(Allgemein) Gewissensfreiheit bei der Truppe
#1
Zitat:22. Juni 2005
URTEIL

Gewissensfreiheit gilt auch bei Bundeswehr

Die Gewissenfreiheit ist bei Berufssoldaten grundsätzlich höher zu bewerten als die Befolgung eines Befehls. Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig gab heute einem Major Recht, der gegen seine Degradierung wegen angeblicher Befehlsverweigerung im Zusammenhang mit dem Irak-Krieg in Berufung gegangen war.

Leipzig - In dem vorliegenden Fall könne das Grundrecht auf Gewissenfreiheit nicht durch einen Befehl verdrängt werden, begründete der 2. Wehrdienstsenat seine Entscheidung. Der Major hatte sich im April 2004 geweigert, an der Entwicklung eines Computerprogramms mitzuarbeiten. Seiner Ansicht nach konnte nicht ausgeschlossen werden, dass mit der Software Kriegshandlungen im Irak unterstützt werden sollen. Außerdem betrachte er den Krieg im Irak als völkerrechtswidrig.

Das Truppendienstgericht degradierte den Major daraufhin zum Hauptmann, dagegen war der Soldat wie auch die Bundeswehr in Berufung gegangen. Die Streitkräfte wollten eine Entfernung des Soldaten aus der Truppe erreichen.

Die Leipziger Richter urteilten jetzt, dass die Gewissensfreiheit auch für Personen gelten müsse, die keinen Antrag auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer gestellt hätten. Daher stehe auch Berufssoldaten grundsätzlich dieses Grundrecht zu. Die Streitkräfte seien als Teil der vollziehenden Gewalt zu betrachten und daher ausnahmslos an Recht und Gesetz gebunden. Davon könnten sie sich nicht unter der Berufung auf Gesichtspunkte der militärischen Zweckmäßigkeit freistellen. (AZ: BVerwG 2 WD 12.04)
Quelle: <!-- m --><a class="postlink" href="http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,361609,00.html">http://www.spiegel.de/politik/deutschla ... 09,00.html</a><!-- m -->
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#2
Zitat:Mr NoBrain posteteDie Streitkräfte seien als Teil der vollziehenden Gewalt zu betrachten und daher ausnahmslos an Recht und Gesetz gebunden. Davon könnten sie sich nicht unter der Berufung auf Gesichtspunkte der militärischen Zweckmäßigkeit freistellen.
Bleibt die Interessante Frage was geschehen wäre wenn wir mit den Amerikanern von Beginn an und ohne Proteste in den Irakkrieg gezogen wären. Ob er sich dann auch erfolgreich auf sein Gewissen hätte beziehen können?
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#3
Die Entscheidung wundert mich ein wenig.
schade man kann online nur die wenig ergiebige Pressemitteilung und nicht die Originalentscheidung nachlesen.
Naja beim Kosovo Krieg hätte das wohl nicht geklappt. Vielleicht ist diese Entscheidung ja auch wegen dieser recht alten Entscheidung getroffen worden
Zitat:Pressemitteilung des Bundesarbeitsgerichts Nr. 17/89 Gewissensentscheidung und Kündigung
1. Der Kläger ist Arzt, die Klägerin Ärztin und Apothekerin. Beide waren in der Forschungsabteilung der Beklagten, einer deutschen Tochter eines international tätigen Pharmakonzerns, beschäftigt. Im Frühjahr 1987 begann die beklagte mit Forschungsarbeiten an einer Substanz, die geeignet ist , Brechreiz zu unterdrücken. In einem internen Firmenvermerk hieß es dazu, falls sich die Strahlenkrankheit, hervorgerufen entweder bei der Strahlenbehandlung des Krebses oder als die mögliche Folge eines Nuklearkrieges, als behandelbar oder verhütbar erweisen sollte, würde das Marktpotential für eine solche Substanz signifikant erhöht werden.

Die klagenden Parteien lehnten nach mehreren Gesprächen mit der Beklagten die Mitwirkung bei de Erforschung dieser Substanz unter Berufung auf die Gewissensentscheidung ab. Sie machten geltend, sie hätten bei ihrer Einstellung nicht mit einem solchen Einsatz rechnen müssen. Als Mediziner könnten sie es nicht zulassen, daß ihre ärztliche Tätigkeit im zusammenhang mit einer geplanten Verwendung des Medikaments im Nuklearkrieg gebracht werde.

