Militärische Lehren aus dem Ukraine-Krieg
Selbstfahrende Artillerie hat aber zusätzliche Munitionstransporter dabei und steht "weiter hinten" wo sie leichter nachmunitionieren kann. Und: ein neuer Leopard 2 kommt auf 22 Schuss - eine Panzerhaubitze2000 demgegenüber auf 60 Schuss. Das ist durchaus ein erheblicher Unterschied.

Ansonsten kann ich deinen Ausführungen bezüglich einer solchen Weiterentwicklung der Verwendung von Kampfpanzern nur zustimmen, dass entspricht ja auch eins zu eins dem was Broensen und meine Wenigkeit schon öfter vorgeschlagen und ausdiskutiert haben.

Nimm noch deine Ideen zur Verwendung von Cluster-Munition dazu, und dass ganze wird hochinteressant.
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Die 22 Schuss des Deutsch-Frnazösischen Entwurfs sind auch für einen klassischen Kampfpanzer zu wenig.

Kampfpanzer würden in der indirekten Feuerunterstützung auch relativ weiter hinten eingesetzt werden. Und warum sollte man nicht einmal an gepanzerte Munitionstransporter für die Aufmunitionierung nahe der vorderen Linie denken. Es wäre analog zu den Bergepanzern keine größere Herausforderung einige Munitionstranporter mit Ladekran auf Bataillonsebene zu betreiben.
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Gepanzerte Munitionstransporter für Kampfpanzer ?! Habe ich das so richtig verstanden ? Das wurde und wird als Konzept schon seit langem immer wieder und wieder diskutiert. Schlussendlich kommt man regelmässig zu dem Schluss, dass dies nicht praktikabel / sinnvoll ist, und es besser wäre, pro Kampfpanzer mehr Schuss mitzuführen.
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Munitionstransporter für Kampfpanzer, ja.
Es wäre natürlich besser wenn der Kampfpanzer selbst mehr Schuss sicher (!) mitführen könnte. Natürlich ist eine Beladung über Luken in unmittelbarer Frontnähe schwierig. Nur ist es tatsächlich nicht sinnvoll?
Oder anders gesagt, wie viel praktische Erfahrungen haben wir denn - vor den Ukrainern jetzt?

Das Ergebnis der Panzerkämpfe auf dem Golan 73 war für die Israelische Seite ein Panzer, der bis zu 62 Geschosse mitführen und durch die Heckluke unter Gefechtsbedingungen schnell zu beladen ist. Das kam nicht von ungefähr wenn man sich die Berichte aus dem Krieg anschaut. Das wurde mit späteren Modellen dann aufgegeben und der Munitionsvorrat unter besseren Schutz verkleinert, aber ganz so falsch ist dieser Ansatz mE nicht.
Erst recht halt nicht, wenn man den Panzer auch artilleristisch einsetzen will. Hier wäre der Munitionsverbrauch querschnittlich deutlich höher als in der konventionellen Rolle, da käme man um das Thema fast nicht herum.
Spezielle Munitionsfahrzeuge einfach neben den Schutzfaktor weil eine Kranvorrichtung das Laden über die Luken deutlich beschleunigen sollte.
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https://warontherocks.com/2023/01/learni...ic-states/

Zitat:Lessons Learned from Teaching Lessons

There is no shortage of analysis about applying lessons-learned from the conflict in Ukraine to the defense of Taiwan. In any case, most of this existing work focuses on what the war should teach Taiwan about the nature of contemporary high-intensity warfare, the need for an asymmetric defense posture, whether Russia’s attack on Ukraine will or will not make a war over Taiwan more likely, or what Chinese leader Xi Jinping and his generals might be learning from the ongoing war.

Our focus is different. We believe the lessons from how the United States, along with its NATO allies, helped Estonia, Latvia, Lithuania, and Ukraine to transform their militaries in a matter of years are the best model for training the Taiwanese military. For the Baltic states, these changes began with the lead-up to their admission into NATO in 2004. For Ukraine, the process began after Russia’s two-pronged invasion in 2014 sent shockwaves through the Ukrainian military, which then-Chief of the General Staff Viktor Muzhenko described as “an army literally in ruins.”

