Ukraine
Die Ukraine entwickelt sich - zwangsläufig - inzwischen zu einem großen Rüstungshersteller, wie die FAZ berichtet:
Zitat:Das Zögern der westlichen Partner sendet vor allem ein Signal nach Kiew: Die Ukraine muss unabhängiger von Waffenlieferungen aus dem Ausland werden. Schon im vergangenen Sommer verkündete der ukrainische Minister für strategische Industrie, Oleksandr Kamyschin, sein Land wolle der größte Waffenhersteller Europas werden. Präsident Wolodymyr Selenskyj legte nach und kündigte an, die Ukraine zu einem der größten Waffenproduzenten der Welt zu machen.
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In einigen Bereichen produziere die Ukraine bereits mehr als einige große Länder, so Kamyschin, insbesondere Drohnen und Artilleriesysteme. Demnach stellt ­Kiew beispielsweise je Monat sechs selbstfahrende Artilleriegeschütze Kaliber 155 Millimeter des Typs Bohdana her. Von großer Bedeutung seien in diesem Jahr in der Ukraine produzierte unbemannte Landdrohnen. Sie ähneln Flugdrohnen, nur dass sie auf dem Boden operieren, und werden für militärische, logistische und medizinische Zwecke eingesetzt. Der ­ukrainische Rüstungsminister kündigte zudem an, dass 2024 Künstliche Intelligenz (KI) nicht nur bei diesem System eine wichtige Rolle spielen wird. Dadurch sollen feindliche Ziele besser erfasst und bekämpft werden können. Vor kurzem unterschrieb Kamyschin ein Memorandum mit dem deutschen KI-Spezialisten Helsing, um die Technologie bei eigenproduzierten Drohnen voranzutreiben.
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Um die Waffenherstellung im eigenen Land künftig weiter voranzutreiben, hat Kiew im September zudem eine Rüstungsallianz mit ausländischen Unternehmen gegründet. Laut F.A.Z.-Informationen haben sich seitdem knapp 100 Konzerne aus mehr als 20 Ländern angeschlossen. Die Priorität liege auf der Produktion von Munition und Drohnen, sagte Kamyschin. Auch Raketen, Panzertechnik und Luftverteidigungssysteme sollen aus der Allianz hervorgehen.

Im ersten Schritt könnten sich die Unternehmen eine Präsenz im Land aufbauen und sich mit den Möglichkeiten vertraut machen, sagte Kamyschin. „Wenn die Unternehmen dann bereit sind, einen Schritt weiterzugehen, können sie anfangen, bei uns im Land Waffen zu produzieren.“ Das sei der „beste Weg“, um ihre Produkte zu verbessern. „Denn im Krieg schreiten Innovationen schneller voran.“
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Das ukrainische Ministerium für strategische Industrie bestätigte der F.A.Z., dass die deutschen Konzerne Rheinmetall und Krauss-Maffei Wegmann beteiligt sind.

Außerdem sei der türkische Drohnenspezialist Baykar Teil der Rüstungsallianz. Der Konzern hat bereits bekannt gegeben, ein Werk für den Bau von bewaffneten Drohnen in der Ukraine errichten zu wollen. Dort sollen künftig 120 Fluggeräte im Jahr produziert werden. Nach Angaben des ukrainischen Ministeriums sind daneben unter anderem der britische Rüstungskonzern BAE Systems, die französische Thales Group, die schwedische Saab Group, die europäische MBDA Group und der italienische Betrieb Leonardo S.p.A. der Rüstungsallianz beigetreten.
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Tatsächlich war ja - wie im Artikel beschrieben - die Ukraine nicht nur Hauptstandort der sowjetischen Rüstungsindustrie, sondern nach dem Zerfall der UdSSR auch einer der globalen Hauptexporteure von Waffen. Damals ging es aber wohl primär darum, die gewaltigen Bestände sowjetischer Produktion zu "verramschen". Neues wurde kaum nachproduziert.
Jetzt wird die Rüstungsindustrie modernisiert. Und wenn die Ukraine lang genug durchhält und ihre Selbständigkeit bewahrt, wird dort in absehbarer Zeit eine der größten und modernsten Rüstungsindustrien weltweit zur Verfügung stehen. Wohin dann "nach dem Krieg" mit den Kapazitäten?
Westliche Konzerne werden kaum Interesse haben, ihre eigenen Geschäfte durch ukrainische Tochterunternehmen bedroht zu sehen. Da gibt es sicher entsprechende Vereinbarungen, die aufgrund der aktuellen Notlage der Ukraine gefordert werden können.