Die Beklagte hat die Arbeitsverhältnisse daraufhin ordentlich gekündigt. Das Landesarbeitsgericht hat die Kündigungsschutzklagen abgewiesen. Es hat angenommen, unter Zugrundlegung der Sicht eines außenstehenden Dritten sei der Gewissenskonflikt nicht relevant. Ob die klagenden Parteien in einem anderen Bereich hätten beschäftigt werden können, sei unerheblich, weil diese Frage sich nur bei einer rechtlich erheblichen Gewissensentscheidung stelle.

2. Der Senat ist diese Würdigung nicht gefolgt und hat deswegen den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht zurückverwiesen.

a) Er geht entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts mit dem Bundesverfassungsgericht und dem Bundesverwaltungsgericht unter Bestätigung des Senatsurteils vom 20. September 1984 (Bage 47, 363) vom sogenannten subjektiven Gewissensbegriff aus. Danach ist als eine Gewissensentscheidung jede ernste sittliche, d.h. an den Kategorien von »gut« oder »böse« orientierte Entscheidung anzuerkennen, die der Einzelne in einer bestimmten Lage als für sich bindend und verpflichtend erfährt. Hierbei muß ein Arbeitnehmer seine Konfliktlage im einzelnen darlegen und erläutern, wobei es für das Gericht überprüfbar bleibt, ob der vom Abeitnehmer geltend gemachte Gewissenskonflikt bei der vereinbarten Tätigkeit tatsächlich auftritt.

Das verfassungsrechtlich geschützte »subjektive Gewissen« wird gesetzwidrig verkürzt, wenn aus Zweckmäßigkeitserwägungen auf sogenannte objektive Kriterien wie »Mindestrang«, »Realitätsbezug« oder darauf abgestellt wird, ob der Konflikt für einen dritten »nachvollziehbar« ist (kein objektiver Gewissensbegriff).

b) Der Senat hat unter Zugrundelegung der Feststellungen des Landesarbeitsgerichts das Vorliegen eines Gewissenkonfliktes bejaht, weil die klagenden Parteien davon ausgehen konnten, das zu entwickelnde Medikament sei auch geeignet, in einem Nuklearkrieg eingesetzt zu werden und die Beklagte diesen möglichen Einsatz in ihren Planungen jedenfalls nicht ausgeschlossen hat. Sie waren deswegen aus in ihrer Person liegenden, vom Arbeitgeber im Rahmen der näheren Leistungsbestimmungen nach 315 BGB zu respektierenden Gründen berechtigt, die weitere Mitwirkung an der Erforschung der Substanz aus Gewissensnot abzulehnen.

Diese Begrenzung des Direktionsrechtes durch die berechtigte Berufung auf eine Gewissensnot führt nicht unter Einschränkung der unternehmerischen Freiheit hinsichtlich der Bestimmung der Produktion zu einer gesetzwidrigen Erweiterung des Bestandsschutzes und zu einer einseitigen Belastung des Arbeitgebers mit dem Beschäftigungsrisiko. Wenn Arbeitnehmer, deren Einsatzmöglichkeiten durch eine von ihnen getroffene Gewissensentscheidung eingeschränkt ist, nicht im Rahmen der vereinbarten oder geänderter Arbeitsbedingungen anderweitig beschäftigt werden können, ist an sich ein in ihrer Person liegender Grund gegeben, der jedenfalls nach 1 Abs. 2 KSchG eine ordentliche Kündigung rechtfertigen kann. Wenn ein anderer Einsatz nicht möglich ist, gerät der Arbeitgeber auch nicht nach 615 BGB in Annahmeverzug.

3. Da das Landesarbeitsgericht die Frage der anderweitigen Beschäftigungsmöglichkeit nicht geprüft hat und darüber hinaus zwischen den Parteien streitig ist, ob der Betriebsrat insoweit zu den Kündigungen ordnungsmäßig angehört worden ist, war der Rechtsstreit an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen.

