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(10.07.2022, 09:44)Schneemann schrieb: Das Land steht wirklich vor dem Kollaps, nicht nur wirtschaftlich, auch politisch sehen wir einen neuen "failed state"...
https://www.sueddeutsche.de/politik/sri-...-1.5618143
Schneemann
Tja man macht nun den herrschenden Familienclan für die Krise verantwortlich. Aber realistisch betrachtet hätte wohl kein Politiker den dortigen Wählern die Wahrheit gesagt, nämlich dass das Volk dort seit mindestens 20-30 Jahren eben über seine Verhältnisse gelebt hat. Man braucht sich doch eigentlich nur die Handelsbilanzen und den Staatshaushalt im genannten Zeitraum anschauen. In den letzten Jahren ist die Auslandsverschuldung dann nochmal sprunghaft weiter angestiegen. Da wurden mal wieder locker Kredite vergeben, die eine Privatperson in so einer wirtschaftlichen Lage niemals mehr bekommen hätte.
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Einer der ersten Dominosteine welche hier eine richtig massive Abwärtsspirale eingeleitet haben war der Niedergang der Teewirtschaft. Der Export von Ceylon Tee war für die Wirtschaft bedeutet und ist erstaunlich stark eingebrochen. Für sich allein betrachtet trotzdem keine so große Sache, aber es reichen oft kleine Dominosteine und dann läuft alles weitere von selbst. Beispielsweise verschärfte die Teekrise wieder die Spannungen mit den Tamilen, weil diese fast alle Arbeiter auf den Teeplantagen stellen.
Was noch zu Sri Lanka wenig bekannt ist: dort sind ca 10% der Bevölkerung Muslime, und diese radikalisieren sich seit wenigen Jahren erst hin in Richtung Islamismus, aber dafür umso schneller. Der Grund dafür liegt wiederum auch in der Ausbreitung radikaler buddhistischer Gruppen bei den Singalesen, welche rigide Anti-Muslimische Ansichten pflegen. Entsprechend gab es zunächst Übergriffe und Massaker von Buddhisten an Muslimen, und ab 2019 rum dann auch Anschläge von Islamisten retour.
Meiner Einschätzung nach wird die aktuelle Krise zu einem Szenario wie in Burma führen und schließlich zum Völkermord bzw. der Vertreibung der Moors von Sri Lanka, analog zu den Rohingya. Jede neue Regierung wird diese Karte ausspielen und die Mehrheitsbevölkerung dort auf die Muslime hetzen.
Entsprechend sage ich hiermit mal einen entsprechenden Konflikt / Völkermord für die nächsten Jahre voraus.
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Noch eine kaum bekannte Anekdote zu Sri Lanka: Beeinflusst durch westliche NGOs und entsprechende "Entwicklungshilfe"-Projekte westlicher EU Staaten, hat man in Sri Lanka versucht sehr weitgehend auf eine Ökolandwirtschaft umzustellen. Entsprechend verbot man den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln und insbesondere von chemischen Düngern. Mit dem Ergebnis, dass die Landwirtschaft in erheblichem Umfang geschädigt wurde und die Ernten so drastisch reduziert wurden, dass heute die Lebensmittelpreise in Sri Lanka nicht zuletzt auch deshalb so dermaßen explodiert sind.
Eine der einfachsten und leichtesten Maßnahmen dem Hunger in Sri Lanka jetzt zu begegnen wäre es, sofort in erheblichem Umfang dort Dünger und Pflanzenschutzmittel hin zu liefern, um die Landwirtschaft dort wieder in Gang zu bringen. Gerade Deutschland könnte mit der chemischen Industrie hier substanziell Hilfe leisten.
Statt Geld (welches nur veruntreut würde), Krediten (welche auch nur veruntreut würden) und weiteren unsinnigen Entwicklungshilfeprojekten sollte man einfach Dünger liefern. Würde mehr bringen als alles andere.