Seven lessons stand out:

- Small-Unit Training Focused on Concrete Warfighting Skills

- Joint and Multinational Exercises Facilitated Learning Among Senior Leaders and Staffs

- The State Partnership Program Built Relationships … When It Had Time to Take Root

- Defense Institution Building Was Essential

- Warzone Learning Labs

- Professional Military Education

- Rapid Change Demanded a Comprehensive Approach

In dem Beitrag wird jeder der gerade genannten Aspekte ausführlich detailliert.

Recommendations for Washington and Taipei

How, then, should Washington proceed? We offer three recommendations.

- Training, Not Arms Sales, Should Be the New Priority

- Authorize and Fund a Comprehensive, Bottom-Up Security Cooperation Program

- Reinforce Bottom-Up Change with a Concerted Push for Top-Down Reform
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https://soldat-und-technik.de/2023/02/st...fahrzeuge/

Hier geht es um die Frage, inwieweit der aktuelle Krieg eine Blaupause für moderne Kriege sein könnte und verweist auf die Besonderheiten ehem. sowj. Armeen und ihrer fehlenden Fähigkeiten (Artilleriearmeen) und die künftige Rolle von Panzern.
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Interessant finde ich die in diesem Artikel zitierte Aussage ukrainischer Soldaten, dass die russische Schützenpanzer mit Maschinenkanonen mehr fürchten als russische Kampfpanzer, die Maschinenkanonen als insgesamt effektiver ansehen und den Umstand, dass dann auch immer feindliche Infanterie in der Nähe sein muss höher gewichten als die Frage der Panzerung des Gegenüber. Das deckt sich mit etlichen Meldungen die ich immer wieder mal auf Telegram dazu gelesen habe (sporadisch taucht dass immer wieder mal auf).

In der gleichen Richtung aus der gleichen Zeitschrift:

Kleinstdrohnen:

https://soldat-und-technik.de/2023/01/st...ainekrieg/

Durchsetzungsfähigkeit Mittlerer Kräfte:

https://soldat-und-technik.de/2022/09/st...e-kraefte/

Hier kommt der Autor zu der Schlussfolgerung, dass man bei mittleren Kräften mehr Fahrzeuge im Verhältnis zur Anzahl der Soldaten benötigt, um ausreichende eigene Feuerkraft (Maschinenkanonen) und dafür genug Munition und sonstige Verbrauchsmittel selbst unmittelbar mitführen zu können (Rucksack-Konzept).

Nehmen wir also mal beispielsweise an, wir hätten 12 Mann Infanteriegruppen (rein theoretisch) und die Absitzstärke pro Fahrzeug wäre nur 6 Mann, bräuchte man entsprechend für jede Gruppe zwei Fahrzeuge.

Die logische Schlußfolgerung ist daher, dass Mittlere Kräfte im Verhältnis zu ihrer Größe mehr Fahrzeuge benötigen als andere Verbände. Sie sind daher genau genommen weniger effizient, wenn sie effektiv sein sollen.

Und über mein Spezialgebiet:

https://soldat-und-technik.de/2022/05/be...d-gewehre/

Hier wird zunehmend die Befähigung von Schützenwaffen für optionales (!) signaturreduziertes Feuer betont. Also für Schalldämpfer die man leicht auf- und abmontieren kann unter Feldbedingungen. Denn es gibt sehr viele Situationen in denen es eben nicht sinnvoll ist mit Schalldämpfer zu schießen. Darüber hinaus muss die Waffe so eingerichtet werden, dass das Aufsetzen und Abnehmen des Schalldämpfers keine Auswirkungen auf das Treffen hat.

Bei Leuchtpunktvisieren wird die Wichtigkeit einer möglichst hohen Batterielaufzeit betont. Hier geben westliche Hersteller ja alle möglichen Werte an, aber solche Leuchtpunktvisiere haben üblicherweise verschiedene Stufen und die Batterie wird im realen praktischen Einsatz oft schneller als erwartet verbraucht wenn man den Leuchtpunkt auf einer stärkeren Stufe durchgehend anlässt.

