(Luft) Boeing P-8A Poseidon in der Bundeswehr (Zwischenlösung P-3C-Nachfolger)
(08.06.2022, 16:46)FJ730 schrieb: Natürlich wird das von jedem industriellen Großunternehmen ganz genau so praktiziert, andernfalls verschwindet es sehr schnell vom Markt.

Ich bezweifle sehr stark, dass das in anderen industriellen Bereichen der Fall ist, da wo ich mich auskenne (bspw. Luftfahrtindustrie) trifft das definitiv nicht zu. Jeder größeren Neuentwicklung geht eine konkrete Marktanalyse, der Kontakt mit potenziellen Kunden zu Spezifizierung von typischen Ausrüstungswünschen und maximal eine Vorentwicklung/Projektierung ohne konkreten Kunden vorweg. Ausnahmen bestätigen die Regel, aber mir ist jetzt ad Hoc kein Projekt bekannt, bei dem es anders gelaufen würde. Die konkrete Produktentwicklung erfolgt erst im Zuge ebenso konkreter Beschaffungsabsichten.

Deine Beispiele sind dafür durchaus sinnbildlich, denn es handelt sich ja jeweils um die genannten Schubladenprojekte, bei denen es aber ohne konkrete Kundenaufträge nicht zu einer tatsächlichen Entwicklung kam. Für die AEW-Version hat man beispielsweise im Rahmen der Projektierung aerodynamische Tests mit einem leeren Radar-Gehäuse durchgeführt, um potenziellen Kunden die Realisierbarkeit zu demonstrieren. Als mögliche Abnehmer wurden damals beispielsweise Spanien, Chile oder Polen genannt. Mangels Kundeninteresse ist das Projekt aber nie über diesen Status hinaus weiterentwickelt worden, ein funktionierender Prototyp ist seit den genannten Tests im Jahr 2011 ebenfalls nicht daraus entstanden, und die eigenfinanzierten Arbeiten bestanden aus Anpassungen innerhalb der Projektebene. Ähnlich verhält es sich auch mit den anderen Varianten des Grundmusters. Die Gunship-Version ist beispielsweise kein Projekt von Airbus selbst, sondern eine nach Kundenwünsche durchgeführte und finanzierte Umrüstung durch ATK mit Unterstützung von Airbus.

Insofern zeigt das Beispiel C295, dass die Industrie bis zu einem gewissen Grad bereit ist Projekte selbstständig auszuarbeiten (was ich ja ebenfalls dargelegt habe), die konkrete Umsetzung aber stets von Kunden abhängig ist, sofern es sich um ein größeres Investitionsvolumen handelt. Die Waffenintegration beispielsweise zeigt dies sehr deutlich, türmontierte Geschütze wurden aufgrund des geringen Kostenumfangs eigenfinanziert entwickelt, Abwurfwaffen werden erst auf Kundenwunsch konkret integriert.

Zitat:Du hast ja selbst mehrfach ausgeführt, dass aus Deiner Sicht das System und nicht der Träger der entscheidende Faktor ist. Wo wäre also das Problem gewesen, gerade beim Blick auf die Konkurrenz, das System in ein Strahlflugzeug zu integrieren?

Wie bereits dargelegt wurden entsprechende Varianten von verschiedenen Herstellern bereits aus der Schublade heraus angeboten, und würde Airbus einen ernsthaften Markt dafür sehen, hätten sie es auf Basis beispielsweise eines A320 ebenfalls gemacht. Und ein großes Problem ist die konkrete Integration auch nicht, trotzdem wird das üblicherweise nicht auf Verdacht gemacht, sondern nur auf konkretes Kundeninteresse.

Zitat:Die Lufthansa bestellt überhaupt nichts und geht auch keine Zahlungsverpflichtungen zum Programmstart ein.

Natürlich macht sie das, zum Beispiel bei der Boeing 777X als Launch Customer mit 34 Festbestellungen inklusive Verbindlichkeitsklausel zum Programmstart 2013. Zuvor hatte sie eine ähnliche Rolle beispielsweise bei der 747-8i oder auch dem Airbus A340. Neben den Festbestellungen tritt die Lufthansa damit auch immer wieder als Berater auf, selbst bei Mustern, die sie selbst nicht direkt in die Flotte übernimmt. Das ganze hat auch schon historische Dimensionen, die 737 beispielsweise entstand durch Boeing in enger Abstimmung mit der deutschen Fluggesellschaft. Bei der Entwicklung der A350 stand die Lufthansa beratend zur Seite, auch wenn sie selbst erst relativ spät entsprechende Bestellungen tätigte. Es ging aber nicht konkret um die Lufthansa, sondern um die Tatsache, dass kein Flugzeughersteller ohne verbindliche Verträge ein neues Flugzeugprogramm startet. Bei der A350 waren es mit Programmstart 292 Festbestellungen.

Zitat:Interessanterweise hast Du die Coronazeiten unterschlagen.

Die habe ich nicht unterschlagen, sondern explizit darauf hingewiesen, dass ich Vor-Corona-Zahlen verwende. Und das aus dem guten Grund, weil Corona wirtschaftlich nicht absehbar war und diese Zahlen meines Erachtens keinen Dauerzustand darstellen, so dass sich die tatsächlichen Auswirkungen auf die Unternehmenausrichtung dadurch überschaubar bleibt. Übrigens musst du aus der Defence- und der Hubschraubersparte noch die jeweils zivilen bzw. behördlichen Volumen herausrechnen, wenn es dir Freude macht.

Zitat:Bei Deiner Einschätzung zum Gesamtmarkt habe ich Dich wohl Missverstanden, bin jedoch trotzdem anderer Ansicht was die Bedeutung des Gesammtmarktes angeht und kann die amerikanischen Bestellungen nicht seperat sehen Smile

Es geht doch hier immer noch um eine unternehmensfinanzierte Alternative zur P-8? Wenn man dafür Marktaussichten bewerten will, ergibt es doch keinen Sinn, unerreichbare Märkte zu betrachten. Die USA hätten keine solche europäische Alternative gekauft, ähnliches gilt auch für Japan, also spielen beide als potenzielle Kunden keine Rolle. Und dadurch sinken die Absatzmöglichkeiten ganz dramatisch. Zu behaupten, bspw. Airbus hätte mehr Risiko eingehen müssen anstatt auf Subventionen zu setzen, weil es einen Markt für 300+ Flugzeuge gab, ist in dem Fall schlicht nicht haltbar.

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Insgesamt muss ich mich leider aus Zeitgründen aus der Diskussion in der Form heraus nehmen. Mir ging es darum darzulegen, dass ein Initiativprogramm bis hin zur Serienreife in dieser Dimension weder üblich noch erwartbar ist und ich daher deinem Argument nicht folgen kann, dass man daraus einen Vorwurf an die Industrie ableiten kann. Letztlich habe ich nicht mehr dazu zu sagen als die vorgebrachten Argumente, sofern es noch etwas konkret zu MAWS bzw. der P-8 gibt gern, ansonsten fehlt mir leider die Zeit.
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