Ur- und Frühmenschen
#16
Ein interessantes Beispiel in diesem Kontext in der Steinzeit ist der Verlust des Lebensraumes in der Nordsee, dass sogenannte Dogger-Land, welches dann mit dem Ende der Eiszeit komplett in der Nordsee unterging, aber davor durchaus von Menschen besiedelt war, die dort sogar halb-sesshaft lebten (vermutlich aufgrund Fischfang so möglich)

lime:

Zitat:Auch Steinzeitmenschen gehörtern damals zur Umwelt.

Das ist ohnehin die Frage, wie man das definiert. Sind Menschen mit Feuer, Werkzeugen und hocheffektiven Jagdwaffen ein Teil der Umwelt ? Ist der Mensch heute ein Teil der Umwelt ? Das ist meiner Meinung nach primär eine Definitionsfrage. Natürlich kann man es so definieren, dass wir ein Teil der Umwelt waren, aber dann sind wir es heute auch noch. Oder man definiert es so, dass ab der Verwendung von Feuer und Waffen der Mensch sich von den bisherigen Mechanismend und Regelungen soweit heraus genommen hat, dass er eben nicht mehr einfach nur ein Teil der Umwelt ist.

Aber wenn du es so definierst, dass Steinzeitmenschen zur Umwelt gehörten, dann gehören auch wir heute zur Umwelt. Das müssen wir von der Definition her schon festlegen, sonst schreiben wir einfach nur aneinander vorbei. Wobei ich mit beiden Möglichkeiten kein Problem habe da beide in ihrer jeweiligen Auslegung durchaus richtig sind, nur müssen wir es halt festlegen wie wir es definieren.

Zitat:Jedes Lebewesen hat eine Auswirkung auf die Umwelt, die eben nicht in Stein gemeißelt, sondern veränderlich ist. Diese Veränderungen kann man nicht pauschal als Umweltzerstörungen bezeichnen.

Das tue ich auch gar nicht. Ganz allgemein ist der Begriff der Umweltzerstörung schwierig, weil eigentlich jede Veränderung meist auch immer irgend eine Zerstörung beinhaltet.

Rudi:

Kann dir nur voll zustimmen. Aber heute muss man leider sehr vielen Menschen selbst die einfachsten und eigentlich absolut selbsterklärenden Sachen erklären.

Und tatsächlich ist es sogar eher anders herum: je mehr "Natur vorhanden" ist, je mehr also die Natur unberührt von Menschen ist, desto verschwenderischer und desto gedankenloser geht der Mensch mit dieser um. Das konnte ich selbst schon mit eigenen Augen in entsprechenden Dritte Welt Ländern sehen.

Eben deshalb trieben Steinzeitmenschen Unmengen von Tieren (wahrscheinlich mit Feuer) über Klippen obwohl sie nicht ansatzweise diese Mengen verzehren oder haltbar machen konnten. Sie töteten viel mehr als sie benötigten. Erst wenn etwas knapp wird, beginnt man es als Wert einzustufen. Ich bin mir zum Beispiel rein persönlich recht sicher, dass die Menschen als sie lernten mit Feuer umzugehen einfach in ganz großem Stil Brände gelegt haben, einfach weil sie es konnten. So ist meiner Überzeugung nach die menschliche Natur. Es ist eben nicht immer alles nur sinnvoll und nur auf einen logischen Nutzen ausgerichtet.

Was da heute meiner Meinung nach noch mitschwingt, und weshalb ich die Idee dazu ein Gegenbild zu zeichnen gar nicht falsch finde, ist der Gedanke des "Edlen Wilden". Die Idee das Steinzeitvölker in Frieden, Glück, Matriarchat und seeliger Gemeinsamkeit im Einklang mit der Natur leben. Nichts könnte falscher sein! Um es mal plakativ auszudrücken: Das waren stattdessen mörderische, ultra-kriegerische Stämme die so viel zerstörten wie möglich, in signifikanten Anteilen Kannibalen und die Natur war ihnen mehr als egal. Denn heutige Steinzeitvölker sind immer noch so. Nichts da von edlen Wilden im Sinne von Rousseau !

