21.02.2021, 22:17
https://www.dbwv.de/aktuelle-themen/blic...aufgegeben
P3-C „Orion“: Warum wird eine Fähigkeit aufgegeben?
Über den Umgang mit Mensch und Material als „Top-Down-Prozess“
Unsere Marine hat im Laufe der letzten Jahre diverse Fähigkeiten aufgegeben. Das war immer beabsichtigt und letzten Endes das Ergebnis einer Kosten-/Nutzen-Analyse. Den emotionalen Faktor und die Tränen bei einer Außerdienststellung wollen wir hier nicht weiter betrachten. Lassen Sie uns aber noch einmal in die Vergangenheit schauen. Seekriegführung aus der Luft mit „Tornado“ PA200, die Strandmeisterkompanie als Teil einer amphibischen Komponente und natürlich des Autors geliebte Schnellboote waren „Überbleibsel“ aus dem Kalten Krieg und verloren ihren eigentlichen Nutzen am 3. Oktober 1990. Gleichwohl fanden sie natürlich noch Verwendung in der heutigen Deutschen Marine. Schließlich und endlich wurden diese Fähigkeiten aber abgeschafft. Das mag der eine oder andere jetzt vielleicht anders betrachten, aber de facto existieren diese Fähigkeiten nicht mehr.
Mit den Fähigkeiten, die die Deutsche Marine allerdings mit einem Maritime Patrol Aircraft (MPA) verbindet, verhält es sich anders. Neben den Optionen der weitreichenden und zeitlich lang durchführbaren Seefernaufklärung – wie wir sie in ATALANTA und IRINI regelmäßig durchführen – können die P3-C „Orion“ noch mehr. Da ist vor allem die Fähigkeit zur U-Boot-Jagd zu nennen. Gerade in Zeiten, in denen das Thema Landes- und Bündnisverteidigung wieder mehr in den Fokus rückt, ist diese Option extrem wichtig. Im Übrigen ist Deutschland mit dieser Fähigkeit auch im Bündnis eine der wenigen verbliebenen Nationen, die im Nordflankenraum genau dazu in der Lage ist. Soll heißen, unsere Nachbarn verlassen sich darauf! Nicht zu vergessen ist die Möglichkeit, Seefernaufklärer als SAR-Mittel (Search and Rescue) zweiten Grades einzusetzen. Mit der langen Stehzeit und den optronischen Aufklärungsmitteln ist der Beitrag zur Suche auf See nicht unerheblich. Eher theoretischer Natur, weil bei uns nicht zur Realisation vorgesehen, ist die Möglichkeit, von einer P3 C Orion Seezielflugkörper abfeuern zu können.
Die aufgezählten Fähigkeiten erfordern natürlich nicht nur Material sondern auch hochmotiviertes und sehr gut ausgebildetes Personal. Und genau diese Menschen, die lange und kostenintensiv ausgebildet wurden und ihre Aufgaben professionell verrichten, sitzen aktuell in Nordholz und fragen sich, was da gerade geschieht. Eine befriedigende Antwort kann ihnen keiner geben. Klar ist: Spätestens 2025 endet die Ära P3-C „Orion“ in der Deutschen Marine. Die dann verbliebenen zwei Exemplar haben das Ende ihrer Nutzungsdauer erreicht. Wobei sich die Frage stellt, ob mit zwei Luftfahrzeugen eine vernünftige Balance zwischen Einsatz, Aus- und Weiterbildung für mehrere Besatzungen überhaupt darstellbar ist. Und was passiert nach 2025? Man könnte ja einfach in den Einzelplan 14, den Verteidigungshaushalt, schauen. Nach logischer Denkweise steht da ja die wie auch immer geartete Nachfolgelösung drin. Sollte sie jedenfalls... Aber weit gefehlt, nicht ein Wort, kein winziger Hinweis, wie sich das Verteidigungsministerium im Speziellen oder die Bundesregierung im Allgemeinen das vorstellt. Vor dem Hintergrund der Trägheit von Rüstungsbeschaffung sind wir bereits jetzt spät dran.