Und noch eine persönliche Anmerkung die nicht aus dem Artikel stammt: es gibt ja gerade bei den MMG / UMG seit langem die Debatte um die Frage wie hoch die Kadenz / Feuerrate sein soll und auch um das Gewicht der Waffen. Oft wird hier betont, dass ein höheres Gewicht es ermöglicht präziser zu schießen und ausdauernder, das gleiche gälte für eine niedrigere Kadenz, weil dann die Waffe bei längerem Feuerkampf nicht so schnell überhitze. Aus diesem Grund hat man bei den neuesten westlichen MG immer noch ein im Vergleich zu russischen MMG / UMG höheres Gewicht und zugleich eine im Vergleich zu früher meist niedrigere Kadenz. Dies stellt sich nach allem was ich so im Laufe von Monaten dazu aufgeschnappt habe in der Ukraine als Fehler heraus.

Obwohl es natürlich rein physikalisch richtig ist, und die Argumentation logisch, legt der Ukrainekrieg nahe, dass deutlich leichtere MG mit einer möglichst hohen Kadenz besser sind, ungeachtet der Nachteile die das für die Frage der Überhitzung / das Rohr mit sich zieht.
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https://warontherocks.com/2023/02/learni...-dominant/

Zitat:Learning Lessons from Ukraine: Is Defense Dominant?

Melanie, Chris, and Zack debate Frank Hoffman’s recent article in War on the Rocks about the broader implications of Russia’s war in Ukraine. They discuss whether defensive systems are dominant and how long Russia will take to recapitalize its forces, as well as what this means for future conflicts and U.S. posture globally. Chris warns that the United States is not learning from past conflicts.

Meine Antwort auf diese Eingangsfrage ist nein. Es hängt zu stark von den genauen Umständen ab. Ganz allgemein gibt es meiner Meinung nach inzwischen eine zu starke Tendenz hin zu einer Überbewertung der Geschehnisse in der Ukraine für die Frage wie ein zukünftiger Krieg ablaufen wird.
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Der folgende Beitrag dreht sich zwar um Sondereinheiten, aber man kann auch sonst für alle Truppengattungen und noch allgemeiner für jeden Soldaten an sich nur betonen, dass wir immens viel risikofreudiger werden müssen, wenn wir im nächsten großen Krieg bestehen wollen. Die Risikoaversion westlicher TM Streitkräfte ist hier und heute viel zu groß und könnte uns den Sieg kosten. Eine sehr hohe Risikobereitschaft bedeutet natürlich auch umgekehrt hohe Verluste, und damit die Notwendigkeit diese aushalten zu können:

https://warontherocks.com/2023/01/recali...ure-fight/

Zitat:Finally, it is important to expand the discussion of risk tolerance beyond ground special operations.

The risk the Green Light teams assumed in training matched their conflict environment. Today’s U.S. military is wholly unaccustomed to suffering casualties and takes extraordinary lengths to avoid them. This was possible when fighting non-state actors, but it won’t be in future conflicts. No one will ever want to see unnecessary casualties. But leaders across the military and particularly in special operations should recognize that against a strategic adversary, the American military will take significant losses in personnel and equipment. This means a different degree of risk will be required to successfully complete military objectives. Not all tactical risk is capable of being mitigated. For example, losing multiple aircraft or a naval surface ship seems unfathomable when fighting non-state actors, but all too likely when fighting a strategic adversary. If special operations leaders are expected to succeed in future conflicts with strategic adversaries, they should begin by rethinking their tolerance for risk.
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Die Armeen der ersten Welt haben ja nun sehr lange Zeit keine Kriege hoher Intensität gegen einen Gegner auf Augenhöhe geführt. Sollte dieser Fall eintreten, bzw. bereits jetzt in der Vorbereitung, werden ganz andere Fähigkeiten gefordert, als die in den "Kolonialkriegen" bzw. besseren Polizeieinsätzen herausgebildeten. Wobei das nicht nur westliche Streitkräfte betrifft, die Russen erleben das ja gerade selbst.

Man wird nicht wie bisher anfangs die militärische Infrastruktur (sagen wir ruhig die chinesische, einen anderen Gegner auf Augenhöhe sehe ich aktuell nicht) in aller Ruhe und weitgehend zerstören können und dann den handlungsunfähigen und gelähmten Gegner in einer großangelegten Bodenoffensive unter Luft- und Kommunikationsherrschaft langsam erdrücken.

So hat die US-Armee schon im 2. WK erfolgreich agiert und in ihren Kriegen danach operiert. Außer in Korea und Vietnam, wo die Umstände das nicht zuliessen.