Aber genau dieses Bild verstellt heute die Sicht zu vieler Menschen auf die tatsächlichen Umstände der damaligen Menschheit und deren Lebensweise und verzerrt damit das Bild der Steinzeit.

Ein Buch in diesem Kontext dass u.a. vor allem auch die Frage der Gewalttätigkeit von Steinzeitvölkern behandelt:

https://www.amazon.de/Gewalt-Eine-neue-G...2293&psc=1
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#17
Ich denke, das passt hier ganz gut hinein - möglicherweise hat man eine der ältesten steinzeitlichen (Stein-)Bauten in Europa gefunden, vor der Küste Mecklenburgs:
Zitat:Stone age wall found at bottom of Baltic Sea ‘may be Europe’s oldest megastructure’

Structure stretches for almost a kilometre off coast of Germany and may have once stood by a lake

A stone age wall discovered beneath the waves off Germany’s Baltic coast may be the oldest known megastructure built by humans in Europe, researchers say.

The wall, which stretches for nearly a kilometre along the seafloor in the Bay of Mecklenburg, was spotted by accident when scientists operated a multibeam sonar system from a research vessel on a student trip about 10km (six miles) offshore. Closer inspection of the structure, named the Blinkerwall, revealed about 1,400 smaller stones that appear to have been positioned to connect nearly 300 larger boulders, many of which were too heavy for groups of humans to have moved.

The submerged wall, described as a “thrilling discovery”, is covered by 21 metres of water, but researchers believe it was constructed by hunter-gatherers on land next to a lake or marsh more than 10,000 years ago. While the purpose of the wall is hard to prove, scientists suspect it served as a driving lane for hunters in pursuit of herds of reindeer. [...]

Based on the size and shape of the 971 metre-long wall, Geersen and his colleagues consider it unlikely that it formed through natural processes, such as a huge tsunami moving the stones into place, or the stones being left behind by a moving glacier. The angle of the wall, which is mostly less than 1 metre high, changes direction when it meets the larger boulders, suggesting the piles of smaller stones were positioned intentionally to link them up. In total, the wall’s stones are thought to weigh more than 142 tonnes.

If the wall was an ancient hunting lane, it was probably built more than 10,000 years ago and submerged with rising sea levels about 8,500 years ago.
https://www.theguardian.com/science/2024...astructure

Schneemann
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#18
Hier auf Deutsch, aber hinter der Bezahlschranke: www.welt.de/wissenschaft/plus250054418/Archaeologie-Mysterioeser-Steinwall-auf-dem-Grund-der-Ostsee-ist-gut-10-000-Jahre-alt.html
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#19
Halte ich für sehr fragwürdig. Die damaligen Gruppen waren zu klein und ihr Leben zu volatil, die Lebensumstände zu hart, um derart große Bauwerke anzulegen. Rein theroetisch natürlich möglich, aber ich halte es für unwahrscheinlich. Das waren radikale Opportunisten, nicht sesshaft oder zumindest Halbnomaden, und in einem so harschen Klima ist es ein extrem hohes Risiko für das eigene Überlegen derart viele Kalorien an einer Stelle in so ein Bauprojekt zu investieren.
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#20
Zitat:Halte ich für sehr fragwürdig. Die damaligen Gruppen waren zu klein und ihr Leben zu volatil, die Lebensumstände zu hart, um derart große Bauwerke anzulegen.
Wobei das Bauwerk, auch wenn die Dimensionen durchaus beeindruckend sind, nicht übermäßig viel Material enthält. Mit diesen verbauten rund 140 Tonnen Material ist die Anlage deutlich leichter als Stonehenge (und auch weniger aufwendig in der Konstruktion). Wenn man nun bedenkt, dass die Zahl der Menschen in dieser steinzeitlichen Epoche (also grob die Zeitspanne von vor 10.000 Jahren [Bau dieses versunkenen Mauerwerks in der Ostsee] und 5.000 Jahren [Bau von Stonehenge]) eigentlich nur sehr geringfügig zunahm, sofern überhaupt messbar, und dass auf den britischen Inseln die Population sogar noch niedriger gewesen sein dürfte als auf dem Kontinent, dann wäre die Konstruktion einer solchen Anlage im Grunde keine sonderlich große Aufgabe gewesen.