Die Heimat des Seefernaufklärers befindet sich im niedersächsischen Nordholz. Foto: Bundeswehr/Sascha Jonack Die Heimat des Seefernaufklärers befindet sich im niedersächsischen Nordholz. Foto: Bundeswehr/Sascha Jonack
Wer jetzt behauptet, dass man das in den nächsten Haushalt bekommen wird, betreibt Augenwischerei. Ende dieses Jahrs sind die Wahlen zum nächsten Bundestag. Bis es eine neue Regierung gibt, werden vor dem Hintergrund der aktuellen Umfragen noch einige zusätzliche Monate vergehen. Und bis dann ein im gesamten Bundeshaushalt eher unwichtiges Thema wie der Erhalt einer Fähigkeit der Marine thematisiert und finanziert wird, sind wir am Ende des nächsten beziehungsweise Anfang des übernächsten Jahres. De facto wird es keine zeitgerechte Nachfolge geben können, wenn nicht jetzt im März im sogenannten Nachtragshaushalt das Thema finanziell hinterlegt wird.
Klingt eigentlich ganz einfach, aber nach unseren Recherchen ist die Bereitschaft dazu an den entscheidenden Stellen gleich Null. Natürlich lässt sich das nicht auf eine Person oder ein Referat im Ministerium oder einem Amt herunterbrechen. Wir scheinen hier eine unübersichtliche Gemengelage aus nicht vorhandenem Wissen, Ignorieren von Beratungen durch Menschen, die Ahnung vom Thema haben, und Wahlkampf vorliegen zu haben. Anders ausgedrückt: Es ist den handelnden Personen schlichtweg egal, ob die engagierten und professionellen Soldatinnen und Soldaten sowie die zivilen Beschäftigten im Umfeld des Themas MPA ohne Perspektive dastehen. Wie eingangs erwähnt, die bisherigen Fähigkeiten, die die Marine ab- oder aufgegeben hat, folgten einer gewissen Logik. Aber was hier geschieht, ist nicht nachvollziehbar und unseren Frauen und Männern nicht zu vermitteln. Es wird bisher nicht einmal der Versuch unternommen, das ganze Thema irgendwie zu erklären.
Nun mag sich der Leser fragen, ob es da nicht irgendwas am Markt gibt, das den Zeitraum überbrückt zwischen 2025 und 2035 – da soll das deutsch-französische Projekt Maritime Airborne Weapons System (MAWS) als neuer Seefernaufklärer ab 2035 in die Streitkräfte eingeführt werden. Nach Angaben des BMVg aus dem Juni des letzten Jahres „werde nun eine Marktsichtung für eine Brückenlösung vorgenommen“. Und genau diese hätte sich eigentlich im Einzelplan 14 für 2021 wiederfinden müssen. Außerdem ist das MAWS noch nicht über den Status einer Absichtserklärung hinausgekommen. Vor dem Hintergrund, dass bereits in 15 Jahren ein noch nicht definiertes und geschweige denn existierendes Luftfahrzeug eingeführt werden soll, steht das unserer Ansicht nach auch eher in den Sternen.
Wie an anderen Stellen umfangreich nachzulesen ist, gibt es tatsächlich marktverfügbare Systeme, die mehr oder weniger ausgeprägt dazu in der Lage sind, die gesuchten Fähigkeiten abzubilden. Beispiele ohne Wertung bilden wir auf unseren Seiten ab. Eine finale Bewertung nehmen wir an dieser Stelle nicht vor, dafür gibt es Fachleute. Aber es MUSS dringend eine Zwischenlösung her, sonst werden diese Fähigkeiten aus unserer Marine verschwinden. Ein Erhalt des Könnens und die Inübunghaltung der Menschen über einen Zeitraum von zehn Jahren oder mehr wird ohne dazugehöriges Luftfahrzeug nicht funktionieren.
Als hören Sie bitte auf, die Menschen im Ungewissen zu lassen und so zu tun als würde schon alles wieder gut werden! Hier geht es nicht nur um den Erhalt von Fähigkeiten, sondern auch um den Erhalt von Vertrauen in die militärische und politische Führung.