BAG Urteile vom 24. Mai 1989 – 2 AZR 283/88 und 2 AZR 285/88 – LAG Düsseldorf Teilurteile vom 22. April 1988 – 11 (6) Sa 1349/78 und 1364/87 –.
Finde es im Ergebnis sehr seltsam, wenn ein Soldat die entwicklung von software, die höchstens mittelbar einem völkerrechtswidrigen Krieg fördert mit Berufung auf sein Gewissen verweigern darf, BW Piloten bei einem anderen völkerrechtswidrigen Krieg (Kosovo) problemlos Bomben schmeissen dürfen.
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#4
Ich denke auch das die tatsächlichen Motive des Softwareentwicklers andere sind. Für eine juristische Karriere oder etwas in der Politik kann sowas ja eine gute Visitenkarte sein. Ein Logistikprogramm weiterentwickeln, also ehrlich Smile
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#5
Na ja, der Angeklagte war in diesem Fall meiner Meinung nach durchaus im Recht.
Der jüngste Krieg der USA gegen den Irak war ganz klar völkerrechtswidrig. Man bedenke, mit welchen fadenscheinigen und konstruierten Kriegsgründen die USA in diesen Krieg gezogen sind. Hier lag eindeutig ein Fall von Angriffskrieg vor.
Die USA, die sich diesen Angriffskrieg geleistet haben, verwenden zudem auch Mittel, die sie von anderen Staaten erhalten können, einschließlich Software. Damit ist die Möglichkeit, daß die zu entwickelnde Software zur Unterstützung von Kampfhandlungen im Irak oder in einem anderen Konflikt, etwa in einem erneuten Angriffskrieg z.B. gegen den Iran oder Nordkorea, verwendet wird, gegeben.
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#6
inzwischen berichtet auch die Tagesschau <!-- m --><a class="postlink" href="http://www.tagesschau.de/aktuell/meldungen/0,1185,OID4455846_TYP6_THE_NAV_REF1_BAB,00.html">http://www.tagesschau.de/aktuell/meldun ... AB,00.html</a><!-- m -->
Zitat:Urteil des Bundesverwaltungsgerichts
Gewissensfreiheit auch für Soldaten

...Sein Vorgesetzter hatte ihn angewiesen, an der Weiterentwicklung eines militärischen Computerprogramms mitzuwirken. Das verweigerte er mit der Begründung, er könne es mit seinem Gewissen nicht vereinbaren, Befehle zu befolgen, die den aus seiner Sicht völkerrechtswidrigen Krieg im Irak unterstützen könnten. Sein Vorgesetzter habe nicht ausschließen können, dass das Software-Programm dazu genutzt werde. Wegen Befehlsverweigerung stufte das Truppendienstgericht den Soldaten deshalb vom Major zum Hauptmann herab.

Die Leipziger Richter urteilten jetzt, dass der Software- Spezialist im Frühjahr 2003 seine Mitarbeit an einem Computerprogramm unter Berufung auf sein Gewissen verweigern durfte.
....
Ich denke, auch bei Militär muss gelten, dass erkennbar oder mit großer Wahrscheinlichkeit rechtswidrige Befehle nicht befolgt werden dürfen ....
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#7
Zitat:Erich posteteIch denke, auch bei Militär muss gelten, dass erkennbar oder mit großer Wahrscheinlichkeit rechtswidrige Befehle nicht befolgt werden dürfen ....
Das steht ausser Frage. Nur ist der Bogen hier doch recht weit gespannt worden - die eigentlich befohlene Aufgabe war nicht illegal oder unmoralisch. Die Weitergabe des Programms wäre es möglicherweise gewesen, aber das lag nicht in der Hand dieses Mannes. Sein Vorgesetzer hätte den Befehl zu einer möglichen Weitergabe des Programms verweigern können.
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#8
Zitat:Wolf postete
Das steht ausser Frage. Nur ist der Bogen hier doch recht weit gespannt worden - die eigentlich befohlene Aufgabe war nicht illegal oder unmoralisch. ...
dazu kenn ich die Hintergründe zu wenig; aber letztendlich - wenn es unterschiedliche Meinungen gibt ist es Aufgabe von Dritten, das zu entscheiden, und in einem Rechtsstaat liegt diese Aufgabe letztendlich bei den unabhängigen Gerichten
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#9
Zitat:Erich postete...wenn es unterschiedliche Meinungen gibt ist es Aufgabe von Dritten, das zu entscheiden, und in einem Rechtsstaat liegt diese Aufgabe letztendlich bei den unabhängigen Gerichten
Hm - Zeit kann natürlich ein kritischer Faktor beim Militär sein. Die Regelungslage ist ja so, dass man sich SPÄTER über alles und jeden beschweren kann, aber die Aufgabe, sofern sie nicht eindeutig widerrechtlich ist, zunächst auszuführen hat.
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#10
Der Artikel stellt die Problematik gut da, kann mich Kister eigentlich nur anschliessen.