Man wird also weniger die US-Armee im 2.WK sein können, sondern muß sich die Wehrmacht zum Vorbild nehmen, zumal man gegen China einen extrem ressourcenstarken Gegner hat. Man wird wieder strategisches und operatives Können herausbilden müssen, was in den letzten Jahrzehnten nicht benötigt wurde.

Gegen einen ebenbürtig oder auch teilweise überlegenen Gegner wird man zu den Lösungen kommen müssen, die bereits die Wehrmacht beschäftigten und Fähigkeiten entwickeln, die dort bereits bis zur Perfektion beherrscht wurden.

Jedenfalls wird dieser Krieg mit den vergangenen wenig zu tun haben und auch der aktuelle ist eher ein Fingerzeig, als eine Blaupause des künftigen Krieges. Hier kämpfen ja eher Not gegen Elend, die auch noch in einer gemeinsamen Doktrin verwurzelt sind, wovon sich die Ukraine langsam löst.

Und dann wird ein Krieg gegen China auch eine sehr starke maritime Komponente haben.
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"Not gegen Elend" liest sich aus aktuellen Fähigkeitsperspektive der Bundeswehr seltsam. Alleine Russland hat heute 320.000 Soldaten in der Ukraine und noch ca. 10 Mio Artilleriegranaten, während die Bundeswehr insgesamt auf 270.000+ Soldaten und zwei Tage Munition kommt. Wir können von der Ukraine lernen - jede Menge.
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(05.02.2023, 11:25)Rudi schrieb: Die Armeen der ersten Welt haben ja nun sehr lange Zeit keine Kriege hoher Intensität gegen einen Gegner auf Augenhöhe geführt. Sollte dieser Fall eintreten, bzw. bereits jetzt in der Vorbereitung, werden ganz andere Fähigkeiten gefordert, als die in den "Kolonialkriegen" bzw. besseren Polizeieinsätzen herausgebildeten. Wobei das nicht nur westliche Streitkräfte betrifft, die Russen erleben das ja gerade selbst.

Man wird nicht wie bisher anfangs die militärische Infrastruktur (sagen wir ruhig die chinesische, einen anderen Gegner auf Augenhöhe sehe ich aktuell nicht) in aller Ruhe und weitgehend zerstören können und dann den handlungsunfähigen und gelähmten Gegner in einer großangelegten Bodenoffensive unter Luft- und Kommunikationsherrschaft langsam erdrücken.

So hat die US-Armee schon im 2. WK erfolgreich agiert und in ihren Kriegen danach operiert. Außer in Korea und Vietnam, wo die Umstände das nicht zuliessen.

Man wird also weniger die US-Armee im 2.WK sein können, sondern muß sich die Wehrmacht zum Vorbild nehmen, zumal man gegen China einen extrem ressourcenstarken Gegner hat. Man wird wieder strategisches und operatives Können herausbilden müssen, was in den letzten Jahrzehnten nicht benötigt wurde.

Gegen einen ebenbürtig oder auch teilweise überlegenen Gegner wird man zu den Lösungen kommen müssen, die bereits die Wehrmacht beschäftigten und Fähigkeiten entwickeln, die dort bereits bis zur Perfektion beherrscht wurden.

Jedenfalls wird dieser Krieg mit den vergangenen wenig zu tun haben und auch der aktuelle ist eher ein Fingerzeig, als eine Blaupause des künftigen Krieges. Hier kämpfen ja eher Not gegen Elend, die auch noch in einer gemeinsamen Doktrin verwurzelt sind, wovon sich die Ukraine langsam löst.

Und dann wird ein Krieg gegen China auch eine sehr starke maritime Komponente haben.
Was hat die Wehrmacht eigentlich ausgezeichnet:
1. Überlegene Führung
2. Überlegene Ausbildung auch und gerade im Mannschafts- und Unteroffizierskorps
3. Kommunikation
4. Gefecht der verbundenen Waffen bis runter auf Zugebene
5. Überlegene Taktik und Doktrin

Das sind alles Dinge die hier selten diskutiert werden
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Die Wehrmacht ist meiner Ansicht nach eine Streitmacht, die heute stark überschätzt wird. Die spektakulären Erfolge der ersten Jahre täuschen hier über viele gravierende Defizite hinweg.

Und man kann sich durchaus fragen, wie man eigentlich die Bundeswehr gewichten soll, wenn sowohl Ukrainer wie Russen Not und Elend sind ?! Ist die Bundeswehr im Vergleich dann ein längst verhungertes totes Pferd ?