P3-C „Orion“: Warum wird eine Fähigkeit aufgegeben?
Über den Umgang mit Mensch und Material als „Top-Down-Prozess“
Unsere Marine hat im Laufe der letzten Jahre diverse Fähigkeiten aufgegeben. Das war immer beabsichtigt und letzten Endes das Ergebnis einer Kosten-/Nutzen-Analyse. Den emotionalen Faktor und die Tränen bei einer Außerdienststellung wollen wir hier nicht weiter betrachten. Lassen Sie uns aber noch einmal in die Vergangenheit schauen. Seekriegführung aus der Luft mit „Tornado“ PA200, die Strandmeisterkompanie als Teil einer amphibischen Komponente und natürlich des Autors geliebte Schnellboote waren „Überbleibsel“ aus dem Kalten Krieg und verloren ihren eigentlichen Nutzen am 3. Oktober 1990. Gleichwohl fanden sie natürlich noch Verwendung in der heutigen Deutschen Marine. Schließlich und endlich wurden diese Fähigkeiten aber abgeschafft. Das mag der eine oder andere jetzt vielleicht anders betrachten, aber de facto existieren diese Fähigkeiten nicht mehr.
Mit den Fähigkeiten, die die Deutsche Marine allerdings mit einem Maritime Patrol Aircraft (MPA) verbindet, verhält es sich anders. Neben den Optionen der weitreichenden und zeitlich lang durchführbaren Seefernaufklärung – wie wir sie in ATALANTA und IRINI regelmäßig durchführen – können die P3-C „Orion“ noch mehr. Da ist vor allem die Fähigkeit zur U-Boot-Jagd zu nennen. Gerade in Zeiten, in denen das Thema Landes- und Bündnisverteidigung wieder mehr in den Fokus rückt, ist diese Option extrem wichtig. Im Übrigen ist Deutschland mit dieser Fähigkeit auch im Bündnis eine der wenigen verbliebenen Nationen, die im Nordflankenraum genau dazu in der Lage ist. Soll heißen, unsere Nachbarn verlassen sich darauf! Nicht zu vergessen ist die Möglichkeit, Seefernaufklärer als SAR-Mittel (Search and Rescue) zweiten Grades einzusetzen. Mit der langen Stehzeit und den optronischen Aufklärungsmitteln ist der Beitrag zur Suche auf See nicht unerheblich. Eher theoretischer Natur, weil bei uns nicht zur Realisation vorgesehen, ist die Möglichkeit, von einer P3 C Orion Seezielflugkörper abfeuern zu können.
Die aufgezählten Fähigkeiten erfordern natürlich nicht nur Material sondern auch hochmotiviertes und sehr gut ausgebildetes Personal. Und genau diese Menschen, die lange und kostenintensiv ausgebildet wurden und ihre Aufgaben professionell verrichten, sitzen aktuell in Nordholz und fragen sich, was da gerade geschieht. Eine befriedigende Antwort kann ihnen keiner geben. Klar ist: Spätestens 2025 endet die Ära P3-C „Orion“ in der Deutschen Marine. Die dann verbliebenen zwei Exemplar haben das Ende ihrer Nutzungsdauer erreicht. Wobei sich die Frage stellt, ob mit zwei Luftfahrzeugen eine vernünftige Balance zwischen Einsatz, Aus- und Weiterbildung für mehrere Besatzungen überhaupt darstellbar ist. Und was passiert nach 2025? Man könnte ja einfach in den Einzelplan 14, den Verteidigungshaushalt, schauen. Nach logischer Denkweise steht da ja die wie auch immer geartete Nachfolgelösung drin. Sollte sie jedenfalls... Aber weit gefehlt, nicht ein Wort, kein winziger Hinweis, wie sich das Verteidigungsministerium im Speziellen oder die Bundesregierung im Allgemeinen das vorstellt. Vor dem Hintergrund der Trägheit von Rüstungsbeschaffung sind wir bereits jetzt spät dran.
