Die schlechtesten Kriegsschiffe
#12
Wie wäre es mit der umstrittenen HMS Captain, Cowper Coles berühmtem Turmschiff?

Durch einen Konstruktionsfehler erreichte es bereits im Leerzustand seine angedachte Maximalverdrängung, beladen ging es zwei Fuß tiefer als geplant, wodurch das Deck gerade mal gut zwei Meter über der Wasseroberfläche lag.

Der an sich schon knapp bemessene Kohlevorrat konnte aus Platz- und Gewichtsgründen bestenfalls zur Hälfte geladen werden, weswegen man sich zum Erreichen eines großen Fahrbereichs einer der umfassendsten und großflächigsten Segeltakelagen im britischen Schiffsbau bediente - schließlich sollte die Captain bei Flottenoperationen mithalten können.
Weil sie jedoch ein Zweischraubenpanzerschiff war (das erste der Royal Navy), kam sie selbst unter vollen Segeln nur schwer voran (die beiden still stehenden Schrauben stören nämlich die Hydrodynamik enorm und bremsen). Dafür waren die neu konstruierten Dreibeinmasten überaus robust - leider ZU robust, wie sich zeigen würde.

Berechnungen und Tests zufolge würde die Captain bei einem Krängungswinkel von gerade mal 21 Grad kentern - üblich waren zu dieser Zeit 70 Grad.

Bei den ersten Probefahrten wurde ihr Deck bereits bei zahmen Windstärken von sechs bis sieben vollständig geflutet und Wasser schoß in regelmäßigen Abständen durch die Geschützöffnungen der Drehtürme - während der Rest der Panzerschiffe an Deck knochentrocken und vollkommen gefechtsklar blieb (wie Admiral Ballard so schön formuliert).

Vierzehn Tage nach Indienststellung kam, was kommen mußte - ein plötzlicher Sturm während einer Verbandsübung im Atlantik nahe der spanischen Küste. Lediglich verkürzte Fock- und Großmarssegel nebst Binnenklüver waren noch gesetzt (wobei sich das Bergen der anderen Leinwand aufgrund der konstruktiv bedingt sehr schmalen Aufbauten höchst schwierig und hinderlich gestaltete - manches Teil der Takelage ließ sich überhaupt nicht bewegen, weswegen man gerade mit dem Focksegel kämpfte) - und obwohl ausnahmslos jedes Schiff der Flotte während dieses Ereignisses mindestens ein Segel verlor, behielt die Captain ihre Leinwand komplett - und auch keiner ihrer neuartigen Masten war so gnädig und brach unter der Belastung. Stattdessen erreichte sie trotz reduziertester Sturmbesegelung eine plötzliche Krängung von neunzehn Grad, verharrte kurz, kippte weiter, lag einen Moment lang auf der Seite, lief durch Schornstein und Öffnungen in den Aufbauten voll - und sank mit weit über neunzig Prozent der Besatzung und sämtlichen Zivilpersonen einschließlich ihrem Erbauer innerhalb von Sekunden; es gab nur eine Handvoll (17 oder 18) Überlebende von über 450 Offizieren und Mannschaften.

Damit ist in meinen Augen die Captain als Hochseeschiff eine echte Fehlkonstruktion gewesen. Als Küstenpanzer mit erheblich reduzierter Takelage wäre sie vielleicht ein großer Wurf geworden - aber aus Prestigegründen (ihr Konstrukteur bestand darauf, obwohl es an Kritik nun wirklich nicht mangelte) mußte sie ja unbedingt den größten Standard-Segelplan der Flotte bekommen.

Wie dem auch sei - seitdem hat es in der Royal Navy keine HMS Captain mehr gegeben. Vielleicht aus gutem Grund...

Viele Grüße
Schnappi
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