Klar ist für mich - der Eigenbedarf der Ukraine wird noch auf Jahre hinaus hoch bleiben. Allerdings wird es dann auch Überkapazitäten geben, wenn der "heiße Konflikt" nicht mehr so heiß ist.
Und es wird auch anderswo wieder gerüstet. Seit der "Zeitenwende" ist die Friedensdividende ausgeschöpft. Das wirkt sich nicht nur in Europa aus - auch in anderen Weltregionen steigen die Rüstungsausgaben.

Lasst mich mal zwei Vermutungen aussprechen:
1.
Schon jetzt lassen sich vorsichtige Absetzbewegungen der zentralasiatischen Nachfolgestaaten der ehemaligen UdSSR erkennen. Je mehr sich die russische Dominanz in der Ukraine abarbeitet und erschöpft, desto mehr können sich diese Staaten "frei schwimmen". Daher wird Zentralasien - von Aserbaidschan über Kasachstan bis zur chinesischen Grenze - ein Hauptziel für Waffenexporteure werden.
Und Russland wird diese Anforderungen nicht erfüllen - es geht diesen Staatenlenkern ja gerade um die Unabhängigkeit von Russland einerseits, und Russland benötigt andererseits seine Produktionen auch und gerade selbst.
In diese zunehmende "Dominanz-Lücke" versuchen bereits zwei Rivalen, vorzustoßen - China und die Türkei. Der Iran hat seine ursprünglichen Ambitionen in der Region wohl beendet, er ist zu sehr auf die Unterstützung Chinas und Russlands angewiesen, um sich dort im chinesisch-russischen "Hinterhof" breit zu machen. Und er hat mit Afghanistan und den Taliban einen Brandherd direkt vor der eigenen Haustüre.
Wenn sich die die Türkei (und in deren "Fahrwasser" die Ukraine) gemeinsam und koordiniert bemühen, ihre jeweiligen Stärken zu bündeln, dann haben beide sehr gute Chancen, an der "Torte" zu partizipieren und aus Zentralasien erhebliche Aufträge für eigene Industrien einzufahren.

2.
Die Ukraine wird mit diesem Kooperationspartner auch dort Fuß fassen können, wo aus historischen Gründen (Entkolonialisierung) westliche Verbündete emotional eher misstrauisch beäugt werden - wo aber zugleich eine Vereinnahmung durch chinesisch-russische Hegemonialbestrebungen befürchtet wird.

Rüstungskonzerne, die sich schon jetzt darauf vorbereiten, werden wohl eine gute Ausgangsbasis für weitere Geschäfte finden.
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Ukraine - von KaZaK - 23.11.2004, 20:26
RE: Ukraine - von Quintus Fabius - 01.02.2022, 21:38
RE: Ukraine - von Schneemann - 02.02.2022, 08:54
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RE: Ukraine - von Schneemann - 13.09.2023, 13:33
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RE: Ukraine - von Schneemann - 10.02.2024, 13:39
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RE: Ukraine - von Schneemann - 11.02.2024, 13:06
RE: Ukraine - von Kongo Erich - 17.02.2024, 23:46
RE: Ukraine - von Kongo Erich - 15.03.2024, 11:17

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