Nun werden informiertere an dieser Stelle einwenden, dass vor kurzem ja das Verbot von chemischen Dünger und manchen Pflanzenschutzmitteln aufgehoben worden ist, aber: seitdem haben sich beispielsweise die Preise für frisches Gemüse oder Reis etc nicht weniger als vervierfacht und: die Bauern sind in weiten Teilen ruiniert. Ihnen fehlen jetzt die Mittel um neuen Dünger zu kaufen, es ist also egal ob dieser nun wieder legal ist oder nicht, man kann ihn sich jetzt nicht mehr leisten. Dasselbe gilt noch mehr für Pflanzenschutzmittel. Die ohnehin sehr labile Landwirtschaft in Sri Lanka ist dermaßen ins Ungleichgewicht geraten, dass die Bauern dort sich aus eigener Kraft erst in etlichen Jahren wieder etablieren könnten, dann ist es aber natürlich längst zu spät.
Die Sache ist ganz einfach: die Agrarflächen in Sri Lanka reichen ohne künstlichen Dünger und Pflanzenschutzmittel von den möglichen Erträgen pro Hektar nicht aus, um die real vorhandene Bevölkerung zu ernähren. Entsprechend kann die Hungerkrise nicht gelöst werden, solange man nicht akzeptieren will, dass die niedlich-naive heile Ökolandwirtschaft in Sri Lanka unmöglich funktionieren kann.
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Leider dürfte aber das Liefern von Dünger die jetzige Lage nicht mehr verändern bzw. auf das laufende Jahr keinen Einfluss mehr haben (Getreide auf Sri Lanka wird im Mai und Juni geerntet, Mais im September), d. h. das Debakel ist bereits da und wird vor Frühjahr 2023 nicht abgewendet werden können - es sei denn, man liefert nun Getreide und Rohstoffe.
Hierzu auch:
Zitat:SRI LANKA
Chaos in Colombo
Einst galt Sri Lanka als Musterstaat an der neuen chinesischen Seidenstraße. Jetzt rebelliert das Volk. Es ist nicht das einzige Land, das sich in übermäßige Abhängigkeit von China begeben hat. [...]
Doch Rekordinflation sowie Engpässe bei der Versorgung mit Nahrungsmitteln und mit Energie bekommen viele Länder zu spüren – auch infolge der Corona-Pandemie und des Ukrainekriegs. Beim G-20-Treffen am Freitag auf Bali hatte der Gastgeber Indonesien diese Themen zur Priorität erhoben. Das ging angesichts der Konfrontation der Vertreter des Westens mit Putins Außenminister Lawrow unter.
Sri Lanka gilt auch als Paradebeispiel für ein Land, das sich in übermäßige Abhängigkeit von China begeben hat. Aber der Schuldenfalle allein kann die Wirtschaftskrise nicht angelastet werden. [...] Die Rajapaksa-Brüder glaubten, herrschen zu können, wie es ihnen gefiel. Es sind die verfehlten Großinvestitionen, die unsinnigen Steuererleichterungen und die landwirtschaftlichen Reformen, die das Land ins Chaos gestürzt haben. Präsident Gotabaya Rajapaksa klammerte sich dennoch an die Macht. Nun hat ihm das Volk die Grenzen seiner Macht aufgezeigt. [...]
https://www.faz.net/aktuell/politik/ausl...63114.html
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Glaub mir oder nicht, ich habe da einige praktische Erfahrung (in Sachen Entwicklungshilfe und wie diese überwiegend nur schadet). Wenn man jetzt Getreide liefert, schädigt das die Landwirtschaft dort noch weiter. Nein, auf keinen Fall (aber es wird natürlich trotzdem getan werden).
Stattdessen müssen die da halt jetzt bis ins Frühjahr 2023 durch. Das ist bitter, aber nur so kann man die Landwirtschaft im Land tatsächlich wieder aufrichten (entsprechende technische und chemische Hilfe vorausgesetzt). Deshalb wären Dünger und Pflanzenschutzmittel hier sehr viel wesentlicher als einfach Lebensmittel zu liefern, was die fatale Abwärtsspirale dort nur noch weiter beschleunigen würde.
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(11.07.2022, 00:56)Quintus Fabius schrieb: Was noch zu Sri Lanka wenig bekannt ist: dort sind ca 10% der Bevölkerung Muslime, und diese radikalisieren sich seit wenigen Jahren erst hin in Richtung Islamismus, aber dafür umso schneller. Der Grund dafür liegt wiederum auch in der Ausbreitung radikaler buddhistischer Gruppen bei den Singalesen, welche rigide Anti-Muslimische Ansichten pflegen. Entsprechend gab es zunächst Übergriffe und Massaker von Buddhisten an Muslimen, und ab 2019 rum dann auch Anschläge von Islamisten retour.