Die Heimat des Seefernaufklärers befindet sich im niedersächsischen Nordholz. Foto: Bundeswehr/Sascha Jonack Die Heimat des Seefernaufklärers befindet sich im niedersächsischen Nordholz. Foto: Bundeswehr/Sascha Jonack
Wer jetzt behauptet, dass man das in den nächsten Haushalt bekommen wird, betreibt Augenwischerei. Ende dieses Jahrs sind die Wahlen zum nächsten Bundestag. Bis es eine neue Regierung gibt, werden vor dem Hintergrund der aktuellen Umfragen noch einige zusätzliche Monate vergehen. Und bis dann ein im gesamten Bundeshaushalt eher unwichtiges Thema wie der Erhalt einer Fähigkeit der Marine thematisiert und finanziert wird, sind wir am Ende des nächsten beziehungsweise Anfang des übernächsten Jahres. De facto wird es keine zeitgerechte Nachfolge geben können, wenn nicht jetzt im März im sogenannten Nachtragshaushalt das Thema finanziell hinterlegt wird.
Klingt eigentlich ganz einfach, aber nach unseren Recherchen ist die Bereitschaft dazu an den entscheidenden Stellen gleich Null. Natürlich lässt sich das nicht auf eine Person oder ein Referat im Ministerium oder einem Amt herunterbrechen. Wir scheinen hier eine unübersichtliche Gemengelage aus nicht vorhandenem Wissen, Ignorieren von Beratungen durch Menschen, die Ahnung vom Thema haben, und Wahlkampf vorliegen zu haben. Anders ausgedrückt: Es ist den handelnden Personen schlichtweg egal, ob die engagierten und professionellen Soldatinnen und Soldaten sowie die zivilen Beschäftigten im Umfeld des Themas MPA ohne Perspektive dastehen. Wie eingangs erwähnt, die bisherigen Fähigkeiten, die die Marine ab- oder aufgegeben hat, folgten einer gewissen Logik. Aber was hier geschieht, ist nicht nachvollziehbar und unseren Frauen und Männern nicht zu vermitteln. Es wird bisher nicht einmal der Versuch unternommen, das ganze Thema irgendwie zu erklären.
Nun mag sich der Leser fragen, ob es da nicht irgendwas am Markt gibt, das den Zeitraum überbrückt zwischen 2025 und 2035 – da soll das deutsch-französische Projekt Maritime Airborne Weapons System (MAWS) als neuer Seefernaufklärer ab 2035 in die Streitkräfte eingeführt werden. Nach Angaben des BMVg aus dem Juni des letzten Jahres „werde nun eine Marktsichtung für eine Brückenlösung vorgenommen“. Und genau diese hätte sich eigentlich im Einzelplan 14 für 2021 wiederfinden müssen. Außerdem ist das MAWS noch nicht über den Status einer Absichtserklärung hinausgekommen. Vor dem Hintergrund, dass bereits in 15 Jahren ein noch nicht definiertes und geschweige denn existierendes Luftfahrzeug eingeführt werden soll, steht das unserer Ansicht nach auch eher in den Sternen.
Wie an anderen Stellen umfangreich nachzulesen ist, gibt es tatsächlich marktverfügbare Systeme, die mehr oder weniger ausgeprägt dazu in der Lage sind, die gesuchten Fähigkeiten abzubilden. Beispiele ohne Wertung bilden wir auf unseren Seiten ab. Eine finale Bewertung nehmen wir an dieser Stelle nicht vor, dafür gibt es Fachleute. Aber es MUSS dringend eine Zwischenlösung her, sonst werden diese Fähigkeiten aus unserer Marine verschwinden. Ein Erhalt des Könnens und die Inübunghaltung der Menschen über einen Zeitraum von zehn Jahren oder mehr wird ohne dazugehöriges Luftfahrzeug nicht funktionieren.
Als hören Sie bitte auf, die Menschen im Ungewissen zu lassen und so zu tun als würde schon alles wieder gut werden! Hier geht es nicht nur um den Erhalt von Fähigkeiten, sondern auch um den Erhalt von Vertrauen in die militärische und politische Führung.