Ich muss aber ede144 trotzdem zustimmen: Fragen der Doktrin, der Strategie, der Taktik, der Führung und ich möchte ergänzen: der moralischen, psychologischen und sozialkulturellen Seiten des Krieges werden auch meiner Ansicht nach zu wenig diskutiert und man konzentriert sich zu sehr auf die Technik und das Material.

Einer der am seltensten diskutieren Bereiche ist meiner Ansicht nach die Frage der Kultur und wie diese mit dem Krieg interagiert. Und das Krieg meiner Überzeugung nach immer vor allem von Versagen bestimmt wird, auf beiden Seiten, und die Seite sich durchsetzt, welche es dann schafft weniger zu versagen. Eine Perspektive die viele meiner Meinung nach nicht haben.

Schlussendlich ist Krieg meinem Verständnis nach ein zu komplexes, zu dynamisches System, als dass dieses - sein Wesen - nicht in erheblichem Umfang ständiges Scheitern und Versagen nach sich zieht. Je größer der Krieg, je massiver die Kampfhandlungen, je größer der Kampfraum und die eingesetzten Streitkräfte, desto mehr Chaos und desto mehr fortwährendes Scheitern. Entsprechend stehe ich der aktuell bei vielen Bundeswehr-Offizieren et al vorherrschenden Auffassung von perfekten Plänen, perfekten allumfassenden Befehlen, einer Feinststeuerung aller Prozesse, einer Überlegenheit durch überlegene Führung, überlegene Operationen und überlegene Taktik sowie überlegenes Material etc etc sehr skeptisch gegenüber. Die Auffassung die da viele haben, wie man einen ernsthaften großen Krieg führen kann, wiederspricht meiner Meinung nach der Realität eines großen Krieges. Sie entspringt einem Nicht-Verständnis des Krieges an sich und dem Versuch bürokratische Prozesse des Friedensbetriebes, die aktuellen Vorstellungen ritualisierter Kriegsführung und de facto polizeiliches Vorgehen gedanklich auf ernsthafte Kriegsführung zu übertragen. Dies kann eigentlich nur mehr scheitern, als der Feind scheitern wird und folglich in der Niederlage enden.
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(05.02.2023, 15:58)Ottone schrieb: "Not gegen Elend" liest sich aus aktuellen Fähigkeitsperspektive der Bundeswehr seltsam. Alleine Russland hat heute 320.000 Soldaten in der Ukraine und noch ca. 10 Mio Artilleriegranaten, während die Bundeswehr insgesamt auf 270.000+ Soldaten und zwei Tage Munition kommt. Wir können von der Ukraine lernen - jede Menge.

Meine Aussage betraf aber nicht die Bw, deren prekäre Lage wir alle kennen und für die die Wähler die Verantwortung tragen.

Das Konzept einer Artilleriearmee, welches die Russen schon seit jeher vertreten, hat m.M.n. gegen einen gleichwertigen oder gar überlegenen Gegner, der die Luftherrschaft, präzise Aufklärung und weitreichende präzise Ari sowie Drohnen hat (unsere Regierung hat sich ja bis zuletzt geweigert, bewaffnete Drohnen anzuschaffen), keine Chance. Genauso gegen einen Gegner, der den Bewegungskrieg beherrscht. Da hat die gezogene Rohrartillerie große Schwächen, wie man schon im 2.WK erfahren mußte, der eigentlich sieben Jahrzehnte später nicht mehr das Maß sein sollte.

Und ja, wir können von der Ukraine viel lernen.

(05.02.2023, 23:35)Quintus Fabius schrieb: Die Wehrmacht ist meiner Ansicht nach eine Streitmacht, die heute stark überschätzt wird. Die spektakulären Erfolge der ersten Jahre täuschen hier über viele gravierende Defizite hinweg.

Und man kann sich durchaus fragen, wie man eigentlich die Bundeswehr gewichten soll, wenn sowohl Ukrainer wie Russen Not und Elend sind ?! Ist die Bundeswehr im Vergleich dann ein längst verhungertes totes Pferd ?