<!-- m --><a class="postlink" href="http://www.sueddeutsche.de/deutschland/artikel/509/55454/">http://www.sueddeutsche.de/deutschland/ ... 509/55454/</a><!-- m -->
Zitat:Bundeswehr

Ein Urteil gegen den Primat der Politik

Wenn ein Berufssoldat einen legitimen Befehl verweigert, sollte er den Beruf wechseln. Von Kurt Kister
Dem Major wurde ja nicht befohlen Clusterbomben an amerikanische Jets zu hängen oder gar selber zu werfen, es ging darum ein Logistikprogramm zu entwickeln!!
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#11
Diesen Befehl zu verweigern ist schon in Ordnung, aber dann bei der BW zu verbleiben zu wollen ist absurd.

Der entsprechende Major ist kein Soldat und nur ein Wichtigtuer der sich mit solch absurdem Verhalten aufführen will um Aufmerksamkeit zu erregen.

Die Bundesrepublik und insbesondere die BW hat auf vielfältige Weise den Irak Krieg direkt unterstützt. Auch wenn kein BW Soldat im Irak war, so sind die direkten Dienstleistungen der BW für die Amerikaner für den Irak Krieg dagewesen und daher hat die BW als Organisation und Armee an sich den Irak Krieg unterstützt.

Das heißt : daß der Major wenn er das mit seinem Gewissen nicht vereinbaren kann aus der BW GANZ !! austreten müsste und sollte. Aber das will er offenbar nicht. Er will weiter Geld, Rang und Pensionsanspruch.

Und dann ist sein Verhalten nur erbärmliche Aufrührerei und Getue. Wenn er nicht den Irakkrieg unterstützen will, dann MUß er aus der BW austreten, den die ganze BW als solche unterstützte diesen Krieg direkt und indirekt.
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#12
@bastian:

Zitat:Dem Major wurde ja nicht befohlen Clusterbomben an amerikanische Jets zu hängen oder gar selber zu werfen, es ging darum ein Logistikprogramm zu entwickeln!!
Meines Erachtens belanglos. Ein Logistikprogramm hat genauso einen Einfluss, wie Clusterbomben an einen Jet zu montieren, vermutlich sogar einen weit größeren. Das ist mMn auch gar nicht ausschlaggebend. Wenn er damit Probleme hat, muss er raus aus der Armee, egal WOMIT genau er nun ein Problem hat. Hier stimme ich Quintus Fabius völlig zu (Notiz für später: bemerkenswert ^^). Gewissenfreiheit bei der Truppe bedeutet für mich nicht, seine Meinung zum besten zu geben, sich einem Befehl verweigern, und dann weiter im Protokoll. Gewissensfreiheit bedeutet, sich zu verweigern und entsprechend aus der Truppe auszutreten. Ansonsten nimmt die Armee in ihren integralen Funktionsmustern irreparablen Schaden.
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#13
Ich erachte die ganze Debatte als komplett lächerlich. So etwas verstopft unsere ohnehin überlastete Justiz völlig unnötig. Na schön, er schreibt ein Logistik-Program. Wo liegt hier das Problem? Wenn ich Windows-Programmierer bin, könnte ich dann nicht auch sagen: "Ich mache jetzt nicht weiter, weil mir eingefallen ist, dass vllt. die US Army ganz viele Windows-PCs zur Verwaltung nutzt..." ?

Wenn er eine solche Einstellung hat, dann sollte er wohl besser den Beruf wechseln.

Naja. Das sind wieder typisch deutsche Probleme, die nur zeigen, dass wir noch nicht genug echte haben...
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#14
@Turin
Sehe das genauso, will den Soldaten ja gar nicht zwingen etwas zu tun, was gegen sein Gewissen verstösst, finde aber das er dann nicht in die BW gehört. Ist im übrigen auch die Meinung des von mir zitierten artikels.
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#15
@ bastian:
versteh ich das richtig?
>In die BW gehören nur gewissenlose Typen, die sich keine Gedanken über die an Sie erteilten Befehle machen und diese widerspruchslos ausführen<:frag:
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