Der letzte Bürgerkrieg fand ja eher zwischen Buddhisten und Tamilen (meist Hindus) statt. Heißt natürlich nicht dass es zukünftig auch so sein wird. Da sich Sri Lanka wohl Indien weiter annähern muss wäre es natürlich möglich dass sich beide Gruppen gegen die Moors zusammen tun.
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Die Moors sind ethnisch gesehen übrigens auch Tamilen, nur halt Tamilen muslimischen Glaubens. Entsprechend bieten sie sich für die Bevölkerungsmehrheit geradezu ideal als Sündenböcke und Feind an.
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Zitat:Glaub mir oder nicht, ich habe da einige praktische Erfahrung (in Sachen Entwicklungshilfe und wie diese überwiegend nur schadet). Wenn man jetzt Getreide liefert, schädigt das die Landwirtschaft dort noch weiter. Nein, auf keinen Fall (aber es wird natürlich trotzdem getan werden).
Das sollte eigentlich keine Kritik sein, eher wollte ich damit ausdrücken, dass man kaum mehr landwirtschaftlichen Handlungsspielraum für dieses Jahr hat und dass es, wie erwartet werden kann, wieder zu Hilfslieferungen kommen wird. Wird aber natürlich grundlegende Probleme nicht lösen, das ist völlig korrekt (wird sie eher noch verschlimmern).
Schneemann
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Was den Menschen dort teilweise auch fehlt sind Kenntnisse, wie man mit anderen Pflanzenarten auf dem gleichen Boden bei gleicher Größe mehr Erträge erzielen kann. Die Einführung neuer Nutzpflanzen ist ein sehr weitgehend unterschätztes Lösungspotential.
Ein weiteres Problem vor dem Sri Lanka steht ist, dass der Monsun nicht mehr so gleichförmig auftritt wie das früher immer der Fall. Dies bedeutet immer mehr extreme Hitzewellen bei gleichzeitigem Wassermangel. Der Monsun kommt in Sri Lanka zudem in unterschiedlichen Landesteilen zu verschiedenen Zeiten.
Jeden Tropfen Wasser möglichst aufzufangen, vor Ort zu halten und möglichst sinnvoll einzusetzen wäre ebenfalls eine der wesentlichsten Notwendigkeiten in Sri Lanka. Dazu muss die Landschaft entsprechend gestaltet und andere Methoden der Wassernutzung in der Landwirtschaft eingeführt werden.
Sri Lanka wird in Teilen meiner Einschätzung nach auf Dauer verwüsten, wenn es so weitergeht. Hier könnte Sri Lanka vieles von Israel lernen, wie man in einem entsprechenden Klima trotzdem gute Erträge durch intelligente Wassernutzung erzielen kann. Stattdessen wird das Wasser dort oft vergeudet und dann auf den Monsun gewartet, der aber immer unregelmässiger liefert.
Beispielsweise wird in den von Trockenheit und Dürre bedrohten Teilen Sri Lankas immer mehr offene Bewässerung betrieben, was aber dazu führt, dass dort zunehmend die Böden versalzen. Dort gingen die Ernteerträge bereits nachweislich wegen der rasant zunehmenden Versalzung stark zurück. Darauf kann man durch andere Bewässungstechniken und auch durch andere Pflanzenarten reagieren.
Die Teemonokulturen in Sri Lanka werden auch erhebliche Probleme bekommen, wenn die Klimaveränderung die auf Sri Lanka vergleichsweise stark ausfällt so weiter geht. Dann wird in vielen Gebieten der Teeanbau so nicht mehr möglich sein. Entsprechend müsste man dort bereits jetzt umstellen, denn es ist ja eine Illusion zu glauben, diese Folgen der Klimaveränderung könnten jetzt noch gestoppt werden. Selbst wenn es gelingen würde den weiteren Anstieg der Temperatur zu stoppen, werden in Sri Lanka beachtliche Teile der Teeplantagen in den nächsten Dekaden dauerhaft ausfallen.
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