Ich muss aber ede144 trotzdem zustimmen: Fragen der Doktrin, der Strategie, der Taktik, der Führung und ich möchte ergänzen: der moralischen, psychologischen und sozialkulturellen Seiten des Krieges werden auch meiner Ansicht nach zu wenig diskutiert und man konzentriert sich zu sehr auf die Technik und das Material.

Einer der am seltensten diskutieren Bereiche ist meiner Ansicht nach die Frage der Kultur und wie diese mit dem Krieg interagiert. Und das Krieg meiner Überzeugung nach immer vor allem von Versagen bestimmt wird, auf beiden Seiten, und die Seite sich durchsetzt, welche es dann schafft weniger zu versagen. Eine Perspektive die viele meiner Meinung nach nicht haben.

Schlussendlich ist Krieg meinem Verständnis nach ein zu komplexes, zu dynamisches System, als dass dieses - sein Wesen - nicht in erheblichem Umfang ständiges Scheitern und Versagen nach sich zieht. Je größer der Krieg, je massiver die Kampfhandlungen, je größer der Kampfraum und die eingesetzten Streitkräfte, desto mehr Chaos und desto mehr fortwährendes Scheitern. Entsprechend stehe ich der aktuell bei vielen Bundeswehr-Offizieren et al vorherrschenden Auffassung von perfekten Plänen, perfekten allumfassenden Befehlen, einer Feinststeuerung aller Prozesse, einer Überlegenheit durch überlegene Führung, überlegene Operationen und überlegene Taktik sowie überlegenes Material etc etc sehr skeptisch gegenüber. Die Auffassung die da viele haben, wie man einen ernsthaften großen Krieg führen kann, wiederspricht meiner Meinung nach der Realität eines großen Krieges. Sie entspringt einem Nicht-Verständnis des Krieges an sich und dem Versuch bürokratische Prozesse des Friedensbetriebes, die aktuellen Vorstellungen ritualisierter Kriegsführung und de facto polizeiliches Vorgehen gedanklich auf ernsthafte Kriegsführung zu übertragen. Dies kann eigentlich nur mehr scheitern, als der Feind scheitern wird und folglich in der Niederlage enden.

Mir ging es gar nicht um die Wehrmacht selbst, wobei ich die WH für die wahrscheinlich beste Armee halte. Natürlich gab es auch dort Probleme, zumal wenn man bedenkt, daß die Aufrüstung und Wehrpflicht erst vier Jahre vorher begangen. Diese Probleme haben sich ja im Polenfeldzug deutlich gezeigt. Aber letztendlich wird man am Erfolg gemessen. Und wenn man sich die Kriege/Feldzüge seitdem anschaut, erscheinen die Leistungen der WH wie ein Wunder. Ob es nochmal eine Armee schafft, solche Bewegungskriege durchzuführen und reihenweise deutlich stärkere Gegner zu schlagen ?

Unsere Soldaten sollten wieder mehr den alten Clausewitz lesen, der Krieg ist ein chaotisches System (zumindest unter ebenbürtigen Gegnern) und in diesem ist der erfolgreich, der rasch neue Lagen erkennt und sie ausnützt, improvisieren kann und große Selbständigkeit fördert. Und genau dahin wurde der deutsche Soldat früher erzogen und ausgebildet, weil wir immer in einem Zweifrontenkrieg gegen überlegene Gegner kämpfen mußten.

Und genau das war in diesen Einsätzen/Kriegen geringer Intensität gegen zumindest technologisch stets deutlich unterlegenen Gegner nicht mehr gefordert und verkümmerte bzw. wurde bei manchen Armeen aus unterschiedlichen Gründen nie in dem Maße ausgebildet.

Heute sind manche Einsätze eher ein bürokratischer Vorgang, der weitgehend unbeeinflußt vom Gegner abgewickelt wird. Aber damit wird man in einem Krieg auf Augenhöhe nicht bestehen können. Wobei ich hier eigentlich nur China sehe, wo sicherlich Marine und Luftwaffe eine große Komponente haben werden. Und ob die Chinesen diese Fähigkeiten haben, muß sich erst beweisen. Linke totalitäre Systeme haben diese Stärken i.d.R. nicht. Aber man sollte den Gegner nie unterschätzen.
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Rudi:

Bezüglich Artilleriearmee: aktuell gibt es auch eine ganze Reihe von Diskussionen darüber, inwieweit nicht weitreichende präzise Artillerie die Luftwaffe ersetzen könnte und sollte. Und hat man eine funktionierende Luftraumverteidigung, kann eine Armee welche sehr stark auf die eigene Luftüberlegenheit setzt durch eine solche Auslegung erhebliche Schwierigkeiten bekommen.

