wir hätten in Kürze eine Lage in der die Russen mit Müh und Not nur nochdie Landenge zur Krim und eine Präsenz im östlichen Donbass halten könnten.

Es ist so höchstgradig unverantwortlich und strunzdumm wertvolle Zeite in den Sommermonaten zu verplempern und sehendes Auges in einen katastrophalen Winter zu schlittern.