Schneemann
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#21
(13.02.2024, 16:06)Schneemann schrieb:
Zitat:Based on the size and shape of the 971 metre-long wall, Geersen and his colleagues consider it unlikely that it formed through natural processes, such as a huge tsunami moving the stones into place, or the stones being left behind by a moving glacier. The angle of the wall, which is mostly less than 1 metre high, changes direction when it meets the larger boulders, suggesting the piles of smaller stones were positioned intentionally to link them up.
Das lässt für mich auch Spielraum dahingehend, dass hier ggf. eine zufällig (ehem. Küstenline, Flussufer, Eiszeit-Gletscher o.ä.) entstandene Formation lediglich ergänzt und verfestigt wurde, so dass der tatsächliche Aufwand in realistischeren Dimensionen gelegen haben kann.
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#22
(13.02.2024, 23:47)Quintus Fabius schrieb: Halte ich für sehr fragwürdig. Die damaligen Gruppen waren zu klein und ihr Leben zu volatil, die Lebensumstände zu hart, um derart große Bauwerke anzulegen. Rein theroetisch natürlich möglich, aber ich halte es für unwahrscheinlich. Das waren radikale Opportunisten, nicht sesshaft oder zumindest Halbnomaden, und in einem so harschen Klima ist es ein extrem hohes Risiko für das eigene Überlegen derart viele Kalorien an einer Stelle in so ein Bauprojekt zu investieren.

Gelesen und eigentlich schon zugestimmt, aber dann fiel mir ein Biberdamm ein über den ich bei einer Kanadareise gelesen hatte. Etwa genauso lang und die Biber sollen ihn über Jahrzehnte gebaut haben.

https://www.t-online.de/nachrichten/wiss...deckt.html

Da denke ich mir, was Biber können das konnten Menschen vor 10.000 Jahren sicher erst recht. 140 Tonnen Gestein, die meisten Steine bei ca. 100kg oder darunter macht ca. 1500-2000 Steine. Die Grüppchen damals werden sicher nicht 10 Stunden am Tag daran gearbeitet haben, vielleicht haben sie sogar nur 2-3 Steine am Tag dort aufgeschichtet. Nach 1-2 Jahren wären sie damit fertig gewesen. Und selbst wenn es 10 Jahre oder länger gedauert hätte... und vielleicht lagen auch schon Steine durch Zufall da auf die sie aufbauen konnten wie Broensen es annimmt...
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#23
Möglich, vor allem wenn man schon vorhandene geologische Strukturen dafür ausnützt, aber wäre ein solcher Wall dann überhaupt funktional? Brachte es wirklich etwas für die Jagd damals, einen solchen Wall zu errichten? Denn selbst wenn er über lange Zeiträume gebaut wurde, immer Stückchen für Stückchen wird ja die Frage der Funktionalität damit noch nicht beantwortet.

Noch darüber hinaus: wenn ich so einen Wall Stückchen für Stückchen baue, über eine lange Zeit hinweg, dann muss ja auch jedes Teilstück bereits irgendeinen Sinn haben. Denn es kann ja nicht sein, dass man über 10 Jahre oder länger einen Wall errichtet, der erst dann einen Nutzen hat, wenn er in seiner ganzen Länge fertig ist.

Was aber soll die Funktion eines solchen Teilstückes gewesen sein? Dass es sich gelohnt hätte für die Menschen damals wertvolle und begrenzte Kalorien dafür aufzuwenden?
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