Das Problem der rusisschen Armee ist daher meiner Meinung nach gar nicht so sehr das Konzept, beispielsweise könnten die rusisschen Bataillonskampfgruppen welche für Russland eher nicht funktioniert haben bei westlichen Armeen sehr gut funktionieren. Das Problem ist also nicht, dass die Russen so sehr auf Artillerie setzen, sondern dass diese nicht präzise ist, keine so hohe Reichweite hat (im Vergleich) und dass die Aufklärungsmittel und die Leitung des Feuers veraltet und quantitativ unzureichend sind.

Eine Artilleriearmee kann funktionieren, dass sie für die Russen nicht so funktioniert liegt daran, dass ihre Artillerie schlicht und einfach veraltet ist. Das betrifft nicht nur den größten Teil der Systeme, dass betrifft vor allem auch die verwendete Munition. Man muss sich ja mal nur genauer ansehen was da einschlägt. Fast alles nur einfache Aufschlagzünder! Einfach andere Zünder und andere Typen von Granaten, und die Ukrainer könnten bereits hier und heute ihre Stellungssysteme kaum mehr halten.

Das soll jetzt nicht umgekehrt bedeuten, dass sich der Westen TM von seinem Schwerpunkt bei der Luftwaffe wegbewegen sollte, ganz im Gegenteil. Aber man sollte militärische Konzepte nicht allein aufgrund einer sehr schlechten schlechten Umsetzung derselben beurteilen. Sondern eher nach ihrem Potential.

Zitat: letztendlich wird man am Erfolg gemessen. Und wenn man sich die Kriege/Feldzüge seitdem anschaut, erscheinen die Leistungen der WH wie ein Wunder.

Man könnte sie in vielen Situationen auch als ein Vabanquespiel bezeichnen, oder als bloßes Hasardeurtum. Und wenn ein Hasardeur dann Erfolg hat (aus welchen Gründen und Umständen auch immer), so wirkt dies naturgemäß wie ein Wunder oder wie ein Geniestreich. Auch die russische Armee hat hier gleich der Wehrmacht agiert und extremste Risiken eingegangen und das hätte theoretisch aufgehen können. Der Krieg in der Ukraine hätte gleich im ersten Auftakt auch anders verlaufen / enden können.

Nun war die Wehrmacht in den genannten wesentlichen Punkten zweifelsohne besser als es die russische Armee heute ist, aber ungeachtet allen Könnens war es doch sehr oft trotzdem nur Hasardeurtum und der Erfolg daher eben nicht dem militärischen Genie geschuldet, sondern ganz vielen durch Zufall perfekt ineinander greifenden Umständen und auch Zufällen.

Zitat:Ob es nochmal eine Armee schafft, solche Bewegungskriege durchzuführen und reihenweise deutlich stärkere Gegner zu schlagen ?

Siegreiche Schlachten sind kein gewonnener Krieg. Schlussendlich hat die Wehrmacht verloren, dass sollte man unbedingt beachten. An dieser Stelle kommt dann immer das Argument, dass die Feinde halt wirtschaftlich heillos überlegen gewesen wären etc. Aber das stimmt als monokausale Erklärung so nicht. Wir könnten das aber in einem anderen Strang noch weiter vertiefen, hier führt es jetzt zu weit weg vom Thema.

Zitat:Heute sind manche Einsätze eher ein bürokratischer Vorgang, der weitgehend unbeeinflußt vom Gegner abgewickelt wird. Aber damit wird man in einem Krieg auf Augenhöhe nicht bestehen können.

Exakt so ist es, und exakt so ist es bei der russischen Armee, die extrem bürokratisch ist und bei der sehr vieles nach der bloßen Logik einer nicht-intelligenten Maschine funktioniert, die einfach vor sich hin läuft ohne Sinn und Verstand und Prozesse abspult, egal ob diese nun Sinn machen oder nicht. Exakt das also könnten und sollten wir von Russland lernen, denn auch die Bundeswehr ist viel zu weitgehend bürokratisiert, ist eine Behörde mit Beamten statt Soldaten.
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